TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/6 G307 2223951-1

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Veröffentlicht am 06.07.2020
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Entscheidungsdatum

06.07.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §66
FPG §70 Abs3
NAG §55 Abs3

Spruch

G307 2223951-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. am XXXX , StA.: Polen, vertreten durch Verein Menschenrechte in 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 03.09.2019,
Zahl XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird s t a t t g e g e b e n und der angefochtene Bescheid behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 12.03.2019 wurde der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) aufgrund fehlender hinreichender finanzieller Mittel über die Einleitung eines Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme in Kenntnis gesetzt. Gleichzeitig wurde er zur dahingehenden Stellungnahme binnen 2 Wochen ab Erhalt dieses Schreibens aufgefordert.

Mit per Post am 09.04.2019 beim BFA eingelangtem Schreiben gab der BF dazu eine Stellungnahme ab.

2. Mit dem oben im Spruch genannten Bescheid des BFA, dem BF persönlich zugestellt am 05.09.2019, wurde dieser gemäß § 66 Abs. FPG iVm. § 55 Abs. 3 NAG aus dem Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt I.) und ihm gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit der Entscheidung erteilt (Spruchpunkt II.).

3. Mit per Telefax am 30.09.200 beim BFA eingebrachtem Schriftsatz erhob der BF durch seine Rechtsvertretung (im Folgenden: RV), Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid an das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG).

Darin wurde neben der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung, die ersatzlose Behebung des Bescheides, in eventu die Zurückverweisung der Rechtsache zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde, beantragt.

4. Die gegenständliche Beschwerde und der zugehörige Verwaltungsakt wurden dem BVwG vom BFA vorgelegt, wo sie am 02.10.2019 einlangten.

5. Mit verfahrensleitendem Beschluss des BVwG, G 307 2223951-1/5Z, vom 22.05.2020, der RV des BF zugestellt am 22.05.2020, wurde der BF aufgefordert, bestehende Meldelücken von 14.12.2006 bis 15.07.2008 und 20.06.2015 bis 21.02.2018 zu begründen.

Eine diesbezügliche Stellungnahme langte bis dato beim BVwG nicht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF führt die im Spruch angegebene Identität (Namen und Geburtsdatum), ist polnischer Staatsbürger, ledig und kinderlos.

1.2. Der BF wurde in Polen geboren und hält sich jedenfalls seit 03.07.1995 durchgehend in Österreich auf.

1.3. Der BF ist nicht im Besitz einer Anmeldebescheinigung.

1.4. Der BF absolvierte von XXXX .1995 bis XXXX .1996 und XXXX .1996 bis XXXX .1998 in Österreich eine Lehre und war beginnend mit 02.03.1998 wiederholt, überwiegend geringfügig und immer wieder unterbrochen durch Bezüge von Leistungen aus der staatlichen Arbeitslosenversicherung, in Österreich erwerbstätig.

Insbesondere von 28.07.2004 bis 21.08.2009 ging der BF beinahe durchgehend, einzig im von 28.07.2004 bis 24.09.2004 im geringfügigen, darüber hinaus im vollbeschäftigten Ausmaß, Erwerbstätigkeiten in Österreich nach.

Zuletzt war der BF von 23.09.2019 bis 14.03.2020 bei der XXXX , in XXXX Wien, geringfügig im Ausmaß von 35 Stunden im Monat und gegen eine monatliche Entlohnung von € 150,00 beschäftigt.

1.5. Seit 15.01.2020 bezieht der BF neuerlich Leistungen aus der staatlichen Arbeitslosenversicherung und hat einen Antrag auf einmalige Auszahlung von Sozialhilfe gestellt, welcher von der Bezirkshauptmannschaft XXXX , am 15.01.2019 abgewiesen wurde.

1.6. Im Bundesgebiet halten sich die Mutter, XXXX , geb. XXXX und die Schwester, XXXX , geb. XXXX , beide StA. Österreich. Eine gemeinsame Haushaltsführung in Bezug auf die besagten Angehörigen konnte jedoch nicht festgestellt werden.

