TE Dok 2019/11/25 42109-DK-2019

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Veröffentlicht am 25.11.2019
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Norm

BDG 1979 §43 Abs2
BDG 1979 §44 Abs1

Schlagworte

gefährliche Drohung zivil

Text

Die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres hat in der durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

N.N. ist schuldig,

1.   er hat, auf der Schnellstraße S1 auf dem dortigen Pannen-bzw. Beschleunigungsstreifen in zivil und außer Dienst einen anderen Fahrzeuglenker durch Griff auf seine Waffe, die er gut sichtbar im Holster am Hosenbund trug, in Panik und Todesangst versetzt,

2.   er hat sich zum oben angeführten Zeitpunkt durch Vorzeigen seines Dienstausweises und der Kokarde vorschriftswidrig in den Dienst gestellt,

 

er hat dadurch Dienstpflichtverletzungen gemäß § 43 Abs. 2 BDG sowie § 44 Abs. 1 BDG i.V.m. § 1 der RLV sowie der DA „SPG; Indienststellen“ zu GZ: P4/212573/2013 i.V.m. § 91 BDG 1979 i.d.g.F. begangen,

 

Über den Beschuldigten wird gemäß § 92 Abs. 1 Zi 2 BDG eine Geldbuße in der Höhe von € 3.000,- (in Worten: dreitausend) verhängt.

Dem Beschuldigten erwachsen keine Kosten aus dem Verfahren gemäß § 117 BDG.

BEGRÜNDUNG

Der Verdacht, Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben, gründet sich auf die Disziplinaranzeige, der Nachtragsdisziplinaranzeige sowie den Erhebungen der LPD XX.

Sachverhalt:

Es langte in der Personalabteilung ein Aktenvorgang der LVA XX. ein, wonach N.N. im Verdacht steht, Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben.

Laut Abschlussbericht der API kam es zu einem Vorfall im Straßenverkehr zwischen einem anderen Verkehrsteilnehmetr und N.N., welcher sich zum Vorfallszeitpunkt außer Dienst befand.

Nach Angaben des Geschädigten habe er sich in Todesangst befunden, nachdem sich N.N. in Richtung seines Fahrzeuges bewegte und ihm seine im Hosenbund befindliche Pistole zeigte. N.N. habe seine Hand auf den Griff der Waffe gelegt und ihn dadurch in Furcht und Unruhe versetzt. Aus dieser entstandenen Todesangst habe er sein Fahrzeug auf die Fahrbahn der S1 beschleunigt und sei deshalb in der Folge ein Verkehrsunfall mit dem nachkommenden Fahrzeugverkehr entstanden.

 

Verantwortung:

N.N. gab im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme folgendes an:

„Ich fuhr am gegenständlichen Abend vom Dienst nach Hause an meine Wohnadresse. Ich fuhr dabei über die Abfahrtsrampe auf den 2. (linken) Fahrstreifen hinunter. In diesem Bereich kommt es zu drei Fahrstreifen, da dort ein Fahrstreifen der A22 einmündet. Meiner Schätzung nach betrug meine Fahrgeschwindigkeit zirka 60 km/h. Ungefähr eine Fahrzeuglänge vor mir befand sich am rechten Fahrstreifen ein weiteres Fahrzeug (Marke, Type unbekannt) das sich zirka mit der gleichen Geschwindigkeit fortbewegte. Plötzlich wurde ich von einem schwarzen Fahrzeug rechts überholt. Der Pkw fuhr schneller als ich, raste aber nicht mit stark überhöhter Geschwindigkeit an mir, bzw. meinem Fahrzeug vorbei. Bemerkt hatte ich das Fahrzeug erst, als ich es aus den Augenwinkeln wahrnahm.

Kaum war der Pkw an meinem Fahrzeug vorbei, lenkte der Fahrer sofort und ohne sich offensichtlich davon zu überzeugen, dass ein gefahrloses Wechseln des Fahrstreifens möglich ist, seinen Pkw nach links auf meinen Fahrstreifen. Ich war dadurch gezwungen eine heftige und starke sofortige Notbremsung durchzuführen. Der Abstand zwischen meinem Pkw und dem schwarzen Pkw war so knapp, dass keine Möglichkeit bestand, den Fahrstreifen zu Wechseln. Ohne die sofortige Durchführung der Bremsung wäre ein Verkehrsunfall mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zu vermeiden gewesen. Möglich, dass ich zusätzlich zur Vollbremsung noch die Lichthupe betätigte, sicher bin ich mir aber nicht. Gesten in Richtung des vor mir fahrenden Fahrzeuges wurden von mir nicht getätigt.

