TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/6 W108 2225541-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.04.2020
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Entscheidungsdatum

06.04.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §6 Abs1 Z4
AsylG 2005 §7 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs3a
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52 Abs2
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z5
FPG §55 Abs2

Spruch

W108 2225541-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. BRAUCHART über die Beschwerde von XXXX (alias XXXX ), geb. XXXX , Staatsangehörigkeit IRAN, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Peter MIKLAUTZ, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.10.2019, Zl. 1030804505-190778267 / BMI-BFA_NOE_RD, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird wie folgt abgeändert:

Spruchpunkt V. hat zu lauten: "Gemäß § 8 Abs. 3a AsylG wird festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung von XXXX in den Herkunftsstaat IRAN nicht zulässig ist."

Spruchpunkt VI. hat zu lauten: "Gemäß § 55 Abs. 2 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab dem Zeitpunkt der Enthaftung.".

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Vorbringen:

1. Zuerkennungsverfahren:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein iranischer Staatsangehöriger, stellte am 05.09.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz (AsylG).

Der Beschwerdeführer brachte dazu in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (der belangten Behörde) am 24.03.2015 vor: Er leide an fortgeschrittenem Darmkrebs und werde in Österreich mittels Chemotherapie behandelt. Im Iran sei er ein Moslem gewesen und in Österreich zum Christentum, protestantische Richtung, konvertiert. Er sei im Iran politisch aktiv gewesen. Er habe keiner bestimmten politischen Gruppierung angehört, sei jedoch als Kurde sehr engagiert für die Rechte der Kurden gewesen und habe mit diversen NGO¿s zusammengearbeitet (der Beschwerdeführer legte dazu seine Mitgliedsausweise betreffend folgende Organisationen vor: " XXXX ", Mitglied seit XXXX [= XXXX ]; Institut namens " XXXX ", XXXX , Mitglied seit XXXX XXXX ]; Umweltorganisation namens " XXXX "). Er sei aus politischen Gründen zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Im dritten Monat 1391 sei er vom Nachrichtendienst gesucht worden, dieser habe ihm mitgeteilt, dass er sich am 01.04.1391 (21.06.2012) zur Beantwortung einiger Fragen am Amt einzufinden habe. Als er dort erschienen sei, sei er gleich festgenommen und brutal gefoltert worden. Er sei dann ins Zentralgefängnis XXXX gebracht worden und habe zehn Tage später eine Verständigung des Revolutionsgerichtes erhalten, dass er zu drei Jahren Haft und 80 Peitschenhieben wegen Verstoßes gegen die Sicherheit des Landes und die islamische Ordnung verurteilt worden sei. Zwei oder drei Tage später sei er tatsächlich mit 80 Peitschenhieben auf den nackten Rücken ausgepeitscht worden. Nach eineinhalb Jahren sei er bedingt entlassen worden, da er in der Haft an Krebs erkrankt sei. Nach seiner Haftentlassung habe er weiterhin mit den genannten Organisationen zusammengearbeitet. Sie hätten ein Haus in einem Dorf namens XXXX angemietet und dort regimekritische und oppositionelle Materialien fotokopiert und zum Verteilen unter die Bevölkerung gebracht. Am 23.05.1393 (= 14.08.2014), am Tag seiner Flucht, als er wie jeden Tag um 05.00 Uhr in der Früh zum Großmarkt gefahren sei, um einzukaufen, sei sowohl das Haus in XXXX durch den Nachrichtendienst gestürmt als auch in seinem Haus nach ihm gesucht worden. Es seien auch viele Sachen in dem Haus in XXXX beschlagnahmt worden. Er gehe davon aus, dass bei Kursen, die über die sozial-kulturellen Organisationen öfters veranstaltet worden seien, auch Spitzel gewesen seien, über welche das Haus verraten worden sei. Seine Familie habe ihn von den Suchmaßnahmen gegen ihn in Kenntnis gesetzt und er sei gleich von XXXX nach XXXX gefahren. Bei den Institutionen/Organisationen, welche er durch seine Mitgliedsausweise namhaft gemacht habe, habe er sich organisiert. Es sei ein Haftbefehl gegen ihn erlassen worden, aus diesem Grund habe er das Land verlassen. Nach seiner Ausreise aus dem Iran sei sein jüngerer Bruder zum Nachrichtendienst gebracht, dort bedroht und nach dem Aufenthaltsort des Beschwerdeführers befragt worden. Wäre er im Iran geblieben bzw. würde er sich wieder im Iran aufhalten, würde er den Rest der bereits gegen ihn verhängten dreijährigen Strafe absitzen müssen sowie wegen der Sache, weswegen das Haus in XXXX gestürmt worden sei, neuerlich verurteilt werden.

