TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/17 G308 2207355-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.07.2020
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Entscheidungsdatum

17.07.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

G308 2207355-1/11E
G308 2207354-1/8E
G308 2207428-1/9E
G308 2207430-1/9E
G308 2207357-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Angelika PENNITZ als Einzelrichterin über die Beschwerden 1.) des XXXX , geboren am XXXX , 2.) der XXXX , geboren am XXXX , 3.) des XXXX , geboren am XXXX , 4.) des XXXX , geboren am XXXX , und 5.) der minderjährigen XXXX , geboren am XXXX , alle Staatsangehörigkeit: Irak, die letztere gesetzlich vertreten durch die Mutter XXXX , alle vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.09.2018, Zahlen: zu 1.) XXXX , zu 2.) XXXX , zu 3.) XXXX , zu 4.) XXXX , und zu 5.) XXXX , betreffend die Abweisung der Anträge auf internationalen Schutz sowie die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, zu Recht:

A)

I.       Die Beschwerden gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide werden gemäß
§ 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II.      Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG werden XXXX , geboren am XXXX , XXXX , geboren am XXXX , XXXX , geboren am XXXX , XXXX , geboren am XXXX , und mj. XXXX , geboren am XXXX , jeweils der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak zuerkannt.

III.    Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wird XXXX , XXXX , XXXX , XXXX und mj. XXXX jeweils eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer von 12 Monaten erteilt.

IV.      In Erledigung der Beschwerden werden die jeweiligen Spruchpunkte III. bis VI. der angefochtenen Bescheide ersatzlos aufgehoben.

B)       

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Erstbeschwerdeführer ist mit der Zweitbeschwerdeführerin verheiratet. Aus dieser Ehe stammen der Drittbeschwerdeführer, der Viertbeschwerdeführer sowie die minderjährige Fünftbeschwerdeführerin.

Die Beschwerdeführer reisten illegal in das österreichische Bundesgebiet ein, wo sie gemeinsam am 16.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 stellten. Zum Zeitpunkt der Asylantragstellung waren auch der Drittbeschwerdeführer und der Viertbeschwerdeführer noch minderjährig.

Am 17.09.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Erstbeschwerdeführers, der Zeitbeschwerdeführerin sowie des damals noch mündig minderjährigen Drittbeschwerdeführers und Viertbeschwerdeführers zu ihren Anträgen auf internationalen Schutz statt.

Die niederschriftlichen Einvernahmen des Erstbeschwerdeführers, der Zweitbeschwerdeführerin und des Drittbeschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, fanden jeweils am 10.01.2018 bzw. 12.01.2018 und am 14.09.2018 statt. Der Viertbeschwerdeführer wurde am 14.09.2018 vor dem Bundesamt einvernommen.

Mit den oben im Spruch angeführten Bescheiden des Bundesamtes wurden die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (jeweils Spruchpunkt I.), als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (jeweils Spruchpunkt II.) abgewiesen, den Beschwerdeführern ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen sie gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Darüber hinaus wurde eine Frist zur freiwilligen Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eingeräumt (Spruchpunkt VI.).

Mit den jeweils am 04.10.2018 beim Bundesamt einlangenden Schriftsätzen vom 04.10.2018, erhoben die Beschwerdeführer jeweils (die minderjährige Drittbeschwerdeführerin vertreten durch den Erstbeschwerdeführer) durch ihre gemeinsame bevollmächtigte Rechtsvertretung das Rechtsmittel der Beschwerde gegen die sie betreffenden Bescheide des Bundesamtes. Die Ausführungen in den jeweiligen Beschwerden sind ident. Es wurde ausgeführt, dass der Dritt- und Viertbeschwerdeführer sowie die Fünftbeschwerdeführerin keine eigenen Fluchtgründe hätten und auf die Fluchtgründe des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin verwiesen werden würde. Es wurde jeweils beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Verhandlung durchführen und den Beschwerdeführern den Status von Asylberechtigten bzw. allenfalls von subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen; in eventu die Aussprüche zur Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung und Abschiebung beheben und den Beschwerdeführern einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57, 55 AsylG 2005 erteilen.

Die gegenständlichen Beschwerden und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt vorgelegt und sind am 10.10.2018 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

Mit am 20.05.2019 beim Bundesverwaltungsgericht einlangender Dokumentenvorlage wurden dem Bundesverwaltungsgericht ergänzende Beweismittel sowie Unterlagen zur Integration der Beschwerdeführer im Bundesgebiet vorgelegt.

Am 29.08.2019 langte beim Bundesverwaltungsgericht die mit 22.08.2019 datierte, gemeinsame Beschwerdeergänzung der Beschwerdeführer beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 09.06.2020 wurden den Beschwerdeführerin aktuelle Länderinformationen, nämlich das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 17.03.2020, der EASO-Bericht vom März 2019 zum Vorgehen staatlicher und nicht-staatlicher Akteure gegen Einzelpersonen im Irak und eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 14.10.2019 zum Irak, Rückkehrlage und Zugang zu Sozialleistungen, zur Stellungnahme binnen einer Frist von vier Wochen übermittelt.

Am 01.07.2020 langte die mit schriftliche Stellungnahme der Beschwerdeführer vom selben Tag beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführer führen die im Spruch jeweils angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum), sind Staatsangehörige des Irak, Angehörige der Volksgruppe der Araber und bekennen sich zum moslemischen Glauben. Der Erst-, Dritt- und Viertbeschwerdeführer sowie die minderjährige Fünftbeschwerdeführerin gehören dabei den Sunniten an, die Zweitbeschwerdeführerin hingegen den Schiiten. Ihre gemeinsame Muttersprache ist Arabisch. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind seit 1995 miteinander verheiratet. Aus dieser Ehe stammen der Dritt- und Viertbeschwerdeführer sowie die minderjährige Fünftbeschwerdeführerin (vgl etwa Erstbefragung Erstbeschwerdeführer vom 17.09.2015, AS 1 ff Erstbeschwerdeführer; Erstbefragung Zweitbeschwerdeführerin vom 17.09.2015, AS 3 ff Zweitbeschwerdeführerin; Erstbefragung Drittbeschwerdeführer vom 17.09.2015, AS 3 ff Drittbeschwerdeführer; Erstbefragung Viertbeschwerdeführer vom 17.09.2015, AS 3 ff Viertbeschwerdeführer; Niederschrift Bundesamt vom 10.01.2018, AS 89 ff Erstbeschwerdeführer; Niederschrift Bundesamt vom 10.01.2018, AS 79 ff Zweitbeschwerdeführerin; Niederschrift Bundesamt vom 12.01.2018, AS 37 ff Drittbeschwerdeführer; Niederschrift Bundesamt vom 14.09.2018, AS 127 ff Viertbeschwerdeführer; Kopien der irakischen Personalausweise der Beschwerdeführer, AS 79 f Erstbeschwerdeführer, AS 59 f Zweitbeschwerdeführerin, AS 191 f Drittbeschwerdeführer, AS 107 f Viertbeschwerdeführer und AS 51 Fünftbeschwerdeführerin; Kopien der irakischen Reisepässe der Beschwerdeführer, AS 63 ff Erstbeschwerdeführer, AS 61 ff Zweitbeschwerdeführerin, AS 175 ff Drittbeschwerdeführer, AS 91 ff Vierbeschwerdeführer, AS 53 ff Fünftbeschwerdeführerin; Kopie irakische Heiratsurkunde, AS 179 Erstbeschwerdeführer; Beschwerdeergänzung vom 22.08.2019).

Die Beschwerdeführer verließen den Irak am 07.08.2006 legal mit einem Reisebus von Bagdad aus nach Syrien und lebten seither in Damaskus/Syrien. Am 25.08.2015 verließen sie Syrien legal auf dem Luftweg und flogen von Damaskus über Beirut/Libanon nach Istanbul in die Türkei. Von dort reisten sie mit einem Bus nach Bodrum/Türkei und dann weiter schlepperunterstützt nach Griechenland. Von dort aus reisten sie mit dem Flüchtlingsstrom über Nordmazedonien, Serbien und Ungarn bis nach Österreich, wo sie am 16.09.2015 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz stellten (vgl etwa Erstbefragung Erstbeschwerdeführer vom 17.09.2015, AS 6 ff Erstbeschwerdeführer; Erstbefragung Zweitbeschwerdeführerin vom 17.09.2015, AS 8 ff Zweitbeschwerdeführerin; Erstbefragung Drittbeschwerdeführer vom 17.09.2015, AS 2 ff Drittbeschwerdeführer; Erstbefragung Viertbeschwerdeführer vom 17.09.2015, AS 7 ff Viertbeschwerdeführer; Niederschrift Bundesamt vom 10.01.2018, AS 93 f Erstbeschwerdeführer; Niederschrift Bundesamt vom 10.01.2018, AS 87 Zweitbeschwerdeführerin).

