TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/6 L508 2120646-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.08.2019
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Entscheidungsdatum

06.08.2019

Norm

AsylG 2005 §55 Abs2
AsylG 2005 §7 Abs1 Z2
AsylG 2005 §7 Abs4
AsylG 2005 §8 Abs1 Z2
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4

Spruch

L508 2120646-2/43E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. HERZOG als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Jordanien, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH als Mitglieder der ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.04.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.02.2019, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 und Abs. 4 AsylG und § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und festgestellt, dass gemäß § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.

Gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 wird XXXX eine "Aufenthaltsberechtigung" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Die Beschwerdeführerin (nachfolgend: BF), eine Staatsangehörige aus Jordanien und der arabischen bzw. palästinensischen Volksgruppe sowie der sunnitischen Religionsgemeinschaft zugehörig, reiste gemeinsam mit einem Teil ihrer Familie illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 22.07.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Rahmen der verschiedenen Befragungen (AS 25, 43 - 47) gab die Beschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen zu Protokoll, dass in Syrien Krieg herrsche. Ihr Vater habe dann beschlossen Syrien zu verlassen und nach Österreich auszuwandern. Im Falle einer Rückkehr befürchte sie in Syrien zu sterben, da dort Krieg herrsche. Sie sei mit ihrem Vater und vier Geschwistern nach Österreich gekommen. Sie seien Palästinenser und hätten zuvor in Libyen gelebt. Dort sei Krieg gewesen und sei ihre Mutter bei den Kämpfen ums Leben gekommen.

3. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 13.11.2014 (AS 51 - 53) wurde dem Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 AsylG stattgegeben und der Antragstellerin der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Absatz 5 AsylG wurde festgestellt, dass ihr kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.

4. Mit Ladung vom 13.10.2015 wurde der BF mitgeteilt, dass das BFA beabsichtige, ihr den zuerkannten Status einer Asylberechtigten gemäß § 9 Absatz 1 Ziffer 1 AsylG abzuerkennen. Unter einem wurde die BF zu einer Einvernahme im Aberkennungsverfahren für den 19.11.2015 geladen.

5. Im Rahmen der Einvernahme vor dem BFA am 19.11.2015 (AS 69 - 76) gab die Beschwerdeführerin auf Vorhalt, dass dem BFA Informationen bekanntgegeben worden seien, dass es sich bei ihr um keine syrische Staatsangehörige handle, zunächst an, dass sie Palästinenserin sei, ihre Mutter aber jordanische Dokumente besitze. Sie selber sei Palästinenserin mit libyschen Dokumenten. Die Dokumente habe sie im Meer verloren.

Des Weiteren führte die BF aus, dass sie die ersten zehn Lebensjahre in Libyen verbracht habe und auch dort geboren worden sei. Dann sei sie mit ihren Eltern nach Jordanien gezogen. In Amman habe ihr Vater versucht, sie zu vergewaltigen. Sie hätte ihre Mutter darüber informiert, welche die Situation beobachtet und herausgefunden habe, dass dies mit der Vergewaltigung stimme. Aus diesem Grunde hätten sich ihre Eltern scheiden lassen. Ihre Mutter habe sie - die Kinder - aber finanziell nicht mehr versorgen können. Mit Unterstützung der Behörden und weil ihr Vater dann nach Beweisen für die Vergewaltigung verlangt habe, habe dieser die Obsorge für die Kinder erhalten. Daraufhin sei er mit den Kindern für eineinhalb Jahre nach Tripolis gezogen, wo er immer wieder versucht habe, sie zu vergewaltigen. Nach der Rückkehr nach Jordanien hätte sie öfter eine Anzeige gegen ihren Vater erstattet. Dieser sei deshalb ca. eine Woche in Haft gewesen. Vor der Verurteilung sei dieser von seinem Bruder mit einer Vollmacht aus dem Gefängnis geholt worden. Sie - die Kinder - seien bei einem Onkel und einer Tante in Jordanien geblieben. Sechs Monate nach der Scheidung habe ihre Mutter in Jordanien deren palästinensischen Cousin geheiratet. Mit diesem sei ihre Mutter nach Libyen gezogen und habe die Kinder mitgenommen. Sie seien drei Jahre in Tripolis gewesen. Ihr Vater sei dann illegal von Ägypten nach Libyen gelangt und habe dieser ihrer Mutter die Kinder wieder weggenommen. Sie sei dann von anderen fremden Männern entführt und vergewaltigt worden. Nach eineinhalb Monaten habe sie flüchten können. Als sie ihr Vater gefunden habe, habe dieser und ihr Bruder XXXX alias XXXX alias XXXX versucht, sie zu töten. Gemeinsam hätten sie sie entführt, gefesselt und zwei Monate eingesperrt. Sie hätte dann ihre Eltern von einer Ausreise nach Europa überzeugt und seien sie dann im Juni 2014 nach Österreich gelangt.

In der Unterkunft habe ihr Vater erneut versucht, sie zu vergewaltigen, weshalb sie ihn angezeigt hätte. Ihre Schwester sei auch vom Vater geschlagen worden.

Ferner gab die BF zu Protokoll, dass sie - die Kinder - und ihr Vater Palästinenser in Libyen und ihre Mutter Palästinenserin in Jordanien seien. Ihre Mutter sei nur in deren Kindheit zehn Jahre in Syrien gewesen. Ihr Vater habe glaublich auch ein palästinensisch/ jordanisches Reisedokument besessen. In Libyen habe er palästinensisch/ libysche Reisedokumente erhalten.

Abschließend führte die BF aus, dass sie in Libyen ein weiteres Mal für 15 Tage von fremden Männern entführt, vergewaltigt und dadurch schwanger geworden sei. Sie habe aber einen Schwangerschaftsabbruch durchgeführt. Nur ihre Mutter und ihre Schwester XXXX wüssten davon.

6. Mit Bescheid des BFA vom 30.12.2015, Regionaldirektion Salzburg (AS 83 - 136), wurde der mit Bescheid vom 13.11.2014 zuerkannte Status der Asylberechtigten gemäß § 7 Absatz 1 Ziffer 2 AsylG aberkannt. Gemäß § 7 Absatz 4 AsylG wurde festgestellt, dass der Antragstellerin die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Absatz 3a iVm § 9 Absatz 2 AsylG wurde der Antragstellerin der Status der subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt. Deren Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Jordanien sei gem. § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG vorübergehend unzulässig (Spruchpunkt II.).

Weiters stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl fest, dass der Asylwerberin eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 AsylG erteilt werde (Spruchpunkt III.).

