TE Vwgh Beschluss 2020/8/21 Ra 2020/18/0196

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Veröffentlicht am 21.08.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

BFA-VG 2014 §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des B G, vertreten durch Mag.a Michaela Krömer, LL.M., Rechtsanwältin in 3100 St. Pölten, Riemerplatz 1, als bestellte Verfahrenshelferin, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. April 2020, L529 2219492-1/7E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger der Türkei, stellte am 2. November 2018 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen damit begründete, dass er in seinem Herkunftsstaat wiederholt von der Polizei befragt und bedroht worden sei, weil seine Brüder für die PKK gekämpft hätten. Im Falle einer Rückkehr fürchte der Revisionswerber daher, politisch verfolgt zu werden. Zudem sei er vor dem Militärdienst geflüchtet.

2        Mit Bescheid vom 26. April 2019 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel nach § 57 Asylgesetz 2005, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers in die Türkei zulässig sei und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab. Die Revision erklärte das BVwG gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

4        Das BVwG schloss sich der Begründung des BFA an, wonach der Revisionswerber aus näher dargestellten beweiswürdigenden Gründen weder die behauptete Verfolgung des Revisionswerbers infolge Zugehörigkeit der Brüder zur PKK noch die behauptete Flucht vor dem Wehrdienst in der Türkei glaubhaft habe machen können. Hinzu komme, dass Brüder von gefallenen Soldaten - wie im Falle des Revisionswerbers - auch vom Wehrdienst befreit werden könnten.

5        Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vorbringt, das BVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Voraussetzungen für die Abstandnahme von einer mündlichen Verhandlung abgewichen und habe auf Basis einer grob falschen Beweiswürdigung und unter Zugrundelegung ausschließlich des Akteninhaltes eine unrichtige ergänzende Feststellung, wonach der Bruder des Revisionswerbers als türkischer Soldat im Kampf gegen den IS gefallen sei und der Revisionswerber daher vom Wehrdienst befreit sei, getroffen. Zur Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung bringt die Revision weiters vor, der Revisionswerber habe in seiner Beschwerde konkrete und substantiierte Ergänzungen zu den Länderberichten des BFA vorgelegt und ausgeführt, aus welchen Gründen die Länderberichte unvollständig und teilweise nicht mehr aktuell seien. Diese Einwände hätten im Rahmen einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssen.

6        Die Revision erweist sich als nicht zulässig.

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum auch hier maßgeblichen § 21 Abs. 7 erster Fall BFA-VG ist ein Absehen von der mündlichen Verhandlung dann gerechtfertigt, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das BVwG die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (vgl. etwa VwGH 22.5.2020, Ra 2020/18/0082).

11       Die Revision vermag mit ihrem Zulässigkeitsvorbringen nicht aufzuzeigen, dass das BVwG von diesen Leitlinien abgewichen wäre.

12       Soweit die Revision vorbringt, das BVwG habe eine unrichtige ergänzende Feststellung dahin getroffen, dass der Bruder des Revisionswerbers als Soldat im Kampf gefallen sei und der Revisionswerber daher vom Wehrdienst befreit sei, so ist zunächst zu erwidern, dass bereits das BFA solche Überlegungen angestellt hat und diesen in der Beschwerde nicht entgegengetreten wurde. Außerdem gelingt es der Revision nicht darzulegen, dass sich das BVwG bei der Beurteilung der Asylrelevanz des Fluchtvorbringens tragend auf eine Befreiung des Revisionswerbers vom Wehrdienst aus solchen Gründen gestützt hätte. Vielmehr hat bereits das BFA das Vorbringen des Revisionswerbers, er sei geflüchtet, weil er einem Einberufungsbefehl nicht gefolgt sei, weshalb er bereits mit Geldstrafen belegt worden sei und ihm nunmehr eine Haftstrafe drohe, insbesondere mangels Vorlage entsprechender Urkunden als nicht glaubhaft befunden. Das BVwG schloss sich lediglich all diesen Überlegungen an.

13       Weiters hat der Revisionswerber auch anhand der in der Beschwerde zitierten Länderinformationen zur Verfolgung von Unterstützern und Anhängern der HDP, zu den Auseinandersetzungen zwischen der türkischen Armee und der PKK, denen Zivilisten zum Opfer fallen würden, und zur Situation von Wehrdienstverweigerern nicht in substantiierter Weise einen dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehenden oder darüber hinaus gehenden entscheidungsrelevanten Sachverhalt behauptet, zumal das BVwG im angefochtenen Erkenntnis zu Recht darauf hinwies, dass damit nicht „substantiiert dargetan [worden sei], inwieweit sich daraus eine asylrelevante Verfolgung oder die Gewährung von subsidiärem Schutz konkret für den [Revisionswerber] ergeben“ solle; dies insbesondere unter Bedachtnahme auf den Umstand, dass weder eine Nähe des Revisionswerbers zur HDP noch eine Wehrdienstverweigerung seinerseits festgestellt worden sind.

14       In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 21. August 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020180196.L00

Im RIS seit

28.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.09.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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