TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/15 G305 2176587-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.06.2020
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Entscheidungsdatum

15.06.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

G305 2176587-2/16E

G305 2193984-1/18E

G305 2194071-1/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Einzelrichter über die Beschwerden 1.) des

XXXX , alias XXXX , alias XXXX , geb. am

XXXX , 2.) des XXXX , alias XXXX , alias XXXX , geb. XXXX und 3.) des XXXX , alias XXXX , alias XXXX , geb. XXXX , alle irakische Staatsangehörige, alle vertreten durch die ARGE Rechtsberatung (Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH), gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD XXXX jeweils vom XXXX .03.2018,

Zl. XXXX (BF1), Zl. XXXX (BF2) und Zl. XXXX (BF3)

nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3 und § 57 AsylG iVm. § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Am XXXX .05.2015 stellte der zum Aufenthalt im Bundesgebiet nicht berechtigte XXXX , alias XXXX , alias XXXX , geb. am XXXX (in der Folge: Erstbeschwerdeführer oder kurz: BF1), vor Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörden einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am XXXX .02.2016 stellten die zum Aufenthalt im Bundesgebiet nicht berechtigten und damals noch minderjährigen XXXX , alias XXXX , alias XXXX , geb. XXXX (in der Folge: Zweitbeschwerdeführer oder kurz: BF2) und XXXX , alias XXXX , alias XXXX , geb. XXXX (in der Folge: Drittbeschwerdeführer oder kurz: BF3), vor Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörden einen Antrag auf internationalen Schutz.

Alle Beschwerdeführer sind irakische Staatsangehörige und Angehörige der sunnitisch-muslimischen Glaubensrichtung.

1.2. Am XXXX .05.2015 wurde der BF1 von Organen der Polizeiinspektion XXXX niederschriftlich einvernommen.

Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der BF1 an, dass sein Vater in Syrien erneut geheiratet habe und ihm, seinen Geschwistern und seiner Mutter Probleme gemacht hätte, weswegen er mit diesen wieder in den Irak zurückgekehrt sei. Der Vater habe deren Aufenthaltsort ausfindig gemacht und weiterhin Probleme bereitet, weswegen seine Mutter und seine Geschwister mit dem Vater nach Syrien gegangen seien. Nachdem er in der Türkei vom Tod seiner Mutter erfahren habe, habe er den Entschluss gefasst, nicht in seine Heimat zurückzukehren [BF1, Erstbefragung S. 5].

Zur Reiseroute befragt, gab der BF1 an, im Jahr 2009 legal mit seiner Familie nach Syrien gefahren zu sein. Im Februar 2012 sei er mit seiner Mutter und den Geschwistern in den Irak zurückgekehrt und habe bis 2013 in XXXX , dann in XXXX gelebt. Am 20.06.2014 sei er legal in die Türkei gereist, wo er sich bis Anfang Mai 2015 aufgehalten habe. Von dort sei er schlepperunterstützt - illegal - nach Griechenland eingereist, wo er auf der Insel Mytilini von den Behörden aufgehalten wurde und ihm Fingerabdrücke abgenommen worden seien. Nach vier Tagen sei er schlepperunterstützt nach Athen weitergereist, und nach weiteren zwei Tagen über ihm unbekannte Länder nach Österreich gelangt. Von XXXX sei er mit zwei weiteren Personen mittels Taxi nach XXXX gefahren. Die gesamte Reise habe von XXXX .06.2014 bis zum XXXX .05.2015 gedauert, sei ab der Türkei durch Schlepper organisiert worden und habe EUR 6.500 gekostet [BF1, Erstbefragung S. 4f].

Eine von den öffentlichen Sicherheitsorganen durchgeführte EURODAC-Abfrage erbrachte beim BF1 einen Treffer zu Griechenland ( XXXX ) [BF1, Erstbefragung S. 5]

1.3. Am XXXX .02.2016 wurden der BF2 und der BF3 von Organen der Polizeiinspektion XXXX niederschriftlich einvernommen.

Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der BF2 an, dass er von Schiiten bedroht worden sei, wenn er XXXX nicht verlassen würde [BF2, Erstbefragung S. 5].

Zur Reiseroute befragt, gab er an, seinen Herkunftsstaat mit dem Flugzeug in Richtung Istanbul (Türkei) verlassen zu haben. Nach einem viermonatigen Aufenthalt dort habe er zwei Tage in Griechenland verbracht und sei dann über die „Balkanroute“ nach Österreich gelangt. Die Reise sei ab der Türkei durch Schlepper organisiert worden und habe USD 700 gekostet [BF2, Erstbefragung S. 4f].

Der BF3 bestätigte den Fluchtgrund des BF2 und auch die von ihm genannte Reiseroute. Er konkretisiert bei seiner Befragung den Ort der Abreise mittels Flugzeug nach Istanbul mit XXXX [BF3, Erstbefragung S. 3f].

Eine von den öffentlichen Sicherheitsorganen durchgeführte EURODAC-Abfrage erbrachte sowohl beim BF2 als auch beim BF3 jeweils einen Treffer zu Griechenland (BF2: XXXX vom XXXX ; BF3: XXXX vom XXXX ) [BF2, Ergebnisbericht zum Eurodac Abgleich; BF3, Erstbefragung S. 5].

1.4. Mit Beschluss vom XXXX .02.2016 übertrug das Bezirksgericht XXXX dem BF1 die alleinige Obsorge für seine zu diesem Zeitpunkt minderjährigen Brüder, dies mit der Begründung, dass die damals minderjährigen Brüder in Österreich sonst über keine sonstigen Verwandten verfügen würden [Beschluss des BG XXXX vom XXXX .02.2016, Zl. XXXX ].

1.5. Am XXXX .09.2017 wurde der BF1 ab 11.20 Uhr durch Organe des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA oder belangte Behörde) einvernommen.