Festgestellt wurde, dass es sich bei der Beschwerdeführerin um keine staatenlose Angehörige der palästinensischen Minderheit handle und dass sie Staatsangehörige von Jordanien sei. Die jordanische Staatsangehörigkeit stehe aufgrund des vorgelegten Familienbuches fest. Bezüglich des tatsächlichen Herkunftsstaates Jordanien habe die Antragstellerin keine asylrelevanten Fluchtgründe geltend gemacht. Die Taten des Vaters gegenüber ihrer Person könnten unter keinen der in der GFK taxativ aufgezählten Fluchtgründe subsumiert werden. Die Ausstellung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" erfolge deshalb, da die Antragstellerin als Opfer von fortgesetzter Gewalt im familiären Bereich anzusehen sei.

7. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht mit Schriftsatz vom 25.01.2016 (AS 179 - 201) Beschwerde an das BVwG. Hinsichtlich des detaillierten Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

In der Beschwerde wird im Wesentlichen geltend gemacht, dass es sich bei der Beschwerdeführerin um keine jordanische Staatsangehörige handle. Sie sei in Libyen geboren. Der Vater sei staatenloser Palästinenser und sei es wahrscheinlich, dass auch die BF staatenlose Palästinenserin sei.

Zur Asylrelevanz hinsichtlich des Vorbringens in Bezug auf Jordanien wurden die veralteten Länderfeststellungen kritisiert und die Beweiswürdigung als mangelhaft gerügt. Die rechtliche Beurteilung sei unrichtig und hätte das Vorbringen auch unter dem Gesichtspunkt der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe (Opfer von häuslichen Gewaltverbrechen) beurteilt werden müssen. Auch die Zulässigkeit der Abschiebung nach Jordanien sei rechtswidrig, da sie von ihren Familienangehörigen in Jordanien keine Unterstützung erwarten könne und sie als Kind auch nur eineinhalb Jahre in Jordanien gelebt habe.

Ferner wurden der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie der Antrag auf unentgeltliche Beigabe eines Verfahrenshelfers gestellt.

8. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.06.2016 (AS 205 - 219) wurde in Erledigung der Beschwerde vom 25.01.2016 der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

Das Bundesverwaltungsgericht hielt wörtlich fest:

"2.2.1. Das Kernproblem des gegenständlichen erstinstanzlichen Bescheides liegt darin, dass die belangte Behörde ohne nachvollziehbare Begründung davon ausgegangen ist, dass es sich bei der Beschwerdeführerin um eine jordanische Staatsangehörige handelt.

Um zu einer derartigen Feststellung zu gelangen, hätte aber ein Beweisverfahren dahingehend geführt werden müssen, ob die Beschwerdeführerin, welche weitgehend in Libyen aufgewachsen ist und den Großteil ihres Lebens mit ihrer Familie in Libyen verbracht hat und über keinerlei Anknüpfungspunkte zu Jordanien verfügt, überhaupt je im Besitz der jordanischen Staatsbürgerschaft gewesen ist bzw. nunmehr ist. Auch in der Beschwerde wird beanstandet, dass es das Bundesamt unterlässt darzustellen, worum es sich bei einem jordanischen Familienbuch rechtlich handelt. Die Beschwerdeführerin behaupte, dass sie keine jordanische Staatsangehörige sei und dass das jordanische Familienbuch nichts über die Staatsangehörigkeit aussage. Auch damit ist die Beschwerde im Recht. Das Bundesamt legt im Bescheid nicht nachvollziehbar dar auf Grund welcher Erkenntnisquelle sie zum Ergebnis kommt, das Jordanische Familienbuch würde ein Nachweis für die Staatsangehörigkeit bzw. Staatsbürgerschaft sein. Aus dem jordanischen Familienbuch ergibt sich für die BF lediglich die Zugehörigkeit zur Familie des XXXX , dass sie dessen Tochter sei und am XXXX in Libyen geboren sei. Eine Staatsangehörigkeit der BF ergibt sich aus diesem Familienbuch nicht.

Die belangte Behörde hat auch die Ausführungen in den von ihr selbst zitierten Länderberichten unberücksichtigt gelassen. Darin wird beschrieben, dass es für Frauen kein gesetzliches Recht gibt, ihre jordanische Staatsangehörigkeit an ihre Kinder weiterzugeben. Das Kind einer jordanischen Mutter und einem staatenlosen Palästinenser erhalte daher nicht die Staatsbürgerschaft und dürfe als Folge davon die Schule nicht besuchen und habe keinen Anspruch auf Regierungsdienstleistungen (vgl. Seite 30 des angefochtenen Bescheides).

All dies wurde von der belangten Behörde nicht berücksichtigt und ist der Bescheid daher mit groben Verfahrensmängeln behaftet.

Es wird also Aufgabe der belangten Behörde sein, zunächst die Staatsbürgerschaft der Beschwerdeführerin zu klären und sodann - basierend auf ihrer individuellen Lebenssituation - soweit feststellbar, Feststellungen zu dem Land/ den Ländern zu treffen in das/ in die gegebenenfalls eine Abschiebung erfolgen darf. Ergänzend ist festzuhalten, dass sich die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren auch umfassend mit der Asylrelevanz des Vorbringens der Beschwerdeführerin auseinanderzusetzen haben wird; dies auch unter dem Aspekt einer allfälligen Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe (Opfer häuslicher Gewaltverbrechen) und wird es dafür erforderlich sein, die individuelle Gefährdungslage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin zu eruieren. Auch unter dem Gesichtspunkt der subsidiären Schutzgewährung wird die belangte Behörde das individuelle Vorbringen entsprechend zu prüfen haben (Rückkehrmöglichkeiten, Familienbezug, Entfremdung, Lebensbedingungen usw.), was der angefochtene Bescheid ebenfalls vermissen lässt.

Gerade bei der Feststellung der Staatsangehörigkeit bzw. des Herkunftsstaates handelt es sich zweifellos um eine zentrale Frage im Asylverfahren (vgl. etwa VwGH 16.04.2009, 2008/19/0706; 20.02.2009, 2007/19/0535), welche grundsätzlich von der Behörde erster Instanz zu klären ist, da ansonsten im Fall der Klärung des Herkunftsstaates durch das Bundesverwaltungsgericht das gesamte sich an die Feststellung knüpfende Ermittlungsverfahren zum Herkunftsstaat vor das Bundesverwaltungsgericht verlagert würde.

Im Sinne der obigen Judikatur kann es nicht Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichtes sein, das Ermittlungsverfahren hinsichtlich des Herkunftsstaates neu zu beginnen, wobei in einem solchen Fall der Beschwerdeführerin auch der Instanzenzug abgeschnitten würde.

Das nunmehr zuständige Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wird sich daher im fortgesetzten Verfahren nochmals mit der Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin auseinander zu setzen haben.