In weiter Folge fuhr ich weiter und setzte meine Fahrt mit der im Tunnel erlaubten zirka 80 km/h fort. Im Tunnel selbst fuhr ich dann nach einigen hundert Meter Fahrtstrecke, noch vor dem Ende des Tunnels, an dem schwarzen Pkw (Fiat Bravo) vorbei. Ich sah im Zuge des Vorbeifahrens kurz nach rechts zum Lenker des schwarzen PKWs. Dieser sah zu mir und lachte spöttisch in meine Richtung. Für mich war auf Grund dieses Verhaltens ziemlich klar, dass der Lenker offensichtlich kein Schuldbewusstsein für seine Handlungsweise im Straßenverkehr hatte und diese unter Umständen sogar mit Absicht begangen hatte.

Um diesen Fahrzeuglenker dazu zu bewegen, sein Verhalten im Straßenverkehr vorsichtiger zu gestalten, zog ich meinen Dienstausweis mit Dienstkokarde aus der Oberarmtasche meiner Jacke und zeigte sein dem Pkw Lenker aufgeklappt und gut sichtbar mit gestreckter Hand in ungefährer Augenhöhe vor. Unsere beiden Fahrzeuge befanden sich zu diesem Zeitpunkt noch auf gleicher Höhe. Für mich war eindeutig wahrnehmbar, dass der Lenker des schwarzen Fiats den Dienstausweis und Dienstkokarde erkannt hatte, sodass ihm das Lachen „einfror“.

Wie ich bereits in der Zeugenvernehmung anführte, habe ich nie die Absicht gehabt den Lenker des Pkw, Fiat Bravo, anzuhalten. Zu dem Zeitpunkt als ich bereits am Beschleunigungsstreifen bzw. Pannenstreifen fuhr und meine Fahrgeschwindigkeit reduzierte (ich wollte einfach, dass der Lenker an mir vorbeifährt), der Lenker des Fiat Bravo, welcher hinter mir fuhr, jedoch ebenfalls langsamer wurde, nahm ich an, dass dieser offensichtlich mit mir in Kontakt treten wollte. Ich hielt deshalb mein Fahrzeug am Pannenstreifen an. Der Fiat Bravo blieb ebenfalls, ca. 6-8 Meter hinter mir, am Pannenstreifen stehen.

Ich stieg aus meinem Fahrzeug aus, der Lenker des Fiat Bravo blieb in seinem Fahrzeug sitzen und stieg nicht aus. Dieses Verhalten machte mich etwas stutzig, ich zeigte dem Lenker nochmals und gut sichtbar meinen Dienstausweis und die Dienstkokarde mit der rechten Hand vor. Dabei ging ich einige Schritte in Richtung des schwarzen Fiats. Plötzlich konnte ich deutlich hören, wie der Lenker des Fiats laut das Gaspedal bediente, der Motor heulte ziemlich laut im Stand auf.

Da mir dieses Verhalten ziemlich bedenklich vorkam, legte ich die linke Hand auf den Griff meiner privaten Faustfeuerwaffe. Die Waffe (Glock 19x) steckte im Innenholster meiner Hose. Es handelt sich dabei um einen Hartschalenholster aus Kunststoff, der in der Innenseite der Hose – Bauchseitig getragen wird.

Ich bin selbstverständlich im Besitz eines Waffenpasses. Dabei rief ich laut Polizei. Ich rief lediglich laut Polizei, weder forderte ich den Mann auf, auszusteigen oder sonst eine Handlung vorzunehmen.

Zu diesem Zeitpunkt herrschte dichtes Verkehrstreiben, zahlreiche Fahrzeuge fuhren an uns an diesem Moment vorbei, auch zur Zeit des ersten Vorfalles herrschte dichter Verkehr. Neuerlich hörte ich lautes Aufheulen des Gaspedales des Fiats.