Bei dieser Einvernahme wiederholte er die von ihm bei der Erstbefragung erwähnten Probleme mit dem Vater und fügte hinzu, dass er auch Probleme mit seiner Sippe und mit Milizen habe. Seine Angaben konkretisierte er im Rahmen der Erstbefragung dahingehend, dass er im Jahr 2009 mit seiner Familie nach Syrien gegangen sei. Sein Vater habe seine Mutter, seine Geschwister und ihn schlecht behandelt. Als er gearbeitet habe, habe ihm sein Vater das erwirtschaftete Geld weggenommen. Daraufhin sei er mit seiner Mutter und seinen Geschwistern an einen anderen Ort in XXXX gezogen, was den Vater erbost haben soll. Darauf habe er sich ihm widersetzt. Der Vater habe als Reaktion hierauf andere Personen bezahlt, um ihn, den BF1, zu töten. Aus Angst sei er mit seiner Mutter und seinen Geschwistern in den Irak zurückgekehrt, nachdem er einen nicht festgestellten Dritten für die Ausreise bestochen habe. Die Familie habe anfänglich bei einer Freundin der Großmutter in XXXX unterkommen können und er selbst für den Lebensunterhalt aller gearbeitet. Da die Verfolgungshandlungen durch den Vater nicht aufgehört hätten - dieser soll sich zwischenzeitig im Irak befunden haben - und dieser mit seiner Sippe ausgemacht habe, dass er getötet werden solle, sei er mit seiner Mutter und den Geschwistern nach XXXX zu einem Freund gezogen. Um die Situation mit dem Vater zu bereinigen, sei seine Mutter mit den Geschwistern zum Vater nach Syrien zurückgekehrt, während er in XXXX verblieben sei. Im Jahr 2014 seien Mitglieder der „Asaib Ahl Al Haqq“ Miliz in jenes Restaurant gekommen, in welchem er arbeitete und hätten sie ihn aufgefordert, für sie gegen den Islamischen Staat (in der Folge so oder IS) zu kämpfen, um zu zeigen, dass er, als Sunnit, nicht dem IS angehöre. Würde er sich nicht daran halten, würde er im ganzen Land gefunden und bestraft werden. Hierauf habe er seine Wohnung in XXXX verlassen und sei über XXXX in die Türkei ausgereist. Am XXXX .06.2014 sei er in der Türkei angekommen und habe am 21.06.2014 vom Tod seiner Mutter erfahren, die aufgrund eines Schocks nach einer Bombendetonation in ihrer Nähe verstorben sei. Bei dieser Befragung gab der BF1 auch an, dass seine Brüder (die Mitbeschwerdeführer) von Syrien weg in die Türkei nach Österreich gereist seien [NS-BFA des BF1, S. 6f].

Bei dieser Befragung brachte er mehrere Staatsbürgerschaftsnachweise, Flüchtlings-Aufenthaltskarten, diverse Bestätigungen und Empfehlungsschreiben zur Vorlage.

1.6. Am XXXX .02.2018 wurden der BF2 ab 9.45 Uhr und der BF3 ab 12.20 Uhr durch Organe des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA oder belangte Behörde) einvernommen.

Aus eigenem heraus gab der BF2 an, dass er 2013 zuletzt im Irak gewesen sei und aus Syrien nach Österreich gereist sei. Seine Mutter sei zudem in Syrien und nicht im Irak verstorben und auch er habe den Irak erstmals 2009 in Richtung Syrien verlassen.

Er bestätigte bei der Befragung zu seinen Fluchtgründen die vom BF1 genannten Umstände und Probleme mit dem Vater und auch den Tod der Mutter. Nach der - auch vom BF1 genannten - Rückkehr des BF2 und BF3 samt deren Mutter und Schwestern nach Syrien habe der Vater alle weiterhin schlecht behandelt und ihnen das nach dem Tod der Mutter verdiente Geld weggenommen. Er habe seine ältere Schwester in den Irak zum Heiraten geschickt, die jüngere Schwester sei mit ihr mitgegangen. Am Ende habe der Vater gewollt, dass sich der BF2 und BF3 der Gruppe „Abu Alfadel Al Abbas“ anschließen und Waffen tragen sollten. Die BF2 und BF3 hätten dies der Großmutter väterlicherseits erzählt, woraufhin diese beiden zur Flucht über den Libanon in die Türkei verholfen habe und später dorthin nachgekommen sei [NS-BFA des BF2, S. 8f].

Bei dieser Befragung legte der BF2 eine Bestätigung für den Besuch eines Alphabetisierungskurses vor.

Der BF3 wurde im Beisein des BF1, als dessen gesetzlicher Vertreter, befragt und bestätigte er die Angaben des BF2 hinsichtlich der Probleme mit dem Vater, des Todes der Mutter und der von der Großmutter väterlicherseits unterstützten Flucht.

1.7. Mit jeweils zum XXXX .03.2018 datierten Bescheiden der belangten Behörde, wies das BFA die Anträge der beschwerdeführdenden Parteien (im der Folge auch: Beschwerdeführer oder kurz: bfP) vom XXXX .05.2015 bzw. vom XXXX .02.2016 auf Erteilung von internationalem Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.) und sprach aus, dass ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt werde (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt werde, dass die Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass die bfP keine asylrelevanten Bedrohungen glaubhaft machen konnten, da ausschließlich familiäre Zwistigkeiten vorgebracht worden seien.

1.8. Gegen die zum XXXX .03.2018 datierten Bescheide erhoben die bfP Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin erklärten sie, dass sie die sie betreffenden Bescheide - gestützt auf die Beschwerdegründe „inhaltliche Rechtswidrigkeit“ und „Verletzung von Verfahrensvorschriften“ - vollumfänglich anfechten und verbanden ihre jeweilige Beschwerde mit den Anträgen, dass 1.) die angefochtenen Bescheide zur Gänze behoben und ihnen der Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG zuerkannt werden möge, 2.) für den Fall der Abweisung möge ihnen gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat zuerkannt werden und Spruchpunkt III. aufgehoben werden, 3.) möge festgestellt werden, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei und daher festgestellt werden, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung plus gemäß § 55 Abs. 1 AsylG vorliegen und ihnen daher gemäß § 58 Abs. 2 AsylG ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG von Amts wegen erteilt werden, 4.) in eventu mögen die angefochtenen Spruchpunkte wegen Rechtswidrigkeit zur Gänze behoben werden und die Angelegenheit zur neuerlichen Erlassung eines Bescheides an das Bundesamt zurückverwiesen werden und 5.) eine mündliche Beschwerdeverhandlung anberaumt werden. In ihrer Beschwerde brachten die bfP im Kern vor, dass das BFA die Bedrohung durch die „Asaib Ahl Al Haqq“ Miliz nicht ausreichend berücksichtigt hätte und kaum familiäre Anknüpfungspunkte im Heimatstaat bestehen würden.

1.9. Am 30.04.2018 wurde die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt dem BVwG vorgelegt.

1.10. Das BVwG verband die gegenständlichen Rechtssachen zur gemeinsamen Verhandlung gemäß § 38 Abs. 2 AVG iVm § 17 VwGVG. Anlässlich einer am 09.08.2019 vor dem BVwG durchgeführten mündlichen Verhandlung wurden die beschwerdeführenden Parteien im Beisein ihrer Rechtsvertreterin (im Folgenden: RV), einer Behördenvertreterin (im Folgenden: BehV) und eines Dolmetschers für die arabische Sprache einvernommen. In der Niederschrift scheint der BF1 als BF2 auf, der BF2 als BF1.

1.11. Mit Eingabe vom 24.10.2019 übermittelten die bfP im Wege ihrer Rechtsvertretung eine Stellungnahme zu den am 11.10.2019 übermittelten ACCORD-Berichten [ACCORD-Berichte OZ 10; Stellungnahme der RV, OZ 12].

