TE Dok 2020/8/14 42159-DK-2020

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Veröffentlicht am 14.08.2020
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Norm

BDG 1979 §43 Abs2

Schlagworte

Amtsmissbrauch

Text

Die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres hat in der durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

N.N. ist schuldig,

1.  er hat während einer Schwerpunktaktion mit seinem Kollegen und unter der Einsatzleitung im Zuge einer Personenkontrolle den A. am Körper verletzt, indem er zunächst diesen gemeinsam mit seinem Kollegen gewaltsam zu Boden gestoßen hat und ihm in weiterer Folge drei Faustschläge in das Gesicht versetzte, wodurch A. eine Prellung mit Abschürfungen im Bereich des linken Auges und des Jochbeins sowie Abschürfungen im Kinnbereich erlitt,

2.  er hat den A. im Zuge der oben angeführten Amtshandlung gemeinsam mit seinem Kollegen ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen festgenommen und in den Arrest verbracht,

3.  er hat einen wahrheitswidrigen Aktenvermerk wegen des Vergehens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt, welchen sein Kollege verfasste, gegengezeichnet,

er hat dadurch Dienstpflichtverletzungen gemäß § 43 Abs. 2 BDG i.V.m. § 91 BDG 1979 i.d.g.F. begangen,

 

Über den Beschuldigten wird gemäß § 92 Abs. 1 Zi 3 BDG eine Geldstrafe in der Höhe von € 13.000, - (in Worten: dreizehntausend) verhängt.

Seitens des Beschuldigten wurde gemäß § 127 BDG eine Ratenzahlung im Ausmaß von 36 Monatsraten beantragt und seitens des Senates bewilligt.

Dem Beschuldigten erwachsen keine Kosten aus dem Verfahren gemäß § 117 BDG.

BEGRÜNDUNG

 

Der Verdacht, Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben, gründet sich auf die Disziplinaranzeige, sowie den Erhebungen der LPD und dem rechtskräftigen Urteil des OLG.

Anlastung durch die Dienstbehörde:

Im Zusammenhang mit einer geführten Amtshandlung wegen Verdacht des Widerstandes gegen die Staatsgewalt und der schweren Körperverletzung wurde vom Beamtshandelten ein Misshandlungsvorwurf erhoben.

Laut der Anklageschrift der StA stehen die im Betreff angeführten Beamten im Verdacht nachstehend angeführte, gerichtlich strafbarer Handlungen gemäß begangen zu haben:

Der Vorgesetzte habe

?     den Angriff der beiden weiteren Angeklagten gegen A. nicht unterbunden, sondern den Vorfall beobachtet und sei nicht eingeschritten

?    einen vom Kollegen verfassten, wahrheitswidrigen Amtsvermerk gegengezeichnet

?    als Zeuge falsch ausgesagt

?     A. der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, obwohl er wusste, dass die Verdächtigungen falsch seien.

Die Beschuldigten EBs

?    haben im bewussten und gewollten Zusammenwirken unter Ausnützung der gebotenen Gelegenheit A. am Körper verletzt

?    die Befugnisse im Namen des Bundes als dessen Organe in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen wissentlich missbraucht

?    A. ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen festgenommen, diesem Handschellen angelegt und ihn in den Arrestbereich der PI verbracht, wo von einem der Beamten ein wahrheitswidriger Amtsvermerk wegen des Vergehens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt verfasst und dieser seinem Kollegen gegengezeichnet worden sei. 

Die Beamten wurden vom LG für Strafsachen wegen § 302 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von je 8 Monaten verurteilt und der Vorgesetzte zu Pkt. II und Pkt. III/B (§ 302 Abs. 1 und § 297 StGB). Seitens des vorsitzenden Richters wurde das Urteil damit begründet, dass die im Amtsvermerk dokumentierten, gezielten Schläge gegen die Beamten nicht stattgefunden haben und auf dem vorliegenden Video (die gesamte Amtshandlung wurde durch eine Kamera aufgezeichnet) nicht zu sehen sind.

Gegen das Urteil wurde Nichtigkeit und Berufung eingebracht.

Laut einer Entscheidung des OGH wurden die Nichtigkeitsbeschwerden zurückgewiesen.

Mit Urteil des OLG wurde über die im Betreff angeführten Beamten die erstinstanzlich bedingt ausgesprochene Freiheitsstrafe auf je 12 Monate erhöht.

