Entscheidungsdatum
25.06.2020Norm
BFA-VG §22a Abs4Spruch
G308 2232201-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Angelika PENNITZ als Einzelrichterin im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl XXXX, über die weitere Anhaltung von XXXX, geboren am XXXX, StA. Ägypten, zu Recht erkannt:
A) Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Betroffene Fremde (BF) ist ägyptischer Staatsangehöriger. Er stellte in Österreich erfolglos einen Antrag auf internationalen Schutz. Die diesbezügliche, mit einer Rückkehrentscheidung verbundene Entscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt/BFA) erwuchs im Mai 2020 in Rechtskraft.
2. Der BF wurde am 29.02.2020 von der deutschen Polizei rückübernommen. Am selben Tag wurde über ihn die Schubhaft verhängt.
Am 29.02.2020 erfolgt die Einvernahme durch die LPD XXXX, er gab unter anderen an am 22.02.2020 von Ungarn nach Österreich eingereist zu sein. Er wäre nur auf Durchreise nach Frankreich um dort zu arbeiten.
3. Am 03.03.2020 stellte der BF einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid zur Zahl XXXX vom 24.03.2020 mittlerweile rechtskräftig abgewiesen wurde. Während seiner niederschriftlichen Einvernahme am 29.02.019 gab er an keinen Antrag stellen zu wollen. Des BFA gehe daher davon aus, dass der am 03.03.2020 gestellte Antrag auf internationalen Schutz in Verzögerungsabsicht gestellt wurde, um die Schubhaft bzw. Abschiebung zu umgehen.
4. Die gesetzlichen Überprüfungen der Verhältnismäßigkeit fanden am 27.03., 24.04., 22.05. und 19.06.2020 statt und wurden mittels Aktenvermerk dokumentiert.
5. Am 04.06.2020 erfolgte eine schriftliche Anfrage an die Vertretungsbehörde der Arabischen Republik Ägypten zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates.
6. Am 08.06.2020 wurde schriftlich mitgeteilt, dass der BF am 25.06.2020 um 11:00 Uhr einen Termin beim ägyptischen Konsulat in XXXX hat.
7. Mit Schreiben vom 22.06.2020 wurde der Verfahrensakt dem BVwG zur ersten Verhältnismäßigkeitsprüfung zur Schubhaft gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG vorgelegt, wo er am 23.06.2020 eingelangt ist.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Betreffend den BF liegt eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung hinsichtlich seines Herkunftsstaates vor. Dem BF kommt kein faktischer Abschiebeschutz zu. Das eingeleitete HRZ-Verfahren ist aktuell noch im Laufen und bewegt sich im üblichen Zeitrahmen hinsichtlich des hier relevanten Herkunftsstaates.
Der BF hat sich nach negativem Abschluss seines Asylverfahrens dem Zugriff der Behörden entzogen. Der BF ist strafrechtlich unbescholten.
Das Bundesamt hat die gesetzlich vorgesehene Verhältnismäßigkeitsprüfung durchgeführt und entsprechende Aktenvermerke verfasst.
Die realistische Möglichkeit einer Überstellung des BF in seinen Herkunftsstaat (innerhalb der gesetzlich normierten Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft) besteht trotz der derzeitigen Reisebeschränkungen weiterhin. Die absehbare weitere Dauer der Anhaltung in Schubhaft ist nach derzeitigem Stand - kooperatives Verhalten des BF vorausgesetzt - mit wenigen Monaten einzustufen. Eine Abschiebung 2020 ist jedenfalls realistisch. Das Erfordernis einer HRZ-Ausstellung und die dadurch bedingte Anhaltedauer sind dem BF zuzurechnen.
Der BF ist nicht Asylwerber; es kommt ihm kein faktischer Abschiebeschutz zu. Er ist in Österreich in keiner Form integriert, spricht nicht Deutsch und verfügt über keine substanziellen sozialen oder familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet. Zudem verfügt er über keine gesicherte Unterkunft und verfügt über Barvermögen in Höhe von rund 60€. Der BF ist grundsätzlich gesund und arbeitsfähig sowie jedenfalls haftfähig.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus der Aktenlage im gegenständlichen Verfahren. Die Feststellungen bezüglich der Meldeadressen des BF ergeben sich aus einem rezenten Auszug aus dem Zentralen Melderegister.