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Identitätsfeststellungen

Der Erstbeschwerdeführer führt die im Spruch angegebene Identität XXXX , alias XXXX , alias XXXX , geb. am XXXX . Er lebte bis zum Jahr 2009 in seinem Geburtsort XXXX und verließ zusammen mit seiner Familie den Herkunftsstaat in Richtung Syrien, wo er mit seinen Eltern und seinen Geschwistern lebte. Im Februar 2012 kehrte er nach XXXX zurück und übersiedelte im Jahr 2013 mit seiner Mutter und den Geschwistern nach XXXX , wo er bis zu seiner Ausreise im Juni 2014 lebte. Er gehört der arabischen Volksgruppe an und bekennt sich zur sunnitisch-islamischen Religionsgemeinschaft. Seine Muttersprache ist arabisch, er spricht zudem Englisch, Spanisch und Deutsch [Erstbefragung des BF1 S. 1 und S. 4; NS-BFA des BF1 vom 13.09.2017 S. 3f]. Laut eigenen Angaben im Rahmen der hg. Verhandlung ist der BF1 mit einer in Manchester (Großbritannien) lebenden Frau namens XXXX , verlobt [PV des BF1 vom XXXX .08.2019 S. 5 Mitte (der BF1 wird in der Niederschrift als BF2 bezeichnet, der BF2 als BF1)].

Der mittlerweile volljährige Beschwerdeführer führt die im Spruch angegebene Identität XXXX , alias XXXX , alias XXXX , geb. XXXX . Der Drittbeschwerdeführer führt die Identität XXXX , alias XXXX , alias XXXX , geb. XXXX . Der Zweit- und der Drittbeschwerdeführer wurden wie der Erstbeschwerdeführer in XXXX geboren und lebten die genannten dort bis zum Jahr 2009. Wie der BF1 übersiedelten sie mit der Familie nach Syrien und in der Folge ohne den Vater nach XXXX . Zu einem unbekannten Zeitpunkt übersiedelten die BF2 und BF3 mit deren Mutter und den Schwestern wieder nach XXXX , wo sie bis zu ihrer Ausreise im Jahr 2015 lebten [Erstbefragung des BF2 S. 1; NS-BFA des BF2 vom 12.02.2018 S. 3 und 8f; Erstbefragung des BF3 S. 1; NS-BFA des BF3 vom 12.02.2018 S3 und S. 5f]

Wie der BF1 gehören auch seine beiden Brüder der Ethnie der Araber an und sind auch diese Muslime, die sich zur sunnitischen Glaubensrichtung bekennen.

Die gesunden und arbeitsfähigen Beschwerdeführer haben ihren Hauptwohnsitz seit dem XXXX .09.2015 und XXXX .03.2016 im Bundesgebiet (der BF1 bis zum 24.02.2020 an der Anschrift XXXX , die BF2 und BF3 seit Februar 2020 an der Anschrift XXXX ). Derzeit scheint der BF1 meldeamtlich nicht im Zentralen Melderegister auf [Auszug aus dem Zentralen Melderegister - ZMR].

1.2. Zur Ausreise, Reise, Einreise der beschwerdeführenden Parteien in Österreich und ihrer darauffolgenden Asylantragstellung:

Die bfP lebten von Geburt an bis zu ihrer im Jahr 2009 erfolgten Ausreise nach Syrien in XXXX , in einem eigenen Haus welches im Eigentum des Vaters stand. Nach ihrer Rückkehr aus Syrien, im Februar 2012, lebten die bfP zuerst mit ihren Schwestern und der Mutter bei einer Freundin der Großmutter in XXXX und anschließend in einer Wohnung in XXXX , in welcher der BF1 nach der Trennung von seiner Mutter und seinen Geschwistern bis zu seiner Ausreise wohnhaft war [BF1 in NS-BFA S. 3f; PV des BF1 vom XXXX .08.2019 S. 12].

Der BF1 ist am XXXX .06.2014 legal von XXXX in die Türkei ausgereist und dort bis Mai 2015 verblieben. Von der Türkei aus gelangte er schlepperunterstützt mit einem LKW nach Mytilini. Dort verbrachte er vier Tage in einem Lager, wo Fingerabdrücke abgenommen wurden. Dann gelangte er über Athen und ihm unbekannte Länder bis nach XXXX . Von XXXX fuhr er mit zwei weiteren Personen in einem Taxi nach XXXX , wo er am XXXX .05.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Die Reise dauerte von XXXX .06.2014 bis XXXX .05.2015 [Erstbefragung des BF1 S. 4].

Die BF2 und BF3 gaben im Rahmen ihrer Erstbefragung an, die Reise nach Europa von ihrem Heimatstaat aus angetreten zu haben [Erstbefragung des BF2 S. 3f; Erstbefragung des BF3 S. 3f]. Diese Angaben korrigierten sie jedoch aus eigenem Heraus vor der belangten Behörde und gaben an, von Syrien ausgehend über den Libanon und die Türkei nach Europa gelangt zu sein. Nach der Ankunft auf der griechischen Insel Mytilini seien sie über die Balkanroute nach Österreich gelangt. Hierbei seien Sie bis in die Türkei von der Großmutter väterlicherseits unterstützt worden [NS-BFA des BF2 S. 3 und S.6f; PV des BF2 vom XXXX .08.2019 S. 17; NS-BFA des BF3 S. 3 und 5ff].

Alle bfP wurden auf der griechischen Insel Mytilini erkennungsdienstlich erfasst [Ergebnisberichte zum Eurodac Abgleich der bfP].

1.3. Zur individuellen Situation der beschwerdeführenden Parteien im Heimatstaat:

Im Herkunftsstaat (konkret in XXXX ) besuchte der BF1 sechs Jahre die Grundschule und drei Jahre die Hauptschule. Im Anschluss daran arbeitete er als XXXX zunächst in XXXX und in der Folge ebenfalls in diesem Beruf in Syrien. Bis zu seiner Ausreise war er in einem Restaurant in XXXX beschäftigt [Erstbefragung des BF1 S. 1;NS-BFA des BF1 S.3f; PV des BF1 vom XXXX .08.2019 S. 6].

Der BF2 hat im Herkunftsstaat durch vier Jahre hindurch die Grundschule in XXXX besucht, ohne diese zu beenden. Zuletzt arbeitete er als XXXX . Weitere berufliche Ausbildungen erlernte er nicht [Erstbefragung des BF2 S. 1; PV des BF2 vom XXXX .08.2019 S. 6].

Der BF3 besuchte in XXXX vier Jahre die Grundschule. Jedoch erlernte er keinen Beruf [Erstbefragung des BF3 S. 1; PV des BF3 vom XXXX .08.2019 S. 6].

