TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/21 G306 2222277-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.07.2020
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Entscheidungsdatum

21.07.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs6
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z8
FPG §55 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch

G306 2222277-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dietmar MAURER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , StA: Serbien, vertreten durch RA Mag. Zaid RAUF, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.04.2019, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)       In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid gemäß
§ 28 Abs. 2 VwGVG behoben.

B)       Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

1. Mit Urteil des BG XXXX , Zl. XXXX , vom XXXX .2018, wurde der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) wegen des Vergehens des Eingehens einer Aufenthaltsehe nach § 117 Abs. 1 und 4 FPG zu einer Geldstrafe im Ausmaß von 120 Tagsätzen zu je EUR 15,-, gesamt somit EUR 1.800,-, verurteilt

2. Am 17.12.2018 fand eine niederschriftliche Einvernahme des BF im Aufenthaltsbeendigungsverfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) statt.

3. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des BFA, dem BF per Post am 05.07.2019 übermittelt, wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm. § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 und Abs. 6 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass gemäß § 46 FPG die Abschiebung des BF nach Serbien zulässig sei (Spruchpunkt III.), gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 8 FPG gegen den BF ein auf die Dauer von 4 Jahren befristete Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG, die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung aberkannt (Spruchpunkt V.), sowie gemäß § 55 Abs. 4 FPG festgestellt, dass eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht bestehe. (Spruchpunkt VI.)

4. Mit per E-Mail am 04.08.2019 beim BFA eingebrachtem Schriftsatz erhob der BF durch seinen Rechtsvertreter (im Folgenden: RV) Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid an das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG).

Darin wurde neben der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung und Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, jeweils in eventu die ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides, die Behebung des Einreiseverbotes bzw. die Herabsetzung dessen Befristung, sowie die Zurückverweisung der Rechtsache an die belangte Behörde zur neuerlichen Entscheidung, beantragt.

5. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom BFA dem BVwG vorgelegt und sind am 12.08.2019 bei diesem eingelangt.

6. Mit Anordnung des BVwG, G306 2222277-1/2Z, vom 31.03.2020, wurde der BF über das Ergebnis der Beweisaufnahme in Kenntnis gesetzt und zu einer Stellungnahme binnen 2 Wochen aufgefordert.

7. Mit am 14.04.2020 beim BVwG eingelangtem Schreiben, gab der BF eine Stellungnahme ab. Zudem brachte der BF am 19.06.2020 und 29.06.2020 ergänzende Unterlagen in Vorlage.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Der BF führt die im Spruch angeführte Identität (Name und Geburtsdatum), und ist Staatsangehöriger der Republik Serbien.

Der BF ehelichte am XXXX .2017 die rumänische Staatsangehörige XXXX , geb. XXXX , im Bundesgebiet, und beantragte am XXXX .2017 die Ausstellung einer Aufenthaltskarte „Angehöriger eines EWR-Bürgers“ welche ihm durch die zuständige NAG-Behörde am 04.01.2018 ausgestellt wurde.

Mit Urteil des BG XXXX , Zl. XXXX , vom XXXX .2018, RK XXXX .2018, wurde der BF wegen des Vergehens des Eingehens einer Aufenthaltsehe mit XXXX nach § 117 Abs. 1 und 4 FPG zu einer Geldstrafe im Ausmaß von 120 Tagsätzen zu je EUR 15,-, gesamt somit EUR 1.800,-, verurteilt.

Es wird festgestellt, dass der BF die besagte Straftat begangen und kein Eheleben mit seiner Ehefrau geführt hat.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass die besagte Ehe des BF geschieden/aufgelöst wurde und/oder der BF eine neue Ehe eingegangen ist.

Mittlerweile führt der BF jedoch mit der österreichischen Staatsangehörigen XXXX , geb. XXXX , eine Beziehung und ist diese aktuell schwanger.

