Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski sowie die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision der G GmbH & Co KG in W, vertreten durch die APP Steuerberatung GmbH in 1010 Wien, Schenkenstraße 4/6. Stock, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 8. Jänner 2019, Zl. RV/7103023/2013, betreffend Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2006 bis 2009, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Bei der Revisionswerberin, einer Kommanditgesellschaft, die in den hier gegenständlichen Jahren einen Gastronomiebetrieb führte, wurde eine gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben (GPLA) durchgeführt, bei welcher der Prüfer die Feststellung traf, dass die als „freie Dienstnehmer“ beschäftigten Arbeitnehmer als echte Dienstnehmer zu werten und deren Bezüge in die Bemessungsgrundlagen für den Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen einzubeziehen seien.
2 Das Finanzamt folgte dem Prüfer und schrieb der Revisionswerberin auf Basis der getroffenen Feststellungen den Dienstgeberbeitrag und den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2006 bis 2009 vor.
3 Die Revisionswerberin erhob gegen diese Bescheide Berufung und führte zur Begründung aus, sie habe im verfahrensgegenständlichen Zeitraum drei Arten von Beschäftigungsverhältnissen begründet: Beschäftigung von drei Personen im Rahmen ihrer Kommanditistenstellung (Pflichtversicherung nach § 2 GSVG), Beschäftigung als echte Dienstnehmer (Pflichtversicherung nach § 4 Abs. 2 ASVG) und Beschäftigung als freie Dienstnehmer (Pflichtversicherung nach § 4 Abs. 4 ASVG). In Ansehung der unterschiedlichen Behandlung von freien Dienstnehmern nach § 4 Abs. 4 ASVG und echten Dienstnehmern nach § 4 Abs. 2 ASVG im Zeitraum vor dem 1. Jänner 2010 werde in weiterer Folge auf diese Unterscheidung Bezug genommen, wobei davon ausgegangen werde, dass der Begriff „Dienstnehmer“ im Steuerrecht (§ 47 Abs. 2 EStG 1988) dem Dienstverhältnis nach § 4 Abs. 2 ASVG im Sozialversicherungsrecht entspreche. Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG sei, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt werde. Wirtschaftliche Abhängigkeit sei nach Judikatur und Lehre anzunehmen, wenn der Dienstnehmer über keine eigenen Betriebsmittel verfüge. Bei der Beurteilung der persönlichen Abhängigkeit sei nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die persönliche Arbeitspflicht von entscheidender Bedeutung.
4 Die Revisionswerberin habe mit den gegenständlichen Dienstnehmern „freie Dienstverträge“ abgeschlossen, die folgenden Passus enthielten:
„Im Fall der Verhinderung des freien Dienstnehmers durch Krankheit oder sonstige Abwesenheit ist dieser berechtigt, auf eigene Kosten eine andere geeignete Person mit den ihr aus dieser Vereinbarung erwachsenden Verpflichtungen zu beauftragen (jederzeitiges vollständiges Vertretungsrecht). Der freie Dienstnehmer unterliegt bei der Gestaltung des Tätigkeitsablaufes keinerlei Weisungen des Auftraggebers. Er kann Aufträge jedweder Art jederzeit und ohne irgendwelche Sanktionen ablehnen“.
5 Jeder, der diesen Passus lese, werde sofort feststellen, dass die persönliche Arbeitspflicht nicht ausbedungen worden sei. Gegenteiliges sei auch den Aussagen der von der Wiener Gebietskrankenkasse einvernommenen „freien Dienstnehmer“ nicht zu entnehmen, die - laut den darüber aufgenommenen Niederschriften - die Beschäftigung bei der Revisionswerberin lediglich als Nebenverdienst angesehen hätten und einer eingeschränkten oder gar keiner Weisungs- und Kontrollunterworfenheit unterlegen seien. Den Dienstnehmern habe die Vertretungsmöglichkeit durch einen geeigneten Vertreter sowie ein sanktionsloses Ablehnungsrecht zugestanden, sie seien somit in der Ausführung ihrer Tätigkeit dem Grunde, dem Zeitpunkt und der Art nach frei gewesen.