Sowohl der inzwischen volljährige Drittbeschwerdeführer als auch der inzwischen volljährige Viertbeschwerdeführer waren zum Zeitpunkt der Asylantragstellung am 16.09.2015 noch ledige minderjährige Kinder des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin.

Der Erst-, Dritt- und Viertbeschwerdeführer sowie die minderjährige Fünftbeschwerdeführerin sind allesamt in Bagdad geboren. Die Zweitbeschwerdeführerin ist in Kerbala geboren (vgl etwa Erstbefragung Erstbeschwerdeführer vom 17.09.2015, AS 1 ff Erstbeschwerdeführer; Erstbefragung Zweitbeschwerdeführerin vom 17.09.2015, AS 3 ff Zweitbeschwerdeführerin; Erstbefragung Drittbeschwerdeführer vom 17.09.2015, AS 3 ff Drittbeschwerdeführer; Erstbefragung Viertbeschwerdeführer vom 17.09.2015, AS 3 ff Viertbeschwerdeführer; Personaldokumente, AS 63 ff Erstbeschwerdeführer, AS 59 ff Zweitbeschwerdeführerin, AS 175 ff Drittbeschwerdeführer, AS 91 ff Viertbeschwerdeführer; AS 51 ff Fünftbeschwerdeführerin).

Der Erstbeschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. Er ist in Bagdad aufgewachsen und hat dort sechs Jahre die Grundschule, drei Jahre eine Mittelschule und drei Jahre eine medizinische Fachschule besucht und abgeschlossen. In Österreich entspricht diese Ausbildung dem Abschluss eines Kollegs für Elektronik mit Schwerpunkt Medizintechnik. Anschließend war der Erstbeschwerdeführer als Elektroniker tätig und führte von 2003 bis 2006 zwei Geschäfte für Generatoren und Ersatzteile auf selbstständiger Basis in Bagdad. Damit konnte der Erstbeschwerdeführer den Unterhalt seiner Familie sichern. Im Zuge der Religionskriege flüchteten der Erstbeschwerdeführer und seine Familie am 07.08.2006 nach Syrien, nachdem er seine Geschäfte in Bagdad zurückgelassen hatte, wo sie bis zu ihrer Ausreise am 25.08.2015 lebten und bis dato nicht mehr in den Irak zurückkehrten. In Syrien absolvierte der Erstbeschwerdeführer zahlreiche Fortbildungen bzw. Zertifikate zu Programmierung und Programmwartung, zu Microsoft Office, zu Wirtschaft und Business-Skills bzw. Business-Management. Der Vater des Erstbeschwerdeführers ist 2015 verstorben, seine Mutter und eine Schwester leben nach wie vor in Bagdad und hat der Erstbeschwerdeführer zu ihnen etwa einmal im Monat Kontakt. Weiters lebt noch ein Bruder des Erstbeschwerdeführers mit dessen Ehefrau in Bagdad, zu diesem besteht jedoch keinerlei Kontakt. Zwei seiner Brüder wurden getötet. Wo die übrigen Verwandten leben, ist dem Erstbeschwerdeführer nicht bekannt. Der Erstbeschwerdeführer hat in Österreich mehrfach Deutschkurse besucht und kann zumindest einen Tagesablauf auf Deutsch schildern. Dass er auch eine Deutschsprachprüfung auf einem feststellbaren Sprachniveau absolviert hätte, konnte nicht festgestellt werden. Er engagiert sich gemeinnützig und ehrenamtlich in der Wohnortgemeinde und nahm im Juni 2019 am „ XXXX “-Kochen in einem Pflegwohnhaus teil (vgl Erstbefragung Erstbeschwerdeführer vom 17.09.2015, AS 1 ff Erstbeschwerdeführer; Niederschrift Bundesamt vom 10.01.2018, AS 85 ff Erstbeschwerdeführer; Niederschrift Bundesamt vom 10.01.2018, AS 87 Zweitbeschwerdeführerin; Niederschrift Bundesamt vom 14.09.2018, AS 185 ff Erstbeschwerdeführer; Kopie des original vorgelegten Abschlusszeugnisses samt beglaubigter Übersetzung eines technischen Diploms in Elektronik/medizinische Geräte aus dem Irak sowie Konvolut arabischer Diplome und Zertifikate aus Syrien, AS 107 ff Drittbeschwerdeführer, sowie österreichische Bewertung des irakischen Diploms durch das zuständige Bundesministerium, AS 27 Erstbeschwerdeführer; Bestätigung über gemeinnützige Tätigkeiten des Erstbeschwerdeführers, AS 409 Erstbeschwerdeführer).

Die Zweitbeschwerdeführerin ist gesund und arbeitsfähig. Sie hat in Kerbala die ersten fünf Jahre einer Grundschule besucht und diese nach dem Umzug nach Bagdad nach sechs Jahren abgeschlossen. In weiterer Folge besuchte sie in Bagdad drei Jahre eine Mittelschule, drei Jahre ein Gymnasium und zwei Jahre eine Fachschule für Wasserwirtschaft bzw. eine technische Akademie, war zuletzt jedoch Köchin und Hausfrau. Im Irak leben noch ein Bruder (in Kerbala) und drei Schwestern, ihre Eltern sind bereits verstorben. Der Aufenthaltsort ihres zweiten Bruders ist ihr nicht bekannt. Zwei weitere Schwestern leben in Jordanien. Seit der Ausreise der Beschwerdeführer nach Syrien im Jahr 2006 hat die Zweitbeschwerdeführerin zu ihren Geschwistern keinen Kontakt mehr. In Österreich absolvierte die Zweitbeschwerdeführerin mehrere Deutschkurse, jedoch keine Deutschsprachprüfung auf einem feststellbaren Niveau. Sie engagiert sich fortlaufend ehrenamtlich und gemeinnützig. So etwa im Pfarrkindergarten des Wohnortes, bei einem Verein zur Unterstützung von Asylwerbern und Migranten oder als freiwillige Mitarbeiterin eines Pflegewohnhauses der Caritas seit 01.10.2019 (vgl etwa Erstbefragung Zweitbeschwerdeführerin vom 17.09.2015, AS 3 ff Zweitbeschwerdeführerin; Niederschrift Bundesamt vom 10.01.2018, AS 81 ff Zweitbeschwerdeführerin; Bestätigung über gemeinnützige Tätigkeiten, AS 196 ff Drittbeschwerdeführer; Bestätigung Pfarrkindergargen vom 16.06.2017, AS 23 Erstbeschwerdeführer; Bestätigung über ehrenamtliche Tätigkeit im Verein vom 29.08.2016, AS 25 Erstbeschwerdeführer; Bestätigung der Caritas vom 17.06.2020; Konvolut an Teilnahmebestätigungen für Sprachkurse, etwa vom 14.02.2019).

