TE Vwgh Erkenntnis 2020/8/27 Ro 2020/14/0004

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Veröffentlicht am 27.08.2020
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht
49/01 Flüchtlinge

Norm

AsylG 2005 §7 Abs1 Z2
FlKonv Art1 AbschnC Z5

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, über die Revision des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Mai 2020, W176 2227048-1/5E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (Mitbeteiligter: X Y in Z), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1        Der aus dem Iran stammende Mitbeteiligte stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 1. Dezember 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).

2        Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gab diesem Antrag statt und sprach mit Bescheid vom 28. September 2016 aus, dass dem Mitbeteiligten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt werde und stellte unter einem gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 fest, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.

3        Am 10. April 2019 leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aufgrund einer Mitteilung des Bundesministeriums für Inneres über das Ziel von Reisen des Mitbeteiligten ein Verfahren zur Aberkennung des ihm zuerkannten Status ein.

4        Nach Vornahme von Erhebungen, in deren Rahmen auch der Mitbeteiligte vernommen wurde, erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Bescheid vom 22. November 2019, mit dem dem Mitbeteiligten der Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aberkannt und gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 festgestellt wurde, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme. Weiters sprach die Behörde aus, dass ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt, ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, gegen ihn gestützt auf § 52 Abs. 2 Z 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 und § 9 BFA-Verfahrensgesetz eine Rückkehrentscheidung erlassen sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt werde, dass seine Abschiebung in den Iran zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nach § 55 Abs. 1 bis Abs. 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

5        Zur Entscheidung über die Aberkennung des Status des Asylberechtigten führte die Behörde - unter näherer Darlegung ihrer beweiswürdigenden Erwägungen - aus, dass der Mitbeteiligte nicht länger „mit innerer Überzeugung dem Christentum angehöre[.]“. Er übe auch keine missionierenden Tätigkeiten aus. Somit lägen die Gründe, weshalb dem Mitbeteiligten Asyl gewährt worden sei, nicht mehr vor. Auch seien im Verfahren sonst keine Gründe, die gegen eine Rückkehr des Mitbeteiligten in den Iran sprechen könnten, hervorgekommen.

6        Der vom Mitbeteiligten gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht statt und hob den angefochtenen Bescheid (ersatzlos) auf. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.

7        In seiner Begründung führte das Bundesverwaltungsgericht aus, das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl habe im Aktenvermerk vom 28. September 2016, der anlässlich der Asylgewährung an den Mitbeteiligten angefertigt worden sei, festgehalten, dass jenem Vorbringen, das der Mitbeteiligte ursprünglich zu den Gründen seiner Flucht aus dem Heimatland erstattet habe, kein Glauben geschenkt worden sei. Jedoch sei die Behörde vom Vorliegen eines bei ihm zwischenzeitig eingetretenen „tatsächlichen inneren Glaubenswechsel[s]“ ausgegangen. Die Behörde habe in diesem Aktenvermerk vermerkt, dass der Mitbeteiligte einen „objektiven Nachfluchtgrund“ gesetzt hätte, weil er zum evangelisch-christlichen Glauben konvertiert wäre und dies im Iran mit Haftstrafen und der Todesstrafe geahndet würde.

8        Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl - so das Bundesverwaltungsgericht in seinen Erwägungen weiter - habe die Aberkennung des Status des Asylberechtigten auf die „Wegfall der Umstände-Klausel“ gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 iVm Art. 1 Abschnitt C Z 5 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) gestützt. Danach müsse es sich bei den Gründen, die weggefallen seien, um „(objektive) Veränderungen im Herkunftsstaat“ handeln. Die von der Behörde angenommene Veränderung liege aber im Fall des Mitbeteiligten in den subjektiven Aspekten seiner Persönlichkeit; nämlich in seiner Glaubensüberzeugung. Der vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl für die Aberkennung herangezogene Tatbestand sei daher nicht erfüllt. Eine solche Sichtweise entspreche auch der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH). Dass andere Gründe vorlägen, wonach die Aberkennung vorzunehmen wäre, sei nicht ersichtlich.

9        Zum Ausspruch über die Zulassung der Revision merkte das Bundesverwaltungsgericht an, es bestehe zur Frage, ob nur Änderungen in der Lage im Herkunftsstaat oder auch Änderungen von in der Person eines anerkannten Flüchtlings gelegenen Umständen die Aberkennung des Status des Asylberechtigten zuließen, keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

10       Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erhob gegen diese Entscheidung Revision. Das Bundesverwaltungsgericht führte das Verfahren nach § 30a VwGG durch. Im Anschluss legte das Verwaltungsgericht die Revision samt den Verfahrensakten - es wurde keine Revisionsbeantwortung erstattet - dem Verwaltungsgerichtshof vor.

11       Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision erwogen:

12       Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl schließt sich den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Zulässigkeit der Revision an. In der Sache bestreitet die Behörde allerdings die Richtigkeit der vom Verwaltungsgericht geäußerten Rechtsauffassung und verweist darauf, dass eine Aberkennung des Status des Asylberechtigten immer dann zulässig sei, wenn der Fremde nicht mehr schutzbedürftig sei. Es sei nicht nachvollziehbar, wenn bei der Beurteilung, ob eine Aberkennung vorgenommen werden dürfe, zwischen „subjektiven und objektiven Umständen“ differenziert werden müsste.

13       Die Revision ist zulässig. Sie ist auch begründet.

14       Der Verwaltungsgerichtshof hat sich (mittlerweile) mit der hier maßgeblichen Rechtsfrage in seinem Erkenntnis vom 20. Juni 2020, Ro 2019/01/0014, des Näheren auseinandergesetzt. Es wird daher gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen.

15       Darin ist der Verwaltungsgerichtshof (zusammenfassend in Rn. 38) zum Ergebnis gekommen, dass der Aberkennungstatbestand des § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005, soweit er sich auf den Endigungsgrund des Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK bezieht, auch dann erfüllt ist, wenn sich (bloß) die für die Zuerkennung des Asylstatus wesentlichen in der Person des Asylberechtigten gelegenen Umstände nachträglich derart erheblich und nicht nur vorübergehend verändern, sodass für den Asylberechtigten in seinem Heimatstaat keine Verfolgungsgefahr mehr besteht, obwohl sich die dortige Lage seit Zuerkennung des Asylstatus nicht (erheblich) verändert hat.

16       Sohin entspricht - was das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in seiner Revision zu Recht geltend macht - die vom Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vertretene Ansicht nicht dem Gesetz, weshalb das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

Wien, am 27. August 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RO2020140004.J00

Im RIS seit

12.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

12.10.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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