TE Lvwg Erkenntnis 2020/7/20 VGW-124/074/8468/2020

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Veröffentlicht am 20.07.2020
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Entscheidungsdatum

20.07.2020

Index

L72009 Beschaffung Vergabe Wien

Norm

WVRG 2014 §28
WVRG 2014 §29 Abs1
WVRG 2014 §31 Abs4

Text

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Mag. Mandl über den Antrag der A. GmbH, vertreten durch Rechtsanwalts GmbH, auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung betreffend das Vergabeverfahren "Lieferung von B.", MA 33-…, der Stadt Wien, MA 33 – Wien leuchtet, den

BESCHLUSS

gefasst:

I. Zur Prüfung der von der Antragstellerin behaupteten Rechtswidrigkeiten wird ein Nachprüfungsverfahren eingeleitet.

II. Der Antrag, eine einstweilige Verfügung für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens zu erlassen, mit welcher der Antragsgegnerin im gegenständlichen Vergabeverfahren die Erteilung des Zuschlags untersagt wird, wird abgewiesen.

III. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Begründung

Die Stadt Wien, MA 33 – Wien leuchtet (im Folgenden Antragsgegnerin und Auftraggeberin genannt), führt ein offenes Verfahren im Oberschwellenbereich als Lieferauftrag, nämlich die Lieferung von B. zu oben stehender Geschäftszahl.

Die verfahrensgegenständliche Leistung ist ein Teil der Realisierung eines das ganze Wiener Stadtgebiet umfassenden Austausches der gesamten Straßenbeleuchtung (Projekt „LED it schein“). Ziel dieses Projektes ist der Austausch der 60 Jahre alten Straßenbeleuchtung durch ein innovatives und energieeffizientes Leuchtensystem. Beginnend mit 2017 bis Ende des Jahres 2020 sollen alle 50.000 Seilhängeleuchten in Wien gegen LED-Leuchten getauscht sein; im Anschluss müssen die rund 78.000 Mastansatzleuchten getauscht werden.

Die Angebotsfrist endete am 14.5.2020 um 10:30 Uhr. Die Antragstellerin legte fristgerecht am 11.5.2020 ein Angebot.

Mit Schreiben vom 1.7.2020 hat die Auftraggeberin der Antragstellerin auf elektronischem Wege mitgeteilt, dass ihr Angebot ausgeschieden werde. Als Gründe für das Ausscheiden wurde das zu hohe KSV 1870 Rating sowie der mangelnde Antrag auf Genehmigung von Subunternehmen und die mangelnde Erklärung des Subunternehmers betreffend die Eignungskriterien angeführt. Die Ausscheidensentscheidung wurde auf § 141 Abs. 1 Z 2 und 7 BVergG 2018 gestützt.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der am 13.7.2020 dem Verwaltungsgericht Wien übermittelte Antrag auf Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung, Anberaumung einer mündlichen Verhandlung, Akteneinsicht, Pauschalgebührenersatz sowie Erlassung einer einstweiligen Verfügung.

Mit Schriftsatz vom 16.7.2020 verwies die Antragsgegnerin auf die Mitteilungspflicht gemäß § 25 Abs. 1 WVRG 2014, gab Daten zum Vergabeverfahren bekannt und führte zum Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung aus, dass zur Realisierung der Umrüstung der 78.000 Mastansatzleuchten neben der verfahrensgegenständlichen Lieferung von B., die Lieferung der Mastansatzleuchten selbst und die Herstellung der Anschlussleitungen erforderlich sei. Hierfür würden parallel zwei weitere Vergabeverfahren seitens der Auftraggeberin geführt.

Die verfahrensgegenständlichen B. dienten dazu, die notwendige Verbindung … herzustellen. Eine Verzögerung bei der Vergabe des Lieferauftrages der B. bewirke daher zwangsläufig auch eine Verzögerung bei der Lieferung bzw. Herstellung der anderen notwendigen Komponenten (Ansatzleuchten, Anschlussleitungen) und verzögere damit die Realisierung des gesamten Projektes. Diese Verzögerung im Zusammenspiel mit dem bereits durch die Covid 19-Krise bzw. -Maßnahmen eingetretenen Verzögerungen gefährde nachhaltig die wirtschaftlichen und öffentlichen Interessen der Stadt Wien. Ebenso würden die wirtschaftlichen Interessen der anderen Bewerber/Bieter an der Auftragserteilung sowohl in diesem Vergabeverfahren als auch in den damit in untrennbarem Zusammenhang stehenden weiteren Vergabeverfahren massiv beeinträchtigt.

Es werde daher beantragt, den von der Antragstellerin gestellten Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zurück- bzw. abzuweisen.

Das Verwaltungsgericht Wien hat festgestellt und erwogen:

Ausgehend vom Vorbringen der Antragstellerin sowie nach Einsicht in die von ihr vorgelegten Urkunden hat das Verwaltungsgericht Wien zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung festgestellt und erwogen:

Die Antragsgegnerin ist öffentliche Auftraggeberin im Sinne des § 4 Abs. 1 Z 1 BVergG 2018. Sie führt ein offenes Verfahren im Oberschwellenbereich zur Vergabe eines Lieferauftrages.