Der Drittbeschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Er hat in Bagdad zwei Jahre die Grundschule besucht. Er verließ den Irak gemeinsam mit seinen Eltern und Geschwistern im Alter von sieben Jahren und besuchte daraufhin in Syrien ca. weitere vier Jahre eine Grundschule, drei Jahre eine Mittelschule und ein Jahr ein Gymnasium, bevor die Familie auch Syrien verließ und nach Österreich reiste. In Österreich besuchte der Beschwerdeführer ab dem Schuljahr 2015/2016 ein Realgymnasium mit schulautonomer Schwerpunktsetzung Wirtschaft und der Ausrichtung Projektdesign als ordentlicher Schüler, in dessen Rahmen er im Schuljahr 2017/2018 auch erfolgreich an einem Forschungsprojekt in Kooperation mit dem Bildungsministerium teilnahm. Der Drittbeschwerdeführer hat im Schuljahr 2019/2020 die Reifeprüfung bestanden und die Reifprüfung in Deutsch mit der Note „Genügend“ absolviert. Er hat im Zuge seiner Schulbildung an unverbindlichen Übungen „Deutsch als Fremdsprache“ teilgenommen und weiters zahlreiche Deutschkurse absolviert. Er hat nachweislich zumindest das Sprachniveau B1 erlangt. Er ist gut in seine Schule integriert gewesen, engagiert sich auch in der Wohnortgemeinde gemeinnützig bzw. ehrenamtlich und nahm im Juni 2019 am „ XXXX “-Kochen in einem Pflegwohnhaus teil. Auch engagierte er sich ehrenamtlich als Dolmetscher für Ärzte im Flüchtlingslager. Im Februar 2019 besuchte er einen Technik-Workshop an einer Fachhochschule. Er hat einen großen österreichischen Freundeskreis und möchte Humanmedizin studieren (vgl Niederschrift Bundesamt vom 12.01.2018, AS 37 ff Drittbeschwerdeführer; diverse aktenkundige Schulnachrichten, Jahreszeugnisse und Schulbesuchsbestätigungen, AS 25 ff, 87 ff, 205 ff Drittbeschwerdeführer; Bestätigungen über absolvierte Deutschkurse/unverbindliche Übungen, AS 79 ff, 101 ff; Bestätigung über gemeinnützige Tätigkeiten, AS 196 ff Drittbeschwerdeführer; Teilnahmebestätigung Forschungsprojekt; Teilnahmebestätigung FH vom Februar 2019).

Auch der nunmehr ebenfalls volljährige Viertbeschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Er verließ den Irak gemeinsam mit seinen Eltern und Geschwistern im Alter von sechs Jahren und besuchte daraufhin in Syrien sechs Jahre die Grundschule und dann drei Jahre eine Mittelschule, bevor die Familie auch Syrien verließ und nach Österreich reiste. In Österreich besuchte der Viertbeschwerdeführer weiterhin höhere Schulen, zuletzt ein Realgymnasium mit schulautonomer Schwerpunktsetzung Wirtschaft und der Ausrichtung Projektdesign als ordentlicher Schüler, in dessen Rahmen er im Schuljahr 2017/2018 auch erfolgreich an einem Forschungsprojekt in Kooperation mit dem Bildungsministerium teilnahm. Im Februar 2019 besuchte er einen Technik-Workshop an einer Fachhochschule, von August bis September 2019 einen Englisch-Sommerkurs. Er ist gut in seine Schule integriert, engagiert sich auch in der Wohnortgemeinde gemeinnützig bzw. ehrenamtlich und nahm im Juni 2019 am „ XXXX “-Kochen in einem Pflegwohnhaus teil. Der Viertbeschwerdeführer hat etwa in der Schule bzw. bei XXXX erfolgreich an Deutschkursen auf Niveau B1 teilgenommen. Er hat einen großen österreichischen Freundeskreis und möchte Augenarzt werden (vgl Niederschrift Bundesamt vom 14.09.2018, AS 133 ff; Viertbeschwerdeführer Jahreszeugnis und Schulbesuchsbestätigungen, AS 109 ff Viertbeschwerdeführer; Teilnahmebestätigung Forschungsprojekt; Teilnahmebestätigung FH vom Februar 2019; Teilnahmebestätigung Englisch-Sommerkurs; Unterstützungsschreiben vom Juli 2019; Teilnahmebestätigung vom 01.07.2019; mehrere Empfehlungsschreiben, AS 138 ff Drittbeschwerdeführer; diverse Deutschkursbestätigungen, etwa AS 55 ff Viertbeschwerdeführer; Bestätigung über gemeinnützige Tätigkeiten, AS 196 ff Drittbeschwerdeführer).

Der Drittbeschwerdeführer und der Viertbeschwerdeführer sind gesund. Sie leiden an keinen lebensbedrohlichen Erkrankungen im Endstadium, die im Irak nicht behandelbar wären (vgl Niederschrift Bundesamt vom 12.01.2018, AS 37 ff Drittbeschwerdeführer, sowie vom 14.09.2018, AS 219 Drittbeschwerdeführer; Niederschrift Bundesamt vom 14.09.2018, AS 129 Viertbeschwerdeführer; Niederschrift Bundesamt vom 10.01.2018, AS 95 Erstbeschwerdeführer).

Die minderjährige Fünftbeschwerdeführerin leidet an einer mittelgradigen rezidivierenden depressiven Störung und erhielt deswegen im Zeitraum von etwa August 2019 bis Juni 2020 die Medikamente SERTRALIN 50 mg und PASSEDAN (vgl Therapieempfehlung Dris. XXXX , Facharzt für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin vom 11.02.2020; Befund Prim. Dr. XXXX vom 22.08.2019). Darüber hinaus ist die Fünftbeschwerdeführerin gesund und arbeits- bzw. schulfähig (vgl etwa Niederschrift Bundesamt vom 10.01.2018, AS 95 Erstbeschwerdeführer). Die Fünftbeschwerdeführerin leidet an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung im Endstadium, die im Irak nicht behandelbar wäre. Dass in Bagdad für sie eine ausreichende und entsprechende medizinzische Behandlung ihrer psychischen Störung möglich und zugänglich ist, konnte nicht abschließend festgestellt werden.

Auch die Fünftbeschwerdeführerin besucht in Österreich seit dem Schuljahr 2015/2016 eine Neue Mittelschule, seit dem Schuljahr 2018/2019 ein Bundes- und Bundesrealgymnasium. Sie absolvierte ebenfalls wie ihre Angehörigen mehrere Deutschkurse zumindest bis Niveau B1, Englischkurse, Unterstützungskurse für Mathematik und Theaterkurse (vgl diverse Schulbesuchsbestätigungen, Schulnachrichten und Jahreszeugnisse, etwa AS 35 ff und 406 Erstbeschwerdeführer; diverse Deutschkursbestätigungen, AS 407 Erstbeschwerdeführer; Konvolut weiterer Kursbestätigungen).

Die Beschwerdeführer halten sich seit ihrer Einreise ununterbrochen im Bundesgebiet auf. Alle Beschwerdeführer sind strafgerichtlich unbescholten und leben auch zum Entscheidungszeitpunkt nach wie vor alle im gemeinsamen Haushalt und von der Grundversorgung. Keiner der Beschwerdeführer ging bisher einer sozialversicherten Erwerbstätigkeit nach (vgl aktenkundige Auszüge aus dem Zentralen Melderegister, aus dem Strafregister sowie den Sozialversicherungs- und Grundversorgungsdaten jeweils vom 10.07.2020).

Außer untereinander haben sie in Österreich bzw. Europa keine weiteren familiären Bindungen (vgl etwa Niederschrift Bundesamt vom 10.01.2018, AS 95 Erstbeschwerdeführer).

Der Drittbeschwerdeführer, der Viertbeschwerdeführer und die Fünftbeschwerdeführerin haben alle keine eigenen Fluchtgründe bezogen auf den Herkunftsstaat Irak. Sie waren keine Mitglieder einer politischen Partei, haben sich auch sonst nicht politisch betätigt oder an Demonstrationen teilgenommen. Sie hatten keine Probleme mit staatlichen Behörden oder der Polizei, wurden nicht verhaftet und wurde gegen sie auch kein Gerichtverfahren geführt. Sie persönlich hatten auch keine Probleme aufgrund ihrer Volksgruppen- oder Religionszugehörigkeit, zumal sie den Irak als Kinder im Alter zwischen sieben und drei Jahren verließen (vgl Erstbefragung Drittbeschwerdeführer vom 17.09.2015, AS 3 ff Drittbeschwerdeführer; Erstbefragung Viertbeschwerdeführer vom 17.09.2015, AS 3 ff Viertbeschwerdeführer; Erstbefragung Zweitbeschwerdeführerin vom 17.09.2015, AS 3 ff Zweitbeschwerdeführerin und Niederschrift Bundesamt vom 10.01.2018, AS 95 Zweitbeschwerdeführerin; Niederschrift Bundesamt vom 12.01.2018, AS 43 ff Drittbeschwerdeführer; Niederschrift Bundesamt vom 14.09.2018, AS 135 ff Vierbeschwerdeführer; Beschwerdevorbringen, etwa AS 209 Viertbeschwerdeführer).