Die im Herkunftsstaat lebende Kernfamilie der beschwerdeführenden Parteien besteht aus deren Schwestern XXXX , und XXXX . Die ältere Schwester ist verheiratet und hat eine Tochter. Alle leben gemeinsam mit dem Ehemann der älteren Schwester in einem etwa 100m² großen Haus der Schwiegereltern im Bezirk XXXX und sind sunnitisch-muslimischer Glaubensrichtung. Der Ehemann der XXXX ist als XXXX tätig und in der Lage, die Schwestern der beschwerdeführenden Parteien zu versorgen. Mit diesen stehen die bfP durchgehend in Kontakt [NS-BFA des BF1 S. 3; NS-BFA des BF2 S. 4; NS-BFA des BF3 S. 4; PV der BF1 vom XXXX .08.2019 S. 15; PV der bfP vom XXXX .08.2019 S. 8f]. Die Mutter der bfP ist 2014 verstorben. Zum Vater und dessen Verwandten besteht seit der Flucht kein Kontakt [NS-BFA des BF2 S. 7; PV der BF1 vom XXXX .08.2019 S. 15f].

Vor ihrer erstmaligen Ausreise nach Syrien und später vor der Flucht aus XXXX nach XXXX war es den bfP möglich, Lebensmittel, Wasser und andere Dinge des täglichen Bedarfs durch Kauf bei in der Nähe ihres ehemaligen Einfamilienhauses gelegenen Geschäften zu decken. Wasser konnte aus den Wasserleitungen bezogen werden und war dieses auch genießbar. Das Wohnhaus befand sich im selben Bezirk, in welchem gegenwärtig die Schwestern der bfP leben [PV der bfP vom XXXX .08.2019 S. 10].

1.4. Zu den Fluchtgründen der beschwerdeführenden Parteien:

Keine der beschwerdeführenden Parteien war je Mitglied einer politischen Partei oder einer anderen politisch aktiven Bewegung oder bewaffneten Gruppierung des Herkunftsstaates. Keine der beschwerdeführenden Parteien hatte je ein Problem mit den Gerichten, der Polizei oder den Verwaltungsbehörden des Herkunftsstaates. Keine der beschwerdeführenden Parteien war je Mitglied einer Miliz des Herkunftsstaates oder des IS. Alle drei sind in ihrer Heimat strafrechtlich unbescholten [PV der bfP in vom XXXX .08.2019, S. 7].

Ihnen gelang es nicht, das Fluchtvorbringen, auf Grund einer Bedrohungssituation durch den Vater bzw. durch Angehörige einer schiitischen Miliz aus dem Irak ausgereist zu sein, glaubhaft zu machen.

Keine der bfP war je einem gezielten Angriff auf ihre Person, von wem immer, ausgesetzt.

Insgesamt vermochten die beschwerdeführenden Parteien nicht glaubhaft zu machen, dass sie im Herkunftsstaat einer asylrelevanten Bedrohung oder Verfolgung durch eine (schiitische) Miliz aus religiösen und/oder politischen Gründen ausgesetzt gewesen wären.

1.5. Zu etwaigen Integrationsschritten der bfP im Bundesgebiet:

Der BF1 arbeitete seit seiner Ankunft in Österreich XXXX und die XXXX und engagierte sich als XXXX , belegte eine Ausbildung zum XXXX und war zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung Betreiber einer XXXX [PV des BF1 vom XXXX .08.2019 S. 12; Bestätigung des XXXX ; Empfehlungsschreiben von XXXX vom XXXX .09.2017; Empfehlungsschreiben der XXXX ; Bestätigungsschreiben des XXXX für die Mitarbeit bei der XXXX ; Kursbestätigung Erste-Hilfe-Kurs; Bestätigung „ XXXX “].

Der BF2 legte vor der belangten Behörde die Bestätigung für den Besuch eines Alphabetisierungskurses am XXXX sowie die Teilnahmebestätigung für eine Integrationsveranstaltung des XXXX vor [PV des BF2 vom XXXX .08.2019 S. 11; Teilnahmebestätigung XXXX ; Bestätigung Alphabetisierungskurs XXXX ].

Für den BF3 langte mit 21.02.2019 ein Empfehlungsschreiben der XXXX ein. Vor dem BVwG gab der BF3 an, mit seiner Freundin ein kleines Restaurant eröffnen zu wollen. Ein Nachweis, dass er dieses Vorhaben tatsächlich umgesetzt hätte, wurde bis dato nicht vorgelegt. Der BF3 ist Mitglied im XXXX und verdient pro Monat ca. EUR 800,00 [PV des BF3 vom XXXX .08.2019 S. 11; Empfehlungsschreiben der XXXX ].

Anlässlich ihrer PV vor dem erkennenden Bundesverwaltungsgericht zeigten die beschwerdeführenden Parteien Grundkenntnisse der deutschen Sprache auf, jedoch brachten weder der BF1 noch der BF3 eine Bestätigung über einen Kurs in der deutschen Sprache zur Vorlage.

Die bfP erhielten zuletzt im März 2019 Leistungen aus der Grundversorgung [GVS-Auszug].

1.6. Zur Lage im Irak wird festgestellt:

Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) gemeinsam mit schiitischen Milizen, den sogenannten Popular Mobilisation Forces (PMF), mit Unterstützung durch die alliierten ausländischen Militärkräfte im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, die Einheiten der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz Al Anbar bzw. deren Metropolen Fallouja und Ramadi als auch aus den nördlich an Bagdad anschließenden Provinzen Diyala und Salah al Din zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet in der Folge auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines „Kalifats“ in der Stadt Mossul, Provinz Ninava, sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze. Ab November 2016 wurden die Umgebung von Mossul sowie der Ostteil der Stadt bis zum Ufer des Tigris sukzessive wieder unter die Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte gebracht, im Westteil wurde der IS von den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, die aus dem Süden, Norden und Westen in das Zentrum der Stadt vordrangen, in der Altstadt von Mossul eingekesselt. Der sunnitische IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in Bagdad und anderen Städten im Süd- sowie Zentralirak seine wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren. Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premier Abadi Mossul für vom IS befreit. In der Folge wurden auch frühere Bastionen des IS westlich von Mossul in Richtung der irakisch-syrischen Grenze wie die Stadt Tal Afar durch die Militärallianz vom IS zurückerobert. Zuletzt richteten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste seines früheren Herrschaftsgebiets im äußersten Westen der Provinz Anbar sowie eine Enklave um Hawija südwestlich von Kirkuk.

Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, nämlich Dohuk, Erbil und Suleimaniya, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte wie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen als stabil anzusehen. Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung in der Frage der Kontrolle über die von kurdischen Sicherheitskräften bislang besetzt gehaltenen Grenzregionen südlich der Binnengrenze der Autonomieregion zum übrigen irakischen Staatsgebiet, insbesondere die Region um die Stadt Kirkuk betreffend. Zuletzt kam es zu einer Besetzung dieser Region sowie weiterer Landstriche entlang der Binnengrenze durch die irakische Armee und der Zentralregierung nahestehende Volksmobilisierungseinheiten, während sich die kurdischen Sicherheitskräfte aus diesen Bereichen zurückzogen. Eine Einreise in die drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion ist angesichts eines Luftraumembargos der Nachbarstaaten Türkei und Iran gegen die kurdische Regionalregierung auf direkte Weise aktuell nur auf dem Landweg möglich.