 

Sachverhalt:

Die der Verurteilung zugrundeliegende Amtshandlung wurde von den Beamten folgendermaßen dargestellt:

Im Zuge einer Schwerpunktaktion wurde ua. A. einer Personenkontrolle unterzogen. Herr A. schlief zu diesem Zeitpunkt. Er wurde aufgeweckt und zur Ausweisleistung aufgefordert. Im Zuge der Anfrage konnte ein Waffenverbot bei Herrn A. festgestellt werden. Die Frage, ob er eine Waffe bei sich trage, wurde von Herrn A. verneint, jedoch wirkte dieser nervös und griff in seine rechte Hosentasche. Im Zuge der weiteren Amtshandlung legte Herr A. ein aggressives Verhalten an den Tag und musste zur Distanzwahrung mit der flachen Hand zurückgedrückt werden. Während dieses Vorganges begann Herr A. mit gezielten Faustschlägen in Richtung des Kopfes des einen Beamten zu schlagen. Der andere Beamte kam sofort hinzu und konnte die Schläge abwehren. In weiterer Folge verlagerte sich die Amtshandlung in Richtung Fotoautomaten und die beiden Beamten sowie Herr A. kamen dabei zu Sturz. Auch am Boden liegend schlug Herr A. mit den Fäusten wild um sich und konnte erst nach Anwendung von weiterer Körperkraft fixiert werden.

Gegen Herrn A. wurde Anzeige wegen Verdachtes des Widerstandes gegen die Staatsgewalt und der schweren Körperverletzung erstattet. Herr A. erlitt im Zuge der Amtshandlung eine blutende Wunde im Bereich des Gesichtes und wies eine Rötung des linken Auges auf. Die beiden Beamten wurden ebenfalls verletzt.

Im Zuge der Beschuldigtenvernehmung wurde von Herrn A. angegeben, dass er von den Beamten „richtiggehend verprügelt“ worden sei.

Verantwortung:

Der Vorgesetzte wurde beim RBE als Zeuge einvernommen und der Sachverhalt wurde ähnlich der vorliegenden Grundmeldung dargestellt. Hinsichtlich der angeblichen Faustschläge der Beamten gegen Herrn A. führte der Vorgesetzte an, dass er dies nicht wahrnehmen konnte, da er von einem Passanten abgelenkt wurde. Er habe jedoch die in der Meldung von einen der EB dokumentieren Faustschläge gegen Herrn A., die als Zwangsmittelanwendung vermerkt wurden, gegengezeichnet. Vom Vorgesetzten wurde in weiterer Folge auch durch seinen RA eine Stellungnahme abgegeben.

Dem miteinschreitenden Beamten wurde im Zuge der Beschuldigtenvernehmung am auf die schriftlich durch seinen RA eingebrachte Stellungnahme hingewiesen. Darin wird der Sachverhalt ähnlich der Grundmeldung geschildert.

N.N. wurde als Beschuldigter einvernommen und verwies nach Vorlage der Stellungnahme des Kollegen auf die von ihm gelegte Meldung sowie die ihm vorgelegte Stellungnahme. Die von Herrn A. gesetzten Faustschläge seien entsprechend dokumentiert worden und sei die Anwendung von Körperkraft zur Erzwingung der Festnahme sowie aufgrund gerechter Notwehr und Nothilfe erforderlich gewesen.

Im Zuge der stattgefundenen Hauptverhandlung beim LG relativierten die Bediensteten ihre Aussagen teilweise und ergaben sich, insbesondere bei Gegenüberstellung der dokumentierten Amtshandlung und des vorliegenden Videobeweises, Widersprüche, die nicht entkräftet werden konnten.

 

Die Disziplinarkommission hat dazu erwogen:

§ 43 (2) BDG: Der Beamte hat in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.

 

Der Senat ist nach Durchführung des Beweisverfahrens einstimmig zu dem Erkenntnis gelangt, dass die Beschuldigten die ihnen vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen schuldhaft begangen haben. Der Senat hat die Schuld der Beschuldigten aus folgenden Gründen angenommen:

Die beiden Beamten wurden gemeinsam wegen des Vergehens der Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB und des Verbrechens des Amtsmissbrauchs gemäß § 302 StGB, Der Vorgesetzte wegen zweifachen Amtsmissbrauchs zunächst seitens des LG zu einer bedingten Freiheitsstrafe im Ausmaß von 8 Monaten, nach einer Berufung jedoch vom OLG zu einer bedingten Freiheitsstrafe im Ausmaß von 12 Monaten verurteilt.

Gemäß § 95 Abs. 2 BDG ist die Disziplinarbehörde an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils zugrunde gelegte Tatsachenfeststellung gebunden. Es ist daher erwiesen, dass die Disziplinarbeschuldigten das Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB und das Verbrechen des Amtsmissbrauchs nach § 302 StGB und der Vorgesetzte den zweimaligen Amtsmissbrauch zu verantworten haben.

