TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/1 G301 2160477-3

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Veröffentlicht am 01.07.2020
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Entscheidungsdatum

01.07.2020

Norm

AsylG 2005 §55 Abs1
B-VG Art133 Abs4

Spruch

G301 2160477-3/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Dr. René BRUCKNER über die Beschwerde der XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit: Brasilien, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, vom 15.05.2020, Zl. XXXX , betreffend Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005, zu Recht:

A)       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Mit den oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), Regionaldirektion Niederösterreich, zugestellt am 26.05.2020, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) vom 16.05.2018 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 aus Gründen des Artikel 8 EMRK gemäß § 58 Abs. 10 iVm. § 60 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 zurückgewiesen.

Mit dem am 12.06.2020 beim BFA, RD Niederösterreich, eingebrachten und mit demselben Tag datierten Schriftsatz erhob die BF durch ihren bevollmächtigten Rechtsvertreter Beschwerde gegen den im Spruch angeführten Bescheid.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 19.06.2020 vom BFA vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die BF ist Staatsangehörige der Föderativen Republik Brasilien.

Die BF verfügte seit Dezember 2004 durchgehend über einen Aufenthaltstitel zum Aufenthalt in Österreich, zuletzt über einen von XXXX .01.2010 bis XXXX .01.2012 gültigen Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“.

Die BF wurde am XXXX .2012, nachdem Sie ihren Ehegatten tätlich mit einem Messer angegriffen und im Halsbereich lebensgefährlich verletzt hatte, wegen des Verdachts einer strafbaren Handlung festgenommen.

Mit Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom 15.03.2012, Zl. XXXX , wurde der BF als Kindesmutter die Obsorge für die beiden minderjährigen Kinder vorläufig entzogen und dem Kindesvater – dem Ehegatten der BF – übertragen.

Mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX wurde die zwischen der BF und ihrem Ehegatten am XXXX .2004 geschlossene Ehe aufgrund einer Scheidungsklage des Ehegatten wegen alleinigen Verschuldens der BF an der Zerrüttung der Ehe geschieden.

Die BF wurde mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 13.06.2012, Zl. XXXX , wegen des Verbrechens der absichtlich schweren Körperverletzung an ihrem damaligen Ehegatten gemäß § 87 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten rechtskräftig verurteilt.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft (BH) XXXX vom 07.08.2012, Zl. XXXX , wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 FPG und ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 3 FPG erlassen.

Mit Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom 04.12.2012, Zl. XXXX , wurde dem Kindesvater – dem früheren Ehegatten der BF – die Obsorge für die beiden minderjährigen Kinder endgültig übertragen.

Mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates (UVS) Niederösterreich vom 29.11.2013, Zl. XXXX , wurde der Berufung gegen den Bescheid der BH XXXX betreffend Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot nur insoweit Folge gegeben, als die Dauer des Einreiseverbotes auf sieben Jahre herabgesetzt wurde. Im Übrigen wurde der Berufung nicht Folge gegeben.

Am XXXX .2014 wurde die BF bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren und mit Anordnung der Bewährungshilfe vorzeitig aus der Strafhaft entlassen, die bis dahin in der Justizanstalt XXXX vollzogen wurde.

Am XXXX .2014 wurde die BF aufgrund eines Festnahmeauftrages des BFA festgenommen und über sie die Schubhaft angeordnet. Noch am selben Tag wurde sie zum Konsulat der brasilianischen Botschaft in Wien vorgeführt. Dort verweigerte die BF die Mitwirkung an der Ausstellung eines Heimreisezertifikates. Am XXXX .2014 wurde die BF aus der Schubhaft entlassen. Die für 06.08.2014 bereits fixierte Abschiebung der BF nach Brasilien musste mangels Reisedokuments storniert werden.

Mit Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom 14.01.2015, der durch Entscheidung des Landesgerichts XXXX vom 11.02.2015 rechtskräftigt bestätigt wurde, wurden die Anträge der BF auf Beteiligung an der Obsorge der minderjährigen Kinder abgewiesen, sodass die alleinige Obsorge weiterhin nur dem Kindesvater zukommt. Gleichzeitig wurde der BF ein begleitetes Kontaktrecht im Rahmen eines Besuchs-Café eingeräumt.

Am 23.05.2017 stellte die BF beim BFA einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005.

Mit Strafverfügung der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 29.11.2017 (rechtskräftig mit 12.12.2017) wurde über die BF wegen unrechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet gemäß § 120 Abs. 1a FPG eine Geldstrafe von 500 Euro verhängt.

