TE Bvwg Beschluss 2020/7/13 G307 2191700-2

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Veröffentlicht am 13.07.2020
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Entscheidungsdatum

13.07.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §66 Abs1
FPG §70 Abs3
NAG §55 Abs3

Spruch

G307 2191700-2/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA.: Slowenien, vertreten durch die Diakonie, gemeinnützige Flüchtlingsgesellschaft mbH – ARGE Rechtsberatung in 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.05.2019, Zahl: XXXX , zu Recht erkannt:

A)       Der Beschwerde wird s t a t t g e g e b e n und der angefochtene Bescheid behoben.

B)       Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Schreiben vom 12.09.2017 wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom Amt der XXXX Landesregierung, Magistratsabteilung 35 (im Folgenden: MA 35) darüber in Kenntnis gesetzt, dass der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) die Voraussetzungen für einen weiteren unionsrechtlichen Aufenthalt im Bundesgebiet nicht erfülle.

2. Mit Schreiben vom 13.10.2017, wurde der BF vom BFA über die Einleitung eines Aufenthaltsbeendigungsverfahrens in Kenntnis gesetzt. Zugleich wurde der BF zur Stellungnahme binnen 14 Tagen aufgefordert.

Eine Stellungnahme langte bei der belangten Behörde nicht ein.

3. Mit Bescheid des BFA, dem BF persönlich zugestellt am 12.03.2018, wurde diesem gemäß § 66 Abs. 1 FPG iVm § 55 Abs. 3 NAG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt I.) und ihm gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung eingeräumt(Spruchpunkt II.).

4. Mit per E-Mail am 04.04.2018 beim BFA eingebrachtem Schreiben, erhob der BF durch die im Spruch angeführte Rechtsvertretung (im Folgenden: RV) Beschwerde gegen den zuvor genannten Bescheid an das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG).

5. Dieser Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 24.05.2018, Zahl G307 2191700-1/4E stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.

6. Wegen eine Verwaltungsübertretung gemäß § 99 Abs. 1 lit b) iVm § 5 StVO wurde der BF von einem Organ der belangten Behörde am 08.03.2019 zur beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, seinen persönlichen wie finanziellen Verhältnissen einvernommen.

7. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid, dem BF persönlich zugestellt am 14.05.2019, wurde gegen diesen gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.) und diesem gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung erteilt (Spruchpunkt II.)

8. Mit Schreiben vom 05.06.2019, beim BFA eingelangt am selben Tag, erhob der BF durch seine RV Beschwerde gegen diesen Bescheid. Darin wurde beantragt, den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben, eventualiter eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG durchzuführen, in eventu den Bescheid zu beheben und zur Verfahrensergänzung an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen.

Der Verwaltungsakt und die Beschwerde wurden vom Bundesamt dem erkennenden Gericht am 06.06.2019 übermittelt, wo sie am 12.06.2019 einlangten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF führt die im Spruch angegebene Identität (Name und Geburtsdatum) und ist Staatsangehöriger der Republik Slowenien.

1.2. Der BF besuchte in Slowenien 8 Jahre lang die Schule, verfügt jedoch über keine Berufsausbildung. In Österreich leben keine Familienangehörige des BF, seine Frau lebt in Slowenien, seine beiden Kinder sind volljährig.

1.3. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF Deutschkenntnisse eines bestimmten Niveaus besitzt.

1.4. Der BF hält sich seit 02.05.2012 beinahe durchgehend im Bundesgebiet auf war sein Aufenthalt lediglich von 07.09.2012 bis 23.09.2012, 31.01.2013 bis 23.05.2013, 16.07.2014 bis 23.07.2014, 13.03.2016 bis 29.03.2016 unterbrochen.

1.5. Der BF geht seit 06.02.2013 mit kurzen Unterbrechungen wiederholt Erwerbstätigkeiten im Bundesgebiet nach. In Zeiten der Arbeitslosigkeit bezog der BF beinahe durchgehend Leistungen aus der staatlichen Arbeitslosenversicherung, wobei er diese erstmals am 10.02.2014 in Anspruch genommen hat und die Bezüge unmittelbar nach dem Ende der jeweiligen Erwerbstätigkeit – ohne Wartezeiten – erfolgten.

1.6. Der BF bezieht seit XXXX .2019 Krankengeld, steht jedoch in einem aufrechten Arbeitsverhältnis mit der XXXX , etabliert in XXXX . Er hat kein Vermögen und Außenstände in unbekannter Höhe.