Zu prüfen bleibt in diesem Fall nur mehr, ob und zu welchen Punkten ein disziplinärer Überhang gegeben ist.

Dazu ist folgendes anzuführen:

Zum Vorliegen des disziplinären Überhanges wird ausgeführt, dass in den Fällen, in denen eine Ahndung gemäß § 43 Abs. 2 BDG in Betracht kommt, ein disziplinärer Überhang immer vorliegen wird. Gerade diese Bestimmung enthält nämlich mit ihrem Abstellen auf das „Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben“ einen spezifisch dienstrechtlichen Aspekt, der von keinem Tatbestand eines anderen Strafrechtsbereiches wahrgenommen ist. Auch der VwGH vertritt diese Ansicht, dass der Gesichtspunkt der Vertrauenswahrung ein spezifisch dienstrechtlicher ist und daher sogar bei einer gerichtlichen Verurteilung nicht berücksichtigt wird.

Unbeschadet dessen haben die Beschuldigten aber ihre Dienstpflichten nach § 43 Abs. 2 BDG verletzt. Diese Norm enthält nämlich – wie unten noch weiter auszuführen sein wird - mit dem Abstellen auf das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung des Amtes einen spezifisch dienstrechtlichen Aspekt, welcher gemäß ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von keinem Tatbestand eines anderen Strafrechtsbereichs umfasst ist (VwGH 17.1.2000, 97/09/0026; 18.12.2001, 99/09/0056; 18.4.2002, 2000/09/0176).

Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 BDG:

Der Beamte hat in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben

erhalten bleibt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof zu § 43 Abs. 2 BDG 1979 bereits wiederholt ausgesprochen hat, lassen die Worte 'in seinem gesamten Verhalten' den Schluss zu, dass hierdurch nicht nur das Verhalten im Dienst gemeint ist, sondern auch außerdienstliches Verhalten, wenn Rückwirkungen auf den Dienst entstehen (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 29.6.1989, Zl. 86/09/0164, sowie vom 31.5.1990, Zl. 86/09/0200 = Slg. N.F. Nr. 13.213/A). Dieser sogenannte Dienstbezug ist dann gegeben, wenn das Verhalten des Beamten bei objektiver Betrachtung geeignet ist Bedenken auszulösen, er werde seine dienstlichen Aufgaben - das sind jene konkreten ihm zur Besorgung übertragenen Aufgaben (besonderer Funktionsbezug), aber auch jene Aufgaben, die jedem Beamten zukommen - nicht in sachlicher (rechtmäßig und korrekt sowie unparteiisch und in uneigennütziger) Weise erfüllen (vgl. dazu z.B. Schwabel/Chilf, Disziplinarrecht der Bundesbeamten, Landeslehrer und Soldaten, zweite Auflage, Fußnote 17 zu § 43 BDG, Seite 7 f) und damit seine Glaubwürdigkeit einbüßt. Dabei ist von einer typischen Durchschnittsbetrachtung auszugehen.

Das von dieser Bestimmung geschützte Rechtsgut liegt nach Auffassung des VwGH in der allgemeinen Wertschätzung, die das Beamtentum in der Öffentlichkeit genießt, damit in der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und des dafür erforderlichen Ansehens der Beamtenschaft (VwGH 18.04.2002 zu 2000/09/0176; 15.12.1999 zu 98/09/0212). Insofern stellt § 43 Abs. 2 BDG auch eine für alle Beamten gemeinsame Verhaltensrichtlinie dar und wird von keinem anderen Tatbestand des Dienstrechts abgedeckt.

Ob das vorliegende Verhalten an die Öffentlichkeit gelangt ist, ist unerheblich und spielt bei der Beurteilung des Dienstbezuges keine rechtserhebliche Rolle. Tatsache ist jedoch, dass sich der Vorfall in der Öffentlichkeit, nämlich auf dem stark frequentierten Hauptbahnhof Wien, zugetragen hat und man auf dem Überwachungsvideo eindeutig die verschiedenen Reaktionen der Menschen wahrnehmen kann – die einen recken die Hälse Richtung Geschehen, um nichts zu versäumen, die anderen schauen bewusst und betreten weg, andere bleiben stehen und schauen der Rangelei am Boden zu. Aber sie alle bilden sich in diesem Moment ihre eigene Meinung über die amtshandelnden Polizisten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat schon mehrfach entschieden, dass gerade der Exekutivdienst ein ungetrübtes Vertrauensverhältnis zwischen der Verwaltung und dem Beamten einerseits, sowie der Beamtenschaft und der Öffentlichkeit andererseits erfordert (vgl. in dieser Hinsicht beispielsweise die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 31.5.1990, Zl. 86/09/0200, vom 19.12.1996, Zl. 96/09/0153, und vom 7.5.1997, Zl. 95/09/0045). Durch die Tatbegehung der Körperverletzung und des Amtsmissbrauchs und der damit in Zusammenhang stehenden Dienstpflichtverletzungen, derer sich die Beschuldigten schuldig gemacht haben und die in Ausübung ihres Dienstes begangen wurden, haben sie das ihnen vom Dienstgeber eingeräumte Vertrauen, aber auch das Vertrauen der Allgemeinheit in schwerwiegender Weise missbraucht.

