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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
BFA-VG 2014 §9 Abs2 Z9Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des K S, vertreten durch Dr. Peter Lechenauer und Dr. Margrit Swozil, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Hubert-Sattler-Gasse 10, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Mai 2020, L512 2167904-1/43E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein iranischer Staatsangehöriger, stellte am 12. Jänner 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Laufe des Verfahrens zusammengefasst damit begründete, aufgrund seiner Konversion zum Christentum im Falle einer Rückkehr in den Iran verfolgt zu werden. In Österreich habe er an Demonstrationen gegen die iranische Regierung teilgenommen und sich exilpolitisch betätigt.
2 Mit Bescheid vom 21. Juli 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in den Iran zulässig sei, und legte eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
4 Begründend stellte das BVwG im Wesentlichen fest, der Revisionswerber sei entgegen seinem Vorbringen vor der Ausreise aus dem Iran nicht mit dem Christentum in Kontakt gekommen und deshalb bereits verfolgt worden. Er sei auf der Flucht am 1. November 2014 in einer baptistischen Kirche in Athen getauft worden und besuche seit Frühling 2015 - mit einer kurzen Unterbrechung - die Baptistengemeinde Salzburg. Es liege aber aus näher dargestellten Gründen eine Scheinkonversion vor, die zu keiner asylrelevanten Verfolgung im Iran führen würde. In diesem Zusammenhang traf das BVwG auch umfangreiche Länderfeststellungen zur Behandlung von Apostaten im Iran, in denen unter anderem ausgeführt wird, dass konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, für die Behörden nicht von Interesse seien. Weiters führte das BVwG aus, dass auch die Teilnahme des Revisionswerbers an mehreren (gegenüber dem iranischen Regime kritischen) Demonstrationen in Österreich zu keiner Rückkehrgefährdung führe. Er sei kein Mitglied einer politischen Gruppierung oder Organisation, habe an der Demonstration nur in untergeordneter Weise teilgenommen und sei „als bloßer Mitläufer ... in Erscheinung getreten.“ Deshalb und aufgrund seiner unbedeutenden Internetaktivitäten sei nicht davon auszugehen, dass er als potentiell gefährlicher Oppositioneller in das Blickfeld der iranischen Sicherheitsbehörden geraten sei. Im Rahmen der Rückkehrentscheidung führte das BVwG eine näher begründete Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK durch und kam zu dem Ergebnis, dass die öffentlichen Interessen die privaten Interessen des Revisionswerbers am Verbleib im Bundesgebiet überwiegen würden.
5 Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zur Zulässigkeit geltend gemacht wird, das BVwG sei von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach das Verwaltungsgericht als Grundlage für die Beurteilung des Fluchtvorbringens die aktuellen Informationsmöglichkeiten und insbesondere Berichte der mit Flüchtlingsfragen befassten Organisationen heranzuziehen habe. In der Folge verweist die Revision darauf, dass nach diesen Berichten der Abfall vom Islam im Iran als Kapitalverbrechen angesehen werde. Der Revisionswerber habe seine christliche Glaubensüberzeugung verinnerlicht, weshalb es ihm unmöglich sei, nicht nach dieser Überzeugung zu leben. Die Beweiswürdigung des BVwG sei nicht schlüssig; näher begründet wird dieses letztgenannte Vorbringen in der Zulassungsbegründung nicht. Abschließend wird zur Zulässigkeit vorgebracht, dass das BVwG die Verfahrensdauer von etwa fünf Jahren nicht genügend berücksichtigt habe. Diese Dauer liege in Verzögerungen des Verfahrens, welche den Behörden zuzurechnen seien, begründet und hätte gemäß § 9 Abs. 2 Z 9 BFA-VG im Zusammenhang mit Rückkehrentscheidung zugunsten des Revisionswerbers ausschlagen müssen.
6 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
8 Die Revision entfernt sich in ihrer Zulassungsbegründung - ohne nähere Begründung - von den Feststellungen des BVwG, wonach der Revisionswerber nur zum Schein zum Christentum konvertiert sei und ihm deshalb keine Verfolgung im Iran drohe. Sie bezeichnet die Beweiswürdigung des BVwG als nicht schlüssig, legt aber mit keinem Wort dar, worin die Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung gesehen wird. Auf die Länderfeststellungen im angefochtenen Erkenntnis, wonach eine Scheinkonversion zu keiner asylrelevanten Verfolgung führen werde, und die politischen Aktivitäten des Revisionswerbers in Österreich keine Rückkehrgefährdung begründen, geht die Revision nicht näher ein. Schon aus diesen Gründen vermag die Revision ihre Zulässigkeit in Bezug auf die Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz nicht darzutun.
9 Soweit sich die Revision gegen die Rückkehrentscheidung wendet, ist ihr zwar zuzustimmen, dass nach § 9 Abs. 2 Z 9 BFA-VG bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK auch die Frage zu berücksichtigen ist, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist. Es handelt sich dabei aber nur um einen von mehreren Aspekten, der bei der Interessenabwägung des Art. 8 Abs. 2 EMRK zu berücksichtigen ist. Dass die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Z 9 BFA-VG im vorliegenden Fall überhaupt gegeben sind, legt die Revision nicht dar.
10 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 21. August 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020180258.L00Im RIS seit
28.09.2020Zuletzt aktualisiert am
28.09.2020