TE Vwgh Erkenntnis 1997/11/28 96/19/3132

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Veröffentlicht am 28.11.1997
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §7;
AsylG 1991 §8;
AufG 1992 §1 Abs3 Z6;
AufG 1992 §1 Abs4;
AufG 1992 §13 Abs1;
AufG 1992 §13 Abs2;
AufG 1992 §6 Abs2;
FrG 1993 §10 Abs1 Z6;
FrG 1993 §10 Abs1 Z7;
FrG 1993 §36 Abs2;
FrG 1993 §54;
MRK Art8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde der 1955 geborenen MO in Wien, vertreten durch die zur Verfahrenshilfe beigegebene Rechtsanwältin Dr. Barbara Wagner in 1010 Wien, Opernring 23, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. Mai 1996, Zl. 116.951/4-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 1. August 1994 auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 6 Abs. 2 und § 13 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, gemäß § 1 Abs. 3 Z. 6 AufG benötigten Fremde keine Bewilligung, wenn sie aufgrund des Asylgesetzes 1991 zum Aufenthalt in Österreich berechtigt seien. Wie aus § 13 Abs. 2 AufG hervorgehe, seien nach § 1 Abs. 3 Z. 6 AufG aufenthaltsberechtigte Fremde nicht berechtigt, einen Antrag auf Erteilung einer Bewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften zu stellen. Die Beschwerdeführerin hätte daher aus dem Grunde des § 6 Abs. 2 AufG ihren Antrag auf Erteilung einer Bewilligung vor ihrer Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen gehabt. Die Beschwerdeführerin falle auch nicht unter jene Fremden, welche gemäß § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG zur ausnahmsweisen Antragstellung im Inland berechtigt seien. Dies sei nur für den Fall des "Verlustes des Asyls" angeordnet. Die öffentlichen Interessen überwögen die durch die Anwesenheit ihres Ehegatten im Bundesgebiet begründeten persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin im Sinne des Art. 8 MRK.

Die Beschwerdeführerin bekämpft diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Sie beantragt, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

§ 6 Abs. 2 und § 13 AufG in der Fassung BGBl. Nr. 351/1995 lauten (auszugsweise):

    "(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der

Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. ... Eine

Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: im Fall

des Verlustes der österreichischen Staatsbürgerschaft, des

Asyls ... Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung und auf

Änderung des Aufenthaltszwecks kann bis zum Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung auch vom Inland aus gestellt werden.

§ 13. (1) Die Berechtigungen zum Aufenthalt von Fremden, auf die dieses Bundesgesetz Anwendung findet und die sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, bleiben unberührt. Sie können mit Ablauf der Geltungsdauer dieser Berechtigung die Erteilung einer Bewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften (§ 4 Abs. 2) beantragen.

(2) Abs. 1 findet auf die in § 1 Abs. 3 und 4 genannten Fremden keine Anwendung. Für diese kommt eine Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung nur nach Maßgabe des § 6 Abs. 2 in Betracht."

Die Beschwerdeführerin bringt vor, sie sei am 11. Oktober 1992 nach Österreich eingereist und habe am 14. Oktober 1992 einen Asylantrag gestellt. Am 15. März 1994 habe sie einen in Österreich als Flüchtling anerkannten Fremden geehelicht. Mit Berufungsbescheid vom 15. Dezember 1993 sei ihr Asylantrag abgewiesen worden. Aufgrund einer dagegen erhobenen Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof habe dieser mit Erkenntnis vom 25. November 1994 den Bescheid aufgehoben. Mit Ersatzbescheid vom 10. Oktober 1995 sei der Asylantrag neuerlich abgewiesen worden. Auch dagegen habe die Beschwerdeführerin Beschwerde an die Gerichtshöfe öffentlichen Rechtes eingebracht.

Die Beschwerdeführerin vertritt die Rechtsansicht, ihr Antrag sei nicht als "Erstantrag" zu qualifizieren. Zu beachten sei auch, daß im Zeitpunkt ihrer Antragstellung am 1. August 1994 ihr Asylantrag bereits durch den Bescheid vom 15. Dezember 1993 rechtskräftig abgewiesen worden sei. Ihre vorläufige Aufenthaltsberechtigung sei daher zunächst weggefallen. Gemäß § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG sei jedoch eine Antragstellung im Inland auch für den Fall des Verlustes des Asyls zulässig. § 6 Abs. 2 AufG sei - ebenso wie die Sichtvermerksversagungsgründe des § 10 Abs. 1 Z. 6 oder 7 FrG - auf in Österreich integrierte Asylwerber, die vor Ablauf des Jahres 1992 eingereist seien, nicht anzuwenden. Die Beschwerdeführerin wäre bei einer Ausreise in ihren Heimatstaat der Verfolgung und damit der Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt. Auch habe es die belangte Behörde unberücksichtigt gelassen, daß sie insbesondere aufgrund ihrer Ehe mit einem in Österreich aufhältigen anerkannten Flüchtling private und familiäre Bindungen in Österreich besitze. Ihre durch Art. 8 Abs. 1 MRK geschützten Interessen seien daher unberücksichtigt geblieben.