Es ist nicht zu tolerieren, dass die beiden Beschuldigten in Ausübung ihres Dienstes bei einer leicht zu bewältigenden Routine-Amtshandlung im Zuge einer Schwerpunktaktion mit körperlicher Gewalt gegen eine zu beamtshandelnde Person vorgehen, diesen dann nicht nur am Körper verletzen, sondern auch noch einen wahrheitswidrigen Aktenvermerk verfassen bzw. unterzeichnen, um die Amtshandlung im Nachhinein als rechtmäßig erscheinen zu lassen.

Hinsichtlich des Vorgesetzten wird ausgeführt, dass es nicht zu tolerieren ist, dass der Beschuldigte als Vorgesetzter und damit auch Einsatzleiter keine Kontrolle über die Amtshandlung ausübt bzw. diese Kontrolle aus der Hand gibt. Aufgrund der hierarchischen Struktur der Polizei ist es seine Aufgabe, die Schwerpunktaktion nach den rechtlichen Bestimmungen zu leiten. D.h. auch Verfehlungen der mitwirkenden Beamten zum einen hintanzuhalten bzw. bei Übertretungen die nötigen rechtlichen Schritte zu setzen und zu dokumentieren.

Ungeachtet seiner Funktion unterließ er es aber nicht nur gegen die Gewaltanwendung seiner ihm in Dienst- und Fachaufsicht unterstehenden Mitarbeiter einzuschreiten, sondern verstand sich vielmehr zu einer aktiven Mitwirkung an der Verschleierung der Amtshandlung, welche ohne seine Mitwirkung von Vornherein gar nicht möglich gewesen wäre. Dieses Verhalten ist in einer Gesamtschau von ebenso hohen Gesinnungs- und Handlungsunwert geprägt wie jenes der unmittelbaren Täter.

Für die Glaubwürdigkeit einer Polizeiorganisation ist aber bedeutsam, dass die Allgemeinheit Vertrauen in die Polizeiorgane und deren professionelles Handeln hat. Dazu gehört aber auch, dass die Öffentlichkeit sich darauf verlassen können muss, dass sich Polizeibeamte dem Anlass entsprechend verhältnismäßig und besonnen verhalten, und es muss auch darauf hingewiesen werden, dass die Beschuldigten bei Eintritt in den Polizeidienst einen Eid auf die österreichische Rechtsordnung und deren Einhaltung geschworen haben.

Aus der Treuepflicht ergibt sich, dass der Bedienstete dem Dienstgeber (Vorgesetzten) gegenüber ehrlich und wahrhaftig sein muss. Er hat also insbesondere über seine dienstlichen Tätigkeiten wahrheitsgemäß zu berichten und entsprechende Meldungen so zu erstatten, dass diese die tatsächlich erledigten Aufgaben richtig abbilden. Meldungen und Aktenvermerke sind somit nicht nur ein wichtiges Instrument der Dienstaufsicht.

Es handelt sich dabei um Dokumentationen, die bei Amtshandlungen, bei der Ausübung von Zwangsmaßnahmen oder bei Beschwerden gegen Beamte wichtige Beweismittel in gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahren darstellen können und welche im vorliegenden Fall auch als wichtiges Beweismittel fungierte und wahrheitswidrig erstellt wurde.

Denn es muss schon mit aller Klarheit festgehalten werden, dass die mit der Strafverfolgung befassten Staatsanwaltschaften und Gerichte auf an den Gesetzen orientierten Aktenvermerken, Meldungen und Anzeigen der Sicherheitsbehörden angewiesen sind und müssen dementsprechend darauf vertrauen dürfen, dass diese einen korrekten Inhalt aufweisen.

Der eine Beschuldigte hat eine wahrheitswidrige Meldung verfasst, weil er die Amtshandlung mit dem A. als Widerstand gegen die Staatsgewalt beschrieb, was wiederum die Grundlage für die widerrechtliche Festnahme des A. bildete. Diese Meldung wurde von den Beschuldigten N.N. und seinem Vorgesetzten gegengezeichnet und damit goutiert.

