TE Vwgh Beschluss 2020/8/21 Ra 2020/18/0315

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Veröffentlicht am 21.08.2020
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des M E, vertreten durch Mag. Susanne Singer, Rechtsanwältin in 4600 Wels, Ringstraße 9, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. Juli 2020, W102 2148748-1/24E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger aus dem Distrikt Qarabagh in der Provinz Ghazni, beantragte am 2. Juni 2015 internationalen Schutz. Zur Begründung führte er im Laufe des Verfahrens aus, er habe in seinem Heimatdistrikt als Lehrer gearbeitet. Deshalb sei er von den Taliban entführt worden, die ihm - zu Unrecht - vorgeworfen hätten, für das Christentum zu missionieren. Bevor sie ihn töten hätten können, sei ihm die Flucht gelungen. Durch seine Flucht sei die ihm unterstellte Konversion zum Christentum noch „verhärtet“ worden. Auf seiner Flucht habe er begonnen, sich mit dem Christentum zu beschäftigen. Seit er in Österreich sei, besuche er einen Gebetskreis. Vielleicht komme er eines Tages zum Entschluss Christ zu werden.

2        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) den Antrag in Bestätigung eines entsprechenden Bescheides des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 26. Jänner 2017 als unbegründet ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Afghanistan zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest. Die Revision erklärte das BVwG gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

3        Begründend stellte das BVwG unter anderem fest, dass der Revisionswerber in Afghanistan als Lehrer gearbeitet habe. Seine Behauptung, deshalb von den Taliban entführt und mit dem Tode bedroht worden zu sein, sei aus näher dargestellten Gründen aber nicht glaubhaft. Ebenso treffe nicht zu, dass der Revisionswerber von den Taliban beschuldigt worden sei, zum Christentum konvertiert zu sein und andere Menschen in Afghanistan missionieren zu wollen. Dem Revisionswerber drohten im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat auch keine Übergriffe der Taliban oder durch andere Personen, weil ihm die Konversion zum Christentum oder dessen Verbreitung vorgeworfen würden. Er besuche in Österreich regelmäßig einen Gebetskreis und interessiere sich für das Christentum. Einen Entschluss zu konvertieren, habe der Revisionswerber nicht gefasst. Auf dieser Grundlage sei dem Revisionswerber, wie näher ausgeführt wird, weder Asyl noch subsidiärer Schutz zu gewähren.

4        Dagegen wendet sich die außerordentliche Revision, in der zur Zulässigkeit zusammengefasst geltend gemacht wird, das angefochtene Erkenntnis entspreche nicht den Anforderungen an die Begründung von Erkenntnissen, die der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung aufgestellt habe. Der Revisionswerber habe unstrittig als Lehrer gearbeitet und stelle schon deshalb „per se ein Ziel für die Taliban“ dar. So fände sich in den UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018 der Hinweis, dass Lehrer in Afghanistan ein spezifisches Risikoprofil erfüllten. Außerdem habe das BVwG jegliche Ermittlungstätigkeit zum vorgebrachten Interesse des Revisionswerbers am Christentum unterlassen. Um sich ein vollständiges Bild vom Glaubenswechsel machen zu können, hätte das BVwG den Revisionswerber umfassend zu diesem Thema befragen und zur Abrundung des Gesamteindrucks von amtswegen Zeugen zum Beispiel aus dem Gebetskreis oder der Kirche, die der Revisionswerber besuche, einvernehmen müssen.

5        Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

6        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

7        Zu Recht verweist die Revision darauf, dass nach den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30. August 2018 Personen, die mit der Regierung verbunden sind, einem besonderen Risikoprofil unterliegen. Zu den Zivilisten, die laut diesen Richtlinien häufig gezielt angegriffen würden, zählten u.a. auch Lehrer (S. 45 und 47). Als Beispiel wird in diesem Zusammenhang auf einen bei einem Granatenanschlag der Taliban gegen eine Schule getöteten Lehrer verwiesen (Fn. 269). Weiters wird von konfliktbezogener Gewalt im Jahr 2017 berichtet, bei der es auch zu gezielten Tötungen und Einschüchterungen von Lehrern, zur Legung von Sprengsätzen in oder in der Nähe von Schulen bzw. zu Raketenangriffen auf Bildungseinrichtungen und die Schließung von Schulen, insbesondere von Schulen für Mädchen, gekommen sei (S. 32 f). In Gebieten, die von den Taliban kontrolliert würden, müssten Lehrer auf eigenes Risiko jene Fächer unterrichten, die von den Taliban als unmoralisch erachtet und deshalb verboten würden (Fn. 422). Auch in den EASO Country Guidance: Afghanistan vom Juni 2019 (S. 20) werden afghanische Lehrer/innen als Risikopersonen bezeichnet, die unter Umständen asylrechtlichen Schutz benötigen können. Dementsprechend wurde in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wiederholt verlangt, sich mit dem Risikoprofil von afghanischen Lehrern oder Lehrerinnen auf der Grundlage der in den jeweiligen Fällen erstatteten Vorbringen näher auseinanderzusetzen (vgl. etwa VwGH 28.1.2015, Ra 2014/18/0108; VwGH 5.3.2020, Ra 2018/19/0686 und Ra 2018/19/0711).

8        Dass - wie die Revision anzunehmen scheint - jeder ehemalige Lehrer oder jede ehemalige Lehrerin per se Anspruch auf Asyl hätte, ist den von der Revision angesprochenen Richtlinien allerdings nicht zu entnehmen. Diese Beurteilung hat stets auf der Grundlage der im Einzelfall getroffenen Feststellungen zu erfolgen.

9        Im gegenständlichen Fall stellte das BVwG zwar fest, dass der Revisionswerber im Anschluss an seine Ausbildung (nach der Aktenlage kurzzeitig) als Lehrer tätig war, erachtete aber sein weiteres Vorbringen, deshalb in das Blickfeld der Taliban geraten zu sein, für nicht glaubhaft. Den dazu angestellten beweiswürdigenden Überlegungen setzt die Revision nichts entgegen. Sie legt auch nicht näher dar, welche fallbezogenen Umstände dafür sprechen sollten, dass der Revisionswerber entgegen den Einschätzungen des BVwG wegen der seinerzeitigen Tätigkeit Verfolgung durch die Taliban erfahren würde. Ausgehend davon gelingt es der Revision auch nicht darzutun, weshalb der Revisionswerber bei Rückkehr nach Afghanistan von den Taliban verfolgt werden sollte.

10       Wenn die Revision aus dem - auch vom BVwG festgestellten - Interesse des Revisionswerbers für das Christentum auf einen Glaubenswechsel schließen möchte, der zu einer Rückkehrgefährdung für den Revisionswerber führen könnte, ist darauf hinzuweisen, dass sich der Revisionswerber im Verfahren stets als Moslem deklariert hat und sein Interesse für den christlichen Glauben noch in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG dahingehend umschrieb, in Österreich die Möglichkeit zu haben, in die Kirche zu gehen, ohne dafür bestraft zu werden, und vielleicht eines Tages zum Entschluss zu kommen, Christ zu werden. Dass das BVwG auf Basis dieser Aussage weitere (amtswegige) Ermittlungen über eine Konversion des Revisionswerbers und deren Folgen im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat tätigen hätte müssen, wird von der Revision nicht nachvollziehbar dargestellt.

11       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 21. August 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020180315.L00

Im RIS seit

28.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.09.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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