Die Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen, insbesondere in der Provinz Basra, war, als Folge einer Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab 2008 stark verbessert und bis 2014 insgesamt stabil. Auch war die Region nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in 2013 und 2014 betroffen. Die Gegenoffensive staatlicher Sicherheitskräfte und deren Verbündeter gegen den IS in Anbar und den nördlicher gelegenen Provinzen bedingte zuletzt eine Verlagerung von Militär- und Polizeikräften in den Norden, die wiederum eine größere Instabilität im Süden, verbunden vor allem mit einem Anstieg an krimineller Gewalt mit sich brachte.

Die Sicherheitslage im Großraum Bagdad war durch die genannten Ereignisse im Wesentlichen ebenfalls nicht unmittelbar beeinträchtigt. Es waren jedoch vereinzelte Anschläge bzw. Selbstmordattentate auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern zu verzeichnen, die, ausgehend vom Bekenntnis des - als sunnitisch zu bezeichnenden - IS dazu, sich gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte richteten, um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden. Hinweise auf eine etwaig religiös motivierte Bürgerkriegssituation finden sich in den Länderberichten nicht, ebenso auch nicht in Bezug auf die Säuberung von ethnischen oder religiösen Gruppierungen bewohnte Gebiete.

Anlassbezogen ist nicht hervorgekommen, dass die Beschwerdeführer einer asylrelevanten Bedrohung durch schiitische Milizen oder durch die Gerichte, die Verwaltungsbehörden oder die Polizei des Herkunftsstaates ausgesetzt gewesen wären. Es ist auch nicht hervorgekommen, dass es ihnen - selbst bei Wahrunterstellung einer allfälligen asylrelevanten Verfolgung - nicht möglich gewesen wäre, eine innerstaatliche Fluchtalternative zu wählen. Abgesehen davon ist hervorzuheben, dass die Schwestern der bfP unbehelligt in deren ehemaligen Wohnbezirk in XXXX wohnhaft sind.

1.6.1. Die Asa’ib Ahl al-Haqq (Liga der Rechtschaffenen oder Khaz’ali-Netzwerk, League of the Righteous, kurz: AAH) ist eine der unter der PMF zusammengefassten schiitischen Milizen. Diese Miliz wurde 2006 von Qais al-Khaz’ali gegründet und bekämpfte zu jener Zeit die US-amerikanischen Truppen im Irak. Ausgegangen wird von einer Truppengröße von mindestens 3.000 Mann; einige Quellen sprechen von 10.000 bis 15.000 Kämpfern. Die Miliz erhält starke Unterstützung vom Iran und ist, wie die Badr-Organisation und Kata’ib Hizbullah, vor allem westlich und nördlich von Bagdad aktiv. Seitens der Regierung wurde 2016 der Versuch unternommen, Teile der PMF in die staatliche Sicherheitsstruktur einzugliedern und unter die Kontrolle des Premierministers zu stellen - ein Projekt, dessen Ausgang noch immer unklar ist.

Eine landesweite und systematische Verfolgung von Angehörigen der sunnitischen Glaubensgemeinschaft oder der palästinensischen Minderheit durch diese Miliz besteht nicht. Den Berichten zum Herkunftsstaat der bfP lässt sich nicht entnehmen, dass staatliche Organe wegen einer korrekten Amtsführung ins Visier dieser Miliz gelangt wären.

Quellen:

-        Australian Government, DFAT COUNTRY INFORMATION REPORT IRAQ, 26.06.2017, http://dfat.gov.au/about-us/publications/Documents/country-information-report-iraq.pdf (Letzter Zugriff am 16.07.2018)

-        ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zum Irak: Aktivitäten der Asa'ib Ahl al-Haqq, insbesondere Verhalten gegenüber sunnitischen MuslimInnen 02.02.2018, https://www.ecoi.net/de/dokument/1424853.html (Letzter Zugriff am 16.07.2018)

-        UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, 06/2017 https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf (Letzter Zugriff am 16.07.2018)

-        UNHCR – UN High Commissioner for Refugees: Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA); Ability of Persons Originating from (Previously or Currently) ISIS-Held or Conflict Areas to Legally Access and Remain in Proposed Areas of Relocation, 12.04.2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1397131/1930_1492501398_58ee2f5d4.pdf (Letzter Zugriff am 16.07.2018)

-        UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, 06/2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf (Letzter Zugriff am 18.07.2018)

-        BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Irak: Von schiitischen Milizen dominierte Gebiete (Ergänzung zum Länderinformationsblatt), 04.01.2018 https://www.ecoi.net/en/file/local/1422124/5618_1516263925_irak-sm-von-schiitischen-milizen-dominierte-gebiete-2018-01-04-ke.doc (Letzter Zugriff am 18.07.2018)

1.6.2 Berufsgruppen:

Aus den Länderinformationen zum Herkunftsstaat der bfP geht hervor, dass Polizisten, Soldaten, Journalisten, Menschenrechtsverteidiger, Intellektuelle, Richter und Rechtsanwälte und alle Mitglieder des Sicherheitsapparats besonders gefährdet seien (AA 12.2.2018).

Der BF1 erlernte im Irak den Beruf eines XXXX und übte diesen sowohl im Herkunftsstaat, als auch nach der Ausreise der Familie nach Syrien aus. Nach seiner Rückkehr in den Irak war er in einem XXXX beschäftigt. Der BF2 arbeitete im Herkunftsstaat als XXXX . Der BF3 besuchte im Herkunftsstaat die Schule, übte jedoch keinen Beruf aus. Keine der bfP übte im Herkunftsstaat einen als gefährdet angesehenen Beruf aus. Ein Sicherheitsrisiko aus diesem Grund besteht bei keinem von ihnen.

Quellen:

-        AA – Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 27.9.2018

-        IWPR – Institute for War and Peace Reporting (25.11.2009): Fear chokes Nasiriya‘s Song, https://iwpr.net/global-voices/fear-chokes-nasiriyas-song, Zugriff 2.10.2009

-        USDOS – United States Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 – Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1394979.html, Zugriff 2.10.2018

-        USDOS – United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 – Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 21.9.2018

1.6.3. Medizinische Versorgung

Das Gesundheitswesen besteht aus einem privaten und einem öffentlichen Sektor. Grundsätzlich sind die Leistungen des privaten Sektors besser, zugleich aber auch teurer. Ein staatliches Krankenversicherungssystem existiert nicht. Alle irakischen Staatsbürger, die sich als solche ausweisen können, haben Zugang zum Gesundheitssystem. Fast alle Iraker leben etwa eine Stunde vom nächstliegenden Krankenhaus bzw. Gesundheitszentrum entfernt. In ländlichen Gegenden lebt jedoch ein bedeutender Teil der Bevölkerung weiter entfernt von solchen Einrichtungen (IOM 13.6.2018).