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin waren im Irak kein Mitglied einer politischen Partei noch haben sie sich sonst politisch betätigt. Sie wurden bisher nicht gerichtlich oder behördlich verfolgt und bisher auch nicht inhaftiert und hatte keine Probleme aufgrund ihrer Volksgruppe. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin hatten im Zuge der Konfessionskriege im Irak im Jahr 2006 Probleme wegen ihrer gemischt sunnitisch-schiitischen Ehe. Dass diese Verfolgungen und Bedrohungen auch zum Entscheidungszeitpunkt noch bestehen, konnte nicht festgestellt werde. Ebenso wenig konnte festgestellt werden, dass der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin von den Familienangehörigen der Zweitbeschwerdeführerin bedroht worden sind bzw. zum Entscheidungszeitpunkt noch bedroht werden würden. Schließlich konnte auch nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit neuerlich einer derartigen oder einer generellen Verfolgungsgefahr oder Bedrohung durch schiitische Milizen, ihren Stamm, den IS oder von staatlicher Seite ausgesetzt sind.

Zur entscheidungsrelevanten Lage im Irak:

Zur allgemeinen Lage im Irak werden die vom Bundesverwaltungsgericht mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 09.06.2020 in das Verfahren eingeführten Länderberichte, nämlich aktuelle Länderinformationen und zwar das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 17.03.2020, der EASO-Bericht vom März 2019 zum Vorgehen staatlicher und nicht-staatlicher Akteure gegen Einzelpersonen im Irak und eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 14.10.2019 zum Irak, Rückkehrlage und Zugang zu Sozialleistungen auch als entscheidungsrelevante Feststellungen zum endgültigen Gegenstand dieses Erkenntnisses erhoben.

Aus dem aktuellen Länderinformationsblatt vom 17.03.2020 ergibt sich auszugsweise:

„[…] 1  Politische Lage

Letzte Änderung: 17.3.2020

Die politische Landschaft des Irak hat sich seit dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 enorm verändert (KAS 2.5.2018) und es wurde ein neues politisches System im Irak eingeführt (Fanack 2.9.2019). Gemäß der Verfassung vom 15.10.2005 ist der Irak ein islamischer, demokratischer, föderaler und parlamentarisch-republikanischer Staat (AA 12.1.2019; vgl. GIZ 1.2020a; Fanack 2.9.2019), der aus 18 Gouvernements (muhafaz?t) besteht (Fanack 2.9.2019). Artikel 47 der Verfassung sieht eine Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative vor (RoI 15.10.2005). Die Kurdische Region im Irak (KRI) ist Teil der Bundesrepublik Irak und besteht aus den drei nördlichen Gouvernements Dohuk, Erbil und Sulaymaniyah. Sie wird von einer Regionalverwaltung, der kurdischen Regionalregierung (Kurdistan Regional Government, KRG), verwaltet und verfügt über eigene Streitkräfte (Fanack 2.9.2019). Beherrschende Themenblöcke der irakischen Innenpolitik sind Sicherheit, Wiederaufbau und Grundversorgung, Korruptionsbekämpfung und Ressourcenverteilung, die systemisch miteinander verknüpft sind (GIZ 1.2020a).

An der Spitze der Exekutive steht der irakische Präsident, der auch das Staatsoberhaupt ist. Der Präsident wird mit einer Zweidrittelmehrheit des irakischen Parlaments (majlis al-nuww?b, engl.: Council of Representatives, dt.: Repräsentantenrat) für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt und kann einmal wiedergewählt werden. Er genehmigt Gesetze, die vom Parlament verabschiedet werden. Der Präsident wird von zwei Vizepräsidenten unterstützt, mit denen er den Präsidialrat bildet, welcher einstimmige Entscheidungen trifft (Fanack 2.9.2019).

Der Premierminister wird vom Präsidenten designiert und vom Parlament bestätigt (Fanack 2.9.2019; vgl. RoI 15.10.2005). Der Premierminister führt den Vorsitz im Ministerrat und leitet damit die tägliche Politik und ist auch Oberbefehlshaber der Streitkräfte (Fanack 27.9.2018).

Die gesetzgebende Gewalt, die Legislative, wird vom irakischen Repräsentantenrat (Parlament) ausgeübt (Fanack 2.9.2019). Er besteht aus 329 Abgeordneten (CIA 28.2.2020; vgl. GIZ 1.2020a). Neun Sitze werden den Minderheiten zur Verfügung gestellt, die festgeschriebene Mindest-Frauenquote im Parlament liegt bei 25% (GIZ 1.2020a).

Nach einem ethnisch-konfessionellen System (Muhasasa) teilen sich die drei größten Bevölkerungsgruppen des Irak - Schiiten, Sunniten und Kurden - die Macht durch die Verteilung der Ämter des Präsidenten, des Premierministers und des Parlamentspräsidenten (AW 4.12.2019). So ist der Parlamentspräsident gewöhnlich ein Sunnit, der Premierminister ist ein Schiit und der Präsident der Republik ein Kurde (Al Jazeera 15.9.2018). Viele sunnitische Iraker stehen der schiitischen Dominanz im politischen System kritisch gegenüber. Die Machtverteilungsarrangements zwischen Sunniten, Schiiten und Kurden festigen den Einfluss ethnisch-religiöser Identitäten und verhindern die Herausbildung eines politischen Prozesses, der auf die Bewältigung politischer Sachfragen abzielt (AA 12.1.2019).

Am 12.5.2018 fanden im Irak Parlamentswahlen statt, die fünfte landesweite Wahl seit der Absetzung Saddam Husseins im Jahr 2003. Die Wahl war durch eine historisch niedrige Wahlbeteiligung und Betrugsvorwürfe gekennzeichnet, wobei es weniger Sicherheitsvorfälle gab als bei den Wahlen in den Vorjahren (ISW 24.5.2018). Aufgrund von Wahlbetrugsvorwürfen trat das Parlament erst Anfang September zusammen (ZO 2.10.2018).

Am 2.10.2018 wählte das neu zusammengetretene irakische Parlament den moderaten kurdischen Politiker Barham Salih von Patriotischen Union Kurdistans (PUK) zum Präsidenten des Irak (DW 2.10.2018; vgl. ZO 2.10.2018; KAS 5.10.2018). Dieser wiederum ernannte den schiitischen Politik-Veteranen Adel Abd al-Mahdi zum Premierminister und beauftragte ihn mit der Regierungsbildung (DW 2.10.2018). Nach langen Verhandlungsprozessen und zahlreichen Protesten wurden im Juni 2019 die letzten und sicherheitsrelevanten Ressorts Innere, Justiz und Verteidigung besetzt (GIZ 1.2020a).

Im November 2019 trat Premierminister Adel Abdul Mahdi als Folge der seit dem 1.10.2019 anhaltenden Massenproteste gegen die Korruption, den sinkenden Lebensstandard und den ausländischen Einfluss im Land, insbesondere durch den Iran, aber auch durch die Vereinigten Staaten (RFE/RL 24.12.2019; vgl. RFE/RL 6.2.2020). Präsident Barham Salih ernannte am 1.2.2020 Muhammad Tawfiq Allawi zum neuen Premierminister (RFE/RL 6.2.2020). Dieser scheiterte mit der Regierungsbildung und verkündete seinen Rücktritt (Standard 2.3.2020; vgl. Reuters 1.3.2020). Am 17.3.2020 wurde der als sekulär geltende Adnan al-Zurfi, ehemaliger Gouverneur von Najaf als neuer Premierminister designiert (Reuters 17.3.2020).

Im Dezember 2019 hat das irakische Parlament eine der Schlüsselforderung der Demonstranten umgesetzt und einem neuen Wahlgesetz zugestimmt (RFE/RL 24.12.2019; vgl. NYT 24.12.2019). Das neue Wahlgesetz sieht vor, dass zukünftig für Einzelpersonen statt für Parteienlisten gestimmt werden soll. Hierzu soll der Irak in Wahlbezirke eingeteilt werden. Unklar ist jedoch für diese Einteilung, wie viele Menschen in den jeweiligen Gebieten leben, da es seit über 20 Jahren keinen Zensus gegeben hat (NYT 24.12.2019).