Dann fuhr der Fiat los, da ich in diesem Moment die direkte Befürchtung hatte, dass der Lenker mit seinem Pkw in meine Richtung, bzw. direkt auf mich zu fahren könnte, zog ich meine Privatwaffe aus dem Holster und hielt sie mit dem Lauf zu Boden gerichtet an meiner linken Körperseite.

In Anschlag brachte ich die Waffe nicht, den der Lenker des Fiat scherte dann klar mit seinem Pkw nach links aus und fuhr von mir weg, über die zwei Fahrstreifen vom Pannenstreifen / Beschleunigungsstreifen davon. Als der Lenker mit seinem Fahrzeug an mir vorbeifuhr, drehte ich mich mit dem Oberkörper nach rechts, dabei hob ich meine Schusswaffe in Höhe meines Dienstausweises und der Kokarde (zirka Schulterhöhe). Dabei handelte es sich aber um keine Anschlags oder Zielbewegung. Im selben Moment waren schon ein lautes Krachen und Bremsgeräusche zu hören, auch ein Hupen war hörbar. Karosserieteile flogen durch die Luft, Staub und Rollsplit wurden aufgewirbelt. Offensichtlich hatte der Pkw Lenker beim schnellen und rasanten Wegfahren nicht auf den herannahenden Verkehr geachtet und einen Unfall herbeigeführt.“

Gerichtsverfahren / Allg. Verwaltungsverfahren:

Zu den angeführten Verfehlungen wurden durch die API wegen des Verdachts nach § 107 StGB Erhebungen gepflogen und nach deren Abschluss der Staatsanwaltschaft übermittelt.

Das Verfahren gegen den angeführten EB wegen § 107 StGB wurde von der StA- gem. § 190 Z 2 StPO eingestellt.

Weiters wurde gegen N.N. mit Bescheid der BH XX. ein Waffenverbot gem. § 12 Abs. 1 u. Abs. 3 des Waffengesetzes 1996 i.V.m § 57 Abs. 1 AVG ausgestellt. Das Waffenverbot wurde jedoch mit Bescheid der BH XX. aufgehoben.

Nachtragsanzeige:

Die Personalabteilung der LPD übersendet zu der Disziplinaranzeige eine Disziplinarnachtragsanzeige.

Gegen den im Betreff angeführten Beamten ist bei der Disziplinarkommission beim BMI ein Disziplinarverfahren anhängig.

Laut Abschlussbericht der API kam es am Beschleunigungsstreifen des Einfahrtportals des Stettentunnels zu einem Vorfall im Straßenverkehr zwischen dem Geschädigten und N-N. , welcher sich zum Vorfallszeitpunkt außer Dienst befand.

Nach Angaben des Geschädigten habe er sich in Todesangst befunden, nachdem sich N.N. in Richtung seines Fahrzeuges bewegte und ihm seine im Hosenbund befindliche Pistole zeigte. N.N. habe seine Hand auf den Griff der Waffe gelegt und ihn dadurch in Furcht und Unruhe versetzt. Aus dieser entstandenen Todesangst habe er sein Fahrzeug auf die Fahrbahn beschleunigt und sei deshalb in der Folge ein Verkehrsunfall mit dem nachkommenden Fahrzeugverkehr entstanden.

Um den Geschädigten dazu zu bewegen, sein Verhalten im Straßenverkehr vorsichtiger zu gestalten, zog N.N. seinen Dienstausweis sowie seine Kokarde aus der Jackentasche und zeigte diese dem Geschädigten aufgeklappt und gut sichtbar mit ausgestreckter Hand in ungefährer Augenhöhe.

Verantwortung:

N.N. gestand im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme, dass er seinem Gegenüber seinen Dienstausweis sowie die Kokarde auf Augenhöhe vorwies. Er habe den Fahrzeuglenker lediglich dazu zu bewegen wollen, sich im Straßenverkehr vorsichtiger zu verhalten.

Anlastungen durch die Dienstbehörde:

N.N. steht im Verdacht, durch sein dargebrachtes Verhalten, Dienstpflichtverletzungen gem. § 43 Abs. 2 BDG 1979 begangen zu haben.

N.N. steht im Verdacht, sich durch Vorzeigen seines Dienstausweises sowie seiner Kokarde in den Dienst gestellt zu haben, obwohl im gegenständlichen Fall keine konkrete Gefahr für Leib und Leben zu befürchten war.