Der BF weist von 24.07.2014 bis 20.12.2018 durchgehende Wohnsitzmeldungen in Österreich auf und ging zuletzt von 01.05.2018 bis 02.01.2019 einer Erwerbstätigkeit in Österreich nach. Ein aktueller Aufenthalt in Österreich konnte nicht festgestellt werden.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:

Die Nichtfeststellbarkeit der Auflösung/Scheidung der Ehe des BF mit der oben genannten rumänischen Staatsangehörigen sowie das Eingehen einer neuen Ehe, beruhen auf den Angaben des BF vor der belangten Behörde, in der gegenständlichen Beschwerde sowie in dessen letzten Stellungnahme. So vermeinte der BF vor der belangten Behörde konkret nicht geschieden zu sein und wurde seitens des BF eine Scheidung oder Auflösung der Ehe zudem bis dato nicht vorgebracht oder nachgewiesen. Auch in der gegenständlichen Beschwerde, wird bis auf das Eingehen einer Beziehung mit einer Österreicherin, eine Auflösung der besagten Ehe nicht thematisiert. Letztlich gab der BF in seiner Stellungnahme im April 2020 an, dass kein neues Tatsachenvorbringen erstattet werde.

Die Schwangerschaft der Verlobten des BF wurde durch die Vorlage eines Mutter-Kind-Passes (siehe OZ 5) sowie eines ärztlichen Attestes (siehe OZ 4) belegt.

Die letzte Erwerbstätigkeit des BF in Österreich beruht auf einem Sozialversicherungsauszug und ergibt sich die Nichtfeststellung eines aktuellen Aufenthaltes in Österreich aus dem Umstand, dass der BF seit 20.12.2018 keinen Wohnsitz mehr in Österreich aufweist und seit 02.01.2019 auch keine Erwerbstätigkeiten im Bundesgebiet nachgeht. Ferner hat der BF vorgebracht aktuell in Deutschland zu leben und konnten keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines aktuellen Aufenthaltes in Österreich festgestellt werden.

Die Feststellung, dass der BF die oben beschriebene zu seiner Verteilung geführte Straftat begangen hat, beruht auf einer Ausfertigung des oben zitierten Urteils des BG Baden sowie der Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich.

Die sonstigen oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Feststellungen im angefochtenen Bescheid, jenen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zur Stattgabe der Beschwerde:

3.1.1. Der mit „Eingehen und Vermittlung von Aufenthaltsehen und Aufenthaltspartnerschaften“ betitelte § 117 FPG lautet:

„§ 117. (1) Ein Österreicher oder ein zur Niederlassung im Bundesgebiet berechtigter Fremder, der eine Ehe oder eingetragene Partnerschaft mit einem Fremden eingeht, ohne ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK führen zu wollen und weiß oder wissen musste, dass sich der Fremde für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen will, ist, wenn die Tat nicht nach einer anderen Bestimmung mit strengerer Strafe bedroht ist, vom Gericht mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.

(2) Ein Österreicher oder ein zur Niederlassung im Bundesgebiet berechtigter Fremder, der mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, eine Ehe oder eingetragene Partnerschaft mit einem Fremden eingeht, ohne ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK führen zu wollen und weiß oder wissen musste, dass sich der Fremde für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen will, ist, wenn die Tat nicht nach einer anderen Bestimmung mit strengerer Strafe bedroht ist, vom Gericht mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.

(3) Wer gewerbsmäßig Ehen oder eingetragene Partnerschaften vermittelt oder anbahnt, obwohl er weiß oder wissen musste, dass sich die Betroffenen für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber kein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK führen wollen, ist, wenn die Tat nicht nach einer anderen Bestimmung mit strengerer Strafe bedroht ist, vom Gericht mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.

(4) Der Fremde, der sich im Sinne dieser Bestimmung auf die Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen will, ist als Beteiligter zu bestrafen.

(5) Nach Abs. 1 ist nicht zu bestrafen, wer freiwillig, bevor eine zur Strafverfolgung berufene Behörde von seinem Verschulden erfahren hat, an der Feststellung des Sachverhaltes mitwirkt.“

Der mit „Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft und Aufenthaltsadoption“ betitelte § 30 NAG lautet:

„§ 30. (1) Ehegatten oder eingetragene Partner, die ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht führen, dürfen sich für die Erteilung und Beibehaltung von Aufenthaltstiteln nicht auf die Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen.

(2) An Kindes statt angenommene Fremde dürfen sich bei der Erteilung und Beibehaltung von Aufenthaltstiteln nur dann auf diese Adoption berufen, wenn die Erlangung und Beibehaltung des Aufenthaltstitels nicht der ausschließliche oder vorwiegende Grund für die Annahme an Kindes statt war.