6 Das mit den freien Dienstnehmern vereinbarte Vertretungsrecht sei in einer Vielzahl von Fällen auch tatsächlich gelebt worden. Die Tätigkeit der freien Dienstnehmer habe weitaus überwiegend aus einfachen manipulativen Verrichtungen bestanden, die ohne besondere Vorkenntnisse und mit einer sehr einfachen Kurzeinschulung „(dort stehen die Getränke, dort sitzen die Gäste)“ bewältigbar gewesen seien.
7 Laut angefochtenem Bescheid sei im Zeitraum 2005 bis 2008 bei über 145 Personen die Dienstnehmereigenschaft festgestellt worden. Dabei schienen immer wieder freie Dienstnehmer mit nur einem Tag pro Monat auf. Dies seien jene Personen, die vertreten hätten. Um die für das Versicherungsverhältnis maßgebenden Umstände - hier das Vertretungsrecht - beurteilen zu können, werde beantragt, die Daten des Vorpächters, der die gleichen logistischen Probleme zu bewältigen gehabt habe, heranzuziehen.
8 In Bezug auf die Vertretungsbefugnis nicht schädlich sei, dass die von den freien Dienstnehmern namhaft gemachten Vertreter nicht von diesen selbst, sondern überwiegend von der Revisionswerberin bezahlt und angemeldet worden seien. Dies mit der Motivation, jede Art von „Schwarzbeschäftigung“ in den eigenen Räumlichkeiten kategorisch auszuschließen.
9 Neben der Möglichkeit, sich vertreten zu lassen, habe jedem Dienstnehmer ein „sanktionsloses Ablehnungsrecht“ zugestanden. Habe ein Dienstnehmer arbeiten wollen, habe er dies tun können, habe er nicht arbeiten wollen, dann habe er das nicht gemusst. Die Berechtigung eines Beschäftigten, im Rahmen einer übernommenen Gesamtverpflichtung sanktionslos einzelne Arbeitsleistungen (ohne Stelligmachung eines Vertreters) abzulehnen, schließe nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eine Beschäftigung in persönlicher Abhängigkeit aus.
10 Die Dienstnehmer seien an einer Anstellung als freie Dienstnehmer interessiert gewesen, weil die meisten von ihnen in anderen Dienstverhältnissen gestanden seien und die Beschäftigung bei der Revisionswerberin als „Nebenverdienst“ angesehen hätten. Weil es sich lediglich um einen „Nebenjob“ gehandelt habe, sei der freien Vertretungsmöglichkeit große Bedeutung zugekommen. Die „freien Dienstnehmer“ hätten kaum eine Vereinbarkeit ihrer Beschäftigung bei der Revisionswerberin mit bestehenden, anderen Beschäftigungsverhältnissen erlangen können, hätten sie nicht sanktionslos ablehnen können.
11 Viele Personen seien zwischen ein- und dreimal pro Monat im Unternehmen der Revisionswerberin tätig gewesen. Es obliege jedem, sich selbst ein Bild davon zu machen, ob diese Personen - im Hinblick auf die hohe Fluktuation und den Umstand, dass sie frei entscheiden hätten können, ob sie kommen möchten oder nicht - vollständig in den Betrieb der Revisionswerberin eingegliedert gewesen seien. Alle „freien Dienstnehmer“ seien in der Ausführung ihrer Tätigkeit an keine Weisungen gebunden gewesen. Lediglich am Ende des Arbeitstages habe es gewisse unabdingbare Kontrollen gegeben, wie etwa die Kontrolle der Kassa, ansonsten habe sich der Geschäftsführer kaum um die tägliche Routinearbeit gekümmert, sondern sich verstärkt der direkten Kundenbetreuung gewidmet.
12 Die Revisionswerberin beantragte eine mündliche Verhandlung und (in Gegenwart ihres Geschäftsführers) die „Zeugeneinvernahme all jener Personen, die von der Behörde entgegen dem jeweils eingegangenen schriftlichen Vertragsverhältnis als echte Dienstnehmer angesehen“ worden seien.
13 Der Berufung lagen neun als „Zeugenaussage“ titulierte, von „freiwilligen Dienstnehmern“ unterzeichnete Schriftstücke mit folgendem (sowie ein zehntes mit weitgehend gleichem) Inhalt bei:
„ZEUGENAUSSAGE
abgegeben von:
Vor- und Zuname
SV-Nr.:
Aktuelle Adresse:
Ich werde darüber informiert, dass die [Revisionswerberin] ein laufendes Streitverfahren mit der Wiener Gebietskrankenkasse hinsichtlich der Qualifikation von Dienstverhältnissen (echte oder freie) führt. Diesbezüglich werde ich gebeten, die Umstände meiner Beschäftigung wahrheitsgetreu wieder zu geben.
