Entscheidungsdatum
25.06.2020Index
50/01 GewerbeordnungNorm
GewO 1994 §13 Abs1 Z1 litbText
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Dr. Schopf über die Beschwerde des Herrn A. B. gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt …, vom 16.01.2020, Zl. …, betreffend die Gewerbeordnung (GewO),
zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit angefochtenem Bescheid entzog die belangte Behörde dem Beschwerdeführer gemäß § 87 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit § 13 Abs. 1 GewO 1994 die Berechtigung zur Ausübung des Gewerbes „Namhaftmachung von Personen, …“ im Standort Wien, C.-straße. Diese Entscheidung gründete die belangte Behörde im Wesentlichen auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 12.05.2016, GZ.: ….
Dagegen richtet sich die verfahrensgegenständliche Beschwerde. Mit dieser wird im Wesentlichen vorgebracht, vom Beschwerdeführer gingen nicht die von der Behörde angenommenen Gefahren aus. Selbst das Strafgericht sei zu einer derart günstigen Zukunftsprognose gekommen, dass es die Vollstreckung der ausgesprochenen Strafe nicht für erforderlich erachtet hätte, um diesen von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten und habe die Strafe unter Festsetzung einer Probezeit von 3 Jahren zur Gänze nachgesehen. Zwar bestehe keine Bindungswirkung hinsichtlich des Ausspruches der bedingten Strafnachsicht, es wäre aber auch zu berücksichtigen, dass seit der Straftat aus dem Jahre 2012 mehr als 7 Jahre vergangen seien, ohne dass Herr B. straffällig geworden wäre. Die Probezeit sei bereits abgelaufen, die Tilgungsfrist stehe vor ihrem Ende. Herr B. fungiere seit über 9 Jahren als gewerberechtlicher Geschäftsführer ohne vor oder nach der ihm angelasteten Straftat jemals Anlass geboten zu haben an seiner Zulässigkeit zu zweifeln. Im Vergleich zur möglichen Dauer der im gerichtlichen Strafrecht vorgesehenen Freiheitsstrafen sei eine Überschreitung von bloß 4 Monaten der gesetzlichen Strafgrenze als geringfügig zu qualifizieren. Die vorangegangenen strafgerichtlichen Verurteilungen seien nicht nur schon lange getilgte sondern würden sich gegen ein vollkommen anderes Rechtsgut richten und könnten daher nicht berücksichtigt werden. Herr B. habe die Lehren aus seinem Fehlverhalten gezogen und nie wieder Gewalt gegen einen anderen Menschen ausgeübt. Angesichts der aufgezeigten Tatsachen und Überlegungen sei die Befürchtung, er werde sich bei Ausübung des Gewerbes zu Vermögensdelikten hinreißen lassen, unbegründet. Beantragt wurde daher den angefochtenen Bescheid aufzuheben und das geführte Verfahren einzustellen.