Mit Bescheid des BFA, Regionaldirektion Niederösterreich, vom 17.04.2018, Zl. XXXX , der BF zugestellt am 17.04.2018, wurde der Erstantrag der BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 vom 23.05.2017 gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 und § 8 AsylG-DV zurückgewiesen. Gegen diesen Bescheid wurde kein Rechtsmittel erhoben, weshalb dieser in Rechtskraft erwuchs.

Mit dem am 17.05.2018 beim BFA, Regionaldirektion Niederösterreich, eingelangten und mit 16.05.2018 datierten Schreiben stellte die BF neuerlich einen Antrag eines Aufenthaltstitels „Aufenthaltsberechtigung plus“ gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005.

Nach mehrmaliger Stattgebung von Anträgen auf Fristerstreckung im Zeitraum von Oktober 2018 bis Juli 2019 betreffend Vorlage der brasilianischen Geburtsurkunde, fand am 20.01.2020 vor dem BFA, Regionaldirektion Niederösterreich, eine niederschriftliche Einvernahme der BF statt.

Schließlich wurde mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid des BFA, Regionaldirektion Niederösterreich, vom 15.05.2020 der Antrag der BF vom 16.05.2018 zurückgewiesen.

Die BF ist gesund und arbeitsfähig. Sie verfügt über gute Deutschkenntnisse. Die BF hat nach eigenen Angaben in der Beschwerde mit ihren beiden minderjährigen Kindern regelmäßig und häufig Kontakt, sowohl per Telefon/Whatsapp als auch persönlich.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG. In der Beschwerde wird den entscheidungswesentlichen Feststellungen im angefochtenen Bescheid nicht substanziiert entgegengetreten und auch sonst kein dem festgestellten Sachverhalt entgegenstehendes oder darüber hinaus gehendes Vorbringen in konkreter und substanziierter Weise erstattet. So liegen auch keine widerstreitenden oder sonst strittigen Ermittlungsergebnisse im Zusammenhang mit der Feststellung des relevanten Sachverhaltes vor. Mit der vorliegenden Beschwerde wird im Wesentlichen nur die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid bekämpft.

Die auf Grund der vorliegenden Akten in Zusammenschau mit dem Vorbringen in der gegenständlichen Beschwerde getroffenen Feststellungen werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur Abweisung der Beschwerde (Spruchpunkt A.):

Die belangte Behörde hat mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid den Antrag der BF vom 16.05.2018 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 58 Abs. 10 iVm. § 60 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 zurückgewiesen.

Im Wesentlichen zusammengefasst begründete die belangte Behörde ihre Entscheidung damit, dass seit dem XXXX .2012 kein aufrechtes Familienleben mehr zwischen der BF und ihren Kindern bestehe und seit 2012 auch eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung und ein damit verbundenes, auf sieben Jahren bestehendes Einreiseverbot aufrecht seien. Ein Familien- und/oder Privatleben oder eine Änderung seit der letzten Entscheidung habe somit nicht festgestellt werden können. In rechtlicher Hinsicht wurde ausgeführt, dass gemäß § 60 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 einem Drittstaatsangehörigen Aufenthaltstitel nicht erteilt werden dürfen, wenn gegen ihn eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 iVm. § 53 Abs. 2 oder 3 FPG oder eine Rückkehrentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz bestehe. Überdies sei eine maßgebliche Sachverhaltsänderung nicht eingetreten. Die BF sei bislang auch ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen und habe am Verfahren nicht mitgewirkt. Der vorgebrachte Sachverhalt in Bezug auf die zwei in Österreich lebenden Kinder der BF sei bereits im Verfahren vor dem UVS berücksichtigt worden. Hätte sich die BF rechtskonform verhalten und wäre sie der Mitwirkung und der Ausreise nachgekommen, dann hätte sie bereits im Jahr 2017 um Aufhebung des Einreiseverbotes ansuchen können bzw. wäre das Einreiseverbot im Jahr 2021 ausgelaufen. Die alleinige Obsorge für die Kinder liege weiterhin beim Ex-Mann der BF, womit in den letzten Jahren auch keine Änderungen eingetreten seien, außer dass sich der illegale Aufenthalt der BF verlängert habe. Zweifelsohne bestehe eine gewisse Beziehung zu den Kindern, jedoch würden die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung überwiegen. Die BF sei auch dem Auftrag, ein Reisedokument vorzulegen, nicht nachgekommen und habe auch am Verfahren nicht mitgewirkt. Die BF habe selbst angegeben, keinen Reisepass vorlegen zu wollen, da sie nicht ausreisen wolle.