Die „Indienststellung“ war unverhältnismäßig, zumal lediglich ein Verkehrsdelikt vorlag. Eine Anzeigeerstattung über das Kennzeichen wäre möglich gewesen.

Durch seine „Indienststellung“ steht N.N. im Verdacht, gegen § 43 Abs. 1 und 2 BDG 1979 sowie § 44 Abs. 1 BDG 1979 i.V.m. DA „SPG; Indienststellen“ GZ: P4/212573/2013, verstoßen zu haben.

 

Die Disziplinarkommission hat dazu erwogen:

§ 43 (2) BDG: Der Beamte hat in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.

§ 44 (1) BDG: Der Beamte hat seine Vorgesetzten zu unterstützen und deren Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt, zu befolgen.

§1 der Richtlinien-Verordnung (RLV) für das Einschreiten der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gemäß § 31 Sicherheitspolizeigesetz (SPG) regelt hinsichtlich der Aufgabenerfüllung:

Abs. 3

Sofern sich nicht bereits auf Grund dienstrechtlicher Vorschriften die Verpflichtung außerhalb des Dienstes einzuschreiten ergibt, haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes dies falls zur Erfüllung ihrer Aufgaben nur dann einzuschreiten, wenn sie erkennen, dass dies zur Abwehr einer gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden Gefahr für Leben, Gesundheit, Freiheit von Menschen oder für fremdes Eigentum in großem Ausmaß erforderlich, verhältnismäßig und ihnen dies nach den eigenen Umständen zumutbar ist. Im Übrigen haben sie in Fällen, in denen Einschreiten durch Ausübung sicherheitsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dringend geboten erscheint, die Sicherheitsbehörde hiervon zu verständigen.

Zum Schuldspruch:

Der Senat ist nach Durchführung des Beweisverfahrens einstimmig zu dem Erkenntnis gelangt, dass der Beschuldigte die ihm vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen schuldhaft begangen hat.

Der Vorwurf lautet dahingehend, dass er einen anderen Autofahrer mit seiner Privatwaffe in Todesangst versetzt und sich zu Unrecht in den Dienst gestellt hatte.

Das Beweisverfahren hat ergeben, dass der Beamte seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat.

Die Feststellungen ergeben sich aus der eindeutigen Aktenlage, der Zeugenaussage sowie aus den Ausführungen des Beschuldigten.

Gemäß § 95 Abs. 2 BDG ist die Disziplinarkommission nur an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils zugrunde gelegte Tatsachenfeststellung gebunden. In allen anderen Fällen – so auch bei der Einstellung durch die StA hat der Senat den Sachverhalt eigenständig zu beurteilen.

Der Spruch zu Punkt 1 wird dahingehend modifiziert, dass er nunmehr lautet:

er habe auf der Schnellstraße S1 in zivil und außer Dienst den Geschädigten durch den Griff auf seine Waffe, die er gut sichtbar im Holster am Hosenbund trug in Panik und Todesangst versetzt.

Die Änderung ergab sich aus der Zeugenaussage bei der der Geschädigte anführte, er habe gesehen, dass der Beschuldigte auf die Waffe gegriffen hat, aber das Ziehen der Waffe habe er nicht mehr wahrgenommen.

Diese Modifizierung stellt keine Erweiterung des Spruches dar, da der Griff auf die Waffe „weniger“ ist, als das Ziehen der Waffe, weshalb die Modifizierung des Spruches rechtlich möglich war.

Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 BDG (Punkt 1)