Der Antrag auf Einleitung des Nichtigerklärungsverfahrens ist rechtzeitig (§ 24 Abs. 2 WVRG 2014) und auch zulässig, da damit eine gesondert anfechtbare Entscheidung im Sinne des § 2 Z 15 lit. a sublit. aa BVergG 2018 bekämpft wird. Die Verständigung der Antragsgegnerin im Sinne des § 25 Abs. 1 WVRG 2014 ist nicht erfolgt. Die Beibringung der Pauschalgebühren für ein Nachprüfungsverfahren im Oberschwellenbereich ist nachgewiesen. Die Antragstellerin hat den ihr allenfalls drohenden Schaden bei Nichterlangung des gegenständlichen Auftrages plausibel dargelegt (vgl. VwGH 23.5.2007, Zl. 2007/04/0010). Der Antrag auf Einleitung eines Nichtigerklärungsverfahrens entspricht auch sonst den Bestimmungen der §§ 20 Abs. 1, 23 Abs. 1 WVRG 2014. Es war daher das von der Antragstellerin begehrte Nachprüfungsverfahren einzuleiten.

Für die Behandlung des gegenständlichen Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ist die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes Wien gemäß § 7 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 WVRG 2014 gegeben, wobei gemäß § 2 Abs. 4 WVRG 2014 Entscheidungen über Anträge auf Erlassung einstweiliger Verfügungen durch die Einzelrichterin erfolgen.

Der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung entspricht grundsätzlich den Bestimmungen des § 29 Abs. 1 WVRG 2014.

Gemäß § 28 WVRG 2007 hat das Verwaltungsgericht Wien, sobald ein Nichtigerklärungsverfahren eingeleitet ist, auf Antrag durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers oder der Antragstellerin zu beseitigen oder zu verhindern.

Die von der Antragstellerin behaupteten Rechtswidrigkeiten sind bei ihrem Vorliegen durchaus geeignet, im Ergebnis die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung herbeizuführen. Dazu bedarf es aber einer eingehenden Prüfung der von der Antragsgegnerin vorzulegenden Vergabeakten sowie der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung.

Gemäß § 31 Abs. 4 WVRG 2014 hat das Verwaltungsgericht Wien vor Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahmen für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers oder der Antragstellerin, der sonstigen Bewerber oder Bewerberinnen oder Bieter oder Bieterinnen und des Auftraggebers oder der Auftraggeberin sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Interessensabwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf deren Erlassung abzuweisen.

Vorliegend hat die Antragstellerin ihr Interesse an der Erlassung einer einstweiligen Verfügung dargelegt und ausgeführt, dass dem Schutz ihrer Interessen der Vorrang gegenüber den Interessen der Auftraggeberin an einer Fortsetzung des Vergabeverfahrens einzuräumen wäre.

Eine weitergehende Prüfung der Interessenslage konnte im Hinblick auf die Abweisung des gegenständlichen Antrages auf einstweilige Verfügung unterbleiben, was aus folgenden Überlegungen erfolgte:

Das BVA hat in seinen Bescheiden vom 12.1.2009, N/0001-BVA/13/2009-6, und BVA 25.7.2012, N/0072-BVA/08/2012-EV20, die Ansicht vertreten, dass eine unmittelbare Schädigung dann nicht droht, wenn ein Auftraggeber lediglich eine Ausscheidensentscheidung erlässt und der betroffene Bieter gegen diese Entscheidung einen Nachprüfungsantrag einbringt. In einem solchen Fall verbleibt nämlich die Antragstellerin zumindest für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens als Bieterin im Vergabeverfahren, weshalb ihr – wie allen anderen im Vergabeverfahren verbliebenen Bietern auch – eine etwaige Zuschlagsentscheidung mitgeteilt werden muss (vgl. Georg Gruber/Thomas Gruber in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, BVergG², § 328, Rz 33 mwN).

Tatsächlich hätte die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit welcher der Antragsgegnerin für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens die Erteilung des Zuschlags untersagt wird, keinen Mehrwert. Gegen eine etwaige Zuschlagserteilung ohne vorangegangene Zuschlagsentscheidung ist die Antragstellerin dadurch abgesichert, dass eine solche Vorgangsweise vergaberechtlich unzulässig und ein auf diese Weise allenfalls geschlossener Vertrag gemäß § 7 Abs. 3 Z 4 in Verbindung mit § 37 Abs. 2 WVRG 2014 mit Nichtigkeit bedroht ist. Gegen eine etwaige Zuschlagsentscheidung müsste die Antragstellerin hingegen, wenn sie deren Bestandfestwerden verhindern will, ohnedies mit einem weiteren Nachprüfungsantrag vorgehen und ist kein Grund ersichtlich, warum ein etwaiger Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit welcher die Untersagung der Zuschlagserteilung ausgesprochen werden soll, nicht erst mit einem Antrag auf Nichtigerklärung einer allfälligen Zuschlagsentscheidung eingebracht werden soll.

§ 28 WVRG erfordert für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, dass der abzuwendende Schaden „unmittelbar“ droht. An dieser „einstweiligen Verfügung“ fehlt es, wenn wie hier vor dem drohenden Schadensereignis zwangsläufig noch eine Entscheidung ergehen müsste, die die Antragstellerin anfechten und zum Anlass eines Antrags auf einstweilige Verfügung nehmen kann. In diesem Fall droht der Schaden noch nicht unmittelbar, sondern allenfalls mittelbar.

Aus diesen Gründen war daher der Antrag auf Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung spruchgemäß abzuweisen.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Einstweilige Verfügung; Schaden; Unmittelbarkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.124.074.8468.2020

Zuletzt aktualisiert am

18.09.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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