Auf dem Land kann es bei gravierenden Krankheitsbildern problematisch werden. Die Erstversorgung ist hier grundsätzlich gegeben; allerdings gilt die Faustformel: Je kleiner und abgeschiedener das Dorf, umso schwieriger die medizinische Versorgung. Staatliche wie private Krankenhäuser sind fast ausschließlich in den irakischen Städten zu finden. Dort ist die Dichte an praktizierenden Ärzten, an privaten und staatlichen Kliniken um ein Vielfaches größer. Gleiches gilt für Apotheken und medizinische Labore (GIZ 11.2018).

Bei der Inanspruchnahme privatärztlicher Leistungen muss zunächst eine Art Praxisgebühr bezahlt werden. Diese beläuft sich in der Regel zwischen 15.000 und 20.000 IQD. Für spezielle Untersuchungen und Laboranalysen sind dann noch zusätzliche Kosten zu veranschlagen. Außerdem müssen Medikamente, die man direkt vom Arzt bekommt, gleich vor Ort bezahlt werden. In den staatlichen Zentren zur Erstversorgung entfällt zwar in der Regel die Praxisgebühr, jedoch nicht die Kosten für eventuelle Zusatzleistungen. Darunter fallen etwa Röntgen- oder Ultraschalluntersuchungen (GIZ 11.2018).

In Bagdad arbeiten viele Krankenhäuser nur mit deutlich eingeschränkter Kapazität. Die Ärzte und das Krankenhauspersonal gelten generell als qualifiziert, viele haben aber aus Angst vor Entführungen oder Repressionen das Land verlassen. Korruption ist verbreitet. Die für die Grundversorgung der Bevölkerung besonders wichtigen örtlichen Gesundheitszentren (ca. 2.000 im gesamten Land) sind entweder geschlossen oder wegen baulicher, personeller und Ausrüstungsmängel nicht in der Lage, die medizinische Grundversorgung sicherzustellen (AA 12.2.2018). Laut Weltgesundheitsorganisation ist die primäre Gesundheitsversorgung nicht in der Lage, effektiv und effizient auf die komplexen und wachsenden Gesundheitsbedürfnisse der irakischen Bevölkerung zu reagieren (WHO o.D.).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf. Zugriff 12.10.2018

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (11.2018): Irak - Alltag, https://www.liportal.de/irak/alltag/#c37767. Zugriff 20.11.2018

-        IOM - International Organization for Migration (13.6.2018): Länderinformationsblatt Irak (2017), https://www.bamf.de/SharedDocs/MILoDB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs_irak-dl de.pdf:isessionid=0E66FF3FBC9BF77D6FB52022F1A7B611.1 cid294?blob=publicationFile. Zugriff 16.10.2018

-        WHO - World Health Organization (o.D.): Iraq:   Primary Health Care, http://www.emro.who.int/irq/programmes/primary-health-care.html. Zugriff 16.10.2018

Die beschwerdeführenden Parteien sind allesamt gesund und arbeitsfähig. Demnach leidet keine der beschwerdeführenden Parteien an einer (lebensbedrohlichen) Erkrankung, die einem Rücktransport in den Herkunftsstaat bzw. einem Leben dort entgegenstehen könnte.

1.6.4. Auf Grund der am 02.10.2019 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangten ACCORD-Anfragebeantwortung [OZ 10] lässt sich feststellen, dass die Tötung eines ausgeschlossenen Stammesmitgliedes, hier lediglich der BF1, nur als ultima ratio gesehen wird, wenn es sich bei dem Ausgeschlossenen um jemanden handelt, der eine „besonders schwerwiegende Verfehlung“ wie Vergewaltigung, Entführung einer Frau, homosexuelle Handlungen oder das Bestehlen eines Gastgebers oder Verwandten begangen habe. Ob der Angaben des BF1 lässt sich feststellen, dass dieser keine dieser als „as-souda“ bezeichneten Taten zu verantworten hat. Er vermochte weder den Ausschluss seiner Person aus dem Stammesverband, noch eine beabsichtigte Tötung seiner Person glaubhaft machen.

1.6.5. Die arabisch-sunnitische Minderheit, die über Jahrhunderte die Führungsschicht des Landes bildete, wurde nach der Entmachtung Saddam Husseins 2003, insbesondere in der Regierungszeit von Ex-Ministerpräsident Al-Maliki (2006 bis 2014), aus öffentlichen Positionen gedrängt. Mangels anerkannter Führungspersönlichkeiten fällt es den sunnitischen Arabern weiterhin schwer, ihren Einfluss auf nationaler Ebene geltend zu machen. Oftmals werden Sunniten einzig aufgrund ihrer Glaubensrichtung als IS-Sympathisanten stigmatisiert oder gar strafrechtlich verfolgt (AA 12.1.2019). Bei willkürlichen Verhaftungen meist junger sunnitischer Männer wird durch die Behörden auf das Anti-Terror-Gesetz verwiesen, welches das Recht auf ein ordnungsgemäßes und faires Verfahren vorenthält (USDOS 21.6.2019). Zwangsmaßnahmen und Vertreibungen aus ihren Heimatorten richten sich vermehrt auch gegen unbeteiligte Familienangehörige vermeintlicher IS-Anhänger (AA 12.1.2019).

Quellen:

-        - AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 13.3.2020

-        - USCIRF - US Commission on International Religious Freedom (4.2019): United States Commission on International Religious Freedom 2019 Annual Report; Country Reports: Tier 2 Countries: Iraq, https://www.ecoi.net/en/file/local/2008186/Tier2_IRAQ_2019.pdf, Zugriff 13.3.2020

-        - USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026340.html, Zugriff 13.3.2020

-        - USDOS - US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom: https://www.ecoi.net/de/dokument/2011175.html, Zugriff 13.3.2020

Anlässlich ihrer PV vor dem erkennenden Bundesverwaltungsgericht gaben sowohl der BF1, als auch der BF2 als auch der BF3 an, ohne die von ihnen behaupteten Probleme mit dem Vater im Irak gut leben zu können. Zu keinem Zeitpunkt gaben sie an, wegen ihrer Zugehörigkeit zu den sunnitischen Muslimen einer allfälligen asylrelevanten Verfolgung oder Bedrohung ausgesetzt gewesen zu sein. Auch machten sie keine Angaben dazu, aus diesem Grund aus dem Herkunftsstaat ausgereist zu sein.

1.7 Aus den Angaben der beschwerdeführenden Parteien lassen sich keine Anhaltspunkte dahin entnehmen, dass sie mit den Behörden, der Polizei oder den Gerichten des Herkunftsstaates etwa wegen ihres Religionsbekenntnisses, ihrer ethnischen Zugehörigkeit oder aus politischen Gründen Probleme gehabt hätten. Es gibt auch keinerlei Hinweise in die Richtung, dass sie oder die Angehörigen ihrer Kernfamilie politisch aktiv gewesen wären oder dass sie einer politisch aktiven Bewegung oder einer bewaffneten Gruppierung des Herkunftsstaates angehört hätten.