(3) Die Abs. 1 und 2 gelten auch für den Erwerb und die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts.“

Nach der Judikatur des VwGH liegt eine Aufenthaltsehe im Sinne des § 30 NAG in Verbindung mit § 54 Abs. 7 NAG dann vor, wenn sich ein Fremder für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels auf eine von ihm geschlossene Ehe beruft, er in diesem Zeitpunkt jedoch kein gemeinsames Familienleben mit seinem Ehegatten im Sinne des Art. 8 EMRK führt (vgl. VwGH 19.09.2012, 2008/22/0243). Ein formelles Band der Ehe reicht nicht aus, um aufenthaltsrechtliche Wirkungen zugunsten des Drittstaatsangehörigen abzuleiten (vgl. VwGH 27.04.2017, Ro 2016/22/0014). In zeitlicher Hinsicht muss das Berufen auf ein Familienleben im Sinne des Art 8 EMRK zu einem Zeitpunkt erfolgen, zu dem ein Familienleben nicht (mehr) geführt wird (vgl. VwGH 27.01.2011, 2008/21/0633).

„Ehegatten von EWR-Bürgern, die ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen haben, kommt die Stellung als "begünstigter Drittstaatsangehöriger" iSd § 2 Abs. 4 Z 11 FrPolG 2005 zu; das gilt auch dann, wenn die Ehe als Aufenthaltsehe zu qualifizieren ist (vgl. E 7. April 2011, 2011/22/0005; B 14. April 2016, Ro 2016/21/0005), und zwar jedenfalls solange keine rechtskräftige Feststellung iSd § 54 Abs. 7 NAG 2005 vorliegt.“ (VwGH 25.09.2017, Ra 2017/20/0293)

„Nach der Judikatur des VwGH, setzt die fremdenpolizeiliche Feststellung, eine Ehe sei nur zum Schein geschlossen worden, nicht voraus, dass die Ehe für nichtig erklärt wurde (vgl. VwGH vom 23. März 2010, 2010/18/0034). Damit ist die Frage bejaht, ob durch die Verwaltungsbehörde - wie hier im Zuge der Prüfung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme - eine eigene Beurteilung des Vorliegens einer Scheinehe erfolgen darf.“ (VwGH 25.09.2017, Ra 2017/20/0293)

„Mit der Erlassung dieser aufenthaltsbeendenden Maßnahmen wird daher noch keine Aussage darüber getroffen, ob auch der Straftatbestand des § 117 FrPolG 2005 verwirklicht wurde. Der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes wegen Eingehens einer "Scheinehe" steht nicht entgegen, dass ein gegenüber dem Fremden wegen § 117 (Abs. 4) FrPolG 2005 idF des FrÄG 2009 geführtes Strafverfahren als Beteiligte eingestellt worden ist (vgl. E 22. Februar 2011, 2010/18/0446). Umso weniger setzt die fremdenpolizeiliche Feststellung, eine Ehe ist nur zum Schein geschlossen worden, voraus, dass der Scheinehepartner (vom Gericht) gemäß § 117 (Abs. 1 oder 2) FrPolG 2005 bestraft (vgl. E 23. März 2010, 2010/18/0034) oder eine Anzeige gemäß § 117 FrPolG 2005 erstattet worden ist (Hinweis E 21. Juni 2012, 2012/23/0022).“ (VwGH 23.03.2017, Ra 2016/21/0349)

„Die Nichtigerklärung einer Ehe gemäß § 23 Ehegesetz stellt keine Voraussetzung für die Feststellung des Bestehens einer Scheinehe dar und spricht das Unterbleiben einer solchen Nichtigerklärung nicht gegen die Beurteilung einer solchen Ehe.“ (VwGH 21.02.2013, 2012/23/0049)

3.1.2. Das Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass der BF mit seiner Frau eine Ehe eingegangen ist, ohne die Absicht zu hegen mit dieser en Familienleben zu führen und konnte zudem ein aufrechtes Familienleben iSd. Art 8 EMRK in Bezug auf seine Ehefrau nicht nachgewiesen werden. Dennoch hat der BF am XXXX .2017 einen Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte unter Berufung auf die mit XXXX am XXXX .2017 geschlossenen Ehe gestellt hat, sodass gegenständlich vom Vorliegen einer Aufenthaltsehe (vgl. § 30 NAG; § 117 FPG) auszugehen ist.

3.1.3. Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, jener der die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und gemäß Abs. 4 Z 10 leg cit als Drittstaatsangehöriger, jener Fremder, der weder EWR-Bürger noch Schweizer Bürger ist.