1.7. Der BF erweist sich in strafrechtlicher Hinsicht als unbescholten und konnte nicht festgestellt werden, dass der BF während seines gegenwärtigen Aufenthaltes in Österreich Sozialleistungen bezogen hat.

1.8. Der BF ist im Besitz einer am 19.05.2015 ausgestellten Anmeldebescheinigung.

1.9. Mit rechtskräftigem Straferkenntnis des Polizeikommissariats XXXX der Landespolizeidirektion XXXX vom XXXX .12.2018, Zahl XXXX , wurde gegen den BF gemäß §§ 99 Abs. 1 lit b) iVm § 5 Abs. 2 StVO eine Geldstrafe von € 1.600,00, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Tagen verhängt.

Dem BF wurde darin angelastet, er habe sich am XXXX .2018 um 00:40 Uhr in XXXX nach Aufforderung geweigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, obwohl er am XXXX .2018 um 00:25 Uhr in XXXX das Fahrzeug mit dem Kennzeichen XXXX in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zu Identität (Namen, Geburtsdatum), Staatsangehörigkeit, Schul- und fehlender Berufsausbildung, Bestand zweier erwachsener Kinder, Verbleib der Frau in Slowenien, Schulden, fehlendem Vermögen sowie Aufenthaltsdauer des BF in Österreich getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde wie dem Inhalt der Einvernahme vor dem BFA.

Die Aufenthaltsunterbrechungen rühren vom Datenbestandbestand des Zentralen Melderegisters her, welcher innerhalb der besagten Zeiträume keine Meldedaten des BF aufweist.

Die Beschäftigungen des BF, die Erwerbszeiten, der erste und wiederholte Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, der lückenlose Arbeitslosengeldbezug, der aktuelle Krankengeldbezug sowie der Bezug von Arbeitslosengeld bis zum 10.05.2018 folgen dem Inhalt des auf den BF lautenden Sozialversicherungsauszuges vom 09.07.2020.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des BF folgt dem Amtswissen des erkennenden Gerichts (Einsicht in das Strafregister der Republik Österreich) und ergibt sich die fehlende Feststellbarkeit des Bezuges von Sozialleistungen ebenso aus dessen Sozialversicherungsauszug sowie dem Fehlen sonstiger einen solchen Bezug nahelegender Anhaltspunkte.

Der Besitz einer Anmeldebescheinigung beruht auf einer in Vorlage gebrachten Ablichtung derselben.

Die im Rahmen des oben erwähnten Straferkenntnisses des PK XXXX verhängte Geldstrafe folgt dem Inhalt der im Akt einliegenden zitierten Entscheidung (AS 137 ff).

In Ermangelung der Vorlage eines Sprachzertifikats oder Ähnlichem konnten dem BF keine Deutschkenntnisse eines bestimmten Niveaus zugestanden werden.

In der Beschwerde wurde lediglich moniert, das Bundesamt habe den Sachverhalt unrichtig rechtlich beurteilt, eine mangelnde Beweiswürdigung wurde nicht aufgegriffen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Der mit „Aufenthaltsverbot“ betitelte § 67 FPG lautet:

„(1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1.       der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4.       der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist beginnt mit Eintritt der Durchsetzbarkeit zu laufen.

(5) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)“

Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ betitelte § 9 BFA-VG lautet:

„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 Abs. 1a FPG nicht erlassen werden, wenn

1.       ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, oder

2.       er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.“

3.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens war der Beschwerde stattzugeben, dies aus folgenden Gründen:

Für den BF, der aufgrund seiner slowenischen Staatsangehörigkeit in den persönlichen Anwendungsbereich von § 67 FPG fällt, kommt der Prüfungsmaßstab des § 67 Abs. 1., 1. bis 4. Satz FPG für Unionsbürger zur Anwendung, weil er sich durchgehend seit mehr als 8 Jahren in Österreich aufhält.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist (vgl dazu etwa VwGH 25.04.2014, Ro 2014/21/0039).

Der BF wurde mit Straferkenntnis des PK Meidling vom 27.12.2018 wegen Verweigerung eines Alkotests mit einer Geldstrafe von € 1.600,00 belangt. Da er sich als strafrechtlich unbescholten erweist und er auch sonst keine weiteren Handlungsweisen gesetzt hat, welche eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung darstellten, ist lediglich dieses Fehlverhalten im Lichte des § 67 FPG zu beurteilen.