Die nächsten Wahlen im Irak sind die Provinzwahlen am 20.4.2020, wobei es sich um die zweite Verschiebung des ursprünglichen Wahltermins vom 22.12.2018 handelt. Es ist unklar, ob die Wahl in allen Gouvernements des Irak stattfinden wird, insbesondere in jenen, die noch mit der Rückkehr von IDPs und dem Wiederaufbau der Infrastruktur zu kämpfen haben. Die irakischen Provinzwahlen umfassen nicht die Gouvernements Erbil, Sulaymaniyah, Duhok und Halabja, die alle Teil der KRI sind, die von ihrer eigenen Wahlkommission festgelegte Provinz- und Kommunalwahlen durchführt (Kurdistan24 17.6.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 13.3.2020

- Al Jazeera (15.9.2018): Deadlock broken as Iraqi parliament elects speaker, https://www.aljazeera.com/news/2018/09/deadlock-broken-iraqi-parliament-elects-speaker-180915115434675.html, Zugriff 13.3.2020

- AW - Arab Weekly, The (4.12.2019): Confessional politics ensured Iran’s colonisation of Iraq, https://thearabweekly.com/confessional-politics-ensured-irans-colonisation-iraq, Zugriff 13.3.2020

- CIA - Central Intelligence Agency (28.2.2020): The World Factbook – Iraq, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/iz.html, Zugriff 13.3.2020

- DW - Deutsche Welle (2.10.2018): Iraqi parliament elects Kurdish moderate Barham Salih as new president, https://www.dw.com/en/iraqi-parliament-elects-kurdish-moderate-barham-salih-as-new-president/a-45733912, Zugriff 13.3.2020

- Fanack (2.9.2019): Governance & Politics of Iraq, https://fanack.com/iraq/governance-and-politics-of-iraq, Zugriff 13.3.2020

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (1.2020a): Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/irak/geschichte-staat/, Zugriff 13.3.2020

- ISW - Institute for the Study of War (24.5.2018): Breaking Down Iraq's Election Results, http://www.understandingwar.org/backgrounder/breaking-down-iraqs-election-results, Zugriff 13.3.2020

- KAS - Konrad Adenauer Stiftung (5.10.2018): Politische Weichenstellungen in Bagdad und Wahlen in der Autonomen Region Kurdistan, https://www.kas.de/c/document_library/get_file?uuid=e646d401-329d-97e0-6217-69f08dbc782a&groupId=252038, Zugriff 13.3.2020

- KAS - Konrad Adenauer Stiftung (2.5.2018): Mapping the Major Political Organizations and Actors in Iraq since 2003, http://www.kas.de/wf/doc/kas_52295-1522-1-30.pdf?180501131459, Zugriff 13.3.2020

- Kurdistan24 (17.6.2019): Iraq's electoral commission postpones local elections until April 2020, https://www.kurdistan24.net/en/news/80728bf3-eb95-4e76-a30f-345cf9a48d3c, Zugriff 13.3.2020

- NYT - The New York Times (24.12.2019): Iraq’s New Election Law Draws Much Criticism and Few Cheers, https://www.nytimes.com/2019/12/24/world/middleeast/iraq-election-law.html, Zugriff 13.3.2020

- Reuters (17.3.2020): Little-known ex-governor Zurfi named as new Iraqi prime minister-designate, https://www.reuters.com/article/us-iraq-pm-designate/iraqi-president-salih-names-adnan-al-zurfi-as-new-prime-minister-designate-state-tv-says-idUSKBN21419J?il=0, Zugriff 17.3.2020

- Reuters (1.3.2020): Iraq's Allawi withdraws his candidacy for prime minister post: tweet, https://www.reuters.com/article/us-iraq-politics-primeminister/iraqs-allawi-withdraws-his-candidacy-for-prime-minister-post-tweet-idUSKBN20O2AD, Zugriff 13.3.2020

- RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (6.2.2020): Iraqi Protesters Clash With Sadr Backers In Deadly Najaf Standoff, https://www.ecoi.net/en/document/2024704.html, Zugriff 13.3.2020

- RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (24.12.2019): Iraqi Parliament Approves New Election Law, https://www.ecoi.net/de/dokument/2021836.html, Zugriff 13.3.2020

- RoI - Republic of Iraq (15.10.2005): Constitution of the Republic of Iraq, http://www.refworld.org/docid/454f50804.html, Zugriff 13.3.2020

- Standard, Der (2.3.2020): Designierter irakischer Premier Allawi bei Regierungsbildung gescheitert, https://www.derstandard.at/story/2000115222708/designierter-irakischer-premier-allawi-bei-regierungsbildung-gescheitert, Zugriff 13.3.2020

- ZO - Zeit Online (2.10.2018): Irak hat neuen Präsidenten gewählt, https://www.zeit.de/politik/ausland/2018-10/barham-salih-irak-praesident-wahl, Zugriff 13.3.2020
1.1          Parteienlandschaft

Letzte Änderung: 17.3.2020

Laut einer Statistik der irakischen Wahlkommission beläuft sich die Zahl der bei ihr registrierten politischen Parteien und politischen Bewegungen auf über 200. 85% davon, national und regional, haben religiös-konfessionellen Charakter (RCRSS 24.2.2019).

Es gibt vier große schiitische politische Gruppierungen im Irak: die Islamische Da‘wa-Partei, den Obersten Islamischen Rat im Irak (eng. SCIRI) (jetzt durch die Bildung der Hikma-Bewegung zersplittert), die Sadr-Bewegung und die Badr-Organisation. Diese Gruppen sind islamistischer Natur, sie halten die meisten Sitze im Parlament und stehen in Konkurrenz zueinander – eine Konkurrenz, die sich, trotz des gemeinsamen konfessionellen Hintergrunds und der gemeinsamen Geschichte im Kampf gegen Saddam Hussein, bisweilen auch in Gewalt niedergeschlagen hat (KAS 2.5.2018).

Die Gründung von Parteien, die mit militärischen oder paramilitärischen Organisationen in Verbindung stehen ist verboten (RCRSS 24.2.2019) und laut Executive Order 91, die im Februar 2016 vom damaligen Premierminister Abadi erlassen wurde, sind Angehörige der Volksmobilisierungskräfte (PMF) von politischer Betätigung ausgeschlossen (Wilson Center 27.4.2018). Milizen streben jedoch danach, politische Parteien zu gründen (CGP 4.2018). Im Jahr 2018 traten über 500 Milizionäre und mit Milizen verbundene Politiker, viele davon mit einem Naheverhältnis zum Iran, bei den Wahlen an (Wilson Center 27.4.2018).

Die sunnitische politische Szene im Irak ist durch anhaltende Fragmentierung und Konflikte zwischen Kräften, die auf Gouvernements-Ebene agieren, und solchen, die auf Bundesebene agieren, gekennzeichnet. Lokale sunnitische Kräfte haben sich als langlebiger erwiesen als nationale (KAS 2.5.2018).

Abgesehen von den großen konfessionell bzw. ethnisch dominierten Parteien des Irak, gibt es auch nennenswerte überkonfessionelle politische Gruppierungen. Unter diesen ist vor allem die Iraqiyya/Wataniyya Bewegung des Ayad Allawi von Bedeutung (KAS 2.5.2018).

Die folgende Grafik veranschaulicht die Sitzverteilung im neu gewählten irakischen Parlament. Sairoon (ein Bündnis aus der Sadr-Bewegung und der Kommunistischen Partei) unter der Führung des schiitischen Geistlichen Muqtada as-Sadr, ist mit 54 Sitzen die größte im Parlament vertretene Gruppe, gefolgt von der Fatah-Koalition des Führers der Badr-Milizen, Hadi al-Amiri und der Nasr-Allianz unter Haider al-Abadi und der Dawlat al Qanoon-Allianz des ehemaligen Regierungschefs Maliki (LSE 7.2018).