Gemäß § 2 Abs. 4 Z 11 FPG gilt als begünstigter Drittstaatsangehöriger, der Ehegatte, eingetragene Partner, eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers oder Österreichers, die ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen haben, in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, darüber hinaus, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, sowie eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, insofern dieser Drittstaatsangehörige den unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, von dem sich seine unionsrechtliche Begünstigung herleitet, begleitet oder ihm nachzieht.

„Ehegatten von EWR-Bürgern, die ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen haben, kommt die Stellung als "begünstigter Drittstaatsangehöriger" iSd § 2 Abs. 4 Z 11 FrPolG 2005 zu; das gilt auch dann, wenn die Ehe als Aufenthaltsehe zu qualifizieren ist (vgl. E 7. April 2011, 2011/22/0005; B 14. April 2016, Ro 2016/21/0005), und zwar jedenfalls solange keine rechtskräftige Feststellung iSd § 54 Abs. 7 NAG 2005 vorliegt.“ (VwGH 25.09.2017, Ra 2017/20/0293)

§ 55 Abs. 3 NAG nimmt hinsichtlich der Einleitung eines aufenthaltsbeendenden Verfahrens nicht nur auf das Fehlen des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechtes aus Gründen der Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit Bezug, sondern auch auf das Fehlen des Aufenthaltsrechts, weil die Nachweise nach § 53 Abs. 2 oder 54 Abs. 2 NAG nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht mehr vorliegen. Auf diese Bestimmung des § 55 Abs. 3 NAG nimmt auch der - die Ausweisung regelnde - § 66 FPG Bezug, der somit insoweit auch jenen Fall erfassen soll, in dem geprüft werden soll, ob für den Drittstaatsangehörigen, der über eine (Dauer-)Aufenthaltskarte verfügt, die Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht, also auch begünstigter Drittstaatsangehöriger zu sein, nicht mehr vorliegen. Ein solches Verfahren nach § 66 FPG einzuleiten ist aber auch der Fremdenpolizeibehörde aus Eigenem – also auch ohne Vorliegen einer darauf abzielenden Mitteilung der Aufenthaltsbehörde - nach den Bestimmungen des FPG nicht verwehrt (vgl. VwGH 13.10.2011, Zl. 2009/22/0330). Bei Wegfall des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, welches eine (Dauer-)Aufenthaltskarte dokumentieren soll, ist nicht automatisch auch der rechtmäßige Aufenthalt im Bundesgebiet beendet. Ein Fremder, für den eine Dokumentation eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts ausgestellt wurde, bleibt selbst bei Wegfall des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts bis zum Abschluss des nach § 55 NAG vorgesehenen Verfahrens gemäß § 31 Abs. 1 Z 2 FPG rechtmäßig aufhältig. Es soll ihm möglich sein, trotz des Wegfalls der Voraussetzungen für ein aus dem Unionsrecht abgeleitetes Aufenthaltsrecht während seines Aufenthalts im Inland auf einen für seinen künftigen Aufenthaltszweck passenden Aufenthaltstitel "umzusteigen", ohne dass dies zur Folge hätte, dass während dieses Verfahrens sein Aufenthalt unrechtmäßig wäre. (VwGH 18.06.2013, Zl. 2012/18/0005).

Kommt die nach dem NAG zuständige Aufenthaltsbehörde - wie im gegenständlichen Fall - bei der Prüfung des Fortbestands der Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen dafür nicht mehr vorliegen, hat sie die in § 55 Abs. 3 NAG vorgesehenen Verfahrensschritte (Befassung des BFA und Information des Betroffenen) zu setzen. Die Frage des Bestehens des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts und der Zulässigkeit einer Aufenthaltsbeendigung hat dann das BFA zu beurteilen (vgl. VwGH 17.11.2011, Zl. 2009/21/0378). Aus § 55 Abs. 4 NAG geht überdies klar hervor, dass in den davon erfassten Konstellationen die Frage der Zulässigkeit einer Aufenthaltsbeendigung anhand der Bestimmung des § 66 FPG zu prüfen ist. Diesfalls kommt es auf das Vorliegen einer Eigenschaft des Fremden als begünstigter Drittstaatsangehöriger iSd. § 2 Abs. 4 Z 11 FPG nicht an. Ebenso wenig ist für das zu wählende Verfahren maßgeblich, zu welchem Zeitpunkt die Meldung nach § 54 Abs. 6 NAG erstattet wurde.