Ich habe bei der [Revisionswerberin] begonnen ein freies Dienstverhältnis zu begründen, weil ich eine Arbeit gesucht hatte, bei [der] sich die Möglichkeit bot, mir auf freiwilliger Basis (bedeutet zu kommen wenn ich wollte oder nicht) etwas dazu zu verdienen.
Ich hatte bei der [Revisionswerberin] freie Zeiteinteilung, wenn ich Zeit und Lust hatte kam ich, wenn nicht rief ich an oder schickte einen Vertreter. Dieser Vertreter rekrutierte sich entweder aus meinem Bekanntenkreis oder aus dem Kreis der Menschen, die ich dort kennengelernt hatte.
Natürlich habe ich hauptsächlich persönlich gearbeitet, weil ich mir ja etwas dazuverdienen wollte. Nichts desto trotz wurde mir von Anfang an gesagt, dass eine Ablehnungsmöglichkeit besteht und war mir das in Ansehung meines bestehenden Dienstverhältnisses nicht unangenehm. Nach meinem Wissen waren sehr viele Personen in ähnlichem Verhältnis für die [Revisionswerberin] tätig, so dass ich davon ausgegangen bin, dass im Falle meines Nichterscheinens jedenfalls jemand anderer die Aufgabe wahrnimmt.
Ich werde darüber informiert, dass das jederzeitige Recht einen Vertreter zu schicken oder einen Auftrag ohne Sanktionen abzulehnen, von der Rechtsprechung als klassisches Merkmal angesehen wird, dass ein freies Dienstverhältnis vorliegt. Im Wissen um diese Folge wiederhole ich: Ich konnte mich vertreten lassen und ich konnte ohne Angabe von Gründen sanktionslos ablehnen.
Die Tätigkeit selbst bestand weitaus überwiegend aus manipulatorischen gastronomischen Tätigkeiten, die nach meiner Einschätzung auch binnen kürzester Zeit von einem außenstehenden Dritten erlernbar sind.
[...]“
14 Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung ab und führte zur Begründung u.a. aus, der Verwaltungsgerichtshof sei im Erkenntnis vom 14. Februar 2013, 2012/08/0268 bis 0278 (das ebenfalls die Revisionswerberin und die gegenständliche Problematik betroffen habe), von Beschäftigungsverhältnissen nach § 4 Abs. 2 ASVG ausgegangen. Das Vorliegen einer generellen Vertretungsbefugnis und eines sanktionslosen Ablehnungsrechts habe er verneint.
15 Die Revisionswerberin beantragte die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz, die Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
16 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Berufung (nunmehr Beschwerde) - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - keine Folge und stellte folgenden Sachverhalt fest:
17 Der Gastronomiebetrieb sei Anfang 2005 von der Revisionswerberin übernommen worden. Im zeitlichen Nahbereich zur Betriebsübernahme habe der steuerliche Vertreter der Revisionswerberin für die sogenannten freien Dienstnehmer eine Informationsveranstaltung bezüglich „freier Dienstvertrag“ durchgeführt.
18 Von einer Beschäftigungsmöglichkeit im Betrieb der Revisionswerberin hätten die meisten „freien Dienstnehmer“ von Personen, die bereits dort gearbeitet hätten, Kenntnis erlangt. Die „freien Dienstnehmer“ seien von Z eingestellt worden. Mit Z seien auch die Einstellungsgespräche geführt und die Modalitäten des Beschäftigungsverhältnisses (Entlohnung, Aufgabenbereich, freies Dienstverhältnis) besprochen worden.
