TE Vwgh Erkenntnis 1997/11/26 95/03/0075

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Veröffentlicht am 26.11.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

StVO 1960 §4 Abs1 litb;
StVO 1960 §4 Abs1 litc;
VStG §5 Abs1;
VStG §6;
VStG §64 Abs1;
VStG §64 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ungersböck, über die Beschwerde der E, vertreten durch Dr. Teja H. Kapsch, Rechtsanwalt in Graz, Marburger Kai 47, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 3. Jänner 1995, Zl. UVS 30.6-109/94-5, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Erstbehörde hinsichtlich der ihr zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen 1. des § 4 Abs. 2 StVO 1960, 2. des § 4 Abs. 1 lit. c StVO 1960 und 3. des § 4 Abs. 1 lit. b StVO 1960 abgewiesen, wobei in Punkt 3. (im Bescheid Punkt 4.) eine im folgenden wiedergegebene Präzisierung erfolgte hinsichtlich der der Beschwerdeführerin zur Last gelegten Verwaltungsübertretung des § 20 Abs. 1 StVO 1960 wurde der Erstbescheid behoben und diesbezüglich das Verfahren eingestellt.

Die Übertretung nach § 4 Abs. 2 StVO 1960 habe die Beschwerdeführerin dadurch begangen, daß sie es unterlassen habe, obwohl ihr Verhalten am Unfallort in ursächlichem Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall gestanden sei, bei dem eine näher genannte Person verletzt worden sei, sofort die nächste Sicherheitsdienststelle zu verständigen. Die Übertretung nach § 4 Abs. 1 lit. c StVO 1960 habe die Beschwerdeführerin begangen, weil sie es unterlassen habe, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, da die Beschwerdeführerin - obwohl ihr Verhalten am Unfallort in ursächlichem Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall gestanden sei - die Unfallstelle verlassen habe, um den verletzten, näher genannten Beifahrer in die Ambulanz der Chirurgie zu fahren. Die Übertretung nach § 4 Abs. 1 lit. b StVO 1960 habe die Beschwerdeführerin dadurch begangen, daß sie es unterlassen habe, nach Beteiligung an einem Verkehrsunfall die zur Vermeidung von Schäden notwendigen Maßnahmen zu treffen, obwohl als Folge des Verkehrsunfalles Schäden für Personen oder Sachen zu befürchten gewesen wären, da die Beschwerdeführerin die Unfallstelle verlassen habe, ohne den abgedeckten Kanaldeckel abzusichern.

Wegen der Übertretung des § 4 Abs. 2 StVO 1960 wurde die Beschwerdeführerin mit einer Geldstrafe in der Höhe von S 800,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 30 Stunden Arrest) bestraft, wegen der anderen beiden Verwaltungsübertretungen wurde gegen die Beschwerdeführerin jeweils eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.000,-- (jeweils 36 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Über die gegen den die Berufung abweisenden Teil dieses Bescheides erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens, der Erstattung einer Gegenschrift seitens der belangten Behörde und einer Replik durch die Beschwerdeführerin erwogen:

1. Unbestritten ist zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, daß die Beschwerdeführerin einen Verkehrsunfall dadurch verursacht hat, daß sie mit ihrem PKW einen nicht ordnungsgemäß verankerten Kanaldeckel verschoben hat. Danach hat sich die Beschwerdeführerin in ihrem PKW mit ihrem - bei diesem Verkehrsunfall verletzten - Beifahrer in das Krankenhaus begeben.

2. Die Beschwerdeführerin verteidigt sich gegen die ihr nach § 4 Abs. 2 StVO 1960 zur Last gelegte Verwaltungsübertretung damit, daß ihr im Krankenhaus auf ihr Befragen hin mitgeteilt worden sei, daß unverzüglich eine Verständigung der Sicherheitsbehörden von dem in Rede stehenden Verkehrsunfall erfolgen werde. Diese "ausdrückliche Zusage des verantwortlichen Mitarbeiters des Krankenhauses" entlaste die Beschwerdeführerin, da sich diese auf dem Boden der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Erfüllung ihrer Mitteilungspflicht nach § 4 Abs. 2 StVO eines Boten habe bedienen können, wobei diese Vorgangsweise nur dann nicht ausgereicht hätte, wenn anzunehmen gewesen wäre, daß dieser Bote unverläßlich sei.

Dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Gemäß § 4 Abs. 2 leg. cit. haben (u.a.) alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, dann, wenn bei diesem Verkehrsunfall Personen verletzt worden sind, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle sofort zu verständigen.

