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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Nichtzuerkennung des Status einer subsidiär Schutzberechtigten betreffend eine Staatsangehörige von Somalia; mangelhafte beweiswürdigende Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Misshandlung durch einen VerwandtenRechtssatz
An die bei der Erstbefragung erstatteten, in der Regel kurzen Angaben zu den Fluchtgründen sind keine hohen Ansprüche in Bezug auf Stringenz und Vollständigkeit im Rahmen der Beweiswürdigung zu stellen. Dazu kommt im vorliegenden Verfahren, dass die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Erstbefragung noch minderjährig war, was das BVwG in seiner Beweiswürdigung nicht erkennbar berücksichtigt. Aus diesem Grund ist auch die Argumentation des BVwG nicht nachvollziehbar, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG als "weitere Steigerung des Fluchtvorbringens" zu werten sei. Die Beschwerdeführerin hat bereits in der Befragung vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am und auch im weiteren Verfahren gleichbleibend vorgebracht, dass ihr eine Rückkehr zu ihrem Onkel nicht möglich bzw nicht zumutbar sei. Die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin dieses Vorbringen nicht bereits in der Erstbefragung erstattete, kann ihr nicht zum Nachteil gereichen.
Soweit das BVwG ausführt, die Beschwerdeführerin habe in der mündlichen Verhandlung keine substantiellen Angaben zu einer "Bedrohung" durch den Onkel erstattet, ist darauf zu verweisen, dass die Beschwerdeführerin zu den vorgebrachten (körperlichen) Misshandlungen nicht befragt worden ist. Sie hat diese vielmehr am Ende der Verhandlung von sich aus thematisiert, ohne dass es zu weiteren diesbezüglichen Nachfragen seitens des BVwG gekommen ist. Vor diesem Hintergrund kann der Beschwerdeführerin nicht vorgehalten werden, dass sie zu den vorgebrachten körperlichen Misshandlungen keine substantiellen Angaben erstattet habe.
Besonders schwer wiegt im vorliegenden Verfahren nicht zuletzt die Tatsache, dass das BVwG nicht auf das aktenkundige Vorbringen der Beschwerdeführerin eingegangen ist, dass der Onkel ihre Genitalverstümmelung veranlasst haben soll. Ohne darauf in seiner Beweiswürdigung einzugehen, nimmt das BVwG vielmehr an, dass es der Beschwerdeführerin möglich und zumutbar sei, im Haus des Onkels zu wohnen bzw in dessen Süßwarengeschäft zu arbeiten. Diese Beurteilung ist für den VfGH angesichts des gleichbleibenden Vorbringens der Beschwerdeführerin betreffend die Lebensumstände im Haushalt des Onkels nicht nachvollziehbar.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Asylrecht / Vulnerabilität, Entscheidungsbegründung, RückkehrentscheidungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2020:E1043.2020Zuletzt aktualisiert am
18.09.2020