Im Beschwerdeverfahren, das auch der Ermittlung ihrer Lebensumstände vor ihrer Ausreise aus dem Herkunftsstaat diente, kam hervor, dass die bfP in ihrer Wohngegend gut und vor allen unbehelligt leben konnten und mit den Gegenständen des täglichen Bedarfs versorgt waren. Das trifft auch auf die Angehörigen der Kernfamilie der bfP, die seit ihrer Rückkehr aus Syrien bis laufend stets unbehelligt und ohne jede Form der Diskriminierung, sei es aus politischen oder religiösen Gründen, in der Heimatregion ( XXXX ) der bfP leben, zu.

Die beschwerdeführenden Parteien hatten zu keinem Zeitpunkt Kontakt mit Angehörigen einer Miliz, namentlich der Miliz ASA´IB AHL AL-HAQQ. Auch wurde kein Mitglied der beschwerdeführenden Familie je dazu angeworben, für diese oder eine andere (schiitische) Miliz oder den Islamischen Staat zu kämpfen. Auch sind keine Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die bfP (weitere) Berührungspunkte mit dieser oder einer anderen, im Herkunftsstaat aktiven Miliz gehabt hätten.

Ebenso konnte nicht festgestellt werden, dass auch nur einer der Beschwerdeführer mit Angehörigen derselben Glaubensrichtung oder einer anderen im Herkunftsstaat beheimateten Glaubensrichtungen Probleme gehabt hätte.

Die von den beschwerdeführenden Parteien vorgebrachten Bedrohungspunkte konnten sie weder im Rahmen verwaltungsbehördlichen Ermittlungsverfahrens vor der belangten Behörde, noch in der am XXXX .08.2019 durchgeführten mündlichen Verhaltung als asylrelevante Bedrohungen glaubhaft machen.

Abschließend konnte nicht festgestellt werden, dass die beschwerdeführenden Parteien bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat aus in ihrer Person gelegenen Gründen oder aufgrund der allgemeinen Lage vor Ort der realen Gefahr einer Verletzung ihrer durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention geschützten Rechte, oder dass sie als Zivilpersonen einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt wären.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang und die in der Folge getroffenen (sachverhaltsbezogenen) Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes, sowie aus den niederschriftlich protokollierten Angaben der bfP anlässlich ihrer Befragung durch die Organe der belangten Behörde.

2.2. Zur Person der beschwerdeführenden Partei:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache zur Identität des Erstbeschwerdeführers, des Zweitbeschwerdeführers und des Drittbeschwerdeführers, alle irakische Staatsangehörige muslimisch sunnitischer Glaubensrichtung, Feststellungen getroffen wurden, beruhen diese im Wesentlichen auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, die auf den Angaben der bfP vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde, andererseits vor den Organen der belangten Behörde getätigt wurden sowie den im Akt befindlichen Kopien der vorgelegten Reisedokumente sowie auf den Angaben der beschwerdeführenden Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Die zu den Personalia der bfP getroffenen Feststellungen gelten ausschließlich für die Identifizierung der Person der beschwerdeführenden Parteien im gegenständlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren.

Die zu ihrer Ausreise aus dem Irak, zur weiteren Reiseroute und zur Einreise ins Bundesgebiet getroffenen Konstatierungen ergeben sich aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben der beschwerdeführenden Parteien anlässlich ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor den Organen der Sicherheitsbehörde, die im Wesentlichen unstrittig geblieben sind und der gegenständlichen Entscheidung daher im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu Grunde gelegt werden konnten. Die Konstatierungen zum Gesundheitszustand der bfP gründen auf deren Angaben im Rahmen der hg. mündlichen Verhandlung vom XXXX .08.2019.

2.3. Zum Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien:

Die Konstatierungen zum Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien zu ihren Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates und zu ihrer Situation im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat beruhen einerseits auf deren Angaben vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde, sowie auf den vor den Organen der belangten Behörde gemachten Angaben.

Vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde hatte der BF1 am XXXX .05.2015 angegeben, den Herkunftsstaat verlassen zu haben, da er von seinem Vater und dessen Stamm bedroht worden sei, da er seine Mutter und seine Geschwister aus Syrien in den Irak zurückgeführt hätte, um dem Vater zu entgehen [Erstbefragung des BF1 S. 5].

Die Brüder des BF1, sohin der BF2 und der BF3, gaben anlässlich ihrer Einvernahmen durch die Organe der öffentlichen Sicherheitsbehörde am XXXX .02.2016 zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates an, ihre Heimat wegen der Bedrohung durch Schiiten verlassen zu haben [Erstbefragungen der BF2 und BF3 jeweils S. 5].

Anlässlich seiner am XXXX .09.2017 vor der belangten Behörde stattgehabten mündlichen Einvernahme hatte der BF1 zusätzlich angegeben, dass im Jahr 2014 Mitglieder der „Asaib Ahl Al Haqq“ Miliz in das Restaurant gekommen wären, in welchem er in XXXX arbeitet und dass sie ihn aufgefordert hätten, für sie gegen den Islamischen Staat zu kämpfen, um zu zeigen, dass er, als Sunnit, nicht dem IS angehöre. Würde er sich nicht hieran halten, so würde er im ganzen Land gefunden und bestraft werden. Hierauf habe er seine Wohnung in Al Basra verlassen und sei über Bagdad in die Türkei ausgereist [NS-BFA des BF1 S. 6].

Anlässlich ihrer niederschriftlich dokumentierten Einvernahme durch die belangte Behörde hatten der BF2 und der BF3 zu ihren Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates erweitert angegeben, dass sie vor dem Vater aus Syrien geflohen wären, da dieser sie zwingen wollte, für die syrische Miliz „Abu Alfadel Al Abbas“ zu kämpfen [NS-BFA des BF2 S. 8f; PV des BF2 vom XXXX .08.2019 S. 13f; NS-BFA des BF3 S. 8f].

Während die Fluchtroute und deren Ablauf vom BF1 glaubhaft und plausibel geschildert wurden, kamen bei den Schilderungen des BF2 und des BF3 Ungereimtheiten zu Tage. Beide gaben im Rahmen ihrer Erstbefragung an, aus dem Irak (der BF3 nannte konkret XXXX ), geflüchtet zu sein. Diese Angaben relativierten beide BF vor der belangten Behörde und korrigierten den Ort der Ausreise nach Europa mit Syrien. Es erscheint wenig glaubhaft, dass man - selbst unter Berücksichtigung der mit einer Flucht in Zusammenhang stehenden außergewöhnlichen Belastung - jenen Ort nicht korrekt nennen kann, von welchem aus man eine solch beschwerliche Reise angetreten hat. Vielmehr scheint es plausibel, dass der korrigierte Ort der Abreise in Abstimmung mit dem BF1 angegeben wurde, um eine konkrete Bedrohung durch den Vater der bfP darstellen zu können, zumal sich dieser nach den Angaben sämtlicher Beschwerdeführer nicht mehr im Irak aufgehalten haben soll. Somit hätten zumindest die beiden BF2 und BF3 keinen Grund der Sorge durch die Verfolgung durch den Vater gehabt, wenn sie bei ihrer Angabe, aus XXXX geflüchtet zu sein, geblieben wären.

