TE Vwgh Beschluss 2020/8/26 Ra 2020/18/0132

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Veröffentlicht am 26.08.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §19 Abs1
BFA-VG 2014 §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des N E, vertreten durch Mag. Christian Berghofer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schubertring 8, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. April 2020, I422 2229964-1/5E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein nordmazedonischer Staatsangehöriger, reiste erstmals 1988 in das Bundesgebiet ein. Aufgrund einer strafgerichtlichen Verurteilung wurde gegen ihn von der Bundespolizeidirektion Wien ein mit 27. Juli 1998 rechtskräftiges und bis 27. Juli 2008 gültiges Aufenthaltsverbot erlassen. In Folge dessen wurde der Revisionswerber - anschließend an einen Aufenthalt in Strafhaft ab 1997 - am 21. Februar 2001 nach Nordmazedonien abgeschoben.

2        Der Revisionswerber reiste am 9. Juli 2018 erneut in das Bundesgebiet ein und stellte am 18. Juni 2019 aus dem Stande der Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen begründete er im Wesentlichen damit, dass in seiner Herkunftsregion die albanische Mafia die Oberhand habe. Diese hätte ihn gezwungen Drogen zu verkaufen, was er jedoch abgelehnt habe. Seine Schwester sei getötet worden, er wisse jedoch nicht von wem. Da ihn immer wieder Probleme erwarten würden oder ihm ähnliches wie seiner Schwester passieren könnte, sei er geflohen.

3        Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) vom 24. Juni 2019 wurde die Beschwerde gegen die Anhaltung in Schubhaft als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen würden. Am 25. Juni 2019 erfolgte die Abschiebung des Revisionswerbers nach Nordmazedonien.

4        Am 26. September 2019 reiste der Revisionswerber erneut ins Bundesgebiet ein und am 7. Oktober 2019 wurde das Asylverfahren zu seinem Antrag auf internationalen Schutz zugelassen.

5        Mit Bescheid vom 6. März 2020 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass eine Abschiebung nach Nordmazedonien zulässig sei. Das BFA setzte keine Frist für die freiwillige Ausreise fest und erließ gegen den Revisionswerber ein befristetes Einreiseverbot in der Dauer von 10 Jahren.

6        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das BVwG die dagegen gerichtete Beschwerde mit der Maßgabe, dass die Dauer des Einreiseverbots auf 8 Jahre herabgesetzt werde, als unbegründet ab. Die Revision wurde vom Verwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       In der vorliegenden außerordentlichen Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit vorgebracht, das BVwG hätte eine mündliche Verhandlung durchführen müssen. Außerdem sei die Beweiswürdigung mangelhaft.

11       Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision jedoch nicht dargetan.

12       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Absehen von der mündlichen Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG dann gerechtfertigt, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das BVwG die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet worden sein, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (vgl. dazu etwa VwGH 6.8.2020, Ra 2019/18/0489, mwN).

13       Im vorliegenden Fall ist zwischen der Erlassung des Bescheides des BFA und dem Erkenntnis des BVwG lediglich ein Monat vergangen, weshalb der vom BFA festgestellte Sachverhalt noch als hinreichend aktuell angesehen werden kann. Das Vorbringen in der Revision, der Revisionswerber habe in der Beschwerde den vom BFA festgestellten Sachverhalt substantiiert bestritten, indem er die Bedrohung in seinem Dorf durch die Mafia und die Polizei und auch den Tod seiner Schwester konkret dargestellt und auf seinen langjährigen Aufenthalt in Österreich und darauf, dass eine seiner Töchter und mehrere Geschwister in Österreich leben würden, hingewiesen habe, vermag keine Verletzung der dargestellten Anforderungen an ein Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung aufzuzeigen. Was die Darstellung der Fluchtgründe betrifft, hat der Revisionswerber auch in der Beschwerde keineswegs konkret dargestellt, wie er durch die Mafia oder die Polizei bedroht wurde, sondern wie schon während der Einvernahme vor dem BFA lediglich vage Angaben gemacht, ohne damit den Sachverhaltsfeststellungen des BFA substantiiert entgegenzutreten. Den langjährigen Aufenthalt in Österreich sowie den Umstand, dass eine der Töchter und mehrere Geschwister des Revisionswerbers in Österreich leben, hat bereits das BFA festgestellt, die dennoch erlassene Rückkehrentscheidung aber - vertretbar - auf die seit vielen Jahren andauernde und massive Straffälligkeit des Revisionswerbers gestützt. Dass sich das BVwG den beweiswürdigenden Erwägungen des BFA im Wesentlichen angeschlossen hat, wird in der Revision nicht bestritten.

14       Auch soweit sich die Revision gegen die Beweiswürdigung wendet und beanstandet, sowohl das BFA als auch das BVwG hätten dem Revisionswerber in rechtswidriger Weise zur Last gelegt, dass er im Rahmen der Erstbefragung nur allgemeine Angaben zu seinen Fluchtgründen gemacht habe, gelingt es ihr nicht, ihre Zulässigkeit aufzuzeigen. Es trifft zu, dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung wiederholt Bedenken gegen die unreflektierte Verwertung von Beweisergebnissen der Erstbefragung erhoben hat, weil sich diese Einvernahme nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat. Gleichwohl hat der Verwaltungsgerichtshof aber betont, dass es nicht generell unzulässig ist, sich auf eine Steigerung des Fluchtvorbringens zwischen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der weiteren Einvernahme eines Asylwerbers zu stützen (vgl. VwGH 18.5.2020, Ra 2020/18/0136, mwN).

15       Im vorliegenden Fall stützte sich das BVwG nicht nur auf das Argument der Steigerung des Fluchtvorbringens nach der Erstbefragung, sondern auf mehrere, in sich tragende Erwägungen, insbesondere auf widersprüchliche, vage und nicht nachvollziehbare Angaben des Revisionswerbers. Das BVwG setzte sich ausführlich mit dem gesamten Vorbringen des Revisionswerbers auseinander, schloss sich den beweiswürdigenden Erwägungen des BFA an und begründete nachvollziehbar seine Erwägungen. Dass das BVwG seine Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise vorgenommen hätte, vermag die Revision nicht aufzuzeigen (vgl. zum diesbezüglichen Prüfmaßstab etwa VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0350, mwN).

16       In der Revision werden demnach keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 26. August 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020180132.L00

Im RIS seit

28.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.09.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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