Am 27.08.2015 gab der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde an: Beim Verein " XXXX " sei er im Umweltbereich tätig gewesen, er habe die Berge rund um die Stadt gesäubert und gepflegt, Bäume angebaut und die Bevölkerung hinsichtlich Müllvermeidung sensibilisiert. Vor zwei Wochen seien diese Berge vom iranischen Regime in Brand gesetzt worden, weil sich so viele NGO's darum kümmern würden. Beim Institut " XXXX " handle es sich um eine Organisation, bei der das Thema der Aufklärung und Vorgangsweise gegen ansteckende Krankheiten, wie zB Aids, erörtert worden sei. Er habe gemeinsam mit anderen Mitgliedern interessierten Personen Broschüren, die er zum Teil selbst verfasst habe, zu diesem Thema mitgegeben. Das Institut " XXXX " kläre Menschen über die Rechte, insbesondere über die Rechte von Frauen und Kindern, auf. Dort habe er zwei Jahre gelernt. Danach habe er die Funktion eines Lehrenden dieses Institutes übernommen und habe selbst Kursteilnehmer unterrichtet. Die ersten Schritte in diesen Organisationen hätte er bereits im Jahr 1382 (entspricht 2003) gesetzt. Am 31.03.1391 (= 20.06.2012) sei ein Beamter des Geheimdienstes/Nachrichtendienstes Etelaat bei ihm zu Hause gewesen und habe gesagt, der Beschwerdeführer solle am nächsten Tag ins Büro von Etelaat kommen, um einige Fragen zu beantworten. Er sei am nächsten Tag tatsächlich dort hingegangen und direkt festgenommen worden, und am nächsten Tag ins Zentralgefängnis in XXXX überführt worden. Etwa eine Woche nach seiner Festnahme, ohne Gerichtsverhandlung, sei ihm das Urteil des Gerichtes übergeben worden, indem er wegen Propaganda des Regimes und auch gegen die nationale Sicherheit zu drei Jahren Haft verurteilt worden sei. Er sei dann im Krankenhaus schwer an Krebs erkrankt, deshalb sei er am 01.10.1393 (= 22.12.2013) bedingt freigelassen worden. Er sei bei Etelaat verhört worden, man habe ihm die Mitgliedschaft bei den genannten Organisationen vorgeworfen. Mit diesem Urteil sei er neben drei Jahren Haft zusätzlich zu 80 Peitschenhieben verurteilt worden. Diese habe er etwa 10 Tage nach der Urteilsverkündung im Revolutionsgericht von XXXX tatsächlich erhalten. Diese seien auf einmal verabreicht worden, mit einer Peitsche aus einem gummiähnlichen Material. Er sei dabei an die Wand gelehnt und nicht fixiert gewesen. Ihm sei diagonal über den Rücken geschlagen worden. Bei den Verhören sei er körperlich misshandelt worden, indem man ihn mit Fäusten geschlagen habe, er sei auch getreten und mit Gummiknüppeln geschlagen worden. Wegen dieser Schläge sei sein vierter Wirbelkörper bzw. seine Bandscheibe beeinträchtigt. In den 24 Stunden seiner Anhaltung sei er zwei Mal verhört worden, einmal ohne Folter, das zweite Mal sei er wie beschrieben geschlagen worden. Es sei nicht das erstes Mal gewesen, dass er bei Etelaat gewesen sei, vor seiner Inhaftierung sei dies insgesamt 10 Mal der Fall gewesen. Auch andere Personen seiner Gruppierungen hätten zu Etelaat gehen müssen. In den Klassen habe es Spitzel der Regierung gegeben. Alle diese Probleme seien unter der Präsidentschaft von Ahmadinajad gewesen. Er sei vom Revolutionsgericht in XXXX verurteilt worden. Bei der Verhaftung seines jüngeren Bruders sei er bereits in Österreich gewesen, im Krankenhaus, deshalb könne er nichts Genaueres sagen. Aber sein Bruder sei aktuell auf freiem Fuß. Weitere Repressionen gegenüber seiner Familie hätte es auch in Bezug auf seine Schwester gegeben, diese sei von ihrer Arbeit im Krankenhaus entlassen worden. Sein Bruder sei bedroht worden, im Falle dessen Flucht würden die Eltern zur Verantwortung gezogen werden. Er habe in Haft sehr oft erbrochen und danach rötliche Hautausschläge bekommen. Bei einer Untersuchung sei festgestellt worden, dass er an Krebs leide. Er sei nicht behandelt worden, aber es sei ihm die Haftentlassung in Aussicht gestellt worden. Nach ca. acht Monaten sei er tatsächlich entlassen worden. Die einzige Auflage sei gewesen, dass er seine Aktivitäten für die von ihm genannten NGO¿s nicht mehr auszuübe, ansonsten würde er abermals festgenommen werden. Er habe auch in Österreich an Demonstrationen teilgenommen. Am XXXX .2015 hätten in XXXX Demonstrationen stattgefunden. Er habe sich als Kurde daran beteiligen wollen. Er habe nicht gewusst, dass dabei Fotos gemacht und Filme gedreht werden würden. Zu seinem Erstaunen seien Fotos gemacht worden, auch von ihm, die auf einem Facebook-Profil namens " XXXX " veröffentlicht worden seien. Diese Person kenne er persönlich nicht, aber andere Exiliraner hätten ihm mitgeteilt, dass diese ein Spitzel des Regimes sei. Er sei sich sicher, dass so ein Abdruck der Fotos auch seinem Akt im Iran beigelegt worden sei. Weiters gebe es eine Gruppe, die nenne sich " XXXX ". Mit dieser arbeite er zusammen. Diese Gruppe hätte auch die Demonstrationen organisiert. Er sei bei einigen Demonstrationen anwesend gewesen. (Der Beschwerdeführer legte eine Broschüre der Gruppe " XXXX ", in der u.a. der Niedergang des islamischen Regimes im Iran und die Freiheit für alle politischen Gefangenen und gefangenen Arbeiteraktivisten gefordert wird, sowie Fotos der Demonstration auf Facebook vor). Sie hätten alle zwei Wochen einen Info-Stand am Stephansplatz gehabt und dort Broschüren verteilt und auf die Situation im Iran aufmerksam gemacht. Zuletzt wäre dies am 02.08.2015 gewesen.