In diesem Zusammenhang vermochten die bfP keine glaubhafte Gefährdung ihrer Sicherheit im Herkunftsstaat darzulegen. Zudem gaben die Beschwerdeführer übereinstimmend an, nie Probleme mit der Polizei, den Gerichten oder den Verwaltungsbehörden des Herkunftsstaates gehabt zu haben. Auch ein direkter Kontakt zu im Irak operierenden Milizen oder zu Mitgliedern des Islamischen Staates wurde von den BF2 und BF3 ausgeschlossen.

Die bfP gaben an, vor der Bedrohung durch den Vater und den gemeinsamen Stamm geflohen zu sein. Er habe sie schlecht behandelt und ihnen das selbst verdiente Geld weggenommen. Hier erscheint jedoch unglaubhaft, dass diese Bedrohung allen bfP gegolten haben soll, zumal lediglich der BF1 als ältester Sohn für die Rückkehr aus Syrien in den Irak verantwortlich gemacht wurde. Die Information darüber, dass die bfP vom Stamm des Vaters gesucht würden, stammt laut Aussage des BF2 von der Nachbarin jener Freundin der Großmutter, bei welcher die bfP nach ihrer Rückkehr nach XXXX unterkommen konnten. Eine direkte Bedrohung oder Kontaktaufnahme durch den Vater wurde von den Beschwerdeführern im gesamten Verfahren nicht behauptet. Gegen die Bedrohung des Zweitbeschwerdeführers und des Drittbeschwerdeführers durch den Vater spricht zusätzlich, dass beide angaben, zusammen mit ihren Schwestern und der Mutter von XXXX ausgehend unbehelligt zum Vater zurückgekehrt zu sein und bei diesem gelebt zu haben, um die Situation mit dem BF1 zu bereinigen.

Der vom BF1 vorgebrachten Bedrohung durch die Miliz „Asaib Ahl Al Haqq“ konnte kein Glaube geschenkt werden, zumal er vor dem Bundesverwaltungsgericht angab, als „einer von Vielen“ aufgefordert worden zu sein, zu den Waffen zu greifen [PV des BF1 vom XXXX .08.2019 S. 22]. Selbst bei Wahrunterstellung dieser Angabe scheint es nach dem zurückliegenden Zeitraum von etwa sechs Jahren unwahrscheinlich, dass gegen den BF1 ob der damaligen Weigerung zur Unterstützung noch immer Verfolgungshandlungen gesetzt werden würden zumal der damalige Gegner in Form des Islamischen Staates seit 2017 als besiegt gilt.

Die vom BF2 und BF3 vorgebrachte Gefahr, für die Miliz „Abu Alfadel Al Abbas“ kämpfen zu müssen ist vom derzeitigen Standpunkt aus ebenso als nicht asylrelevant einzustufen, da diese in Syrien tätig ist und dies somit nicht den Herkunftsstaat der bfP betrifft (https://en.wikipedia.org/wiki/Liwa_Abu_al-Fadhal_al-Abbas, Zugriff: 21.09.2020).

Sämtliche von den bfP vorgebrachten einheitlichen Bedrohungsszenarien betreffen ausschließlich private Akteure - den Vater und dessen Stamm. Die jeweils vorgetragenen Situationen, welche den Kontakt zu schiitischen Milizen im Irak und auch Syrien betreffen, beziehen sich lediglich auf einen Rekrutierungsversuch, nicht jedoch auf eine etwaige Bedrohung oder Verfolgung, weil diesem Rekrutierungsversuch keine Folge geleistet wurde oder aus sonstigen, in der Ethnie oder in der religiösen Zugehörigkeit der beschwerdeführenden Parteien gelegenen Gründen. Insgesamt konnte eine asylrelevante Verfolgung der beschwerdeführenden Parteien nicht festgestellt werden. Vielmehr scheint es ob der Angaben der BF als der Wahrheit am nächsten kommend, dass diese zu keinem Zeitpunkt von einer Miliz bedroht wurden.

Zudem zeigt sich bei den beschwerdeführenden Parteien im Vergleich zur Erstbefragung ein gesteigertes Vorbringen, weshalb die Fluchtgeschichte, der im Vorhinein schon keine Asylrelevanz zukommt, ein tatsachenwidriges Gedankenkonstrukt darstellt.

Die getroffenen Konstatierungen waren somit im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu treffen.

2.4. Zur Lage im Herkunftsstaat

Die länderkundlichen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Irak gründen auf dem Amtswissen des erkennenden Gerichtes und auf den als notorisch zu qualifizierenden aktuellen Ereignissen im Herkunftsstaat der bfP in Verbindung mit den dazu ergänzend eingesehenen länderkundlichen Informationsquellen. Diesen war auch kein über die oben erörterten, vom BF selbst dargebotenen Verfolgungsgründe hinausgehender Sachverhalt zu entnehmen, der allenfalls Anhaltspunkte für eine aus sonstigen Gründen der BfP drohende individuelle Gefährdung beinhaltet hätte.

2.5. Zur Integration der bfP in Österreich

Die Feststellungen zu den von den Beschwerdeführern in Österreich gesetzten Integrationsschritten (Deutschkursbesuch, gemeinnützige Tätigkeiten, selbständige Erwerbstätigkeit) ergaben sich aus den diesbezüglichen glaubhaften Nachweisen im Akt. Die Integration der beschwerdeführenden Parteien wird auch durch die im Akt befindlichen glaubhaften Empfehlungsschreiben bestätigt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht

3.1.1. Die gegen die Bescheide der belangten Behörde vom 16.03.2018 erhobenen Beschwerden der bfP sind rechtzeitig und legte die belangte Behörde die Beschwerdesachen dem Bundesverwaltungsgericht vor.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF., entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) das Bundesverwaltungsgericht.

3.1.2. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt die Entscheidung in der gegenständlichen Rechtssache dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte, mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.1.3. Der mit „Familienverfahren im Inland“ betitelte § 34 AsylG lautet wie folgt:

„Familienverfahren im Inland

§ 34. (1) Stellt ein Familienangehöriger von

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

3. einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist;

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und

4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;

3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG).“

3.1.4. Zum Zeitpunkt der Asylantragstellung (am XXXX .02.2016) war der BF1 bereits volljährig, während die mittler

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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