19 Die Gruppe der Köche habe gemeinsam die Dienstpläne erstellt, die Speisekarte gestaltet und den Wareneinkauf geplant. Bei auftretenden Problemen (Ausfall von Geräten, Bezug von Waren aus dem Lager, Beschwerden von Gästen) hätten die „freien Dienstnehmer“ Z (fallweise auch K) kontaktiert. Sämtliche Befragten hätten übereinstimmend ausgesagt, dass Z laufend im Betrieb anwesend gewesen sei und regelmäßig kontrolliert und geschaut habe, ob alles in Ordnung sei. Dem Beschwerdevorbringen, die Geschäftsführung habe sich um die tägliche Routinearbeit kaum gekümmert, könne daher nicht gefolgt werden. Auch die Abrechnung nach Dienstende habe Z durchgeführt. Ebenso habe er den „freien Dienstnehmern“ ihr (stundenabhängiges) Entgelt (in bar) ausbezahlt.
20 Sei ein „freier Dienstnehmer“ verhindert gewesen, habe er entweder mit einem Arbeitskollegen den Dienst getauscht oder bei der Firmenleitung angerufen, welche aus dem Kreis der Arbeitskollegen einen Ersatz organisiert habe. Die Ersatzkräfte seien nicht von den „freien Dienstnehmern“, sondern von der Revisionswerberin entlohnt worden.
21 Dem wiederholten Einwand, die „freien Dienstnehmer“ hätten ohne einen bestimmten Grund („jederzeit und nach Gutdünken“) einen Vertreter heranziehen können, könne schon deshalb nicht gefolgt werden, weil in den Verträgen - ungeachtet des Klammerausdruckes „jederzeitiges vollständiges Vertretungsrecht“ - die Berechtigung, sich vertreten zu lassen, nur für den Fall der Verhinderung (durch Krankheit oder durch eine sonstige Abwesenheit) vorgesehen sei. Damit in Einklang stünden die Angaben aller Befragten, dass sich - wenn überhaupt - nur im Falle einer allfälligen Verhinderung die Frage eines Ersatzes gestellt habe. Das Vorliegen eines generellen Vertretungsrechts („jederzeit und nach Gutdünken“) werde daher als nicht erwiesen erachtet.
22 Zum wiederholten Vorbringen, wonach die „freien Dienstnehmer“ ein „sanktionsloses Ablehnungsrecht“ gehabt hätten, sei Folgendes auszuführen: Der Gastronomiebetrieb der Revisionswerberin habe es erfordert, in Zeiten besonders intensiven Geschäftsganges genügend Dienstnehmer in Einsatz zu bringen. Die Revisionswerberin sei daher in den von ihr angesprochenen Spitzenzeiten auf die Arbeitskraft der „freien Dienstnehmer“ angewiesen gewesen. Ein in diesen Einsatzzeiten praktiziertes „sanktionsloses Ablehnungsrecht“ hätte daher - entgegen der diesbezüglichen Behauptung - mit den Anforderungen des Gastronomiebetriebes der Revisionswerberin nicht in Einklang gebracht werden können.
23 Zu diesem Ergebnis gelange man auf Grund der übereinstimmenden und glaubwürdigen Aussagen der von der Wiener Gebietskrankenkasse befragten „freien Dienstnehmer“. Auch den dem Berufungsschriftsatz angeschlossenen „Zeugenaussagen“ sei das in der Beweiswürdigung dargelegte Verständnis (insbesondere: zum Vertretungsrecht und zum Ablehnungsrecht) beizumessen. Zwischen den Aussagen der Befragten und den schriftlichen „Zeugenaussagen“ bestehe daher kein Widerspruch.
24 Die Revisionswerberin habe die Einvernahme der als echte Dienstnehmer eingestuften Personen beantragt und ersucht, diese in Gegenwart des Geschäftsführers der Revisionswerberin zu befragen. Zu welchem Beweisthema die angesprochenen Personen befragt werden sollten, habe die Revisionswerberin jedoch nicht aufgezeigt, sodass dieser Antrag schon wegen der fehlenden Angabe eines bestimmten Beweisthemas (§ 183 Abs. 3 BAO) unbeachtlich sei. Im Übrigen seien ohnehin dreizehn „freie Dienstnehmer“ von der Wiener Gebietskrankenkasse befragt worden. Dass hinsichtlich der weiteren „freien Dienstnehmer“ der Sachverhalt anders gelagert gewesen wäre, werde von der Revisionswerberin nicht behauptet. Da sämtliche freien Dienstverträge nach einem Muster abgefasst worden seien und die Befragung der dreizehn sogenannten freien Dienstnehmer ein einheitliches Bild ergeben habe, sei auch bei den anderen sogenannten freien Dienstnehmern kein anders gelagerter Sachverhalt zu vermuten.