Bei der Feststellung des Herkunftsstaates wird das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl insbesondere auch die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu berücksichtigen haben, wonach bei der Feststellung der Staatsangehörigkeit eine Anfrage bei den (diesfalls) jordanischen (Staatsbürgerschafts-)Behörden im Wege einer österreichischen Vertretungsbehörde nicht in jedem Fall ausscheidet: Mit Zustimmung des Asylwerbers ist auch eine Datenübermittlung in den (potentiellen) Herkunftsstaat möglich (VfGH 06.06.2014, U12/2013 ua.).

Sollte sich dabei eine jordanische Staatsbürgerschaft ergeben, wird das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl insbesondere die dortige Situation bezogen auf die individuellen Gegebenheiten der Beschwerdeführerin zu ermitteln haben.

Selbiges gilt für das Ergebnis einer sonstigen Staatsbürgerschaft bzw. einer Staatenlosigkeit.

Ferner ist noch darauf hinzuweisen, dass sich auch die getroffenen Länderfeststellungen als nicht aktuell erweisen:

[...]

Unter diesen Gesichtspunkten leidet der angefochtene Bescheid unter erheblichen Ermittlungsmängeln und erweist sich für das Bundesverwaltungsgericht der vorliegende Sachverhalt zur Beurteilung einer allfälligen Gefährdung der Beschwerdeführerin unter dem Aspekt der Gewährung des Status des Asylberechtigten als so mangelhaft, dass weitere notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes diesbezüglich unerlässlich erscheinen.

Damit hat das Bundesamt im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes den maßgeblichen Sachverhalt bloß ansatzweise ermittelt.

Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Ermittlung und Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann nicht im Sinne des Gesetzes liegen, vor allem unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als Spezialbehörde im Rahmen der Staatendokumentation gemäß § 5 BFA-Einrichtungsgesetz für die Sammlung relevanter Tatsachen zur Situation in den betreffenden Staaten samt den Quellen zuständig ist, und weil eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst beim Bundesverwaltungsgericht beginnen und zugleich enden soll.

Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - auch angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes - nicht ersichtlich.

Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben.

Da also der maßgebliche Sachverhalt im Fall der beschwerdeführenden Partei noch nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.

Letztlich ist noch anzumerken ist, dass der Inhalt der Beschwerde Teil des Sachverhaltes ist und von der Behörde im fortgesetzten Verfahren mit zu berücksichtigen sein wird.

Über den Antrag auf unentgeltliche Beigabe eines Verfahrenshelfers war aufgrund der Stattgebung der Beschwerde nicht abzusprechen."

9. Am 20.09.2016 wurde vom BFA eine ergänzende Anfrage an die Staatendokumentation gerichtet, um das Ermittlungsverfahren entsprechend den vom Bundesverwaltungsgericht im Beschluss vom 02.06.2016 aufgestellten Erfordernissen ordnungsgemäß abschließen zu können und langten am 05.10.2016 die entsprechenden Antworten ein (AS 279 - 299).

Demnach gebe es sogar offizielle Stellen und NGOs, wohin sich betroffene Frauen in Fällen von Gewalt und sexuellen Übergriffen hinwenden können. Auch gebe es bei der jordanischen Polizei eine eigene Abteilung für Familienschutz. Dies sei ein Anliegen der Regierung bis hin zur Königin von Jordanien.

Die Täter, wenn auch eigene Familienmitglieder, seien zu langen Haftstrafen verurteilt und eingesperrt worden. In diesen Themenbereichen gehe Jordanien im Nahen Osten einen vorbildlichen und westlichen Weg.

Wenn die Tat, wirklich wie angezeigt passiert sei, hätten die Frauen in Jordanien nicht mit Repressalien zu rechnen. Sie würden geschützt und die Täter gerichtlich verfolgt und bestraft werden.

Ferner werde das jordanische Familienbuch nur Jordaniern ausgestellt, die auch eine Nationalnummer besitzen. Sie würden das Buch erhalten, wenn sie heiraten und diese Ehe beim Sharia-Gericht eingetragen sei. Bis zur Heirat seien sie im Familienbuch der Eltern eingetragen. Beim Sharia-Gericht bekomme man dann eine Heiratsurkunde und mit dieser könne man beim Personenstandsamt das Familienbuch erlangen. Sonst gebe es keine weitere Möglichkeit.

Ein Nicht-Jordanier könne dieses Familienbuch nicht besitzen. Somit könne mit dem Familienbuch die jordanische Staatsangehörigkeit nachgewiesen werden.

10. Bereits zuvor wurde im Asylverfahren des Vaters der BF vom BFA am 10.05.2016 eine Anfrage an die Staatendokumentation bezüglich der jordanischen Nationalnummer in Zusammenhang mt der Staatsbürgerschaft gerichtet und wurde die entsprechende Antwort auch im gegenständlichen Verfahren am 25.10.2016 an das BFA übermittelt (AS 313 - 325).

Hierin werde dargelegt, dass jordanische Staatsbürger eine Nationalnummer erhalten, die auch in ihrem Reisepass eingetragen sei. Palästinenser könnten unter bestimmten Umständen einen jordanischen Reisepass bekommen, jedoch enthalte dieser dann keine Nationalnummer, außer wenn diese die jordanische Staatsbürgerschaft besitzen.

11. Im fortgesetzten Verfahren wurde die BF am 04.11.2016 ein weiteres Mal vor dem BFA niederschriftlich einvernommen (AS 359 - 363).

Die BF gab zu Protokoll, dass sie in Tripolis in Libyen geboren worden sei. Sie sei palästinensische Staatsangehörige und gehöre der Volksgruppe XXXX an.

In weiterer Folge wurde die BF aufgefordert, schlüssig zu erklären, warum im Verfahren ihrer Mutter ein jordanisches Familienbuch in Vorlage gebracht worden sei, aus dem eindeutig hervorgehe, dass sie jordanische Staatsangehörige sei. Die BF erklärte wörtlich: "Das stimmt nicht, ich habe in meinem Leben nie ein Dokument gesehen, da mein Vater mir nie ein Dokument gezeigt hat."

Ebenso wurde der BF die Aussage ihrer Mutter in deren Verfahren zur Kenntnis gebracht, wonach sich die ganze Familie als Syrer ausgegeben habe und sie auch einen jordanischen Pass besessen habe.

Die BF führte aus, dass sie nie einen Pass besessen habe. Ihr Vater habe alle Unterlagen gehabt. Sie habe ihrem Vater ihre libysche Geburtsurkunde weggenommen.

Sie habe bis zu ihrem zehnten Geburtstag in Libyen und anschließend für ein Jahr in Jordanien gelebt. Anschließend hätten sie sich wieder für zwei Jahre in Libyen und daraufhin für ein Jahr in Jordanien aufgehalten. Nach weiteren sechs Monaten in Libyen seien sie über Italien nach Österreich gereist.