Aufgrund der Rückwirkung des aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. November 1994 war schon bei Erlassung des angefochtenen Bescheides vom 30. Mai 1996 davon auszugehen, daß das Asylverfahren der Beschwerdeführerin im Zeitpunkt ihrer Antragstellung am 1. August 1994 noch anhängig war. Die Beschwerdeführerin war daher im Zeitpunkt ihrer Antragstellung als gemäß § 1 Abs. 3 Z. 6 AufG vorläufig zum Aufenthalt berechtigt anzusehen. Eine Verlängerung dieser bei Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes am 1. Juli 1993 bestandenen Aufenthaltsberechtigung gemäß § 13 Abs. 1 AufG kommt - wie sich aus dem unzweideutigen Wortlaut des § 13 Abs. 2 AufG ergibt - nicht in Frage (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 95/19/1403). Aber auch als abgewiesene Asylwerberin wäre die Beschwerdeführerin verhalten gewesen, ihren Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vor einer weiteren Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. November 1995, Zl. 95/19/0666).

Unter die Ausnahmebestimmung des § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG "Verlust des Asyls" könnte die Beschwerdeführerin schon deshalb nicht fallen, weil ihr in Österreich kein Asyl, sondern lediglich eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz zukam. Gegenteiliges ist auch aus den von ihr zitierten Materialien zur Novelle zum Aufenthaltsgesetz BGBl. Nr. 351/1995 (125 BlgNR 19. GP) nicht zu entnehmen.

Weder das Aufenthaltsgesetz noch das Fremdengesetz bietet Anhaltspunkte dafür, daß § 6 Abs. 2 AufG oder § 10 Abs. 1 Z. 6 und 7 FrG auf Asylwerber, die allgemein als integriert anzusehen seien und vor Ablauf des Jahres 1992 eingereist seien, nicht anwendbar wären. Verwaltungsinterne diesbezügliche Anweisungen könnten den Verwaltungsgerichtshof nicht binden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1996, Zl. 96/19/0738).

Wenn die Beschwerdeführerin darauf verweist, daß sie im Falle ihrer Ausreise in ihren Heimatstaat in Gefahr liefe, ihr Leben oder ihre Freiheit zu verlieren, so ist ihr zu entgegnen, daß diese Umstände nicht zu einer Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung entgegen der Bestimmung des § 6 Abs. 2 AufG zu führen haben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zlen. 96/19/3402, AW 96/19/1873). Die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Gründe können bei der Entscheidung über ihren Asylantrag oder über die Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 AsylG 1991 im Falle der Abweisung dieses Antrages von Bedeutung sein oder aber mit einem Antrag gemäß § 36 Abs. 2 FrG geltend gemacht werden.

Auch der Hinweis auf die persönlichen Bindungen der Beschwerdeführerin in Österreich vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Der Gesetzgeber der Novelle zum Aufenthaltsgesetz BGBl. Nr. 351/1995 hat bereits auf die privaten und familiären Interessen von Personen, die aufgrund des Asylgesetzes 1991 aufenthaltsberechtigt sind oder waren, Bedacht genommen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1996, Zl. 96/19/0738).

Die in § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG vorgenommene Einschränkung des Rechtes solcher Fremder zur Inlandsantragstellung auf den Fall des Verlustes des Asyls widerspricht aus folgenden Erwägungen nicht dem Art. 8 MRK:

Die aus den Erläuternden Bemerkungen zum Aufenthaltsgesetz (vgl. RV 525 BlgNR 18. GP) ersichtliche Zielvorstellung dieses Gesetzes, die Umgehung von Einwanderungsvorschriften durch Stellung von Asylanträgen (darunter sind auch bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes gestellte Asylanträge zu verstehen) zu verhindern, welche zum Schutze der öffentlichen Ordnung auch im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK gerechtfertigt erscheint, verbietet es sowohl, abgewiesene Asylwerber (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 26. September 1996, Zl. 95/19/0396) als auch Asylwerber während der Dauer ihres Asylverfahrens in Ansehung ihrer privaten Interessen im Inland besser zu stellen als einen Fremden, der erstmals eine Aufenthaltsbewilligung beantragt. Eine Einschränkung eines allfälligen, durch Art. 8 Abs. 1 MRK geschützten Rechtes auf Neuzuwanderung zur Wahrung persönlicher Interessen im Inland durch die in Rede stehende Bestimmung des § 6 Abs. 2 AufG wäre - ebenfalls aus dem Gesichtspunkt der öffentlichen Ordnung und des damit verbundenen Rechtes des Staates auf Regelung der Neuzuwanderung - aus dem Grunde des Art. 8 Abs. 2 MRK gerechtfertigt.

Deshalb vermag auch die Verfahrensrüge der Unterlassung der Ermittlung entscheidungswesentlicher Umstände keine zur Aufhebung des Bescheides führende Rechtswidrigkeit aufzuzeigen, weil die Beschwerdeführerin lediglich darlegte, daß die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Verfahrensfehlers zu Feststellungen über ihre Integration in Österreich gekommen wäre.

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996193132.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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