Gemäß § 43 Abs. 2 BDG ist der Beamte verpflichtet in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit, aber auch des Dienstgebers in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt. Diese Pflicht verletzt der Beamte immer dann, wenn er durch ein inner- oder außerdienstliches Verhalten bei Dritten Bedenken dagegen auslöst, dass er bei der Vollziehung immer rechtmäßig vorgehen werde und damit seine Glaubwürdigkeit einbüßt. Das von dieser Bestimmung geschützte Rechtsgut liegt nach Auffassung des VwGH in der allgemeinen Wertschätzung, die das Beamtentum in der Öffentlichkeit genießt, damit in der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und des dafür erforderlichen Ansehens der Beamtenschaft (VwGH 24.11.1997, 95/09/0348; 15.12.1999, 98/09/0212; 18.4.2002, 2000/09/0176); insofern stellt § 43 Abs. 2 BDG auch eine für alle Beamten gemeinsame Verhaltensrichtlinie dar (VwGH 28.7.2000, 97/09/0324; 16.10.2001, 2000/09/0012) und wird von keinem anderen Tatbestand des Dienstrechts abgedeckt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof zu § 43 Abs. 2 BDG 1979 bereits wiederholt ausgesprochen hat, lassen die Worte 'in seinem gesamten Verhalten' den Schluss zu, dass hierdurch nicht nur das Verhalten im Dienst gemeint ist, sondern auch außerdienstliches Verhalten, wenn Rückwirkungen auf den Dienst entstehen (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 29.6.1989, Zl. 86/09/0164, sowie vom 31.5.1990, Zl. 86/09/0200 = Slg. N.F. Nr. 13.213/A). Dieser sogenannte Dienstbezug ist dann gegeben, wenn das Verhalten des Disziplinarbeschuldigten bei objektiver Betrachtung geeignet ist Bedenken auszulösen, er werde seine dienstlichen Aufgaben - das sind jene konkreten ihm zur Besorgung übertragenen Aufgaben (besonderer Funktionsbezug), aber auch jene Aufgaben, die jedem Beamten zukommen - nicht in sachlicher (rechtmäßig und korrekt sowie unparteiisch und in uneigennütziger) Weise erfüllen (vgl. dazu z.B. Schwabel/Chilf, Disziplinarrecht der Bundesbeamten, Landeslehrer und Soldaten, zweite Auflage, Fußnote 17 zu § 43 BDG, Seite 7 f).

Dabei ist von einer typischen Durchschnittsbetrachtung auszugehen. Ob das dienstliche oder außerdienstliche Verhalten des Disziplinarbeschuldigten an die Öffentlichkeit gedrungen ist oder nicht, spielt bei der Beurteilung des Dienstbezuges keine rechtserhebliche Rolle.

Der Beamte hat – um einen anderen im Straßenverkehr zu „disziplinieren“ zunächst seinen Dienstausweis hergezeigt und dann auf seine Privatwaffe gegriffen – das ist ein überzogenes Verhalten, da selbst nur „die Hand auf den Griff der Waffe“ zu legen keinesfalls situationsangemessen war.

Für den Zeugen war dies sicher ein Bedrohungsszenarium, da dieser aufgrund des fehlenden Blaulichtes, einer Zivilperson und keinerlei Aufschrift „Polizei“ nicht unbedingt von einem Polizisten ausgehen musste. Der Zeuge selbst sagte heute glaubhaft, er hatte Todesangst. Diese Aussage hatte auch der 2. Unfallbeteiligte MM. in seiner Niederschrift bestätigt, nämlich dass der Zeuge diesem im Zuge der Aufnahme des Verkehrsunfalles mitgeteilt hatte, dass er Angst hatte und auch dass der andere bewaffnet war.

Seine Panik und Todesangst waren nach der allgemeinen Lebenserfahrung nachvollziehbar, da Anhaltungen im Straßenverkehr üblicherweise durch die Polizei unter anderen äußeren Umständen erfolgen.

Es konnte jedenfalls für den Senat nicht nachvollzogen werden, weshalb der Beschuldigte auf den Pannenstreifen fuhr. Es hätte grundsätzlich bereits das rechtswidrige Herzeigen des Dienstausweises im Vorbeifahren gereicht. Der Beschuldigte hatte jederzeit die Möglichkeit seine Fahrt fortzusetzen und niemand hat ihm zum Anhalten gezwungen. Er hatte die Wahl zwischen Einlassen in eine Konfliktsituation oder einer konfliktfreien Weiterfahrt.

Für die Glaubwürdigkeit einer Polizeiorganisation ist es aber bedeutsam, dass die Allgemeinheit Vertrauen in die Polizeiorgane und deren professionelles Handeln hat. Dazu gehört, dass sich die Öffentlich darauf verlassen können muss, dass Polizeibeamte eine hohe Reizschwelle haben und dem Anlass entsprechend verhältnismäßig und besonnen einschreiten.