[Grafik gelöscht, Anm]

Quellen:

- CGP - Center for Global Policy (4.2018): The Role of Iraq‘s Shiite Militias in the 2018 Elections, https://www.cgpolicy.org/wp-content/uploads/2018/04/Mustafa-Gurbuz-Policy-Brief.pdf, Zugriff 13.3.2020

- KAS - Konrad Adenauer Stiftung (2.5.2018): Mapping the Major Political Organizations and Actors in Iraq since 2003, http://www.kas.de/wf/doc/kas_52295-1522-1-30.pdf?180501131459, Zugriff 13.3.2020

- LSE - London School of Economics and Political Science (7.2018): The 2018 Iraqi Federal Elections: A Population in Transition?, http://eprints.lse.ac.uk/89698/7/MEC_Iraqi-elections_Report_2018.pdf, Zugriff 13.3.2020

- RCRSS - Rawabet Center for Research and Strategic Studies (24.2.2019): Law of political parties in Iraq: proposals for amendment, https://rawabetcenter.com/en/?p=6954, Zugriff 13.3.2020

- Wilson Center (27.4.2018): Part 2: Pro-Iran Militias in Iraq, https://www.wilsoncenter.org/article/part-2-pro-iran-militias-iraq, Zugriff 13.3.2020
1.2          Kurdische Region im Irak (KRI) / Autonome Region Kurdistan

Letzte Änderung: 17.3.2020

Die Kurdische Region im Irak (KRI) wird in der irakischen Verfassung, in Artikel 121, Absatz 5 anerkannt (Rudaw 20.11.2019). Die KRI besteht aus den Gouvernements Erbil, Dohuk und Sulaymaniyah. sowie aus dem im Jahr 2014 durch Ministerratsbeschluss aus Sulaymaniyah herausgelösten Gouvernement Halabja, wobei dieser Beschluss noch nicht in die Praxis umgesetzt wurde. Verwaltet wird die KRI durch die kurdische Regionalregierung (KRG) (GIZ 1.2020a).

Das Verhältnis der Zentralregierung zur KRI hat sich seit der Durchführung eines Unabhängigkeitsreferendums in der KRI und einer Reihe zwischen Bagdad und Erbil „umstrittener Gebiete“ ab dem 25.9.2017 deutlich verschlechtert. Im Oktober 2017 kam es sogar zu lokal begrenzten militärischen Auseinandersetzungen (AA 12.1.2019). Der langjährige Präsident der KRI, Masoud Barzani, der das Referendum mit Nachdruck umgesetzt hatte, trat als Konsequenz zurück (GIZ 1.2020a).

Der Konflikt zwischen Bagdad und Erbil hat sich im Lauf des Jahres 2018 wieder beruhigt, und es finden seither regelmäßig Gespräche zwischen den beiden Seiten statt. Grundlegende Fragen wie Öleinnahmen, Haushaltsfragen und die Zukunft der umstrittenen Gebiete sind jedoch weiterhin ungelöst zwischen Bagdad und der KRI (AA 12.1.2019).

Die KRI ist seit Jahrzehnten zwischen den beiden größten Parteien geteilt, der Kurdischen Demokratischen Partei (KDP), angeführt von der Familie Barzani, und deren Rivalen, der Patriotischen Union Kurdistans (PUK), die vom Talabani-Clan angeführt wird (France24 22.2.2020; vgl. KAS 2.5.2018). Die KDP hat ihr Machtzentrum in Erbil, die PUK ihres in Sulaymaniyah. Beide verfügen einerseits über eine bedeutende Anzahl von Sitzen im Irakischen Parlament und gewannen andererseits auch die meisten Sitze bei den Wahlen in der KRI im September 2018 (CRS 3.2.2020). Der Machtkampf zwischen KDP und PUK schwächt einerseits inner-kurdische Reformen und andererseits Erbils Position gegenüber Bagdad (GIZ 1.2020a). Dazu kommen Gorran („Wandel“), eine 2009 gegründete Bewegung, die sich auf den Kampf gegen Korruption und Nepotismus konzentriert (KAS 2.5.2018; vgl. WI 8.7.2019), sowie eine Reihe kleinerer islamistischer Parteien (KAS 2.5.2018).

Auch nach dem Rücktritt von Präsident Masoud Barzani teilt sich die Barzani Familie die Macht. Nechirvan Barzani, langjähriger Premierminister unter seinem Onkel Masoud, beerbte ihn im Amt des Präsidenten der KRI. Masrour Barzani, Sohn Masouds, wurde im Juni 2019 zum neuen Premierminister der KRI ernannt (GIZ 1.2020a) und im Juli 2019 durch das kurdische Parlament bestätigt (CRS 3.2.2020).

Proteste in der KRI gehen auf das Jahr 2003 zurück. Die Hauptforderungen der Demonstranten sind dabei gleich geblieben und drehen sich einerseits um das Thema Infrastrukturversorgung und staatliche Leistungen (Strom, Wasser, Bildung, Gesundheitswesen, Straßenbau, sowie die enormen Einkommensunterschiede) und andererseits um das Thema Regierungsführung (Rechenschaftspflicht, Transparenz und Korruption) (LSE 4.6.2018). Insbesondere in der nordöstlichen Stadt Sulaymaniyah kommt es zu periodischen Protesten, deren jüngste im Februar 2020 begannen (France24 22.2.2020).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 13.3.2020

- CRS - Congressional Research Service (3.2.2020): Iraq and U.S. Policy, https://fas.org/sgp/crs/mideast/IF10404.pdf, Zugriff 13.3.2020

- France24 (22.2.2020): Iraqi Kurds rally against 'corruption' of ruling elite, https://www.france24.com/en/20200222-iraqi-kurds-rally-against-corruption-of-ruling-elite, Zugriff 13.3.2020

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (1.2020a): Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/irak/geschichte-staat/, Zugriff 13.3.2020

- KAS - Konrad Adenauer Stiftung (2.5.2018): Mapping the Major Political Organizations and Actors in Iraq since 2003, http://www.kas.de/wf/doc/kas_52295-1522-1-30.pdf?180501131459, Zugriff 13.3.2020

- LSE - London School of Economics and Political Science (4.6.2018): Iraq and its regions: The Future of the Kurdistan Region of Iraq after the Referendum, http://eprints.lse.ac.uk/88153/1/Sleiman%20Haidar_Kurdistan_Published_English.pdf, Zugriff 13.3.2020

- Rudaw (20.11.2019): Will the Peshmerga reform – or be integrated into the Iraqi Army?, https://www.rudaw.net/english/analysis/201120191, Zugriff 13.3.2020

- WI - Washington Institute (8.7.2019): Gorran and the End of Populism in the Kurdistan Region of Iraq, https://www.washingtoninstitute.org/fikraforum/view/gorran-and-the-end-of-populism-in-the-kurdistan-region-of-iraq, Zugriff 13.3.2020
2          Sicherheitslage

Letzte Änderung: 17.3.2020

Im Dezember 2017 erklärte die irakische Regierung den militärischen, territorialen Sieg über den Islamischen Staat (IS) (Reuters 9.12.2017; vgl. AI 26.2.2019). Die Sicherheitslage hat sich, seitdem verbessert (FH 4.3.2020). Ende 2018 befanden sich die irakischen Sicherheitskräfte (ISF) in der nominellen Kontrolle über alle vom IS befreiten Gebiete (USDOS 1.11.2019).

Derzeit ist es staatlichen Stellen nicht möglich, das Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen. Insbesondere schiitische Milizen, aber auch sunnitische Stammesmilizen handeln eigenmächtig. Die im Kampf gegen den IS mobilisierten, zum Teil vom Iran unterstützten Milizen sind nur eingeschränkt durch die Regierung kontrollierbar und stellen eine potenziell erhebliche Bedrohung für die Bevölkerung dar. Durch die teilweise Einbindung der Milizen in staatliche Strukturen (zumindest formaler Oberbefehl des Ministerpräsidenten, Besoldung aus dem Staatshaushalt) verschwimmt die Unterscheidung zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren (AA 12.1.2019).

In der Wirtschaftsmetropole Basra im Süden des Landes können sich die staatlichen Ordnungskräfte häufig nicht gegen mächtige Stammesmilizen mit Verbindungen zur Organisierten Kriminalität durchsetzen. Auch in anderen Landesteilen ist eine Vielzahl von Gewalttaten mit rein kriminellem Hintergrund zu beobachten (AA 12.1.2019). Insbesondere in Bagdad kommt es zu Entführungen durch kriminelle Gruppen, die Lösegeld für die Freilassung ihrer Opfer fordern (FIS 6.2.2018). Die Zahl der Entführungen gegen Lösegeld zugunsten extremistischer Gruppen wie dem IS oder krimineller Banden ist zwischenzeitlich zurückgegangen (Diyaruna 5.2.2019), aber UNAMI berichtet, dass seit Beginn der Massenproteste vom 1.10.2019 fast täglich Demonstranten in Bagdad und im gesamten Süden des Irak verschwunden sind. Die Entführer werden als „Milizionäre“, „bewaffnete Organisationen“ und „Kriminelle“ bezeichnet (New Arab 12.12.2019).