25 In rechtlicher Würdigung des festgestellten Sachverhalts führte das Bundesfinanzgericht - nach Anführung der bezughabenden Gesetzesstellen und der dazu ergangenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - aus, die „freien Dienstnehmer“ hätten mit den anderen Dienstnehmern zusammengearbeitet (z.B. die Dienstpläne erstellt und die Speisekarte gestaltet). Bei Beschwerden der Gäste, bei Geräteausfällen oder anderen Vorkommnissen und wenn Waren aus dem Lager zu beziehen gewesen seien, hätten die „freien Dienstnehmer“ Z (und fallweise auch K) kontaktiert, die auch immer wieder nachgeschaut hätten, ob alles in Ordnung sei. Im Verhinderungsfall hätten die „freien Dienstnehmer“ bei der Revisionswerberin angerufen, die dann aus dem Kreis der Arbeitskollegen für Ersatz gesorgt habe. In Anbetracht dieser Umstände bestehe kein Zweifel daran, dass die „freien Dienstnehmer“ in die im Unternehmen der Revisionswerberin bestehenden betrieblichen Abläufe eingegliedert gewesen seien. Entgegen dem von der Revisionswerberin vertretenen Standpunkt könne auch ein nur fallweise Beschäftigter - wenn auch nur vorübergehend und nur mit einer untergeordneten Arbeitsverrichtung - in den Organismus eines Unternehmens eingegliedert sein (Hinweis auf VwGH 29.5.1959, 1710/58).
26 Das Vorliegen von Dienstverhältnissen sei von der Revisionswerberin auch mit der Begründung in Abrede gestellt worden, die „freien Dienstnehmer“ seien bei der Ausübung ihrer Tätigkeit an keine Weisungen gebunden gewesen.
27 Ein Dienstverhältnis im steuerrechtlichen Sinn (§ 47 Abs. 2 EStG 1988) liege dann vor, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schulde, was u.a. dann der Fall sei, wenn die Tätigkeit „unter der Leitung des Arbeitgebers“ erbracht werde.
28 Da Z (auch) die Tätigkeit der „freien Dienstnehmer“ laufend kontrolliert habe, im Verhinderungsfall kontaktiert worden sei und für Ersatzkräfte gesorgt habe, habe die Revisionswerberin zweifellos Leitungsfunktion ausgeübt. Das Vorliegen von steuerrechtlichen Dienstverhältnissen (§ 47 Abs. 2 EStG 1988) sei daher schon deshalb zu bejahen. Eine laufende Kontrolle wäre inhaltsleer, wäre sie nicht mit der Befugnis, in das Geschehen (korrigierend) eingreifen zu können, verbunden, sodass aus der unstrittig erfolgten Kontrolle auch auf eine damit einhergehende Weisungsbefugnis geschlossen werden könne. Sei aber das Vorliegen einer Weisungsbefugnis zu bejahen, dann komme es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht mehr darauf an, ob das Weisungsrecht auch tatsächlich ausgeübt werde.
29 Die Revisionswerberin habe das Vorliegen von Dienstverhältnissen auch damit in Abrede gestellt, dass die „freien Dienstnehmer“ ein „sanktionsloses Ablehnungsrecht“ sowie das Recht, „jederzeit und nach Gutdünken einen geeigneten Vertreter zu bestimmen“, gehabt hätten. Dem sei entgegenzuhalten, dass ein Vertretungsrecht - wie bereits ausgeführt - nur für den Fall der Verhinderung durch Krankheit oder sonstige Abwesenheit vereinbart worden sei und daher nicht von einem generellen Vertretungsrecht gesprochen werden könne. Hinzu komme, dass die „freien Dienstnehmer“ die Möglichkeit gehabt hätten, Beschäftigungsangebote der Revisionswerberin jederzeit ablehnen zu können: Somit habe keine bestimmte Arbeitsverpflichtung bestanden, weshalb dem vereinbarten Vertretungsrecht kein tatsächliches Gewicht zugekommen sei (Hinweis auf VwGH 10.1.2016, 2012/13/0095). Die Vorgehensweise, dass die „freien Dienstnehmer“ im Falle einer Verhinderung entweder mit einem Arbeitskollegen/einer Arbeitskollegin den Dienst getauscht oder bei der Firmenleitung angerufen hätten und diese dann in weiterer Folge aus dem Kreis der bei der Revisionswerberin Beschäftigten einen Ersatz organisiert habe, entspreche jener, die auch bei in einem steuerrechtlichen Dienstverhältnis stehenden Beschäftigten üblich sei und stehe daher der Beurteilung, dass Dienstverhältnisse im Sinne des § 47 Abs. 2 EStG 1988 vorlägen, ebenfalls nicht entgegen.