Dienstpflichtverletzung nach § 44 Abs. 1 BDG i.V.m der Richtlinienverordnung:

Gemäß § 44 Abs. 1 BDG hat der Beamte die Weisungen seiner Vorgesetzten zu befolgen. Das bedeutet, dass er sowohl die vom Bundesministerium für Inneres verlautbarten Erlässe, sowie auch die schriftlichen Befehle der zuständigen Landespolizeidirektion und schriftliche oder mündliche Befehle/Dienstaufträge seiner Vorgesetzten zu befolgen hat. Gerade die Befolgung von Weisungen ist in einer Sicherheitsbehörde Voraussetzung dafür, eine dem gesetzlichen Auftrag entsprechende Erfüllung der sicherheits- und kriminalpolizeilichen Aufgaben zu garantieren. Wie auch die Disziplinaroberkommission (bis 13.12.2013) wiederholt entschieden hat, zählen Verletzungen der Dienstpflicht nach § 44 Abs. 1 BDG zu den schwerwiegenden Verfehlungen gegen die grundlegendsten Pflichten im Rahmen eines jeden Beamtendienstverhältnisses und ist die Befolgung von dienstlichen Anordnungen für den ordnungsgemäßen sowie effizienten Ablauf des Dienstes von essentieller Bedeutung (57/8-DOK/08 vom 11.11.2008).

Für die Indienststellung ist eine besondere Gefahrenlage erforderlich, die definitiv nicht vorgelegen ist. Der Beschuldigte spricht von Nötigung nach dem StGB, verkennt aber, dass nicht das StGB anzuwenden war, sondern dass „das Nötigen zum jähen Abbremsen“ in der StVO verankert ist. Die Tatbestandsmerkmale einer Nötigung nach dem StGB sind „eine Gefahr für Leib und Leben“ oder eine „gefährliche Drohung“, um einen Widerstand zu überwinden, sodass nicht einmal die objektiven Voraussetzungen einer Nötigung vorlagen.

 

Strafbemessungsgründe gemäß § 93 BDG:

Gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 ist das Maß für die Höhe der Strafe die Schwere der Dienstpflichtverletzung; dabei ist jedoch darauf Bedacht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Beschuldigten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Zu berücksichtigen sind aber auch die bisherigen dienstlichen Leistungen, sowie sein Verhalten im Dienststand und die Qualität der bisherigen Dienstleistung. Der erkennende Senat hat sich nach der Judikatur des VwGH jedenfalls ein umfassendes Bild über den Beamten zu machen und dann eine Prognose zu stellen, inwieweit und in welchem Ausmaße eine Bestrafung notwendig ist. Für die Schwere der Dienstpflichtverletzung ist nicht nur maßgebend, in welchem objektiven Ausmaß gegen Dienstpflichten verstoßen oder der Dienstbetrieb beeinträchtigt wurde, sondern es muss die Bestrafung grundsätzlich in einem angemessenen Verhältnis zum Unrechtsgehalt der Verfehlung stehen und sie muss spezial- und generalpräventiv erforderlich sein. Innerhalb des Schuldrahmens darf keine strengere Strafe verhängt werden, als sie aus Gründen der Spezialprävention notwendig erscheint (vgl. Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten4, 102 ff und das Erkenntnis des verstärkten Senates des VwGH vom 14.11.2007, 2005/09/0115).

Als mildernd konnte die disziplinarrechtliche Unbescholtenheit, das Geständnis, die gute Dienstbeschreibung und 6 Belobigungen herangezogen werden.

Als erschwerend waren 2 Dienstpflichtverletzungen zu werten, wobei der erkennende Senat jene des Spruchpunktes 1. als die schwerwiegendere erkannte.

Aus generalpräventiven Gründen war keine geringere Strafe möglich, zumal der Kollegenschaft klar signalisiert werden muss, dass ein derartiges Verhalten inakzeptabel ist. Es wird erwartet, dass sich die Beamten in allen Bereichen ihrer Funktion vorbildlich und angemessen verhalten. Spezialpräventiv wird dem Beschuldigten ebenso klar vor Augen geführt, dass er für sein Fehlverhalten eine relativ hohe Geldbuße leisten muss. Der Senat hat sich aber bewusst für die Aussprache einer Geldbuße entschieden, um der weiteren Karriere des Beamten als Sprengstoffexperte bzw. im Entmienungsdienst nicht entgegenzustehen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zuletzt aktualisiert am

18.09.2020
Quelle: Disziplinarkommissionen, Disziplinaroberkommission, Berufungskommission Dok, https://www.ris.bka.gv.at/Dok
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