In der gegenständlichen Beschwerde wurde im Wesentlichen zusammengefasst zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides vorgebracht, dass die belangte Behörde verkannt habe, dass die BF in Österreich sehr wohl ein Privat- und Familienleben habe. Sie habe einen großen Freundeskreis und – trotz der Scheidung – ein Familienleben. Sie habe regelmäßig und häufig Kontakt mit ihren Kindern; täglich per Telefon (über „Whatsapp“ etwa) und sehe ihre Kinder auch regelmäßig persönlich. Sie verfüge daher über ein schützenswertes Privat- und Familienleben in Österreich. Ebenso habe die belangte Behörde es unterlassen zu ermitteln, dass in Hinblick auf Brasilien eine tiefgreifende Entwurzelung vorliege, da die BF bereits seit 2004 in Österreich sei. Sie habe sich hier ein Leben aufgebaut und gerade in den letzten Jahren habe das Leben in Österreich sie sehr geprägt; zudem wolle sie auch ihre Kinder nicht hierlassen und miterleben können, wie ihre Kinder erwachsen werden. Die BF befürchte, dass der Kontakt mit ihren Kindern kaum mehr stattfinden würde, wenn sie nach Brasilien zurückkehren müsse. Ihr Ex-Mann würde auch dafür sorgen. Ihre Familie in Brasilien könne sie überdies nicht unterstützen, schon gar nicht finanziell. Die BF wolle auch sehr gerne so schnell wie möglich, nach Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung, einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Sie habe bereits Zusagen bei zwei Firmen bekommen. In rechtlicher Hinsicht hätte daher eine Interessensabwägung zugunsten der BF ausfallen müssen.

In rechtlicher Hinsicht ergibt sich unter Zugrundelegung des maßgeblichen Sachverhaltes Folgendes:

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag vom 16.05.2018 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 (aus Gründen des Art. 8 EMRK) sowohl gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 als auch gemäß § 60 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 zurückgewiesen.

Gemäß § 58 Abs. 10 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 in der geltenden Fassung, sind Anträge gemäß § 55 als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

Gemäß § 60 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 dürfen Aufenthaltstitel einem Drittstaatsangehörigen nicht erteilt werden, wenn gegen ihn eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 iVm 53 Abs. 2 oder 3 FPG besteht.

Zunächst ist festzuhalten, dass die belangte Behörde zutreffend davon ausgegangen ist, dass gegen die BF eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 FPG besteht, die – nach Maßgabe der Berufungsentscheidung des UVS Niederösterreich – mit einem auf sieben Jahre befristeten Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 1 iVm. 3 FPG verbunden wurde.

Der beantragten Erteilung eines Aufenthaltstitels steht somit das Erteilungshindernis des § 60 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 entgegen.

Unbeachtlich dessen ist aber auch die Zurückweisung des Antrages gemäß § 58 Abs. 10 erster Satz AsylG 2005 zu Recht erfolgt.

Der erste Antrag der BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 wurde mit Bescheid des BF vom 17.04.2018 zurückgewiesen. Gegen diesen Bescheid wurde kein Rechtsmittel erhoben, weshalb dieser in Rechtskraft erwuchs.

Der gegenständliche zweite Antrag der BF erfolgte nur ein Monat später, am 16.05.2018. Dass nach Eintritt der Rechtskraft des ersten negativ entschiedenen Antrags maßgebliche Sachverhaltsänderungen anzunehmen gewesen wären, hat sich nicht ergeben.

Dass vonseiten der belangten Behörde aufgrund der Einvernahme am 20.01.2020 bzw. vor Erlassung des gegenständlich angefochtenen Bescheides neue und für die Entscheidung maßgebliche Sachverhaltsänderungen entstanden wären, hat sich ebenso nicht ergeben.

Lediglich der Umstand, dass sich die BF weiterhin ununterbrochen in Österreich aufgehalten hat, vermag daran auch nichts zu ändern, zumal die BF trotz mehrmaliger Aufforderungen und auch einer rechtskräftigen Geldstrafe wegen unrechtmäßigen Aufenthalts das Bundesgebiet bislang nicht freiwillig verlassen hat und somit ihrer rechtskräftigen Ausreiseverpflichtung seit nunmehr über sechs Jahren nicht nachgekommen ist. Überdies hat die BF an der Ausstellung eines Reisedokuments nicht mitgewirkt, indem sie bei der brasilianischen Botschaft ihre dafür notwendige Unterschrift verweigert hatte. Eine bereits fixierte Abschiebung der BF musste deshalb auch storniert werden.