Im Rahmen der Einvernahme brachte die BF eine libysche Geburtsurkunde samt Übersetzung in Vorlage (AS 365, 367).

12. Im Rahmen einer Stellungnahme zum Asylaberkennungsverfahren vom 28.12.2016 (AS 329 - 345) wurde von der BF im Wesentlichen auf die Ausführungen in der Beschwerde vom 25.01.2016 verwiesen, welcher vom Bundesverwaltungsgericht stattgegeben worden sei. Das Bundesverwaltungsgericht erkenne zu Recht, dass das BFA im ersten Verfahren zur Aberkennung des Asylstatus bezüglich der Feststellung, dass die BF aus Jordanien stammen solle, keine ausreichenden Ermittlungen angestellt habe.

Des Weiteren wurde ausgeführt, dass im Zuge der Einvernahme vor dem BFA am 04.11.2016 die BF, wie bereits im ersten Aberkennungsverfahren, zu einer angeblichen Staatsangehörigkeit zu Jordanien befragt worden sei. Die BF habe erneut angegeben, dass sie davon nichts wissen würde und dass sie in ihrem Asylverfahren auf Druck ihres gewalttätigen Vaters die Unwahrheit gesagt und angegeben habe, Palästinenserin aus Syrien zu sein. Da der BF in der Einvernahme keine neuen Ermittlungsergebnisse vorgehalten worden seien, habe sie sich dazu nicht äußern können.

Die im angefochtenen Bescheid getroffenen Länderfeststellungen seien hinsichtlich entscheidungswesentlicher Punkte unvollständig und veraltet. Diese würden zwar allgemeine Aussagen über die Lage in Jordanien beinhalten, sich jedoch nicht mit dem konkreten Fluchtvorbringen der BF befassen und seien dadurch als Begründung zur Abweisung ihres Antrages auf internationalen Schutz unzureichend. Die mangelhaften Länderberichte würden wenige aussagekräftige Passagen über das jordanische Justizwesen sowie über die Rechte von Frauen, insbesondere in Bezug auf sexuelle Gewaltverbrechen, enthalten. So werde auf Seite 9 f ausgeführt, dass das Justizwesen von Vetternwirtschaft geprägt sei und der Einfluss des Königshauses und der Regierung die Unabhängigkeit der Gerichte stark einschränke, sowie dass in Familienangelegenheiten die Scharia Vorrang gegenüber den parlamentarisch erlassenen Gesetzen habe.

Zur Situation von Frauen in Jordanien werde ausgeführt, dass Ehrenmorde, Gewalt und Misshandlung in Jordanien ein Problem seien, häusliche Gewalt weit verbreitet sei und zahlreiche Ehrenverbrechen und Vergewaltigungen stattfänden. Insbesondere Mädchen und Frauen seien besonders gefährdet, Opfer von sexueller Gewalt zu werden.

Obwohl das Bundesverwaltungsgericht in seinem Erkenntnis vom 02.06.2016 die Länderfeststellungen als veraltet gerügt habe, seien diese überdies in Bezug auf das Kapitel "Frauen" nicht aktualisiert worden.

Abschließend wurde die Rückgabe des sichergestellten Konventionspasses und in eventu die Erteilung eines Aufenthaltstitels gem. § 57 AsylG beantragt. Bezüglich Letzterem wurde dargelegt, dass im Bescheid vom 30.12.2015 festgestellt worden sei, dass eine Abschiebung nach Jordanien vorübergehend unzulässig wäre, weil die BF jahrelang von ihrem Vater missbraucht worden sei und ihr daher ein Aufenthaltstitel gem. § 57 AsylG erteilt werden müsse. Das BFA spreche selbst davon, dass es sich bei den von der BF erlittenen Gewalttaten um ein "jahrelanges Martyrium der fortgesetzten Gewaltanwendung und Missbrauchs durch Ihren Vater, die bis in Ihr Asylquartier in XXXX angedauert hat", handle. Sofern das BFA der BF den Status der Asylberechtigten zu aberkennen gedenke, werde daher - in eventu - ein Aufenthaltstitel besonderer Schutz gem. § 57 AsylG beantragt.

13. Mit oa. Bescheid des BFA vom 03.04.2017, Regionaldirektion Salzburg (AS 375 - 432), wurde der mit Bescheid vom 13.11.2014 zuerkannte Status der Asylberechtigten gemäß § 7 Absatz 1 Ziffer 2 AsylG aberkannt. Gemäß § 7 Absatz 4 AsylG wurde festgestellt, dass der Antragstellerin die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Absatz 1 Ziffer 2 AsylG wurde der Antragstellerin der Status der subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.).

Weiters stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl fest, dass der Asylwerberin ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt werde. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 4 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF wurde gegen die Asylwerberin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 3 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen. Gemäß § 52 Absatz 9 FPG wurde festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Jordanien zulässig sei. Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl - soweit für das Beschwerdeverfahren von Relevanz - nach der Wiedergabe der Einvernahmen der BF vor der belangten Behörde und den Feststellungen zu deren Person aus, dass Aberkennungsgründe gemäß Genfer Flüchtlingskonvention Art. 1, Abschnitt C vorliegen würden. Die BF habe eine falsche Staatsangehörigkeit angegeben. Sie sei keine staatenlose Palästinenserin, sondern Staatsangehörige des haschemitischen Königreiches von Jordanien.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl legte seiner Entscheidung ferner Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin zugrunde (AS 390 - 415).

Rechtlich führte das Bundesamt aus, dass im Fall der Beschwerdeführerin von der Anwendbarkeit des § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 auszugehen sei, da einer der in Art. 1 Abschnitt C der GFK angeführten Endigungsgründe eingetreten sei. Des Weiteren wurde begründend dargelegt, warum auch nicht vom Vorliegen einer Gefahr iSd § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ausgegangen werden könne. Zudem wurde ausgeführt, warum ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt wurde, weshalb gegen die BF eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt wurde, dass die Abschiebung nach Jordanien zulässig sei.

14. Mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.04.2017 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt und diese ferner gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG darüber informiert, dass sie verpflichtet sei, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.