„Gegen begünstigte Drittstaatsangehörige kann eine Rückkehrentscheidung nach § 52 FPG nicht erlassen werden (vgl. dazu des Näheren VwGH 15.3.2018, Ra 2018/21/0014, Rn. 8, mwN). Es sind vielmehr die Bestimmungen des 4. Abschnitts des 8. Hauptstücks des FPG, die in § 66 und § 67 aufenthaltsbeendende Maßnahmen (unter anderem) gegen begünstigte Drittstaatsangehörige, nämlich Ausweisung und Aufenthaltsverbot, regeln, einschlägig (vgl. VwGH 31.8.2017, Ra 2017/21/0133, Rn. 7, mwN). Bei einem begünstigten Drittstaatsangehörigen wäre aber auch die vom BFA vorgenommene amtswegige Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 schon von vornherein nicht in Betracht gekommen, weil die genannte Bestimmung des 7. Hauptstücks gemäß § 54 Abs. 5 AsylG 2005 nicht für diese Personengruppe gilt (siehe auch dazu VwGH 31.8.2017, Ra 2017/21/0133, Rn. 7, mwN). (VwGH 13.11.2018, Ra 2018/21/0103)“

„Das BVwG hätte also, wie von der Amtsrevision richtig ausgeführt wird, weder die gegenständliche Feststellung nach § 9 Abs. 3 BFA-VG treffen noch eine "Aufenthaltsberechtigung plus" nach § 55 AsylG 2005 erteilen dürfen, sondern es hatte nur (wie implizit ohnehin vorgenommen) den Bescheid des BFA vom 28. Jänner 2016, betreffend (insbesondere) die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, ersatzlos zu beheben.“ (vgl. VwGH 15.03.2018, Ra 2018/21/0014)

3.1.4. Der BF als Staatsangehöriger von Serbien der mit einer EWR-Bürgerin verheiratet ist und dem am 04.01.2018 eine Aufenthaltskarte „Angehöriger eines EWR-Bürgers“ ausgestellt wurde, hat – ungeachtet des Vorliegens einer Aufenthaltsehe – den Status des begünstigten Drittstaatsangehörigen iSd. § 2 Abs. 4 Z 11 FPG erworben. Eine Feststellung iSd. § 54 Abs. 7 NAG liegt gegenständlich nicht vor.

Die Frage nach dem Bestehen eines unionsrechtlichen Aufenthaltes bzw. des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen ein begünstigter Drittstaatsangehöriger zu sein oder nach der Zulässigkeit einer Aufenthaltsbeendigung wäre – bereits vom BFA – im Hinblick auf den BF anhand des speziellen Regelungsregimes, das die Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige regelt, konkret anhand von § 55 Abs. 3 NAG iVm. §§ 66 oder 67 FPG, zu prüfen – gewesen. (vgl. VwGH vom 18.06.2013, Zl. 2012/18/005; vom 15.12.2015, Zl. Ra 2015/22/0078).

Demzufolge erweist sich das Absprechen über die Erteilung oder Nichterteilung eins Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG sowie der Ausspruch einer auf § 52 FPG gestützten Rückkehrentscheidung im gegenständlichen Fall als unzulässig und war unter Stattgabe der gegenständlichen Beschwerde, die angefochtene Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides) samt Ausspruch über die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides) zu beheben.

Aufgrund erfolgter Aufhebung der von der belangten Behörde ausgesprochenen aufenthaltsbeendenden Maßnahme, fällt auch die Voraussetzung für einen Ausspruch über die Zulässigkeit der Abschiebung (siehe § 52 Abs. 9 FPG), die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (siehe § 18 Abs. 2 BFA-VG) samt Nichtfestsetzung einer Frist zur freiwilligen Ausreise (§ 55 FPG) und die Verhängung eines Einreiseverbotes (§ 53 FPG) weg, weshalb die entsprechenden Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides – im Zuge der Stattgabe der Beschwerde – ebenfalls aufzuheben waren.

3.2. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Da aufgrund der Aktenlage feststand, dass der mit Beschwerde angefochtenen Bescheid aufzuheben war, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Einreiseverbot strafrechtliche Verurteilung Voraussetzungen Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G306.2222277.1.00

Im RIS seit

21.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

21.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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