1.7. In strafgerichtlicher Hinsicht erweist sich der BF als unbescholten und konnte nicht festgestellt werden, dass der BF an einer Krankheit leidet oder arbeitsunfähig ist.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zu Identität (Namen und Geburtsdatum), Staatsangehörigkeit sowie Antragstellung und Abweisung eines Antrages auf Sozialhilfe des BF getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.

Familienstand, Kinderlosigkeit, Geburt in Polen sowie die familiären Bezugspunkte in Österreich beruhen auf den Angaben des BF. Zudem ergaben sich durch Abfrage im Zentralen Melderegister der Aufenthalt der Mutter und der Schwester des BF sowie deren Identität. Dem Inhalt des ZMR ist ferner das Nichtvorliegen eines gemeinsamen Haushaltes zu entnehmen. Zudem hat der BF den Bestand eines solchen bis dato auch nicht behauptet.

Der durchgehende Aufenthalt des BF in Österreich beruht auf den Angaben desselben, welche mit seinen Wohnsitzmeldungen, den Erwerbszeiten wie den Bezügen von Leistungen aus der staatlichen Arbeitslosenversicherung vereinbar sind. Laut Versicherungsdatenauszug begann der BF am XXXX .1995 eine Lehre in Österreich und war danach beginnend mit 02.03.1998 immer wieder, wiederholt durch Bezüge von Arbeitslosengeld unterbrochen, in Österreich beschäftigt. Zudem weist der BF, abgesehen von der Zeitspanne zwischen 13.12.2006 und 16.07.2008 sowie 19.06.2015 bis 22.02.2018 Wohnsitzmeldungen in Österreich auf. Während der zuvor genannten Zeiten fehlender Wohnsitzmeldungen weist der BF beinahe durchgehende Zeiten des Erwerbes bzw. solche des Bezuges von Leistungen aus der staatlichen Arbeitslosenversicherung auf, sodass von einem Aufenthalt in Österreich trotz fehlender Wohnsitzmeldung des BF auszugehen ist. Zudem bezieht der BF seit 15.01.2020 erneut Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, weswegen trotz fehlender Wohnsitzmeldung seit 21.01.2020 dennoch von einem weiteren Verbleib des BF in Österreich ausgegangen werden kann. Im Ergebnis war sohin ein durchgehender Aufenthalt in Österreich jedenfalls seit 03.07.1995 festzustellen.

Der Nichtbesitz einer Anmeldebescheinigung konnte durch Abfrage des Zentralen Fremdenregisters sowie die strafgerichtliche Unbescholtenheit durch Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich ermittelt werden.

Die Lehre, die Beschäftigungen sowie die Bezüge von Leistungen aus der staatlichen Arbeitslosenversicherung beruhen auf einem aktuellen Sozialversicherungsauszug. Die näheren Feststellungen zur letzten Beschäftigung des BF ergeben sich zudem aus einer in Vorlage gebrachten Ablichtung des entsprechenden Dienstzettels (siehe AS 61, 142).

Die Nichtfeststellbarkeit des Vorliegens einer Krankheit oder Erwerbsunfähigkeit ergibt sich aus der Nichtvorlage entsprechender medizinischer Unterlagen. Der BF hat zwar vorgerbacht, einen Moped-Unfall erlitten zu haben, diesbezüglich jedoch keinerlei Unterlagen beigebracht. Ferner hat der BF ausgeführt, dennoch auf Arbeitssuche zu sein und nie konkret das Bestehen einer Krankheit bzw. das Vorliegen einer Erwerbsunfähigkeit behauptet.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zur Stattgabe der Beschwerde:

3.1.1.  Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, jener der die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und gemäß Abs. 4 Z 8 leg cit als EWR-Bürger, jener Fremder, der Staatsangehöriger einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) ist.

Der BF als Staatsangehöriger von Polen ist sohin EWR-Bürger iSd. § 2 Abs. 4 Z 8 FPG.