Die Beschwerdeführerin verkennt, daß sie sich nur dann auf die hg. Rechtsprechung berufen könnte, wenn sie sich davon überzeugt hätte, ob der von ihr in Anspruch genommene Bote den Auftrag im Sinn der in Rede stehenden gesetzlichen Bestimmung befolgt hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. November 1984, Zl. 84/02/0218, mwH). Daß sich die Beschwerdeführerin in diesem Sinn überzeugt hat, wird in der Beschwerde nicht einmal behauptet. Da die Beschwerdeführerin selbst den Verkehrsunfall erst mehr als 24 Stunden nach diesem Unfall beim Verkehrsunfallskommando der Bundespolizeidirektion Graz gemeldet hat, ist sie auch durch diese von ihr selbst vorgenommene Meldung der Meldepflicht gemäß § 4 Abs. 2 StVO nicht nachgekommen.

3. Gegen ihre Bestrafung wegen Übertretung des § 4 Abs. 1 lit. c StVO 1960 führt die Beschwerdeführerin ins Treffen, daß eine solche Mitwirkungspflicht nur so weit bestehe, als dies zur Feststellung des Sachverhaltes erforderlich sei. In ihrem Fall habe ihre Mitwirkung entfallen können, weil "außer den örtlichen Gegebenheiten (Straßenzustand und Kanaldeckel) keinerlei Ermittlungen hinsichtlich des Unfallablaufes erforderlich" gewesen seien. Außerdem wäre die Beschwerdeführerin "aufgrund des Vorranges der Hilfeleistung gegenüber ihrem Beifahrer verpflichtet" gewesen, diesen unverzüglich einer ärztlichen Versorgung zuzuführen, da ein Warten auf "das Eintreffen der Sicherheitsbehörden" für den Verletzten "fatale Folgen" hätte haben können.

Gemäß § 4 Abs. 1 lit. c leg. cit. haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in einem ursächlichen Zusammenhang steht, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken.

Nach der hg. Rechtsprechung kommt immer dann, wenn es sich um einen Unfall handelt, bezüglich dessen eine Verständigungspflicht im Sinn des § 4 Abs. 2 StVO 1960 besteht, die in § 4 Abs. 1 lit. c StVO 1960 normierte Verpflichtung, an der Feststellung des Sachverhalts mitzuwirken, zum Tragen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse Slg. 7219 A/1967, vom 9. Mai 1980, Zl. 1765/78, vom 17. Oktober 1980, Zl. 159/80, und vom 28. November 1980, Zl. 2385/80). Um dem Zweck dieser Mitwirkungspflicht, nämlich "den Organen der öffentlichen Sicherheit die Aufnahme des Tatbestandes zu erleichtern und zu gewährleisten" (vgl. VwSlg. 7219 A/1967), gerecht zu werden, wäre die Beschwerdeführerin bei der gegebenen Sachlage verpflichtet gewesen, sich nicht von der Unfallstelle zu entfernen, um das Eintreffen der genannten Organe abzuwarten. Dies hat die Beschwerdeführerin aber nach den - unbedenklichen und nicht bestrittenen - Feststellungen im angefochtenen Bescheid nicht getan. Das Vorbringen, die Beschwerdeführerin habe aufgrund des Vorranges der Hilfeleistung gegenüber ihrem Beifahrer dieser Verpflichtung nicht nachkommen können, läßt eine dem § 6 VStG unterstellbare Situation schon deswegen nicht annehmen, weil im städtischen Gebiet (in dem der Unfall stattfand) ein rasches Eintreffen eines Rettungswagens zum Zweck der ersten medizinischen Versorgung und des Transportes eines Verletzten in ein Krankenhaus erwartet werden kann, wobei im vorliegenden Fall ein solcherart durchgeführter Transport den Verletzungen, die die Beschwerdeführerin ihrem Vorbringen nach bei ihrem Beifahrer befürchtete - nämlich "eine Kopfverletzung, möglicherweise sogar innere Blutungen" -, wohl eher entsprochen hätte.

4. Bezüglich der Übertretung des § 4 Abs. 1 lit. b StVO 1960 verweist die Beschwerdeführerin auf ihr Vorbringen zum Vorwurf der Verwaltungsübertretung gemäß § 4 Abs. 1 lit. c StVO und wendet gegen den angefochtenen Bescheid weiters ein, daß sie "durch die in ihrer Gegenwart erfolgte Aufstellung von Altpapiercontainern zur Absicherung des Kanalschachtes die Gefahrenquelle" ausgeschaltet habe. Aufgrund der Tatsache, daß eine "endgültige Beseitigung der Gefahrenquelle durch Wiederaufsetzung des Kanaldeckels und Aufstellung einer Warnlampe durch die Beschwerdeführerin" nicht hätte vorgenommen werden können - der Kanaldeckel habe aufgrund seines Gewichtes nur durch vier männliche Personen auf den Schachtkranz aufgesetzt werden können -, habe die Beschwerdeführerin die ihr möglichen Maßnahmen gesetzt. Ein weiteres Verbleiben am Unfallsort und die Setzung weiterer gefahrenmindernder Maßnahmen wäre aufgrund der Verletzung des Beifahrers nicht gerechtfertigt gewesen.

