TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/9 G307 2217311-1

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Veröffentlicht am 09.06.2020
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Entscheidungsdatum

09.06.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §55
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

G307 2217311-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. am XXXX , StA. Nordmazedonien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.03.2019, Zahl XXXX zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

1. Am XXXX 2018 erstatte die Bereitschaftseinheit der Einsatzabteilung der Landespolizeidirektion XXXX (im Folgenden: BE) gegen den Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) Anzeige wegen Überschreitung der höchst zulässigen Aufenthaltsdauer im Schengenraum.

2. Am 06.06.2018 wurde der BF von einem Organ des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien (im Folgenden: BFA) zwecks Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme einvernommen.

3. Am selben Tag stellte der BF bei der belangten Behörde, ohne persönlich vor Ort zu erscheinen und das hiefür vorgesehene Formular zu verwenden, einen schriftlichen Antrag auf Erteilung einer „fremdenrechtlicher Bewilligung aus humanitären Gründen“.

4. Dem am 19.06.2018 von Seiten des Bundesamtes dem BF erteilten Verbesserungsauftrag, diesen Antrag dort persönlich einbringen zu müssen, kam dieser nach und übergab das dafür vorgesehene Formular samt angeforderter Unterlagen am 12.07.2018 dem BFA.

5. Am 14.02.2019 wurde der BF neuerlich vor der belangten Behörde einvernommen.

6. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid des BFA, der BF persönlich zugestellt am 25.03.2019, wurde der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK vom 24.10.2018 gemäß § 55 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), gegen den BF gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Nordmazedonien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.) sowie dem BF gemäß § 55 Abs. 1 und Abs. 1 bis 3 eine 14tägige Frist zur freiwilligen Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt (Spruchpunkt IV.).

7. Gegen diesen Bescheid erhob der BF mit Schreiben vom 02.04.2019, beim BFA eingebracht am 03.04.2019, Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin wurde beantragt, den Bescheid zur Gänze aufzuheben, in eventu die Sache an die „Vorinstanz“ zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

8. Die Beschwerde und der zugehörige Verwaltungsakt wurden vom BFA dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 09.04.2019 vorgelegt und langten dort am 11.04.2019 ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF führt die im Spruch angegebene Identität (Name und Geburtsdatum), ist seit XXXX 2017 mit XXXX , geb. am XXXX in XXXX verheiratet, hat mit dieser den am XXXX geborenen Sohn namens XXXX und wohnt mit den beiden in Wien im gemeinsamen Haushalt. Die Frau des BF verfügt über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt EU“. Der BF ist mit seiner Frau zusammen krankenversichert.

1.2. Der BF hält sich seit 06.08.2017 durchgehend in Österreich auf. Der ursprüngliche Grund für seine Einreise war vom Wunsch getragen, mit seiner Frau zusammenzuleben. Er lebt vom Einkommen seiner Frau.

1.3. Der BF stellte am 17.08.2017 bei der Abteilung 35 des Magistrats der Stadt XXXX (MA 35) einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“, welcher wegen Nichterfüllung der Voraussetzungen für den Familiennachzug mit Bescheid der besagten Behörde vom 18.09.2017, Zahl XXXX , abgewiesen wurde. Im Wesentlichen wurde diese Entscheidung damit begründet, die Ehegattin des BF habe (damals) das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet (gehabt). Der BF verfügte bis dato in Österreich noch über keinen – wie auch immer gearteten – Aufenthaltstitel.

1.4. Der BF verblieb entgegen dieser Entscheidung dennoch im Bundesgebiet, wurde am XXXX 2018 um 08:10 Uhr in der U-Bahn- XXXX in XXXX betreten und wegen Überschreitung der gemäß Art 6 Schengener Grenzkodex höchstzulässigen Aufenthaltsdauer von 90 Tagen innerhalb von 180 Tagen zur Zahl XXXX zur Anzeige gebracht. Der BF hält sich seit zumindest 05.11.2017 rechtswidrig im Bundesgebiet auf.

1.5. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF an irgendwelchen Krankheiten leidet. Er ist arbeitsfähig, spricht Deutsch auf „A2“-Niveau und ist strafrechtlich unbescholten.