3.1.2. Der mit „Ausweisung“ betitelte § 66 FPG lautet:

„§ 66. (1) EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

(2) Soll ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger ausgewiesen werden, hat das Bundesamt insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.

(3) Die Erlassung einer Ausweisung gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, die Ausweisung wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)“

Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ betitelte § 9 BFA-VG lautet:

„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.“

Der mit „Bescheinigung des Daueraufenthalts von EWR-Bürgern“ betitelte § 53a NAG lautet wie folgt:

„§ 53a. (1) EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52), erwerben unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen gemäß §§ 51 oder 52 nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Recht auf Daueraufenthalt. Ihnen ist auf Antrag nach Überprüfung der Aufenthaltsdauer unverzüglich eine Bescheinigung ihres Daueraufenthaltes auszustellen.

(2) Die Kontinuität des Aufenthalts im Bundesgebiet wird nicht unterbrochen von

1.       Abwesenheiten von bis zu insgesamt sechs Monaten im Jahr;

2.       Abwesenheiten zur Erfüllung militärischer Pflichten oder

3.       durch eine einmalige Abwesenheit von höchstens zwölf aufeinander folgenden Monaten aus wichtigen Gründen wie Schwangerschaft und Entbindung, schwerer Krankheit, eines Studiums, einer Berufsausbildung oder einer beruflichen Entsendung.

(3) Abweichend von Abs. 1 erwerben EWR-Bürger gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 vor Ablauf der Fünfjahresfrist das Recht auf Daueraufenthalt, wenn sie

1.       zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Erwerbsleben das Regelpensionsalter erreicht haben, oder Arbeitnehmer sind, die ihre Erwerbstätigkeit im Rahmen einer Vorruhestandsregelung beenden, sofern sie diese Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet mindestens während der letzten zwölf Monate ausgeübt und sich seit mindestens drei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben;

2.       sich seit mindestens zwei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben und ihre Erwerbstätigkeit infolge einer dauernden Arbeitsunfähigkeit aufgeben, wobei die Voraussetzung der Aufenthaltsdauer entfällt, wenn die Arbeitsunfähigkeit durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit eingetreten ist, auf Grund derer ein Anspruch auf Pension besteht, die ganz oder teilweise zu Lasten eines österreichischen Pensionsversicherungsträgers geht, oder

3.       drei Jahre ununterbrochen im Bundesgebiet erwerbstätig und aufhältig waren und anschließend in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erwerbstätig sind, ihren Wohnsitz im Bundesgebiet beibehalten und in der Regel mindestens einmal in der Woche dorthin zurückkehren;

Für den Erwerb des Rechts nach den Z 1 und 2 gelten die Zeiten der Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union als Zeiten der Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet. Zeiten gemäß § 51 Abs. 2 sind bei der Berechnung der Fristen zu berücksichtigen. Soweit der Ehegatte oder eingetragene Partner des EWR-Bürgers die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt oder diese nach Eheschließung oder Begründung der eingetragenen Partnerschaft mit dem EWR-Bürger verloren hat, entfallen die Voraussetzungen der Aufenthaltsdauer und der Dauer der Erwerbstätigkeit in Z 1 und 2.

(4) EWR-Bürger, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 sind, erwerben ebenfalls das Daueraufenthaltsrecht, wenn der zusammenführende EWR-Bürger das Daueraufenthaltsrecht gemäß Abs. 3 vorzeitig erworben hat oder vor seinem Tod erworben hatte, sofern sie bereits bei Entstehung seines Daueraufenthaltsrechtes bei dem EWR-Bürger ihren ständigen Aufenthalt hatten.