30 In diesem Zusammenhang habe die Revisionswerberin auch beantragt, die Daten des Vorpächters zum Nachweis dafür, dass bei der Revisionswerberin Vertretungen tatsächlich stattgefunden hätten, heranzuziehen. Dass bei der Revisionswerberin Vertretungen tatsächlich stattgefunden hätten, werde nicht in Abrede gestellt. Strittig sei nur, ob die tatsächlich gelebte Vertretung das Vorliegen steuerrechtlicher Dienstverhältnisse (§ 47 Abs. 2 EStG 1988) ausschließe, was - wie bereits ausgeführt - zu verneinen sei. Von der beantragten Beweisaufnahme werde daher Abstand genommen. Darauf, dass das von der Revisionswerberin behauptete „sanktionslose Ablehnungsrecht“ mit den Anforderungen an ihren Gastronomiebetrieb nicht in Einklang zu bringen sei, sei bereits hingewiesen worden. Zusammenfassend lasse sich daher sagen, dass ein den „freien Dienstnehmern“ bei Diensteinteilung eingeräumter Entscheidungsspielraum (bis hin zur Möglichkeit, bereits übernommene Dienste mit verfügbaren Vertretern aus einem entsprechend großen „Arbeitskräftepool“ zu tauschen) im modernen Erwerbsleben nichts Ungewöhnliches sei und mit einem „generellen Vertretungsrecht“ bzw. einem „sanktionslosen Ablehnungsrecht“ nichts zu tun habe.
31 Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für nicht zulässig, weil es zur Frage, wann ein Dienstverhältnis (§ 47 Abs. 2 EStG 1988) vorliege, eine (umfangreiche) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gebe, diese einheitlich sei und das Bundesfinanzgericht davon nicht abgewichen sei.
32 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
33 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
34 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
35 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
36 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zunächst vor, sowohl aufgrund der „freien Dienstverträge“ als auch aufgrund der vorgelegten Zeugenaussagen ergebe sich, dass die beschäftigten Personen keine persönliche Arbeitsverpflichtung gehabt hätten. Die Revisionswerberin habe sowohl in der Beschwerde als auch in der mündlichen Verhandlung auf diesen Umstand hingewiesen und die Einvernahme der „freien Dienstnehmer“ beantragt. Hätte das Bundesfinanzgericht die beantragten Beweise aufgenommen, wäre es zu der rechtlichen Würdigung gelangt, dass im gegenständlichen Fall keine Dienstverhältnisse vorlägen oder die Entscheidung wäre gegen die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergangen, wonach bei fehlender persönlicher Arbeitspflicht kein Dienstvertrag vorliege.
37 Mit diesem Vorbringen wird keine im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG relevante Rechtsfrage aufgezeigt.
38 Gemäß § 47 Abs. 2 EStG 1988 liegt ein Dienstverhältnis vor, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist.
39 Das Bundesfinanzgericht hat im angefochtenen Erkenntnis - von der Revision unwidersprochen - festgestellt, die „freien Dienstnehmer“ hätten mit den anderen Dienstnehmern zusammengearbeitet und bei Beschwerden der Gäste, Geräteausfällen oder anderen Vorkommnissen Z kontaktiert, der auch immer wieder nachgeschaut habe, ob alles in Ordnung sei. Im Verhinderungsfall hätten sie bei der Revisionswerberin angerufen, die dann aus dem Kreis der Arbeitskollegen für Ersatz gesorgt habe. Vor diesem Hintergrund ist das Bundesfinanzgericht zur Überzeugung gelangt, die „freien Dienstnehmer“ seien in die im Unternehmen der Revisionswerberin bestehenden betrieblichen Abläufe eingegliedert gewesen, was auf keine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Bedenken stößt.