1.6. Der BF ging in Österreich bis dato keiner Beschäftigung nach und verfügt über eine Einstellungszusage der XXXX vom 08.09.2017 in XXXX Wien.

1.7. Die Frau des BF war bis zum Beginn des Mutterschutzes am XXXX 2019 bei der XXXX in XXXX Wien im Angestelltenverhältnis beschäftigt und erhielt hiefür rund € 1.415,00 netto monatlich. Seit XXXX .2019 bezieht sie Arbeitslosenunterstützung in der Höhe von etwa € 1.400,00 monatlich.

1.8. Neben seiner Frau und seinem Sohn leben in Österreich noch ein Bruder ( XXXX ), ein Cousin und zwei Onkel des BF. Es konnte nicht festgestellt werden, dass zwei weitere Brüder, zwei Schwestern und die Eltern des BF in Deutschland leben. Abgesehen von der Beziehung zu seiner Kernfamilie konnten keine engen persönlichen Bindungen zu anderen im Bundesgebiet aufhältigen Personen festgestellt werden.

2. Beweiswürdigung

2.1. Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

2.2. Der oben festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht und von Seiten des Bundesamtes geführten Ermittlungsverfahrens und wird in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zu Identität, Staatsbürgerschaft, Familienstand, Existenz eines Sohnes, gemeinsamer Haushaltsführung mit dem Sohn und der Ehegattin, Verbleib und Existenz der Onkel, des Cousins und des Bruders getroffen wurden, ergeben sich diese aus den beiden Einvernahmen des BF vor dem Bundesamt am 06.06.2018 und 14.02.2019 (AS 19 und 87), den im Akt einliegenden Stellungnahmen, der Geburtsurkunde des Sohnes und der Heiratsurkunde (AS 45).

Der BF legte zum Nachweis seiner Identität einen auf seinen Namen ausgestellten nordmazedonischen Reisepass vor, an dessen Echtheit und Richtigkeit keine Zweifel aufgekommen sind.

Den Einreisezeitpunkt und –grund hat der BF selbst glaubwürdig angegeben und ist mit dem jüngsten Einreisestempel in dessen Reisepass in Einklang zu bringen. Das in der Anzeige der BE angeführte Einreisedatum „06.08.2018“ kann nicht stimmen, weil diese bereits am 27.04.2018 erstattet wurde. Es dürfte sich dort um einen Tippfehler handeln.

Im Zuge seiner ersten Einvernahme behauptete der BF, seine Eltern und Geschwister lebten im Herkunftsstaat, wohingegen er in der zweiten Befragung vor der belangten Behörde meinte, die Eltern und 4 seiner Geschwister lebten in Deutschland. Diesen Widerspruch vermochte der BF – etwa durch die Vorlage dahingehender Bescheinigungsmittel – nicht aus dem Weg zu räumen. Dass sich sein Bruder XXXX in Österreich aufhält, konnte durch Nachschau im ZMR belegt werden. Auch aus dem Vorbringen, ein Cousin und zwei Onkel lebten in Österreich, ergeben sich – in Abstimmung mit dem restlichen Akteninhalt – keine Gegensätze zu den restlichen Ausführungen des BF.

Der BF hat selbst angegeben, bisher weder in Österreich noch sonst in anderem anderen EU-Staat gearbeitet zu haben. Dies deckt sich mit dem Inhalt des auf seinen Namen lautenden Sozialversicherungsdatenauszuges.

Aus dem ZMR ergibt sich auch, dass der BF bisher dauernd mit seiner Frau und nunmehr auch mit seinem Kind an derselben Anschrift wohnhaft war und ist.

Der Aufgriff des BF vorn Beamten der BE ist der diesbezügliche Anzeige auf AS 5 zu entnehmen.

Der BF legte ein Deutschzertifikat (AS 27) des Niveaus „A2“ vor.

Dem gegenständlichen Sachverhalt waren keine Anzeichen für das Vorliegen von Krankheiten zu entnehmen. Da der BF über eine Einstellungszusage verfügt (AS 39) ist davon auszugehen, dass er arbeitsfähig ist.