Auch mit diesem Vorbringen ist für die Beschwerdeführerin nichts gewonnen. Nach § 4 Abs. 1 lit. b leg. cit. haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, wenn als Folge des Verkehrsunfalles Schäden für Personen oder Sachen zu befürchten sind, die zur Vermeidung solcher Schäden notwendigen Maßnahmen zu treffen. Dabei handelt es sich um ein "Ungehorsamsdelikt"; die Behörde hat daher zu Recht angenommen, daß die Absicherung mit Altpapiercontainern nicht ausreicht. Durch die Art der Absicherung kann bei der gegebenen Sachlage nämlich nicht ausgeschlossen werden, daß die anderen Verkehrsteilnehmer (etwa auch Kinder) von diesem für alle Verkehrsteilnehmer gefährlichen, durch das Verschieben des Kanaldeckels geöffneten Schacht (der nach den unbestrittenen Feststellungen einen Durchmesser von etwa 60 cm und eine Tiefe von 8 m aufwies) abgehalten werden.

5. Die Beschwerde bekämpft auch die Strafbemessung. Die belangte Behörde habe die Geldstrafen "immens hoch" festgesetzt, da die Beschwerdeführerin über kein Einkommen verfüge - die Beschwerdeführerin lebe nicht "in sehr guten bis guten Verhältnissen" - und aus diesem Grund der nach § 20 VStG erforderliche spürbare Vermögensnachteil für die Beschwerdeführerin grundsätzlich auch bei einer geringeren Strafhöhe festzustellen wäre. Weiters sei auch der Milderungsgrund der Unbescholtenheit - entgegengesetzte Feststellungen seien nicht getroffen worden - sowie der einem Milderungsgrund nahekommende Umstand, daß sich die Beschwerdeführerin mit Rücksicht auf "ihre eigene Verletzung" (nach ihren Angaben eine Gehirnerschütterung) sowie die Verletzung ihres Beifahrers "in einem Schock befunden" habe, nicht berücksichtigt worden.

Mit diesem Vorbringen bringt die Beschwerde nichts vor, was einen Ermessensfehler der Behörde bei der Handhabung des § 19 VStG aufzeigen könnte, zumal der Strafrahmen betreffend eine Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 1 bzw. Abs. 2 StVO 1960 von S 500,-- bis S 30.000,-- reicht, die verhängten Verwaltungsstrafen sich somit im untersten Bereich dieses Strafrahmens bewegen und vor diesem Hintergrund auch die von der Beschwerde behaupteten Umstände nicht die Verhängung einer (jeweils) geringeren Strafe verlangen.

6. Unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften wendet die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid ein, daß die belangte Behörde entgegen dem § 51e Abs. 1 VStG keine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt habe. Mit diesem Vorbringen übersieht die Beschwerde, daß nach § 51e Abs. 2 VStG (u.a.) dann, wenn - wie vorliegend - im bekämpften Bescheid eine S 3.000,-- nicht überschreitende Geldstrafe verhängt wurde und die beschwerdeführende Partei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren nicht ausdrücklich verlangt hat, diese Verhandlung unterbleiben konnte.

7. Schließlich bringt die Beschwerde vor, daß die belangte Behörde der Beschwerdeführerin entgegen dem § 65 VStG den Ersatz der Kosten des Berufungsverfahrens (im Betrag von S 560,--) auferlegt habe.

Diesem Vorbringen ist die hg. Rechtsprechung entgegenzuhalten, wonach dann, wenn eine Berufung gegen die in einer Bescheidausfertigung enthaltenen mehreren Schuld-, Straf- und Kostenaussprüche hinsichtlich einer Verwaltungsübertretung zur Gänze Erfolg hat, hinsichtlich anderen aber nicht, betreffend der letzteren eine Kostenentscheidung gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG zulässig ist (vgl. das Erkenntnis vom 25. März 1992, Zl. 92/02/0005, mwH). Im Lichte dieser Rechtsprechung hat die belangte Behörde den Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens nicht fehlerhaft festgesetzt, ist doch durch den angefochtenen Bescheid lediglich der Erstbescheid bezüglich einer Verwaltungsübertretung aufgehoben worden, für welche die Erstbehörde als Strafe eine Ermahnung verhängt hat, welche bei der Errechnung des Beitrages zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens außer Betracht bleibt (vgl. § 64 Abs. 2 VStG).

8. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Andere Einzelfragen in besonderen Rechtsgebieten Straßenpolizei Kraftfahrwesen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995030075.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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