40 Dem Einwand der Revisionswerberin, die „freien Dienstnehmer“ hätten im Hinblick auf ihr Vertretungsrecht keine persönliche Arbeitsverpflichtung gehabt, ist das Bundesfinanzgericht mit dem Hinweis auf die mit diesen Dienstnehmern getroffenen Vereinbarungen begegnet, wonach eine Vertretung nur im Falle einer durch Krankheit oder sonstige Abwesenheit bedingten Verhinderung möglich gewesen sei. Das Bundesfinanzgericht wies auch auf die Angaben der befragten Dienstnehmer hin, wonach sich die Frage eines Ersatzes nur im Falle einer allfälligen Verhinderung gestellt habe, und vertrat den Standpunkt, es liege kein generelles Vertretungsrecht vor, was ebenfalls auf keine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Bedenken stößt.
41 Mit dem von der Revisionswerberin für ihren Standpunkt ins Treffen geführten „sanktionslosen Ablehnungsrecht“ hat sich das Bundesfinanzgericht im angefochtenen Erkenntnis ebenfalls auseinandergesetzt. Es stellte fest, der von der Revisionswerberin geführte Gastronomiebetrieb habe es erfordert, in Zeiten besonders intensiven Geschäftsganges genügend Dienstnehmer in Einsatz zu bringen, weshalb die Revisionswerberin in diesen von ihr selbst angesprochenen Spitzenzeiten auf die Arbeitskraft der „freien Dienstnehmer“ angewiesen gewesen sei. Ein in diesen Einsatzzeiten praktiziertes „sanktionsloses Ablehnungsrecht“ hätte daher - wie vom Bundesfinanzgericht zutreffend angenommen - mit den Anforderungen des Gastronomiebetriebes der Revisionswerberin nicht in Einklang gebracht werden können.
42 Soweit die Revision rügt, die angefochtene Entscheidung werde den formalen Anforderungen des Verwaltungsgerichtshofes an ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts nicht gerecht, weil insbesondere der Sachverhalt und die rechtliche Subsumption „bunt gemischt“ seien und zudem große Mängel in einer nachvollziehbaren (freien) Beweiswürdigung vorlägen, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach eine im Rahmen der gesonderten Darstellung der Gründe für die Zulässigkeit der Revision nicht weiter substantiierte Behauptung von Verfahrensmängeln, deren Relevanz für den Verfahrensausgang nicht dargelegt wird, nicht ausreicht, um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen, von deren Lösung das rechtliche Schicksal der Revision abhängt (vgl. z.B. den Beschluss VwGH 13.9. 2017, Ra 2017/13/0058, mwN). Dass die vorhandenen Beweismittel (schriftlicher Vertrag, schriftliche Zeugenaussagen) „weitaus überwiegend genau die gegenteilige Aussage ausweisen, die ihnen das BFG beimisst“, trifft nicht zu.
43 Der Rüge, wonach die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts inhaltlich mangelhaft sei, weil der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 14. Februar 2013, 2012/08/0268 bis 0278, ausgesprochen habe, dass bei der Abgrenzung zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis und einem freien Dienstvertrag die vertragliche Vereinbarung die Vermutung der Richtigkeit für sich habe und diese durch einen entsprechenden Nachweis, dass die tatsächlichen Verhältnisse von den vertraglichen Vereinbarungen abwichen, zu entkräften sei, ist zu entgegnen, dass das angeführte Erkenntnis die Revisionswerberin und die gegenständliche Problematik betroffen hat. Der Verwaltungsgerichtshof vertrat in diesem - die Pflichtversicherung nach dem ASVG betreffenden - Erkenntnis den Standpunkt, dass bereits der Regelungsinhalt der „freien Dienstverträge“, dem die unstrittigen Verhältnisse der Leistungserbringung (die Dienstnehmer waren in die betriebliche Organisation der beschwerdeführenden Partei eingebunden und erbrachten manuelle Hilfsarbeiten) gar nicht widersprechen, zum Ergebnis führt, dass es sich um abhängige Beschäftigungsverhältnisse gehandelt hat.
44 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 27. August 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019130028.L00Im RIS seit
12.10.2020Zuletzt aktualisiert am
12.10.2020