Die zunehmenden Spannungen zwischen dem Iran und den USA stellen einen zusätzlichen, die innere Stabilität des Irak gefährdenden Einfluss dar (ACLED 2.10.2019a). Nach einem Angriff auf eine Basis der Volksmobilisierungskräfte (PMF) in Anbar, am 25. August (Al Jazeera 25.8.2019), erhob der irakische Premierminister Mahdi Ende September erstmals offiziell Anschuldigungen gegen Israel, für eine Reihe von Angriffen auf PMF-Basen seit Juli 2019 verantwortlich zu sein (ACLED 2.10.2019b; vgl. Reuters 30.9.2019). Raketeneinschläge in der Grünen Zone in Bagdad, nahe der US-amerikanischen Botschaft am 23. September 2019, werden andererseits pro-iranischen Milizen zugeschrieben, und im Zusammenhang mit den Spannungen zwischen den USA und dem Iran gesehen (ACLED 2.10.2019b; vgl. Al Jazeera 24.9.2019; Joel Wing 16.10.2019).

Als Reaktion auf die Ermordung des stellvertretenden Leiters der PMF-Kommission, Abu Mahdi Al-Muhandis, sowie des Kommandeurs der Quds-Einheiten des Korps der Islamischen Revolutionsgarden des Iran, Generalmajor Qassem Soleimani, durch einen Drohnenangriff der USA am 3.1.2020 (Al Monitor 23.2.2020; vgl. MEMO 21.2.2020; Joel Wing 15.1.2020) wurden mehrere US-Stützpunkte durch den Iran und PMF-Milizen mit Raketen und Mörsern beschossen (Joel Wing 15.1.2020).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 13.3.2020

- ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (2.10.2019a): Mid-Year Update: Ten Conflicts to Worry About in 2019, https://www.acleddata.com/2019/08/07/mid-year-update-ten-conflicts-to-worry-about-in-2019/, Zugriff 13.3.2020

- ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (2.10.2019b): Regional Overview – Middle East 2 October 2019, https://www.acleddata.com/2019/10/02/regional-overview-middle-east-2-october-2019/, Zugriff 13.3.2020

- AI - Amnesty International (26.2.2019): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 - Iraq [MDE 14/9901/2019], https://www.ecoi.net/en/file/local/2003674/MDE1499012019ENGLISH.pdf, Zugriff 13.3.2020

- Al Jazeera (24.9.2019): Two rockets 'hit' near US embassy in Baghdad's Green Zone, https://www.aljazeera.com/news/2019/09/rockets-hit-embassy-baghdad-green-zone-190924052551906.html, Zugriff 13.3.2020

- Al Jazeera (25.8.2019): Iraq paramilitary: Israel behind drone attack near Syria border, https://www.aljazeera.com/news/2019/08/iraq-paramilitary-israel-drone-attack-syria-border-190825184711737.html, Zugriff 13.3.2020

- Al Monitor (23.2.2020): Iran struggles to regain control of post-Soleimani PMU, https://www.al-monitor.com/pulse/originals/2020/02/iraq-iran-soleimani-pmu.html, Zugriff 13.3.2020

- Diyaruna (5.2.2019): Baghdad sees steep decline in kidnappings, https://diyaruna.com/en_GB/articles/cnmi_di/features/2019/02/05/feature-02, Zugriff 13.3.2020

- FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iraq, https://freedomhouse.org/country/iraq/freedom-world/2020, Zugriff 13.3.2020

- FIS - Finnish Immigration Service (6.2.2018): Finnish Immigration Service report: Security in Iraq variable but improving, https://yle.fi/uutiset/osasto/news/finnish_immigration_service_report_security_in_iraq_variable_but_improving/10061710, Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (15.1.2020): Pro-Iran Hashd Continue Attacks Upon US Interests In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/01/pro-iran-hashd-continue-attacks-upon-us.html, Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (16.10.2019): Islamic State Not Following Their Usual Pattern In Attacks In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/10/islamic-state-not-following-their-usual.html, Zugriff 13.3.2020

- MEMO - Middle East Monitor (21.1.2020): Iraq’s PMF appoints new deputy head as successor to Al-Muhandis, https://www.middleeastmonitor.com/20200221-iraqs-pmf-appoints-new-deputy-head-as-successor-to-al-muhandis/, Zugriff 13.3.2020

- New Arab, The (12.12.2019): 'We are not safe': UN urges accountability over spate of kidnappings, assassinations in Iraq, https://www.alaraby.co.uk/english/news/2019/12/11/un-urges-accountability-over-spate-of-iraq-kidnappings-assassinations, Zugriff 13.3.2020

- Reuters (9.12.2017): Iraq declares final victory over Islamic State, https://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-iraq-islamicstate/iraq-declares-final-victory-over-islamic-state-idUSKBN1E30B9, Zugriff 13.3.2020

- Reuters (30.9.2019): Iraqi PM says Israel is responsible for attacks on Iraqi militias: Al Jazeera, https://www.reuters.com/article/us-iraq-security/iraqi-pm-says-israel-is-responsible-for-attacks-on-iraqi-militias-al-jazeera-idUSKBN1WF1E5, Zugriff 13.3.2020

- USDOS - US Department of State (1.11.2019): Country Report on Terrorism 2018 - Chapter 1 - Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2019162.html, Zugriff 13.3.2020
2.1          Islamischer Staat (IS)

Letzte Änderung: 17.3.2020

Seit der Verkündigung des territorialen Sieges des Irak über den Islamischen Staat (IS) durch den damaligen Premierminister al-Abadi im Dezember 2017 (USCIRF 4.2019; vgl Reuters 9.12.2017) hat sich der IS in eine Aufstandsbewegung gewandelt (Military Times 7.7.2019) und kehrte zu Untergrund-Taktiken zurück (USDOS 1.11.2019; vgl. BBC 23.12.2019; FH 4.3.2020). Zahlreiche Berichte erwähnen Umstrukturierungsbestrebungen des IS sowie eine Mobilisierung von Schläferzellen (Portal 9.10.2019) und einen neuerlichen Machtzuwachs im Norden des Landes (PGN 11.1.2020).

Der IS unterhält ein Netz von Zellen, die sich auf die Gouvernements Ninewa, Salah ad-Din, Kirkuk und Diyala konzentrieren, während seine Taktik IED-Angriffe auf Sicherheitspersonal, Brandstiftung auf landwirtschaftlichen Flächen und Erpressung von Einheimischen umfasst (Garda 3.3.2020). Der IS führt in vielen Landesteilen weiterhin kleinere bewaffnete Operationen, Attentate und Angriffe mit improvisierten Sprengkörpern (IED) durch (USCIRF 4.2019). Er stellt trotz seines Gebietsverlustes weiterhin eine Bedrohung für Sicherheitskräfte und Zivilisten, einschließlich Kinder, dar (UN General Assembly 30.7.2019). Er ist nach wie vor der Hauptverantwortliche für Übergriffe und Gräueltaten im Irak, insbesondere in den Gouvernements Anbar, Bagdad, Diyala, Kirkuk, Ninewa und Salah ad-Din (USDOS 11.3.2020; vgl. UN General Assembly 30.7.2019). Im Jahr 2019 war der IS insbesondere in abgelegenem, schwer zugänglichem Gelände aktiv, hauptsächlich in den Wüsten der Gouvernements Anbar und Ninewa sowie in den Hamrin-Bergen, die sich über die Gouvernements Kirkuk, Salah ad-Din und Diyala erstrecken (ACLED 2.10.2019a). Er ist nach wie vor dabei sich zu reorganisieren und versucht seine Kader und Führung zu erhalten (Joel Wing 16.10.2019).

Der IS setzt weiterhin auf Gewaltakte gegen Regierungziele sowie regierungstreue zivile Ziele, wie Polizisten, Stammesführer, Politiker, Dorfvorsteher und Regierungsmitarbeiter (ACLED 2.10.2019a; vgl. USDOS 1.11.2019), dies unter Einsatz von improvisierten Sprengkörpern (IEDs) und Schusswaffen sowie mittels gezielten Morden (USDOS 1.11.2019), sowie Brandstiftung. Die Übergriffe sollen Spannungen zwischen arabischen und kurdischen Gemeinschaften entfachen, die Wiederaufbaubemühungen der Regierung untergraben und soziale Spannungen verschärfen (ACLED 2.10.2019a).