Aus dem Zentralen Fremdenregister (ZFR) ist ersichtlich, dass der BF bis dato keinen Aufenthaltstitel besessen hat. Die Abweisung des Antrages auf Ausstellung einer Rot-Weiß-Rot-Karte plus ergibt sich aus dem Bescheid der MA 35 auf AS 1. Der rechtswidrige Aufenthalt des BF seit dem 05.11.2017 ergibt sich aus Hinzuzählung von 90 Tagen zum Tag der Einreise, dem 06.08.2017. Da der BF selbst eingestanden hat, seitdem durchgehend im Bundesgebiet zu sein, besteht an seinem illegalen Verbleib in Österreich seit diesem Datum kein Zweifel.

Die Höhe des zuletzt von der Ehegattin des BF bezogene Gehalt ist aus der Bestätigung auf AS 69 ersichtlich; dass der BF mit dieser mitversichert ist, folgt dem Inhalt der Bestätigung der WGKK auf AS 67 und der der Frau des BF ausgestellte Aufenthaltstitel aus einer dahingehenden Kopie auf AS 41. Die vor der Karenz ausgeübte Tätigkeit der Frau ist dem Inhalt des auf ihren Namen lautenden Sozialversicherungsdatenauszuges entnehmbar.

Die strafrechtliche Unbescholtenheit des BF folgt dem Amtswissen des erkennenden Gerichtes durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich.

Die Sicherung des Lebensunterhalts durch das Einkommen seiner Frau (derzeit Arbeitslosengeld, dessen Höhe sich aus deren Versicherungsdatenauszug ergibt) hat der BF plausibel dargelegt, zumal er selbst keinerlei staatlichen Leistungen bezieht, kein eigenes Einkommen hat und mit ihr im gemeinsamen Haushalt lebt.

Dass der BF – außer zu seiner Frau und seinem Sohn – über keine weiteren, engen Beziehungen zu in Österreich aufhältigen Personen verfügt, ist dem Umstand geschuldet, dass er bis jetzt mit keinem der weiteren oben genannten Verwandten im gemeinsamen Haushalt gelebt, dezidiert behauptet hat, er kümmere sich um Haushalt und Kind und es keine zusätzlichen Belege für einen engen Kontakt zu Onkeln, Bruder und Cousins gibt.

Dass der BF – wie in der Beschwerde hervorgehoben – keinerlei Bindungen mehr zu seiner Heimat hat, kann nicht gesagt werden. Er hielt sich nämlich bis August 2017 in Nordmazedonien auf und „erzwang“ quasi den Aufenthalt in Österreich, um bei seiner Familie bleiben zu können.

Es kann nicht gesagt werden, dass seine Frau und sein Sohn gezwungen wären, bei einer Ausweisung des BF ebenso in den Herkunftsstaat zu ziehen, weil es dem BF möglich und erlaubt wäre, 90 Tage innerhalb von 180 Tagen in Österreich zu verbringen und er (nunmehr) die Option hätte, vom Ausland aus den Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte-plus“ zu beantragen, zumal seine Frau aktuell bereits 22 Jahre alt ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zur Abweisung der Beschwerde:

3.1.1. Der mit „Rückkehrentscheidung“ betitelte § 52 FPG lautet:

§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich
1.         nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder
2.         nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1.         dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,
2.         dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
3.         ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
4.         ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1.         nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,
1a.         nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,
2.         ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,
3.         ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,
4.         der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder
5.         das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.

(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 ist abzusehen, wenn ein Fall des § 45 Abs. 1 vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.

(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.

(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde.

Gemäß § 58 Abs. 13 AsylG begründen Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. Bei Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 hat das Bundesamt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag jedoch mit der Durchführung der einer Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten, wenn
1.         ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung erst nach einer Antragstellung gemäß § 56 eingeleitet wurde und
2.         die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 wahrscheinlich ist, wofür die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Z 1, 2 und 3 jedenfalls vorzuliegen haben.