(5) Ist der EWR-Bürger gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 im Laufe seines Erwerbslebens verstorben, bevor er gemäß Abs. 3 das Recht auf Daueraufenthalt erworben hat, so erwerben seine Angehörigen, die selbst EWR-Bürger sind und die zum Zeitpunkt seines Todes bei ihm ihren ständigen Aufenthalt hatten, das Daueraufenthaltsrecht, wenn

1.       sich der EWR-Bürger zum Zeitpunkt seines Todes seit mindestens zwei Jahren im Bundesgebiet ununterbrochen aufgehalten hat;

2.       der EWR-Bürger infolge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit verstorben ist, oder

3.       der überlebende Ehegatte oder eingetragene Partner die österreichische Staatsangehörigkeit nach Eheschließung oder Begründung der eingetragenen Partnerschaft mit dem EWR-Bürger verloren hat.“

3.1.3. Der Beschwerde gegen den Bescheid des BFA war aus folgenden Gründen stattzugeben:

Nach Art. 7 Abs. 1 lit. a und b der Freizügigkeitsrichtlinie hat jeder Unionsbürger das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von über drei Monaten, wenn er Arbeitnehmer oder Selbständiger im Aufnahmemitgliedstaat ist, oder für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, sodass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen, und er und seine Familienangehörigen über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügen.

„Auf die erste und zweite Frage ist somit zu antworten, dass unter die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer auch ein Angehöriger eines Mitgliedstaates fällt, der im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats eine Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis ausübt, mit der er weniger verdient, als im letztgenannten Staat als Existenzminimum angesehen wird, wobei es nicht darauf ankommt, ob er die Einkünfte aus seiner Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis durch andere Einkünfte bis zu diesem Minimum ergänzt oder sich mit Existenzgrundlagen begnügt, die darunter liegen, vorausgesetzt, er übt tatsächlich eine echte Tätigkeit im Lohn- und Gehaltsverhältnis aus.“ (EuGH 23.03.1982, 53/81)“

„Vorab ist darauf hinzuweisen, daß nach ständiger Rechtsprechung der Begriff des Arbeitnehmers nach Gemeinschaftsrecht zu bestimmen und nicht eng auszulegen ist. Arbeitnehmer ist jedoch nur, wer eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, wobei Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, daß sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen. Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht darin, daß jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält (vgl. insbesondere Urteil vom 21. Juni 1988 in der Rechtssache 197/86, Brown, Slg. 1986, 3205, Randnr. 21). In diesem Zusammenhang ist die Art des Rechtsverhältnisses zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber für die Anwendung des Artikels 48 EWG-Vertrag unerheblich (vgl. Urteil vom 31. Mai 1989 in der Rechtssache 344/87, Bettray, Slg. 1989, 1621, Randnr. 16).“ (EuGH 26.02.1992, C-357/89)

„Weder die begrenzte Höhe der Vergütung noch die Herkunft der Mittel für diese Vergütung oder der Umstand, dass der Betreffende die Vergütung durch andere Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts wie eine aus öffentlichen Mitteln des Wohnmitgliedstaats gezahlte finanzielle Unterstützung zu ergänzen sucht, kann irgendeine Auswirkung auf die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des Unionsrechts haben (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 3. Juni 1986, Kempf, 139/85, Slg. 1986, 1741, Randnr. 14, vom 31. Mai 1989, Bettray, 344/87, Slg. 1989, 1621, Randnr. 15, sowie vom 30. März 2006, Mattern und Cikotic, C?10/05, Slg. 2006, I?3145, Randnr. 22).“ EuGH 4.2.2010, C-14/09, Genc)

Nicht von Bedeutung ist die Höhe der Vergütung, Ausmaß der Arbeitszeit und Dauer des Dienstverhältnisses (vgl. EuGH 26.2.1992, C-357/89, Raullin/Minister van Onderwijs en Weteschappen)

„Auch das nachhaltige Bemühen um eine Arbeitsstelle, sofern dieses Bemühen objektiv nicht aussichtslos ist, kann ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht vermitteln (Hinweis E 26. Februar 2013, 2010/22/0104; EuGH 15. September 2015, C-67/14). Dieses Aufenthaltsrecht wird innerstaatlich nicht verliehen, sondern nur dokumentiert (Hinweis E 9. August 2016, Ro 2015/10/0050). Es kommt daher auf die Ausstellung einer Anmeldebescheinigung für den Rechtserwerb nicht an.“ (VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0264)

Im Aufenthaltsbeendigungsverfahren, in dem verbindlich über das Weiterbestehen der Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht entschieden wird, ist für die Vergangenheit in Bezug auf den Erwerb des Daueraufenthaltsrechts nicht (jedenfalls) vom Vorliegen dieser Voraussetzungen auszugehen; vielmehr hat die Behörde (das BFA) in diesem Verfahren eigenständig zu beurteilen, bis zu welchem Zeitpunkt die Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht vorgelegen sind und ob ausgehend davon bereits das Daueraufenthaltsrecht erworben worden ist (vgl. VwGH 15.3.2018, Ra 2017/21/0191).