15. Mit Schriftsatz vom 18.04.2017 (AS 461 - 470) erhob die bevollmächtigte Rechtsberatungsorganisation der Beschwerdeführerin die vorliegende, fristgerecht erhobene und zulässige Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften. Hinsichtlich des genauen Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

15.1. Zunächst wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge

* die angefochtene Entscheidung - allenfalls nach Verfahrensergänzung - beheben und aussprechen, dass die Aberkennung des Status der Asylberechtigten rechtswidrig gewesen sei;

* in eventu den angefochtenen Bescheid ersatzlos beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückverweisen;

* in eventu eine mündliche Beschwerdeverhandlung anberaumen;

* falls nicht alle zu Lasten der BF gehenden Rechtswidrigkeiten im angefochtenen Bescheid in der Beschwerde geltend gemacht worden seien, diese amtswegig aufgreifen;

* den angefochtenen Bescheid des BFA - allenfalls nach Verfahrensergänzung - beheben und der BF den Status der Asylberechtigten hinsichtlich Jordanien zuerkennen;

* in eventu den angefochtenen Bescheid des BFA - allenfalls nach Verfahrensergänzung - bezüglich des Spruchpunktes II. beheben und der BF den Status einer subsidiär Schutzberechtigten gem. § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG gewähren und

* in eventu den angefochtenen Bescheid des BFA - allenfalls nach Verfahrensergänzung - bezüglich des Spruchpunktes III. beheben und der BF einen Aufenthaltstitel gem. § 57 AsylG erteilen.

15.2. Des Weiteren wurde von der BF im Wesentlichen auf die Ausführungen in der Beschwerde vom 25.01.2016 verwiesen, welcher vom Bundesverwaltungsgericht stattgegeben worden sei. Das Bundesverwaltungsgericht erkenne zu Recht, dass das BFA im ersten Verfahren zur Aberkennung des Asylstatus bezüglich der Feststellung, dass die BF aus Jordanien stammen solle, keine ausreichenden Ermittlungen angestellt habe.

15.3. In der Folge wurde moniert, dass seitens des Bundesamtes die Ermittlungspflichten nach § 18 AsylG nicht erfüllt worden seien, zumal auch die Nationalität der Mutter der BF rechtlich nicht geklärt sei, da das BVwG der Beschwerde gegen deren Bescheid ebenfalls stattgegeben habe.

Des Weiteren wurde ausgeführt, dass das BFA die Ausführungen in den von ihm selbst zitierten Länderberichten unberücksichtigt gelassen habe. Darin werde beschreiben, dass es für Frauen kein gesetzliches Recht gebe, ihre jordanische Staatsangehörigkeit an ihre Kinder weiterzugeben. Das Kind einer jordanischen Mutter und eines staatenlosen palästinensischen Vaters erhalte daher nicht die jordanische Staatsbürgerschaft, sondern "erbe" die Staatenlosigkeit des palästinensischen Vaters. Im Fall der BF sei umso mehr unklar, ob sie die jordanische Staatsbürgerschaft besitze, weil sie nicht einmal in Jordanien, sondern in Libyen geboren sei. Da der Vater womöglich staatenloser Palästinenser sei, sei es wahrscheinlich, dass auch die BF staatenlose Palästinenserin sei.

Die Behörde vermische wissentlich die Verfahren der Mutter, des Vaters und der BF und unterscheide nicht, von wem welche Unterlagen vorgelegt worden seien. So werde der BF vorgehalten, die Kopie eines UNRWA-Zertifikats vorgelegt zu haben, welches auf den Namen " XXXX " ausgestellt wäre. Diese Karte sei wohl von deren Vater in dessen Verfahren vorgelegt worden. Die BF könne sich dahingehend also nur bedingt äußern und sei im Verfahren dazu auch nicht befragt worden, weshalb das Recht auf Parteiengehör verletzt worden sei. Der Name " XXXX " sei - so die Vermutung - der Stammesname des Vaters. Es sei im arabischen Sprachraum üblich den Stammesnamen als Nachnamen zu führen. Bei der Ankunft in Österreich und im Zuge der Asylantragstellung würden Asylwerber aus arabischen Ländern jedoch häufig andere Nachnamen verwenden, da die diesbezüglichen Gepflogenheiten völlig anders seien als in Europa. Hätte die Behörde die BF dazu befragt, so hätte sie darüber auch Auskunft geben können. Ungeachtet dessen, sei es der BF nicht möglich, auf ein nicht von ihr vorgelegtes Beweismittel einzugehen. Darüber hinaus sei aus dem Bescheid nicht ersichtlich, dass die Behörde konkrete Ermittlungsschritte gesetzt hätte, um die Echtheit des Inhalts des Zertifikats zu überprüfen. Es sei für die Behörde nicht unzumutbar, z.B. bei UNHCR nachzufragen, ob die BF nun tatsächlich bei UNHCR registrierter staatenloser Flüchtling sei oder nicht.

Die im angefochtenen Bescheid getroffenen Länderfeststellungen seien erneut hinsichtlich entscheidungswesentlicher Punkte unvollständig und veraltet. Diese würden zwar allgemeine Aussagen über die Lage in Jordanien beinhalten, sich jedoch nicht mit dem konkreten Fluchtvorbringen der BF befassen und seien dadurch als Begründung zur Abweisung ihres Antrages auf internationalen Schutz unzureichend. Die mangelhaften Länderberichte würden wenige aussagekräftige Passagen über das jordanische Justizwesen sowie über die Rechte von Frauen, insbesondere in Bezug auf sexuelle Gewaltverbrechen, enthalten. So werde im Bescheid ausgeführt, dass das Justizwesen von Vetternwirtschaft geprägt sei und der Einfluss des Königshauses und der Regierung die Unabhängigkeit der Gerichte stark einschränke, sowie dass in Familienangelegenheiten die Scharia Vorrang gegenüber den parlamentarisch erlassenen Gesetzen habe.

Zur Situation von Frauen in Jordanien werde ausgeführt, dass Ehrenmorde, Gewalt und Misshandlung in Jordanien ein Problem seien, häusliche Gewalt weit verbreitet sei und zahlreiche Ehrenverbrechen und Vergewaltigungen stattfänden. Insbesondere Mädchen und Frauen seien besonders gefährdet, Opfer von sexueller Gewalt zu werden.

Obwohl das Bundesverwaltungsgericht in seinem Erkenntnis vom 02.06.2016 die Länderfeststellungen als veraltet gerügt habe, seien diese überdies in Bezug auf das Kapitel "Frauen" nicht aktualisiert worden.

15.4. Die rechtliche Beurteilung sei unrichtig und hätte das Vorbringen auch unter dem Gesichtspunkt der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe (Opfer von häuslichen Gewaltverbrechen) beurteilt werden müssen. Auch die Zulässigkeit der Abschiebung nach Jordanien sei rechtswidrig, da die BF von ihren Familienangehörigen in Jordanien keine Unterstützung erwarten könne und sie als Kind auch nur eineinhalb Jahre in Jordanien gelebt habe.