Die realistische Möglichkeit der Rücküberstellung ergibt sich aus der diesbezüglich grundsätzlich problemlosen Zusammenarbeit mit den Vertretungen und Behörden des Herkunftsstaates. Abschiebungen finden regelmäßig statt. Ebenso regelmäßig muss diesen ein Ermittlungsverfahren im Herkunftsstaat vorangehen, weil die Betroffenen keine Personal- oder Reisedokumente vorweisen können. Diese benötigen üblicherweise einige Monate. Angesichts der Einleitung des HRZ-Verfahrens im Juni 2020 ist damit eine HRZ-Ausstellung und eine Abschiebung noch in diesem Kalenderjahr realistisch.
Die Feststellungen zur fehlenden Integration des BF und seiner Vermögenslage ergeben sich aus der Aktenlage. Hinweise für ein Fehlen der Haftfähigkeit oder gesundheitliche Probleme sind im Verfahren nicht hervorgetreten.
Aufgrund des bisherigen Verhalten des BF steht fest, dass der BF nicht in den Herkunftsstaat zurückkehren möchte, bzw. nicht gewillt ist, sich Rechtsordnungen entsprechend zu verhalten. Sein bisheriges Verhalten und seine Lebensweise lassen keine Zweifel daran, dass der BF in Österreich nicht integriert ist und dass er seine Freilassung nur dazu nützen wird, sich seiner Abschiebung zu entziehen und unterzutauchen.
Die Behörde ist zutreffend von hoher Fluchtgefahr und akutem Sicherungsbedarf hinsichtlich des BF ausgegangen, was die Verhängung der Schubhaft und das Absehen eines gelinderen Mittels rechtfertigte. Die Schubhaft ist im Hinblick auf sein bisheriges Verhalten und unter Berücksichtigung aller Umstände auch verhältnismäßig.
Im Hinblick auf das zielstrebig betriebene Verfahren zur Erlangung eine HRZs, ist begründet zu erwarten, dass dieses zu erlangen sein wird und die Abschiebung jedenfalls innerhalb der gesetzlichen Anhaltefrist erfolgen wird. Die Behörde hat das Verfahren bislang rechtskonform geführt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchpunkt A.:
Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakte so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakte gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner
Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.
Gemäß § 76 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn 1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder 2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen. Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit. n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird.
Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei ist das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig. Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann. Die Verhängung der Schubhaft darf stets nur ultima ratio sein.
Die Behörde hat im Sinne der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen zu Recht die Schubhaft wegen Fluchtgefahr angeordnet, weil aus dem vergangenen Verhalten des BF mit Sicherheit geschlossen werden kann, dass der BF seine Abschiebung mit allen Mitteln zu verhindern oder jedenfalls zu behindern beabsichtigt. Die Behörde hat im Hinblick auf das bisherige Verhalten des BF und seine unzureichende Verankerung im Bundesgebiet zu Recht eine hohe Fluchtgefahr und akuten Sicherungsbedarf angenommen. Der BF hat keine berücksichtigungswürdigen Umstände dargetan, wonach die Schonung seiner Freiheit das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung überwiegen würde, die Schubhaft ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände auch verhältnismäßig. Das Verhalten des BF in der Vergangenheit schließt auch die Anordnung gelinderer Mittel aus. Es besteht nicht nur ein grundsätzliches öffentliches Interesse am effizienten Vollzug des Fremdenrechts, sondern besteht auch ein erhebliches öffentliches Interesse, Fremde nach abgeschlossenem negativen Asylverfahren, die sich ohne Rechtsgrundlage in Österreich aufhalten, außer Landes zu bringen. In diesem Sinne hat die Behörde sichergestellt, dass das Abschiebeverfahren zeitnah und zweckmäßig durchgeführt wird. Die Ausstellung eines HRZ wird nachweisbar vorangetrieben.
Mit der Verhängung gelinderer Mittel kann dementsprechend weiterhin nicht das Auslangen gefunden werden. Neben fehlender hinreichender persönlicher Vertrauenswürdigkeit - siehe dazu sein Untertauchen- gebricht es dem BF überdies an substanziellen finanziellen Mitteln, weshalb eine Sicherheitsleistung auch aus diesem Grund nicht in Betracht kommt.
Die getroffenen Feststellungen und ihre rechtliche Würdigung lassen im Hinblick auf ihre Aktualität und ihres Zukunftsbezuges keine, die Frage der Rechtmäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft ändernde Umstände erkennen. Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
Zu Spruchpunkt B.):
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
Im vorliegenden Akt findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.
Die Revision war daher nicht zuzulassen.
Schlagworte
Fluchtgefahr Schubhaft Schubhaftbeschwerde Sicherungsbedarf Verhältnismäßigkeit VoraussetzungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:G308.2232201.1.00Im RIS seit
21.09.2020Zuletzt aktualisiert am
21.09.2020