Der Beschwerdeführer ist Inhaber der Gewerbeberechtigung „Namhaftmachung von Personen, …“ im Standort Wien, C.-straße. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 12.05.2016, GZ.: … wurde der Beschwerdeführer zusammengefasst schuldig erkannt, er habe am 26.11.2012 in Wien im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten D. E. (§ 12 StGB) als Geschäftsführer des Unternehmens B. GmbH, mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, Verfügungsberechtigte der F. durch Täuschung über den Umstand, dass das Unternehmen G. GmbH im Auftrag der B. GmbH Bauleistungen in der Wohnung des H. K. erbracht habe sowie unter Verwendung falscher Beweismittel, nämlich einer falschen Rechnung über EUR 19.960, und falscher Stundenaufzeichnungen zu einer Handlung, nämlich zur Bezahlung des Rechnungsbetrages, verleitet, die die F. in dem genannten EUR 5.000,00 übersteigenden Betrag an ihrem Vermögen schädigte und dadurch §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1 5. Fall verletzt. Es wurde eine Freiheitsstrafe von 7 Monaten bedingt, Probezeit 3 Jahre, verhängt. Vom Vorwurf der falschen Zeugenaussage vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien bei der förmlichen Vernehmung zur Sache im Zivilprozess … durch die Aussage, der Beschwerdeführer habe das Unternehmen G. GmbH mit Bauleistungen in der Wohnung des H. K. beauftragt, diese habe die Bauleistungen durchgeführt und er habe die Leistungen des Unternehmens G. GmbH bezahlt, wurde der Beschwerdeführer freigesprochen, wobei das Gericht feststellte, dass der Beschwerdeführer falsch ausgesagt hat, der Angeklagte aber nach Interessensabwägung entschuldigt und dementsprechend gemäß § 259 Z 3 StPO freizusprechen war. Weitere rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilungen des Beschwerdeführers datieren aus den Jahren 2004 und 2005, wegen des Vergehens des Raufhandels sowie des Vergehens der schweren Körperverletzung. In beiden Urteilen wurden bedingte Freiheitsstrafen verhängt. Letztendlich liegen noch verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen des Beschwerdeführers unter anderem aus den Jahren 2017 und 2016 wegen Verstoßes gegen das TNRSG sowie das AuslBG vor.
Gemäß § 13 Abs. 1 Z 1 lit. B GewO 1994 sind natürliche Personen von der Ausübung eines Gewerbes ausgeschlossen, wenn sie von einem Gericht wegen einer nicht in lit. a aufgezählten strafbaren Handlung zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen verurteilt worden sind.
Gemäß § 87 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 ist die Gewerbeberechtigung von der Behörde (§ 361) zu entziehen, wenn auf den Gewerbeinhaber die Ausschlussgründe gemäß § 13 Abs. 1 oder 2 zutreffen und nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist.
Nach Abs. 3 dieser Bestimmung kann die Behörde die Gewerbeberechtigung auch nur für eine bestimmte Zeit entziehen, wenn nach den Umständen des Falles erwartet werden kann, dass diese Maßnahme ausreicht, um ein späteres einwandfreies Verhalten des Gewerbeinhabers zu sichern.
Der Entziehungsgrund des § 87 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 stellt auf die Ausschlussgründe (strafbaren Handlungen) des § 13 Abs. 1 und 2 GewO 1994 ab, die ihrerseits gleichfalls nicht bei der Ausübung des betreffenden Gewerbes verwirklicht werden müssen. Auch ist nicht relevant, ob das Motiv der Tat im Zusammenhang mit der Ausübung des Gewerbes steht.
Für das gewerbebehördliche Entziehungsverfahren sind gerichtliche Aussprüche über die bedingte Strafnachsicht nicht von Relevanz; vielmehr hat die Gewerbebehörde eigenständig unter Berücksichtigung der mit der weiteren Ausübung der konkreten Gewerbeberechtigung im Zusammenhang stehenden Umstände eine Prognose zu erstellen. Jedoch können die Überlegungen des Gerichtes bei der Anwendung der bedingten Strafnachsicht gemäß § 43 Abs. 1 StGB nicht gänzlich außer Betracht bleiben, sondern es bedarf bei Vorliegen besonderer Umstände im Entziehungsverfahren näherer Erörterungen, weshalb ungeachtet der günstigen Prognose durch das Strafgericht die (weiteren) gesetzlichen Voraussetzungen der Entziehung nach § 87 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 erfüllt sind (zu all dem VwGH 18.05.2016, Ra 2016/04/0046).
Bei der Beurteilung des aus den Straftaten ersichtlichen Persönlichkeitsbildes des Gewerbeinhabers ist auch auf das Ausmaß Bedacht zu nehmen, in dem die über ihn verhängten Strafen die in § 13 Abs. 1 GewO 1994 genannte Grenze übersteigen (VwGH 09.09.2015, Ro 2014/04/0012).