Das beharrliche unrechtmäßige Verbleiben eines Fremden im Bundesgebiet bzw. ein länger dauernder unrechtmäßiger Aufenthalt stellt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf die Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens dar, was wiederum eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gegen den Fremden als dringend geboten erscheinen lässt (vgl. VwGH 31.10.2002, Zl. 2002/18/0190). Die belangte Behörde ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen dafür im gegenständlichen Fall vorliegen.

Im Übrigen ist auch die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes der BF in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist, zu verneinen, zumal die belangte Behörde wiederholten Fristerstreckungsanträgen der BF im Rahmen des Ermittlungsverfahrens stattgegeben hatte und die BF – im Gegensatz dazu – Beweismittel entweder gar nicht (Reisedokument) oder erst sehr spät (Geburtsurkunde) vorlegte. Letztlich wirkte die BF bislang auch nicht am Verfahren mit, indem sie weder ein Reisedokument beantragte, noch die Ausstellung eines solchen durch die brasilianische Botschaft ermöglichte.

Wie die belangte Behörde auch zutreffend festhielt, haben sich auch im Verhältnis zwischen der BF und ihren beiden – noch minderjährigen – Kindern keine derart geänderten Umstände ergeben, wonach nunmehr das Bestehen eines Familienlebens im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK anzunehmen gewesen wäre. Abgesehen vom Vorliegen eines regelmäßigen – auch persönlichen – Kontakts der BF mit ihren Kindern wurden keine Umstände vorgebracht, die – über eine bestehende emotionale Bindung hinaus – gerade im Hinblick auf die dem Kindesvater weiterhin zukommende alleinige Obsorge ein besonderes Nahe- oder Abhängigkeitsverhältnis annehmen lassen hätten.

In der Beschwerde gelang es insgesamt nicht aufzuzeigen, warum die belangte Behörde im Zusammenhang mit dem gegenständlichen zweiten Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nicht von einem geklärten Sachverhalt ausgehen hätte dürfen, zumal die Beschwerde den von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen nicht konkret entgegentritt. Es wurden auch keine neuen relevanten Umstände betreffend das Privatleben der BF und allfälliger Integrationsbemühungen vorgebracht. Die sowohl vor der belangten Behörde (in der Einvernahme am 20.01.2020) als auch in der Beschwerde von der BF vorgebrachten Umstände betreffen jedoch solche, die seit der rechtskräftigen Entscheidung durch die belangte Behörde im Zusammenhang mit dem ersten Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels praktisch keinerlei Änderung erfahren haben und schon daher keiner neuerlichen inhaltlichen Prüfung zu unterziehen waren.

Es entspricht der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass ein – der vorliegenden Dauer vergleichbarer – weiterer Verbleib im Bundesgebiet samt damit einhergehenden Elementen einer sozialen Integration, der Besuch eines Deutschkurses und die behauptete Möglichkeit einer künftigen Berufstätigkeit keine maßgeblichen Sachverhaltsänderungen begründen, die eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich machen (VwGH 22.07.2011, Zl. 2011/22/0138 u.a.; 13.09.2011, Zl. 2011/22/0035 u.a.; 29.05.2013, Zl. 2011/22/0013; 23.04.2015, Ra 2015/21/0033 u.a.).

Die belangte Behörde ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass aus dem Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich machen, nicht hervorgeht.

Da sowohl die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 als auch des § 58 Abs. 1 erster Satz AsylG 2005 vorliegen, hat die belangte Behörde den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 zu Recht zurückgewiesen.

Die gegenständliche Beschwerde war daher spruchgemäß als unbegründet abzuweisen.

3.2. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Im gegenständlichen Fall wurde der Sachverhalt nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substanziierter Weise behauptet (siehe VwGH 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9).

Es konnte daher – trotz des in der Beschwerde gestellten Antrages – gemäß § 21 Abs. 7
BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint.

3.3. Zur Unzulässigkeit der Revision (Spruchpunkt B.):

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist teilweise zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Aufenthaltstitel Folgeantrag mangelnder Anknüpfungspunkt Mitwirkungspflicht Obsorge Reisedokument Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G301.2160477.3.00

Im RIS seit

21.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

21.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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