Der „Voraussetzungen für den rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet“ betitelte § 31 FPG lautet:

§ 31. (1) Fremde halten sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf,
1.         wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthaltes oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;
2.         wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;
3.         wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind bis zu drei Monaten (Artikel 21 SDÜ gilt), sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen;
4.         solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach dem AsylG 2005 zukommt;
5.         bis zur Entscheidung über einen Verlängerungsantrag (§ 2 Abs. 4 Z 17a), solange der Aufenthalt als Saisonier in den vergangenen zwölf Monaten insgesamt die Dauer von neun Monaten nicht überschreitet;
6.         wenn sie Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels für unternehmensintern transferierte Arbeitnehmer gemäß ICT-Richtlinie eines anderen Mitgliedstaates sind, der das SDÜ nicht vollständig anwendet, und § 18 Abs. 13 AuslBG erfüllen, solange ihr Aufenthalt im Bundesgebiet in den vergangenen 180 Tagen nicht insgesamt die Dauer von 90 Tagen überschreitet und die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 lit. e SGK erfüllt sind;
7.         wenn sie gemäß der Forscher und Studenten-Richtlinie Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels „Forscher“ eines anderen Mitgliedstaates sind und eine Tätigkeit für eine Forschungseinrichtung ausüben, die gemäß § 1 Abs. 2 lit. h AuslBG vom sachlichen Anwendungsbereich des AuslBG ausgenommen ist, oder als deren Familienangehörige Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels eines anderen Mitgliedstaates sind, solange jeweils ihr Aufenthalt im Bundesgebiet in den vergangenen 360 Tagen nicht insgesamt die Dauer von 180 Tagen überschreitet und die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 lit. e SGK erfüllt sind;
8.         wenn sie gemäß der Forscher und Studenten-Richtlinie Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels „Student“ eines anderen Mitgliedstaates sind und an einem Unions- oder multilateralen Programm mit Mobilitätsmaßnahmen teilnehmen oder für sie eine Vereinbarung zwischen zwei oder mehreren Hochschuleinrichtungen besteht, solange ihr Aufenthalt im Bundesgebiet nicht insgesamt die Dauer von 360 Tagen überschreitet und die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 lit. e SGK erfüllt sind, oder
9.         soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.

(1a) Liegt kein Fall des Abs. 1 vor, halten sich Fremde nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf; dies insbesondere, wenn sie
1.         auf Grund eines Rückübernahmeabkommens (§ 19 Abs. 4) oder internationaler Gepflogenheiten rückgenommen werden mussten,
2.         auf Grund einer Durchbeförderungserklärung, sonstiger zwischenstaatlicher Abkommen oder auf Ersuchen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union um Durchbeförderung (§ 45b Abs. 1) oder auf Grund einer Durchlieferungsbewilligung gemäß § 47 ARHG oder § 35 des Bundesgesetzes über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-JZG), BGBl. I Nr. 36/2004, eingereist sind,
3.         geduldet sind (§ 46a) oder
4.         eine Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 erhalten haben.

(Anm.: Abs. 2 und 3 aufgehoben durch Art. 2 Z 48, BGBl. I Nr. 145/2017)

(4) Kinder, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, halten sich während der ersten sechs Lebensmonate rechtmäßig im Bundesgebiet auf, sofern die Mutter oder ein anderer Fremder, dem Pflege und Erziehung des Kindes zukommt, rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen ist; dies gilt, solange der Betreffende rechtmäßig niedergelassen bleibt, bei Ableitung vom Vater überdies nur, wenn diesem das Recht zur Pflege und Erziehung allein zukommt. Außerdem sind solche Kinder während der ersten sechs Lebensmonate rechtmäßig aufhältig, sofern und solange deren Pflege und Erziehung einem österreichischen Staatsbürger mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet allein zukommt.

Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung des Art 6 Schengener Grenzkondex hält sich der BF seit 05.11.2017 rechtswidrig im Bundesgebiet auf. Da der BF einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG gestellt hat, hat das Bundesamt seine Rückkehrentscheidung zu Recht auf § 52 Abs. 3 FPG gestützt.

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG idgF lautet:

§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1.         die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2.         das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3.         die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4.         der Grad der Integration,
5.         die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6.         die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7.         Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8.         die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9.         die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.