Bei der Frage, ob nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist, ist das Wohlverhalten des Betroffenen zu berücksichtigen. Dabei wurde "auf den seit der Begehung der Delikte verstrichenen Zeitraum" abgestellt (VwGH 27.10.2014, 2013/04/0103).
Zwar kann, wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 3.9.2008, 2008/04/0025 ausgeführt hat, ein zwischenzeitliches Wohlverhalten von sieben Jahren ausreichend für eine günstige Prognose sein, dies ist aber nur bei Vorliegen besonderer Umstände (wie sie im Beschwerdefall vor dem Verwaltungsgerichtshof gegeben waren) möglich. Bei einem längeren Deliktszeitraum hat der Verwaltungsgerichtshof auch ein Wohlverhalten von sechseinhalb Jahren nicht als ausreichend erachtet (VwGH 28.9.2011, 2011/04/0148 sowie weiters 27.10.2014, 2013/04/0103).
Für den Entziehungstatbestand des § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 ist es erforderlich, dass die Gewerbebehörde auf Grundlage des Verhaltens in der Vergangenheit eine begründete und nachvollziehbare Prognose über das zukünftige Verhalten einer Person anstellt. Die Prognose nach § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 setzt daher die Feststellung der Tathandlungen voraus, die der (den Ausschlussgrund nach § 13 Abs. 1 GewO 1994 bildenden) Verurteilung konkret zugrunde gelegen sind und von denen die Gewerbebehörde in Bindung an die rechtskräftige Verurteilung bei ihrer Prognose auszugehen hat (VwGH 12.06.2013, 2013/04/0064).
Für den Entziehungstatbestand des § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 ist es erforderlich, dass die Gewerbebehörde - auf Grundlage des Verhaltens in der Vergangenheit - eine nachvollziehbar begründete, selbständige Prognose über das zukünftige Verhalten einer Person anzustellen hat (vgl. Grabler/Stolzlechner/Wendl, GewO, 3. Auflage, § 87 Rz 4). Die Prognose nach § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 (ob nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist) setzt daher die Feststellung der Tathandlungen voraus, die der (den Ausschlussgrund nach § 13 Abs. 1 GewO 1994 bildenden) Verurteilung konkret zu Grunde gelegen sind und von denen die Gewerbebehörde in Bindung an die rechtskräftige Verurteilung bei ihrer Prognose auszugehen hat (VwGH 02.02.2012, 2011/04/0197).
Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 21.12.2011, 2011/04/0200 ausgeführt, dass die Gewerbebehörde bei ihrer Entscheidung die rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung nicht in Frage stellen kann und bei ihrer Prognose daher in Bindung an die rechtskräftige Verurteilung von den festgestellten Tathandlungen auszugehen hat.
Die Prognose nach § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 hat nicht nur dann negativ auszufallen, wenn die Begehung gleichartiger Straftaten zu befürchten ist, sondern auch, wenn ähnliche Straftaten erwartet werden müssen (VwGH 21.12.2011, 2011/04/0200 ) .
Der Gesichtspunkt einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Gewerbeinhabers hat im Entziehungsverfahren keine rechtliche Relevanz (VwGH 28.09.2011, 2010/04/0134 mit Hinweis aus das Erkenntnis vom 21.12.1993, 93/04/0078).
Für die Verneinung des Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen des § 87 Abs. 1 Z. 1 letzter Halbsatz GewO 1994 kommt es nicht darauf an, dass die Begehung einer gleichen oder ähnlichen Straftat "kaum" zu befürchten ist, ist vielmehr entscheidend, dass die in der (durch die fragliche Straftat manifestierten) Persönlichkeit begründete Befürchtung der Begehung der gleichen oder ähnlichen Straftat bei der Ausübung des Gewerbes eben (gar) nicht besteht( VwGH 17.09.2010, 2009/04/0237 mit Hinweis auf das Erkenntnis vom 26.4.2000, 2000/04/0068).