Insbesondere in den beiden Gouvernements Diyala und Kirkuk scheint der IS im Vergleich zum Rest des Landes mit relativ hohem Tempo sein Fundament wieder aufzubauen, wobei er die lokale Verwaltung und die Sicherheitskräfte durch eine hohe Abfolge von Angriffen herausfordert (Joel Wing 16.10.2019). Der IS ist fast vollständig in ländliche und gebirgige Regionen zurückgedrängt, in denen es wenig Regierungspräsenz gibt, und wo er de facto die Kontrolle über einige Gebiete insbesondere im Süden von Kirkuk und im zentralen und nordöstlichen Diyala aufgebaut hat (Joel Wing 3.2.2020).

Im Mai 2019 hat der IS im gesamten Mittelirak landwirtschaftliche Anbauflächen in Brand gesetzt, mit dem Zweck die Bauernschaft einzuschüchtern und Steuern einzuheben, bzw. um die Bauern zu vertreiben und ihre Dörfer als Stützpunkte nutzen zu können. Das geschah bei insgesamt 33 Bauernhöfen - einer in Bagdad, neun in Diyala, 13 in Kirkuk und je fünf in Ninewa und Salah ad-Din - wobei es gleichzeitig auch Brände wegen der heißen Jahreszeit und infolge lokaler Streitigkeiten gab (Joel Wing 5.6.2019; vgl. ACLED 18.6.2019). Am 23.5.2019 bekannte sich der Islamische Staat (IS) in seiner Zeitung Al-Nabla zu den Brandstiftungen. Kurdische Medien berichteten zudem von Brandstiftung in Daquq, Khanaqin und Makhmour (BAMF 27.5.2019; vgl. ACLED 18.6.2019). Im Jänner 2020 hat der IS eine Büffelherde in Baquba im Distrikt Khanaqin in Diyala abgeschlachtet, um eine Stadt einzuschüchtern (Joel Wing 3.2.2020; vgl. NINA 17.1.2020).

Mit Beginn der Massenproteste im Oktober 2019 stellte der IS seine Operation weitgehend ein, wie er es stets während Demonstrationen getan hat, trat aber mit dem Nachlassen der Proteste wieder in den Konflikt ein (Joel Wing 6.1.2020).

Quellen:

- ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (2.10.2019a): Mid-Year Update: Ten Conflicts to Worry About in 2019, https://www.acleddata.com/2019/08/07/mid-year-update-ten-conflicts-to-worry-about-in-2019/, Zugriff 13.3.2020

- ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (18.6.2019): Regional Overview – Middle East 18 June 2019, https://www.acleddata.com/2019/06/18/regional-overview-middle-east-18-june-2019/, Zugriff 13.3.2020

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (27.5.2019): Briefing Notes 27. Mai 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2010482/briefingnotes-kw22-2019.pdf, Zugriff 13.3.2020

- BBC News (23.12.2019): Isis in Iraq: Militants 'getting stronger again', https://www.bbc.com/news/world-middle-east-50850325, Zugriff 13.3.2020

- FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iraq, https://freedomhouse.org/country/iraq/freedom-world/2020, Zugriff 13.3.2020

- Garda World (3.3.2020): Iraq Country Report, https://www.garda.com/crisis24/country-reports/iraq, Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (3.2.2020): Violence Continues Its Up And Down Pattern In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/02/violence-continues-its-up-and-down.html, Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (6.1.2020): Islamic State Makes Its Return In December 2019, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/01/islamic-state-makes-its-return-in.html, Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (16.10.2019): Islamic State Not Following Their Usual Pattern In Attacks In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/10/islamic-state-not-following-their-usual.html, Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (5.6.2019): Islamic State’s Revenge Of The Levant Campaign In Full Swing, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/06/islamic-states-revenge-of-levant.html, Zugriff 13.3.2020

- Military Times (7.7.2019): Iraqi forces begin operation against ISIS along Syrian border, https://www.militarytimes.com/flashpoints/2019/07/07/iraqi-forces-begin-operation-against-isis-along-syrian-border/, Zugriff 13.3.2020

- NINA - National Iraqi News Agency (17.1.2020): ISIS Elements executed a herd of buffalo by firing bullets northeast of Baquba. http://ninanews.com/Website/News/Details?key=808154, Zugriff 13.3.2020

- PGN - Political Geography Now (11.1.2020): Iraq Control Map & Timeline - January 2020, https://www.polgeonow.com/2020/01/isis-iraq-control-map-2020.html, Zugriff 13.3.2020

- Portal, The (9.10.2019): Iraq launches a new process of “Will to Victory”, http://www.theportal-center.com/2019/10/iraq-launches-a-new-process-of-will-to-victory/, Zugriff 13.3.2020

- Reuters (9.12.2017): Iraq declares final victory over Islamic State, https://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-iraq-islamicstate/iraq-declares-final-victory-over-islamic-state-idUSKBN1E30B9, Zugriff 13.3.2020

- UN General Assembly (30.7.2019): Children and armed conflict; Report of the Secretary-General [A/73/907–S/2019/509], https://www.ecoi.net/en/file/local/2013574/A_73_907_E.pdf, Zugriff 13.3.2020

- USCIRF - US Commission on International Religious Freedom (4.2019): United States Commission on International Religious Freedom 2019 Annual Report; Country Reports: Tier 2 Countries: Iraq, https://www.ecoi.net/en/file/local/2008186/Tier2_IRAQ_2019.pdf, Zugriff 13.3.2020

- USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026340.html, Zugriff 13.3.2020

- USDOS - US Department of State (1.11.2019): Country Report on Terrorism 2018 - Chapter 1 - Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2019162.html, Zugriff 13.3.2020
2.2          Sicherheitsrelevante Vorfälle, Opferzahlen

Letzte Änderung: 17.3.2020

Vom Irak-Experten Joel Wing wurden im Lauf des Monats November 2019 für den Gesamtirak 55 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 47 Toten und 98 Verletzten verzeichnet, wobei vier Vorfälle, Raketenbeschuss einer Militärbasis und der „Grünen Zone“ in Bagdad (Anm.: ein geschütztes Areal im Zentrum Bagdads, das irakische Regierungsgebäude und internationale Auslandvertretungen beherbergt), pro-iranischen Volksmobilisierungskräften (PMF) zugeschrieben werden (Joel Wing 2.12.2019). Im Dezember 2019 waren es 120 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 134 Toten und 133 Verletzten, wobei sechs dieser Vorfälle pro-iranischen Gruppen zugeschrieben werden, die gegen US-Militärlager oder gegen die Grüne Zone gerichtet waren (Joel Wing 6.1.2020). Im Jänner 2020 wurden 91 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 53 Toten und 139 Verletzten verzeichnet, wobei zwölf Vorfälle, Raketen- und Mörserbeschuss, pro-iranischen PMF, bzw. dem Iran zugeschrieben werden, während der Islamische Staat (IS) für die übrigen 79 verantwortlich gemacht wird (Joel Wing 3.2.2020). Im Febraur 2020 waren es 85 Vorfälle, von denen drei auf pro-iranischen PMF zurückzuführen sind (Joel Wing 5.3.2020).

Der Rückgang an Vorfällen mit IS-Bezug Ende 2019 wird mit den Anti-Regierungsprotesten in Zusammenhang gesehen, da der IS bereits in den vorangegangenen Jahren seine Angriffe während solcher Proteste reduziert hat. Schließlich verstärkte der IS seine Angriffe wieder (Joel Wing 3.2.2020).

Die folgende Grafik von ACCORD zeigt im linken Bild, die Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle mit mindestens einem Todesopfer im vierten Quartal 2019, nach Gouvernements aufgeschlüsselt. Auf der rechten Karte ist die Zahl der Todesopfer im Irak, im vierten Quartal 2019, nach Gouvernements aufgeschlüsselt, dargestellt (ACCORD 26.2.2020).

[Grafik gelöscht, Anm]

Die folgenden Grafiken von Iraq Body Count (IBC) stellen die von IBC im Irak dokumentierten zivil

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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