15.5. Was die nicht erfolgte Erteilung eines Aufenthaltstitels gem. § 57 AsylG betrifft, so wurde im Bescheid vom 30.12.2015 dargelegt, dass eine Abschiebung nach Jordanien vorübergehend unzulässig wäre, weil die BF jahrelang von ihrem Vater missbraucht worden sei und ihr daher ein Aufenthaltstitel gem. § 57 AsylG erteilt werden müsse. Das BFA spreche selbst davon, dass es sich bei den von der BF erlittenen Gewalttaten um ein "jahrelanges Martyrium der fortgesetzten Gewaltanwendung und Missbrauchs durch Ihren Vater, die bis in Ihr Asylquartier in XXXX angedauert hat", handle. Im nunmehr erlassenen Bescheid werde kein Aufenthaltstitel gem. § 57 AsylG erteilt, jedoch fänden sich im Bescheid keine Ausführungen, was sich seit dem vorangegangenen Bescheid vom 30.12.2015 geändert haben solle.

15.6. Mit diesem Rechtsmittel wurde kein hinreichend substantiiertes Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, zu einer anderslautenden Entscheidung zu gelangen.

16. Die Beschwerdevorlage langte - unter Beilage einer Stellungnahme der belangten Behörde vom 10.05.2017 - mit 26.05.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein und wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren der zur Entscheidung berufenen Abteilung des Bundesverwaltungsgerichts zugewiesen.

In der Stellungnahme der belangten Behörde wurde festgehalten, dass sich die BF nach Kräften bemüht habe, die Ermittlungen zu erschweren. Auch in der Beschwerde werde in erster Linie ohne jegliche Substanz behauptet, dass das BFA unzureichend ermittelt habe und die jordanische Staatsangehörigkeit nach wie vor nicht feststehe. Insbesondere aufgrund der angeblichen Sexualstraftaten des Vaters in Jordanien sei über das LVT Salzburg auch in Jordanien ermittelt worden. Dabei sei auch von den jordanischen Behörden bestätigt worden, dass es sich beim Vater der BF zweifelsfrei um einen jordanischen Staatsangehörigen handle. Da in Jordanien die Staatsangehörigkeit jedenfalls immer vom Vater auf die Kinder übergehe, stehe daher die jordanische Staatsangehörigkeit fest.

Weiters sei hervorzuheben, dass der Vater in der Beschwerde, die durch die bevollmächtigte Rechtsberatungsorganisation verfasst worden sei als Sexualstraftäter dargestellt werde, der sich quasi erwiesenermaßen mehrmals an der BF vergangen habe. Anzumerken sei an dieser Stelle aber, dass in der Beschwerde gegen den Bescheid des Vaters, der ebenfalls von der bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation verfasst worden sei, genau dieser Umstand vehement bestritten worden sei. Die Anzeigen betreffend sexuellen Missbrauchs der BF sowie deren Geschwister seien jedenfalls in die Beweiswürdigung aufgenommen worden, auch wenn es zu keiner strafrechtlichen Verurteilung gekommen sei.

Die BF habe keine Beweise, die ihr Fluchtvorbringen stützen oder ihre Staatsangehörigkeit belegen könnten, in Vorlage gebracht. Darüber hinaus habe die BF im Verfahren mehrmals gelogen und versucht ihre Herkunft zu verschleiern. Tatsächlich habe nachgewiesen werden können, dass die BF jordanische Staatsangehörige sei und sei auch in Jordanien bereits ein Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs gegen den Vater geführt worden, welches aber aus Mangel an Beweisen eingestellt worden sei.

17. Aufgrund aktuellerer Länderfeststellungen zu Jordanien wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichts mit Schreiben vom 04.10.2017 gem. § 45 (3) AVG Beweis erhoben, dh. den Parteien des Verfahrens das Ergebnis der Beweisaufnahme zugestellt und ihnen die Möglichkeit zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme binnen zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens eingeräumt; somit wurde insbesondere aufgrund der vorliegenden aktuelleren Feststellungen zu Jordanien (zu den Anforderungen an die Aktualität einer Quelle vgl. etwa Erk. d. VwGHs. vom 9. März 1999, Zl. 98/01/0287 und sinngemäß - im Zusammenhang mit Entscheidungen nach § 4 AsylG 1997 - das E. vom 11.November 1998, 98/01/0284, bzw. auch E. vom 7. Juni 2000, Zl. 99/01/0210) bestätigt, dass die Feststellungen des BFA nach wie vor gültig sind (zur Zulässigkeit dieser Vorgangsweise in diesem speziellen Fall einer sonst schlüssigen und umfassenden Beweiswürdigung des Bundesasylamtes siehe Erkenntnis des VwGH vom 17.10.2006, Zahl: 2005/20/0459-5, ebenso Beschluss des VwGH v. 20.6.2008, Zahl 2008/01/0286-6; vgl. auch Erk d. VfGH v. 10.12.2008, U 80/08-15, wo der unterlassene schriftliche Vorhalt an den BF nach dem Verstreichen eines mehrjährigen Zeitraumes seit der Einbringung eines Rechtsmittels gegen den angefochtenen Bescheid in Bezug auf die aktuelle asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Herkunftsstaat und die Einräumung der Möglichkeit, hierzu Stellung zu nehmen [neben dem zusätzlichen Unterlassen der Durchführung einer Verhandlung] ausdrücklich als Akt der behördlichen Willkür bezeichnet wurde und hieraus e contrario ableitbar ist, dass aus der Sicht des VfGH die Durchführung einer schriftlichen Beweisaufnahme gem. § 45 AVG im hier erörterten Umfang einen tauglichen Ermittlungsschritt darstellen kann, welcher das erkennende Gericht von der Verpflichtung zur Durchführung einer Verhandlung in gewissen Fällen befreien kann. Ein solcher Fall liegt hier vor.)

Gleichzeitig wurde die BF, binnen selbiger Frist, um Bekanntgabe ersucht, ob sich hinsichtlich ihres Privat- oder Familienlebens in Österreich, seit Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides Änderungen ergeben haben bzw. aufgefordert ihre derzeitige Lebenssituation in Österreich schriftlich darzustellen und gegebenenfalls durch geeignete Bescheinigungsmittel zu belegen. Des Weiteren wurde die BF ersucht darzulegen, wie sich das persönliche Verhältnis zu ihrem leiblichen Vater in Österreich darstellt.

Sowohl das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als auch die BF ließen diese Frist zur Stellungnahme ungenützt verstreichen.

18. Die gegen den angefochtenen Bescheid erhobene Beschwerde wurden mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.01.2018 gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 und Abs. 4, § 8 Abs. 1 Z 2, § 10 Abs. 1 Z 4 und § 57 AsylG 2005 idgF. iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 3 iVm Abs. 9, § 46 und § 55 FPG idgF. mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der erste Satz von Spruchpunkt III. des bekämpften Bescheides zu lauten hat: "Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird Ihnen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt."In diesem Erkenntnis wurde - unter näher dargelegten Gründen - ausgeführt, warum die Aberkennung des Asylstatus durch das BFA rechtmäßig erfolgt ist und warum keine Gründe für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gegeben seien. Insbesondere wurde in diesem Erkenntnis umfassend dargelegt, warum das Gericht davon ausgeht, dass es sich bei der BF um eine jordanische Staatsbürgerin handelt, warum die Aberkennung des Asylstatus zu Recht erfolgte, sie keinen Asylgrund geltend bzw. glaubhaft gemacht hat, ferner dass kein Grund für die Gewährung von subsidiärem Schutz gegeben ist und dass die Rückkehrentscheidung zulässig sei.