3.1.4. Der BF hält sich jedenfalls seit 03.07.1995 in Österreich auf und ging, beginnend mit 02.03.1998, immer wieder, wenn auch überwiegend im geringfügigen Ausmaß und mehrmals unterbrochen durch Bezüge von Leistungen aus der staatlichen Arbeitslosenversicherung, Erwerbstätigkeiten in Österreich nach.

Im Lichte der obigen Judikatur ist anhand der in Österreich beinahe durchgehend ausgeübten Erwerbstätigkeit des BF vom 27.07.2004 bis 21.08.2009 festzustellen, dass dieser mit Blick auf die seit dem Beitritt Polens am 01.05.2004 das unionsrechtliche Daueraufenthaltsrecht in Österreich iSd. § 53a NAG erworben hat. Durch die aufgezeigten Erwerbstätigkeiten erfüllte der BF die unionsrechtlichen Aufenthaltsvoraussetzungen iSd. § 51 Abs. 1 Z 1 NAG, welche wegen des fünf Jahre übersteigenden Zeitraums an Erwerbstätigkeiten auch durch Zeiten der Arbeitssuche nicht unterbrochen wurden, weshalb dem BF seither ein unionsrechtliches Daueraufenthaltsrecht in Österreich zukommt. Der weitere Aufenthalt des BF in Österreich war demnach nicht an das Vorleigen der Voraussetzungen iSd. § 51 NAG gebunden, sodass – wie noch näher ausgeführt werden wird – in Ermangelung der Feststellbarkeit einer maßgeblichen Gefährdung öffentlicher Interessen durch den BF von einem durchgehend rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich, jedenfalls seit 27.07.2004 auszugehen ist.

Eine Ausweisung des BF aus dem Bundesgebiet erweist sich gemäß § 66 Abs. 3 FPG demnach nur zulässig, wenn der weitere Aufenthalt des BF eine nachhaltige und maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung darstellen würde.

3.1.5. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jede Person Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihres Briefverkehrs.

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit ein Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, wie sie eine Ausweisung eines Fremden darstellt, kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob die Ausweisung einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt:

Die Zulässigkeit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme setzt nach § 9 Abs. 1 BFA-VG unter dem dort genannten Gesichtspunkt eines Eingriffs in das Privat- und/oder Familienleben voraus, dass ihre Erlassung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (vgl. VwGH vom 12.11.2015, Zl. Ra 2015/21/0101).

Wie der Verfassungsgerichtshof (VfGH) bereits in zwei Erkenntnissen vom 29.09.2007, Zl. B 328/07 und Zl. B 1150/07, dargelegt hat, sind die Behörden stets dazu verpflichtet, das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung gegen die persönlichen Interessen des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich am Maßstab des Art. 8 EMRK abzuwägen, wenn sie eine Ausweisung verfügt. In den zitierten Entscheidungen wurden vom VfGH auch unterschiedliche – in der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) fallbezogen entwickelte – Kriterien aufgezeigt, die in jedem Einzelfall bei Vornahme einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art. 8 EMRK einer Ausweisung entgegensteht:

•        die Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird (EGMR 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 16.09.2004, Ghiban, Zl. 11103/03, NVwZ 2005, 1046),

•        das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80, 9473/81, 9474/81, EuGRZ 1985, 567; 20.06.2002, Al-Nashif, Zl. 50963/99, ÖJZ 2003, 344; 22.04.1997, X, Y und Z, Zl. 21830/93, ÖJZ 1998, 271) und dessen Intensität (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00),