Auch diese Dienstpflichtverletzungen werden unter dem oben angeführten § 43 Abs. 2 BDG zu subsumieren sein.

Der Verteidiger hat für die beiden Beschuldigten eine Stellungnahme und Urkundenvorlage eingebracht, wonach ein Videoanalytisches Privatgutachten das Bedrohungsszenario für den Polizeibeamten als ausreichend realistisch darstellte, was nichts anderes bedeuten kann, als dass das Vorliegen des gerichtlichen Tatbestandes des Widerstands gegen die Staatsgewalt bestätigt wird und somit im Widerspruch zum Gerichtsurteil steht.

Weiters wurde in diesem Zusammenhang auf ein deutsches Urteil hingewiesen, wonach sich das deutsche Disziplinargericht von den tatsächlichen Feststellungen eines strafgerichtlichen Urteils gelöst hat.

Zu diesem Beweisantrag wird seitens des Senates folgendes festgestellt:

Der Beamte ist in Österreich eine Sonderform des Staatsbediensteten und ein öffentliches Organ, für ihn gilt ein eigenes Dienstrecht. Beamte unterliegen einer Gehorsams- und Verschwiegenheitspflicht und einer erhöhten strafrechtlichen Verantwortlichkeit sowie einem eigenen Disziplinarrecht, nämlich dem österreichischen BDG und nicht dem deutschen LDG.

Das vorgelegte Privatgutachten und die deutsche Judikatur stellen einen interessanten juristischen Ansatz dar. Nach dem deutschen LDG entfällt die Bindungswirkung an ein Gerichtsurteil dann, wenn die Richtigkeit der strafrechtlichen Feststellungen von den Mitgliedern des Disziplinargerichts mit Stimmenmehrheit bezweifelt wird. Einen derartigen Gesetzeswortlaut gibt es im BDG nicht.

Gem. § 95 Abs. 2 BDG ist der Senat an ein Gerichtsurteil gebunden. Das ist keine „Kann-Bestimmung“, sondern eine „Muss-Bestimmung“, was bedeutet, dass die Disziplinarkommission alle Tatsachenfeststellungen, die das Gericht im Urteil getroffen hat, als gegeben hinzunehmen hat, das gilt auch für die Beweiswürdigung.

Strafbemessungsgründe gemäß § 93 BDG:

Gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 ist das Maß für die Höhe der Strafe die Schwere der Dienstpflichtverletzung; dabei ist jedoch darauf Bedacht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Disziplinarbeschuldigten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Zu berücksichtigen sind aber auch die bisherigen dienstlichen Leistungen, sowie sein Verhalten im Dienststand und die Qualität der bisherigen Dienstleistung. Der erkennende Senat hat sich nach der jüngsten Judikatur des VwGH jedenfalls ein umfassendes Bild des Disziplinarbeschuldigten zu machen und dann eine Prognose zu stellen, inwieweit und in welchem Ausmaß eine Bestrafung notwendig ist. Für die Schwere der Dienstpflichtverletzung ist nicht nur maßgebend, in welchem objektiven Ausmaß gegen Dienstpflichten verstoßen, oder der Dienstbetrieb beeinträchtigt wurde, sondern es muss die Bestrafung grundsätzlich in einem angemessenen Verhältnis zum Unrechtsgehalt der Verfehlung stehen und sie muss spezial- und generalpräventiv erforderlich sein. Innerhalb des Schuldrahmens darf keine strengere Strafe verhängt werden, als sie aus Gründen der Spezialprävention notwendig erscheint (vgl. Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten3, 78 ff und ihr folgend das Erkenntnis des verstärkten Senates des VwGH vom 14.11.2007, 2005/09/0115).

Maßstab für die Strafbemessung ist vor allem das Verschulden der Disziplinarbeschuldigten in der konkreten Situation und dieses verlangt aus spezialpräventiven Gründen eine Sanktion. Als Strafrahmen sah der Senat deshalb eine Geldstrafe im obersten Bereich gerade noch als ausreichend an. Aus generalpräventiven Gründen muss den Kollegen vor Augen geführt werden, dass derartiges Fehlverhalten bedingungslos sanktioniert wird.

Für alle drei Beschuldigten gilt als Milderungsgrund, dass die Tatzeit beinahe 3 Jahre zurückliegt und sie in dieser Zeit disziplinarrechtlich unauffällig waren.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zuletzt aktualisiert am

18.09.2020
Quelle: Disziplinarkommissionen, Disziplinaroberkommission, Berufungskommission Dok, https://www.ris.bka.gv.at/Dok
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