19. Gegen dieses Erkenntnis des BVwG vom 03.01.2018 wurde fristgerecht das Rechtsmittel der außerordentlichen Revision eingebracht. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10.07.2018, Zl. Ra 2018/01/0080-139 hat dieser die angefochtenen Entscheidungen des BVwG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Die Behebung des gegenständlichen Erkenntnisses des BVwG vom 03.01.2018 durch den VwGH erfolgte ausschließlich mit der Begründung mangelnder aktueller Länderfeststellungen und führte der VwGH diesbzgl. aus, dass aufgrund veralteter Länderfeststellungen nicht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden hätte dürfen.

20. Am 12.02.2019 wurde vor dem BVwG eine öffentliche mündliche Verhandlung abgehalten, an welcher die Beschwerdeführerin sowie deren Mutter ( XXXX , L508 2107264), der nunmehriger Ehegatte der Mutter ( XXXX , L508 2112099) sowie eine minderjährige Schwester ( XXXX , L508 2130433) und ein minderjähriger Bruder ( XXXX , L508 2130435) der BF teilnahmen. Auch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie die rechtfreundliche Vertretung der Beschwerdeführerin haben an der Verhandlung teilgenommen. Im Verlauf der mündlichen Verhandlung wurde Beweis erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt, Erörterung der Länderberichte zur Situation in Jordanien sowie Erörterung des Privat- und Familienlebens der BF (auch im Rahmen einer zeugenschaftlichen Befragung ihres Lebensgefährten) sowie ergänzende Einvernahme dieser als Partei.

21. In der Stellungnahme zu den mit der Ladung übermittelten Länderfeststellungen zu Jordanien wurden seitens der BFV Ausführungen zum sexuellen Missbrauch der BF durch ihren Vater getroffen und wurde ausgeführt, dass diese ihrem Vater im Falle einer Rückkehr nach Jordanien wieder ausgeliefert sei. Auch seien die Freiheitsrechte von Frauen stark eingeschränkt.

22. Nach Ersuchen durch das BVwG um Abgabe einer Stellungnahme zu den Ergebnissen im aufenthaltsrechtlichen Verfahren betreffend den minderjährigen Sohn der BF XXXX (siehe VH-Schrift Seite 23), wurde seitens der Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 25.06.2019 mitgeteilt, dass der Lebensgefährte der BF gemeinsam mit dieser mehrmals beim Magistrat XXXX vorstellig gewesen sei, um für den gemeinsamen minderjährigen Sohn einen Antrag auf einen Aufenthaltstitel einzubringen. Es sei ihm vom Magistrat aber stets mitgeteilt worden, dass die Abgabe/das Stellen eines solchen nicht möglich sei, da für den minderjährigen Sohn noch ein Asylverfahren anhängig wäre.

23. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.07.2019 wurde nunmehr der Antrag auf internationalen Schutz im Familienverfahren des minderjährigen Sohnes XXXX aufgrund des anhängigen Aberkennungsverfahren der BF gemäß § 34 Absatz 2 Ziffer 3 AsylG als unzulässig zurückgewiesen. In diesem Bescheid wurde auch festgehalten, dass sich aufgrund des Abhängigkeitsverhältnisses des minderjährigen Sohnes zu seinem zum dauernden Aufenthalt in Österreich berechtigten Vater, jedenfalls die Voraussetzungen für ein Aufenthaltsrecht aus dem Niederlassungs- und Aufenthaltsrecht ergeben würden.

24. Hinsichtlich des Verfahrensherganges und des Parteivorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensbestimmungen

1.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

1.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gem. §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

1.3. Prüfungsumfang

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Absatz 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

2. Zur Entscheidungsbegründung:

Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben der Beschwerdeführerin, des bekämpften Bescheides, dem jordanischen Gerichtsurteil vom 14.08.2017 in welchem der Vater der BF wegen sexueller Belästigung seiner Tochter zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde, des Beschwerdeschriftsatzes, der Stellungahme zu den Länderfeststellungen sowie der am 12.02.2019 durchgeführten mündlichen Verhandlung vor dem BVwG sowie ferner der in dieser Verhandlung erörterten aktuellen Länderfeststellungen zu Jordanien. Das erkennende Gericht hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben und ein ergänzendes Ermittlungsverfahren sowie eine Beschwerdeverhandlung durchgeführt.

Aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes, des Ergebnisses des ergänzenden Ermittlungsverfahrens, der aktuellen Länderfeststellungen zu Jordanien sowie der Beschwerdeverhandlung ist das erkennende Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.

2.1. Auf der Grundlage dieses Beweisverfahrens gelangt das BVwG nach Maßgabe unten dargelegter Erwägungen zu folgenden entscheidungsrelevanten Feststellungen:

2.1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Jordanien und Angehörige der arabischen bzw. palästinensischen Volksgruppe und sunnitischen Glaubens.

Die Identität der Beschwerdeführerin steht fest. Die BF trägt den im Spruch angeführten Namen und ist an dem angegebenen Datum geboren.

Ein konkreter Anlass für das Verlassen des Herkunftsstaates Jordanien konnte nicht festgestellt werden. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass die BF im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr ausgesetzt ist oder dass sonstige Gründe vorliegen, die einer Rückkehr in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

Es konnten im konkreten Fall keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin Gefahr liefe, in Jordanien einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin im Falle der Rückkehr nach Jordanien in eine existenzgefährdende Notsituation geraten würde.

Im Entscheidungszeitpunkt konnte auch keine sonstige aktuelle Gefährdung der Beschwerdeführerin in ihrem Heimatland festgestellt werden.

Die Beschwerdeführerin ist gesund und leidet zum Entscheidungszeitpunkt weder an einer schweren körperlichen noch an einer schweren psychischen Erkrankung, welche eine Abschiebung nach Jordanien unzulässig machen würde.

Die BF lebte vor ihrer Ausreise nach Europa zuletzt in Libyen. Außer längeren Aufenthalten in Libyen war die BF auch zweimal für längere Zeit - jeweils ein Jahr - in Jordanien wohnhaft. Sie besuchte mehrere Jahre eine Grundschule in Tripolis und wurde von ihren Eltern versorgt. Des Weiteren unterstützte sie ihre Mutter in einem Friseursalon. Die BF reiste in der Folge gegen Ende Juli 2014 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein. Ein Onkel, eine Tante und eine Halbschwester mütterlicherseits leben nach wie vor in Jordanien.