•        die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

•        den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (vgl. EGMR 04.10.2001, Adam, Zl. 43359/98, EuGRZ 2002, 582; 09.10.2003, Slivenko, Zl. 48321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.06.2005, Sisojeva, Zl. 60654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 05.07.2005, Zl. 2004/21/0124; 11.10.2005, Zl. 2002/21/0124),

•        die Bindungen zum Heimatstaat,

•        die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (vgl. zB EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 11.04.2006, Useinov, Zl. 61292/00), sowie

•        auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 05.09.2000, Solomon, Zl. 44328/98; 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07).

Bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden ist regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, wurden etwa Aufenthaltsbeendigungen ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen. Diese Rechtsprechung zu Art. 8 MRK ist auch für die Erteilung von Aufenthaltstiteln relevant (vgl. E 26. Februar 2015, Ra 2015/22/0025; E 19. November 2014, 2013/22/0270). Auch in Fällen, in denen die Aufenthaltsdauer knapp unter zehn Jahren lag, hat der VwGH eine entsprechende Berücksichtigung dieser langen Aufenthaltsdauer gefordert (vgl. E 16. Dezember 2014, 2012/22/0169; E 9. September 2014, 2013/22/0247; E 30. Juli 2014, 2013/22/0226). Im Fall, dass ein insgesamt mehr als zehnjähriger Inlandsaufenthalt für einige Monate unterbrochen war, legte der VwGH seine Judikatur zum regelmäßigen Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich bei einem mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalt des Fremden zugrunde (vgl. E 26. März 2015, Ra 2014/22/0078 bis 0082). (Vgl. VwGH 08.11.2018, Ra 2016/22/0120

„Nach § 66 Abs. 2 FrPolG 2005 und § 9 BFA-VG 2014 ist bei Erlassung einer auf § 66 FrPolG 2005 gestützten Ausweisung eine Abwägung des öffentlichen Interesses an der Beendigung des Aufenthalts des EWR-Bürgers mit dessen Interesse an einem Verbleib in Österreich vorzunehmen, bei der insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts im Bundesgebiet, das Alter, der Gesundheitszustand, die familiäre und wirtschaftliche Lage, die soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß der Bindungen zum Heimatstaat sowie die Frage der strafgerichtlichen Unbescholtenheit zu berücksichtigen sind.“ (VwGH 30.08.2018, Ra 2018/21/0049)

3.1.6. Der BF kann mittlerweile auf einen fast 25jährigen durchgehenden Aufenthalt in Österreich zurückblicken. Zudem hat er eine Lehre absolviert, ging er wiederholt Erwerbstätigkeiten in Österreich nach und verfügt er über familiäre Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet. Ferner erweist sich der BF in strafrechtlicher Hinsicht als unbescholten und können ihm bis auf wiederholte Meldeunterlassungen keine Verfehlungen vorgehalten werden. Die besagten Meldevergehen sind jedoch keinesfalls dazu geeignet. eine maßgebliche Gefährdung öffentlicher Interessen weder iSd. § 55 Abs. 3 erster Fall NAG (vgl. VwGH 30.08.2018, Ra 2018/21/0049: wonach es einer tatsächlichen, gegenwärtigen und erheblich Gefährdung bedarf) noch iSd. § 66 Abs. 3 FPG zu begründen.

Demzufolge, aber auch unter Berücksichtigung von Art 8 EMRK, erweist sich eine Ausweisung des BF aus dem Bundesgebiet gemäß § 66 Abs. 3 FPG – iVm. § 9 BFA-VG – als nicht zulässig.

Der gegenständlichen Beschwerde war sohin stattzugeben und der angefochtene Bescheid zu beheben.

3.2. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, und sich zudem aus der Aktenlage ergibt, dass der angefochtene Bescheid zu beheben war, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG sowie 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung familiäre Interessen Interessenabwägung Unbescholtenheit Voraussetzungen Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G307.2223951.1.00

Im RIS seit

21.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

21.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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