Der VwGH hat in seinem Erkenntnis vom 13.12.2012 Zahl 2012/21/0181 unter anderem erwogen, dass (dort) die Behörde hat grundsätzlich zutreffend § 67 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 als Rechtsgrundlage für das Aufenthaltsverbot gegenüber der Fremden, einer Unionsbürgerin, herangezogen hat. Richtigerweise ist sie auch davon ausgegangen, dass für die Gefährdungsprognose nicht der Maßstab des fünften Satzes dieser Bestimmung anzuwenden war, weil die Fremde ihren Aufenthalt noch nicht seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatte. Dennoch erweist es sich als rechtswidrig, dass die Behörde den Maßstab der ersten beiden Sätze des § 67 Abs. 1 Fr PolG 2005 idF FrÄG 2011 für maßgeblich erachtete. Die Fremde ist zum Bescheiderlassungszeitpunkt seit rund neun Jahren - (offenbar rechtmäßig) in Österreich aufhältig und war annähernd 7 Jahre fast durchgehend erwerbstätig, daher ist davon auszugehen, dass sie das unionsrechtliche Recht auf Daueraufenthalt erworben hat (vgl. Art. 16 der Richtlinie 2004/38/EG - Unionsbürgerrichtlinie sowie § 53a NAG 2005). Für Unionsbürger und ihre Familienangehörigen, die das Recht auf Daueraufenthalt genießen, bestimmt aber Art. 28 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie, dass eine Ausweisung nur aus "schwerwiegenden" Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügt werden darf, wobei zwar auch hier gemäß Art. 27 Abs. 2 der Richtlinie auf das persönliche Verhalten abzustellen ist, das eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen muss, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, insgesamt aber ein größeres Ausmaß an Gefährdung verlangt wird. Diese Vorgaben der Unionsbürgerrichtlinie wurden im FrPolG 2005 insofern umgesetzt, als nach dessen § 66 Abs. 1 idF FrÄG 2011 die Ausweisung von EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen, die bereits das Daueraufenthaltsrecht erworben haben, nur dann zulässig ist, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

Dem dortigen Verhalten lag eine zweifache Verurteilung wegen Suchtmitteldelikten zu Grunde.

Vor dem Hintergrund dieser Leitjudikatur erweist sich jedoch die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes gegenständlich als nicht zulässig. So ist die Verwaltungsübertretung des BF mit seinem bisherigen Verhalten und seiner Aufenthaltsdauer abzuwägen. Wie im Rechtsmittel zutreffend hervorgehoben, hat sich der BF – abgesehen von der besagten Geldstrafe – kein weiteres Fehlverhalten zu Schulden kommen lassen. Er war immer wieder – wenn auch mit längeren Unterbrechungen – beschäftigt, steht derzeit in einem Arbeitsverhältnis, auch wenn er sich im Krankenstand befindet. Dass er über keine nachweisbaren Deutschkenntnisse verfügt, kann ihm nicht derart angelastet werden, dass es zu einer Bestätigung des Aufenthaltsverbotes käme. Der BF verfügt zwar über keine Familienangehörigen im Bundesgebiet und legte keine engen Beziehungen zu in Österreich lebenden Personen dar, jedoch ist dem BF schon angesichts der Aufenthaltsdauer im Inland der Lebenserfahrung nach ein (hier: schützenswertes) Privatleben zuzugestehen.

Im Ergebnis war der bekämpfte Bescheid daher aufzuheben. Als Folge der Aufhebung von Spruchpunkt I. war auch dessen Spruchpunkt II. (einmonatiger Durchsetzungsaufschub) zu beheben.

3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm 24 Abs. 4 VwGVG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung „wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint“ unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) vom 12.03.2012, Zl. U 466/11 ua., festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde vorangegangen. Für die in der Beschwerde behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens ergeben sich aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr wurde den Grundsätzen der Amtswegigkeit, der freien Beweiswürdigung, der Erforschung der materiellen Wahrheit und des Parteiengehörs entsprochen. So ist die belangte Behörde ihrer Ermittlungspflicht hinreichend nachgekommen. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt wurde nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Aufenthaltsdauer Ausweisung Behebung der Entscheidung Interessenabwägung Privat- und Familienleben Unbescholtenheit Verwaltungsübertretung Voraussetzungen Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G307.2191700.2.00

Im RIS seit

21.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

21.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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