In Österreich befinden sich der Vater der BF (L504 2120994), die Mutter (L508 2107264), deren nunmehriger Ehegatte (L508 2112099), eine volljährige Schwester samt deren Lebensgefährten und Kind (L508 2130432), ein volljähriger Bruder (L508 2122680-2), eine minderjährige Schwester (L508 2130433), und ein minderjähriger Bruder (L508 2130435).

Die Beschwerden der Mutter (L508 2107264), des nunmehrigen Ehegatten der Mutter (L508 2112099), der minderjährigen Schwester (L508 2130433) und des minderjährigen Bruders (L508 2130435) gegen die Entscheidung des BFA, wurden mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom heutigen Tag in allen Spruchpunkten abgewiesen

Der Vater der BF (L504 2120994), befindet sich noch in einem laufenden Asylverfahren.

Betreffend einen volljährigen Bruder der BF wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 03.01.2018, L508 2122680-2 ( XXXX ) über dessen Beschwerde rechtskräftig negativ entschieden. Die Beschwerde wurde gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 und Abs. 4, § 8 Abs. 1 Z 2, § 10 Abs. 1 Z 4 und § 57 AsylG 2005 idgF. iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 3 iVm Abs. 9, § 46 und § 55 FPG idgF. mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der erste Satz von Spruchpunkt III. des bekämpften Bescheides zu lauten hat: "Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird Ihnen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt." Diese Entscheidung erwuchs am 04.01.2018 in Rechtskraft. Eine Revision wurde nicht erhoben. Dieser Sohn befindet sich nach rechtskräftig abgeschlossenem Asylverfahren illegal in Österreich. Eine Abschiebung konnte mangels Erlangung eines Heimreisezertifikates bislang nicht vollzogen werde.

Betreffend einen weiteren volljährigen Bruder der BF wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 03.01.2018, L508 2107262-2 ( XXXX ) über dessen Beschwerde rechtskräftig negativ entschieden. Die Beschwerde wurde gemäß den § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen. Der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 wird gemäß § 6 AVG 1991 mangels Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes zurückgewiesen. Diese Entscheidung erwuchs am 04.01.2018 in Rechtskraft. Eine Revision wurde nicht erhoben. XXXX wurde am 17.02.2019 nach Jordanien abgeschoben.

Betreffend eine volljährige Schwester de BF wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 03.01.2018, L508 2130432-2/9E ( XXXX ) über deren Beschwerde wie folgt entschieden: Die Beschwerde wurde hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. gemäß § 3 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerde wurde hinsichtlich der Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und festgestellt, dass gemäß § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist. Gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 wurde XXXX eine "Aufenthaltsberechtigung" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt. Dies im wesentlichen dahingehend begründet, dass ihrem Sohn im Wege des Familienverfahrens bezogen auf seinen Vater der Asylstatus zuerkannt wurde. Eine gegen diese Entscheidung beim VwGH eingebrachte ao. Revision wurde mit Entscheidung des VwGH vom 24.05.2018, Ra 2018/19/0080-6 zurückgewiesen.

Die BF besuchte mehrere Deutschkurse und nahm im Oktober 2016 an einem Werte- und Orientierungskurs des Österreichischen Integrationsfonds teil. Sie verfügt über normale soziale Kontakte. Sie verfügt aufgrund ihres Schulbesuchs, ihrer Kursbesuche und ihrer sozialen Kontakte über einfache Deutschkenntnisse und ist in der Lage sich in der deutschen Sprache auf einfachem Niveau zu verständigen. (vgl. Verhandlungsschrift Seite 24) Die BF arbeitete zwar vorübergehend für etwa sechs Monate in der Küche eines Restaurants, befand sich jedoch im Zeitraum von Juli 2014 bis April 2015 in der Grundversorgung und lebte in der Folge von Sozialhilfe und der Unterstützung durch die Diakonie sowie nunmehr auch durch die Unterstützung ihres Lebensgefährten.

Die BF ist strafrechtlich unbescholten.

Die Beschwerdeführerin hat in Österreich einen minderjährigen Sohn, welcher am 23.12.2018 in Österreich geboren wurde und einen Lebensgefährten, bei welchem es sich um einen türkischen Staatsbürger handelt, welcher zum dauernden Aufenthalt in Österreich berechtigt ist. Sie führt mit ihrem Lebensgefährten und ihrem minderjährigen Sohn ein gemeinsames Familienleben in Österreich. Die Beschwerdeführerin teilt sich mit ihrem Lebensgefährten die gemeinsame Obsorge betreffend den minderjährigen Sohn (Erklärung der gemeinsamen Obsorge gemäß § 177 Absatz 2 ABGB vom 13.02.2019).

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.07.2019 wurde der Antrag auf internationalen Schutz des minderjährigen Sohnes im Familienverfahren aufgrund des anhängigen Aberkennungsverfahren der BF gemäß § 34 Absatz 2 Ziffer 3 AsylG als unzulässig zurückgewiesen. In diesem Bescheid wurde auch festgehalten, dass sich aufgrund des Abhängigkeitsverhältnisses des minderjährigen Sohnes zu seinem zum dauernden Aufenthalt in Österreich berechtigten Vaters jedenfalls die Voraussetzungen für ein Aufenthaltsrecht aus dem Niederlassungs- und Aufenthaltsrecht ergeben würden.

Aufgrund des gemeinsamen Familienlebens der BF mit ihrem zum dauernden Aufenthalt in Österreich berechtigten Lebensgefährten sowie dem Umstand, dass sie sich gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten die Obsorge für den gemeinsamen minderjährigen Sohn teilt, dem minderjährigen Sohn aufgrund der anerkannten Vaterschaft nach entsprechender Antragstellung bei den zuständigen Behörden wohl ein Aufenthaltsrecht aus dem Niederlassungs- und Aufenthaltsrecht zu gewähren sein wird (vgl. hierzu auch Seite 4 des Bescheides des BFA vom 19.07.2019 betreffend der Asylantragstellung des minderjährigen Sohnes sowie Seite 23 der VH-Schrift ) und insbesondere auch schon im Sinne des Kindeswohl (vgl. VwGH 25.09.2018, Ra 2018/21/0108; VfGH 26.06.2018, E 1791/2018), würde eine Rückkehrentscheidung zweifelsfrei in das Familienleben der Beschwerdeführerin eingriffen und erweist sich diese daher als unzulässig.

2.1.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsland der Beschwerdeführerin (Jordanien) war insbesondere festzustellen:

Zur Lage in Jordanien werden folgende, - im Zuge der mündlichen Verhandlung in das Verfahren eingeführte -, Länderfeststellungen dem Verfahren zugrunde gelegt:

Länderinformationsblatt der Staatendoku

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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