TE Vwgh Beschluss 2020/8/27 Ra 2020/14/0273

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Veröffentlicht am 27.08.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2020/14/0274

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in den Revisionssachen 1. des A B, und 2. des C D, beide vertreten durch Mag. Philipp Zeidlinger, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Riemerplatz 1, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts je vom 23. April 2020, 1. I422 2213777-1/15E und 2. I422 2213776-1/11E, jeweils betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Erstrevisionswerber ist der Vater des minderjährigen Zweitrevisionswerbers. Beide sind Staatsangehörige des Irak und stellten am 17. August 2017 Anträge auf internationalen Schutz.

2        Mit den Bescheiden je vom 18. Dezember 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diese Anträge sowohl hinsichtlich des Begehrens auf Zuerkennung des Status von Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Begehrens auf Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten ab. Unter einem sprach es jeweils aus, dass den Revisionswerbern kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, gegen sie eine Rückkehrentscheidung erlassen sowie festgestellt werde, dass ihre Abschiebung in den Irak zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise setzte die Behörde jeweils mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3        Das Bundesverwaltungsgericht wies die dagegen erhobenen Beschwerden nach Durchführung einer Verhandlung mit den Erkenntnissen je vom 23. April 2020 als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG jeweils nicht zulässig sei.

4        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7        Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nur im Rahmen der dafür in der Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen. Dementsprechend erfolgt nach der Rechtsprechung die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat (vgl. VwGH 13.7.2020, Ra 2019/20/0518).

8        Die Revisionswerber bringen zur Zulässigkeit der von ihnen erhobenen Revisionen vor, es liege noch keine Rechtsprechung zur Frage vor, „in welchem Umfang sowohl eine Behörde bzw. nunmehr auch das Bundesverwaltungsgericht den Ermittlungsmaßnahmen bei beantragten Beweisen nachzukommen“ habe. Der Verwaltungsgerichtshof werde „sich insbesondere damit auseinanderzusetzen haben, ob der lapidare Verweis“, dass „seitens des Zweitrevisionswerbers angeblich keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht wurden, dazu führt, dass die seitens des Erstrevisionswerbers geltend gemachten Fluchtgründe nicht auch hinsichtlich des Zweitrevisionswerbers zur Beurteilung heranzuziehen gewesen wären“. Der Verwaltungsgerichtshof habe sich - im Zusammenhang mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung - auch noch nicht damit auseinandergesetzt, „inwiefern die Behörde bzw. das Bundesverwaltungsgericht aufgrund des Parteivorbringens hinsichtlich eines Antragstellers, der ebenso für den minderjährigen Sohn vorgeht, dazu verpflichtet wäre[,] Ermittlungsmaßnahmen von Amts [w]egen darüber durchzuführen [,] um die Interessenabwägung entsprechend durchführen zu können“.

9        Soweit die Revisionswerber damit der Sache nach Ermittlungsmängel ansprechen, machen sie Verfahrensmängel geltend. Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so reicht es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensmängel in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 19.5.2020, Ra 2020/14/0599, mwN). Die Frage, ob das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner amtswegigen Ermittlungspflicht weitere Ermittlungsschritte setzen muss, unterliegt einer einzelfallbezogenen Beurteilung. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge insoweit nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre (vgl. VwGH 16.7.2020, Ra 2020/18/0231, mwN). Mit ihrem allgemein gehaltenen Vorbringen, in dem bloß unsubstantiiert auf der Richtigkeit der eigenen in den vorangegangenen Verfahren aufgestellten Behauptungen beharrt wird, wird von den Revisionswerbern weder aufgezeigt, dass die von den Revisionswerbern dem Bundesverwaltungsgericht pauschal vorgeworfenen Verfahrensfehler bestünden, noch die Relevanz derselben für den Verfahrensausgang dargetan.

10       Wenn geltend gemacht wird, dass die vom Erstrevisionswerber vorgetragenen Gründe für die Flucht aus dem Heimatland auch bei der Beurteilung des Antrages des Zweitrevisionswerbers heranzuziehen gewesen wären, wird ausgeblendet, dass das Verwaltungsgericht das Vorbringen des Erstrevisionswerbers mit ausführlicher Begründung als unglaubwürdig und bloßes „gedankliches Konstrukt“ gewertet hat. In Bezug auf die dazu vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommenen beweiswürdigenden Erwägungen findet sich in den Revisionen nichts.

11       Soweit von Revisionswerbern die im Rahmen der Erlassung der Rückkehrentscheidungen jeweils erfolgte Interessenabwägung angesprochen wird, ist ihrem Vorbringen gleichfalls nichts Konkretes zu entnehmen, was die Verfahrensführung als fehlerhaft und die Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts als unvertretbar darstellen könnte (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung, wann eine Interessenabwägung [nicht] revisibel ist, etwa VwGH 19.5.2020, Ra 2020/14/0599, Rn. 15, mwN).

12       Von den Revisionswerbern werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revisionen waren daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 27. August 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020140273.L00

Im RIS seit

15.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

15.10.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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