Wenn der Beschwerdeführer nunmehr den Zeitraum seines Wohlverhaltens ins Treffen führt, so ist zuzugestehen, dass dieser – gerechnet vom Zeitpunkt der Tatverwirklichung des letzten strafgerichtlich sanktionierten und einen Ausschlussgrund im Sinne des § 13 Abs. 1 GewO 1994 bildenden Strafdeliktes – den in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes angesprochenen Zeitrahmen von sechseinhalb bis sieben Jahren nunmehr überschreitet. Allerdings hat die belangte Behörde auch zu Recht darauf verwiesen, dass es sich bei dieser Straftat um keine Ersttat handelte, sondern dass der Beschwerdeführer acht und sieben Jahre vor diesem Delikt strafrechtlich wegen Vergehen gegen Leib und Leben rechtskräftig strafrechtlich verurteilt wurde. Auch wenn es sich nicht um dasselbe verletzte Rechtsgut handelt, so wird die Bedeutung des Kriteriums des Wohlverhaltens bei der Prognoseentscheidung doch deutlich relativiert, zeigt sich doch, dass auch längere Zeit des Wohlverhaltens keine Gewähr für die Annahme bilden, der Beschwerdeführer würde sich in Zukunft rechtskonform verhalten. Auch hat bei der Beurteilung des Persönlichkeitsbildes durchaus Berücksichtigung zu finden, dass der Beschwerdeführer nach seinen gerichtlich sanktionierten Straftaten auch noch als Gewerbetreibender verwaltungsstrafrechtlich auffällig geworden ist, wo vor allem die Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes als schwerwiegende Verwaltungsübertretung gilt. Wenn die Behörde im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf das Ausmaß der für die ausschlussbegründende Straftat verhängte gerichtliche Strafe verwiesen hat, so ist diese nicht zur höchsten, im StGB an hier nicht zur Diskussion stehender Stelle angedrohten Strafe in Relation zu setzen, sondern ist ein Vergleich zu der nach § 13 Abs. 1 GewO relevanten Strafhöhe zu ziehen. Diese wird gegenständlich um mehr als 130% überschritten. Gegenständlich war bei der Beurteilung des Persönlichkeitsbildes des Beschwerdeführers aber auch zu werten, dass dieser sich im strafgerichtlichen Verfahren weder einsichtig noch reumütig gezeigt hat und dass er auch nicht davor zurückschreckte, in einem zivilgerichtlichen Verfahren als Zeuge falsch auszusagen, wenn ihn auch der Konnex zu dem gegen ihn geführten Strafverfahren vor einer zusätzlichen Verurteilung bewahrte. Auch wenn sich das strafgerichtliche Verfahren über mehrere Jahre erstreckte, ist der Beschwerdeführer nicht von seiner abstreitenden und leugnenden Verantwortung abgewichen. Ein Beitrag zur Wahrheitsfindung wurde von ihm trotz langer Verfahrensdauer jedenfalls nicht gesetzt. Die gerichtliche Strafe wurde zwar bedingt nachgesehen, besondere Umstände im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für eine Berücksichtigung dieses bedingten Strafausspruches wurden nicht aufgezeigt.
Das der gegenständlich verfahrensrelevanten strafgerichtlichen Verurteilung immanente Verhalten, durch Täuschung eines Dritten diesen zur eigenen Bereicherung am Vermögen zu schädigen und sich dabei falscher Beweismittel zu bedienen ist bei Ausübung des in Rede stehenden Gewerbes jedenfalls denkbar und ist solches im Lichte der Gesamtbeurteilung des Persönlichkeitsbildes des Beschwerdeführers keinesfalls ausgeschlossen.
Die Beschwerden waren somit abzuweisen.
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Gewerbeberechtigung; Entziehung; Entziehungsgrund; strafbare Handlung; bedingte Strafnachsicht; PrognoseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.105.020.3123.2020Zuletzt aktualisiert am
18.09.2020