3.1.2. Der mit „Aufenthaltsberechtigung aus Gründen des Art 8 EMRK betitelte § 55 AsylG lautet:

§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn
1.         dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und
2.         der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

Der Begriff des Privatlebens iSd Art. 8 EMRK ist weit zu verstehen und umfasst das persönliche und berufliche Umfeld eines Menschen, in dem er mit anderen interagiert. Nach ständiger Rechtsprechung des EGMR ist die Gesamtheit der sozialen Beziehungen zwischen einem ansässigen Migranten und der Gemeinschaft, in der er lebt, integraler Bestandteil des Begriffs des Privatlebens (EGMR 13.10.2011, 41548/06, Trabelsi/DE; EGMR [GK] 23.06.2008, 1638/03, Maslov/AT). Dazu zählen auch berufliche und geschäftliche Beziehungen. Wie stark das Privatleben ausgeprägt ist, hängt in erster Linie von der Dauer des Aufenthalts ab. Für die Annahme eines in den Schutzbereich von Art. 8 EMRK fallenden Privatlebens ist keine konkrete Mindestaufenthaltsdauer erforderlich. Die bereits in Österreich verbrachte Zeit und die dabei erfolgte Integration ist erst bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu beachten (vgl. Peyerl/Czech in Abermann ua. (Hrsg), NAG § 11 Rz 38).

3.1.3. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich:

Dass im Falle des BF ein Familienleben vorliegt, steht außer Zweifel. Er übersieht jedoch, dass diese ausschließlich aus seinem eigenen Blickwinkel getätigte Sichtweise hier nicht mit der Realität von Gesetz und Rechtsprechung konformgeht. Die Meinung, er könne außerhalb Österreichs kein Familienleben führen, allein, vermag aus rechtlicher Sicht noch kein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet zu begründen.

Zu beachten ist ferner, dass der BF seine Frau zwar knapp vor seiner Einreise am 06.08.2017, nämlich am XXXX 2017, geheiratet hat, in Österreich jedoch kein nahtloses Familienleben führen durfte. Er verweilte – wenn auch menschlich nachvollziehbar – entgegen § 31 FPG weit über die höchst zulässige Aufenthaltsdauer hinaus im Bundesgebiet, um (vorerst nur) bei seiner Frau, und (sodann auch) bei seinem Sohn bleiben zu können, reiste seit August 2017 aber nicht mehr aus. In einem solchen Fall kann man sogar – wie bereits oben angedeutet – davon sprechen, dass der BF seinen Aufenthalt – vermittelt über § 55 AsylG – „erzwingen“ will. Demgemäß vermögen selbst die Deutschkenntnisse des Niveaus „A2“ dem BF kein Aufenthaltsrecht im erwähnten Sinne zu vermitteln.

So hat der VwGH etwa in seiner Entscheidung vom 23.01.2020, Zahl Ra 2019/21/0306 unter anderem erwogen, dass es sich bei einer Aufenthaltsdauer im Bereich von drei Jahren jedenfalls um eine "außergewöhnliche Konstellation" handeln müsse, um die Voraussetzungen für die Erteilung eines "Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 MRK" zur Aufrechterhaltung eines Privat- und Familienlebens gemäß § 55 AsylG 2005 (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101) zu erfüllen (vgl. VwGH 10.4.2019, Ra 2019/18/0049; VwGH 10.4.2019, Ra 2019/18/0058).

Von einer außergewöhnlichen Konstellation kann im Fall des BF nicht gesprochen werden.

Die Beschwerde war angesichts dieser auf den BF anwendbaren Judikatur und folglich in Ermangelung des Fehlens der Voraussetzungen nach § 55 AsylG als unbegründet abzuweisen.

3.2. Entfall der mündlichen Verhandlung

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFAVG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Zahl Ra 2014/20/0017 und 0018-9, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung „wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint“ unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) vom 12.03.2012, Zl. U 466/11 ua., festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFAVG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde vorangegangen. Für eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens ergeben sich aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr wurde den Grundsätzen der Amtswegigkeit, der freien Beweiswürdigung, der Erforschung der materiellen Wahrheit und des Parteiengehörs entsprochen. So ist die belangte Behörde ihrer Ermittlungspflicht hinreichend nachgekommen. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt wurde nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet.

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes konnte im vorliegenden Fall die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben, weil der maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde samt Ergänzung geklärt war. Was das Vorbringen der BF in der Beschwerde betrifft, so findet sich in dieser kein neues bzw. kein ausreichend konkretes Tatsachenvorbringen, welches die Durchführung einer mündlichen Verhandlung notwendig gemacht hätte.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Abschiebung Interessenabwägung öffentliche Interessen Resozialisierung Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G307.2217311.1.00

Im RIS seit

21.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

21.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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