TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/14 G311 2156480-2

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Veröffentlicht am 14.07.2020
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Entscheidungsdatum

14.07.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §66 Abs1
FPG §70 Abs3
NAG §55 Abs3

Spruch

G311 2156480-2/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Eva WENDLER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit: Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung – Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.05.2018, Zahl XXXX , zu Recht:

A)              Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

B)              Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.05.2018 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 1 FPG iVm § 55 Abs. 3 NAG aus dem Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt I.) und ihm gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung erteilt (Spruchpunkt II.). Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer zwar am 29.10.2015 einen Antrag auf Ausstellung einer Anmeldebescheinigung bei der zuständigen NAG-Behörde gestellt habe, jedoch trotz mehrfacher Urgenz fehlende Unterlagen nicht nachgereicht habe. Daraufhin sei das Bundesamt von der NAG-Behörde befasst und der Beschwerdeführer mit Bescheid 18.04.2017 aus dem Bundesgebiet ausgewiesen worden. Die dagegen erhobene Beschwerde sei vom Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 30.06.2017, G307 2156480-1/3E, als verspätet zurückgewiesen worden. Aufgrund der damit rechtskräftigen Ausweisung sei der Beschwerdeführer für zwei Tage von 06.08.2017 bis 08.08.2017 nach Tschechien ausgereist und am 08.08.2017 wieder in das Bundesgebiet eingereist. Er habe somit die Ausweisung vom 18.04.2017 „konsumiert“. Am 14.03.2018 sei dem Bundesamt seitens der NAG-Behörde mitgeteilt worden, dass der Beschwerdeführer nach wie vor nicht alle Voraussetzungen für ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht erfülle. Es sei eine Aufenthaltsbeendigung angeregt worden. Der Beschwerdeführer gehe in Österreich keiner Beschäftigung nach, beziehe Arbeitslosengeld, sei ledig, lebe aber in einer Lebensgemeinschaft mit einer Österreicherin und habe mit ihr ein gemeinsames Kind. Der Beschwerdeführer erfülle nicht die Voraussetzungen gemäß §§ 51 und 52 NAG. Er sei daher aus dem Bundesgebiet auszuweisen.

Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz der bevollmächtigten Rechtsvertretung des Beschwerdeführers vom 01.06.2018, beim Bundesamt am 01.06.2018 einlangend, fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben. Es wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchführen und auch die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers einvernehmen sowie den angefochtenen Bescheid beheben und feststellen, dass dem Beschwerdeführer ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zukomme; in eventu feststellen, dass die Ausweisung des Beschwerdeführers gegen seine Rechte nach Art. 8 EMRK verstoße und ihm einen „Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG“ erteilen; in eventu den angefochtenen Bescheid ersatzlos beheben und das Verfahren an das Bundesamt zurückverweisen.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt vorgelegt und langten am 06.06.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Bundesrepublik Deutschland (vgl aktenkundige Kopie des deutschen Personalausweises, AS 17).

Er geht seit 11.12.2019 bis dato einer sozialversicherten Erwerbstätigkeit als Angestellter mit einem Brutto-Bezug von rund EUR 1.600,00 bei der XXXX GmbH nach (vgl Sozialversicherungsdatenauszug vom 22.06.2020).

2. Beweiswürdigung:

Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakte des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Zur Person der beschwerdeführenden Partei:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität (Namen, Geburtsdatum) und Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde. Weiters ist eine Kopie seines deutschen Personalausweises aktenkundig, an dessen Echtheit und Richtigkeit keine Zweifel aufgekommen sind.

Das Bundesverwaltungsgericht nahm zudem Einsicht in das Fremdenregister, das Strafregister, das Zentrale Melderegister sowie in die Sozialversicherungsdaten des Beschwerdeführers.

3. Rechtliche Beurteilung:

§ 66 Abs. 1 und 2 FPG lauten:

"(1) EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

(2) Soll ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger ausgewiesen werden, hat das Bundesamt insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen."

Gemäß § 55 Abs. 3 NAG hat die Behörde für den Fall, dass das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht besteht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs. 2 oder § 54 Abs. 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs. 7. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.

§ 51 Abs. 1 NAG lautet:

"Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie

1.       in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind;

2. für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen, oder

3. als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen."

Der Beschwerdeführer ist nunmehr in Österreich sozialversichert erwerbstätig und damit Arbeitnehmer iSd § 51 Abs. 1 Z 1 NAG. Damit ist er als EWR-Bürger, der sein Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen hat, sich länger als drei Monate im Bundesgebiet aufhält und in Österreich Arbeitnehmer ist, gemäß § 51 Z. 1 NAG zur Niederlassung im Bundesgebiet berechtigt. Sohin kann nicht davon gesprochen werden, dem Beschwerdeführer würde aus den Gründen des § 55 Abs. 1 NAG das Niederlassungsrecht fehlen (vgl VwGH 22.09.2009, 2008/22/0690). Die Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 FPG lagen daher im Entscheidungszeitpunkt nicht vor, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Ausweisung ab, noch ist diese Rechtsprechung als uneinheitlich zu bewerten. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der gegenständlich zu lösenden Rechtsfragen liegen nicht vor.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Erwerbstätigkeit EWR-Bürger Voraussetzungen Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G311.2156480.2.00

Im RIS seit

21.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

21.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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