1.2. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 01.09.2015 wurde dem Beschwerdeführer rechtskräftig der Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG zuerkannt und gemäß § 3 Abs. 5 AsylG festgestellt, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Aus einem Aktenvermerk betreffend die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten geht hervor, dass die belangte Behörde eine politische Tätigkeit des Beschwerdeführers gegen das iranische Regime aufgrund der im Zuge der niederschriftlichen Einvernahmen getroffenen Beobachtungen, der vorgelegten Beweismittel und des nachvollziehbaren, mit den Länderberichten und Anfragebeantwortungen in Einklang stehenden Vorbringens des Beschwerdeführers für glaubwürdig erachtete. Die belangte Behörde ging davon aus, dass dem Beschwerdeführer im Iran aufgrund seiner regimekritischen politischen Aktivitäten ein unangemessener Strafrahmen, welcher bis zur Verhängung der Todesstrafe ausgeschöpft werden könne, drohe. Der Beschwerdeführer habe ausgeführt, dass er im Iran bereits wegen politischer Betätigung für die kurdische Minderheit inhaftiert und mehrmals festgenommen worden sei. Er habe auch nach seiner gesundheitsbedingten Entlassung aus der Haft weiter Pamphlete hergestellt und verteilt. Es sei nicht auszuschließen, dass dem Beschwerdeführer aufgrund seiner politischen Tätigkeit eine willkürliche Strafe mit unangemessenem Strafrahmen drohe. Nachdem er wegen dieser Tätigkeit bereits einmal in Strafhaft gewesen sei, sei davon auszugehen, dass er im Blickpunkt der Exekutivorgane gewesen sei. Die von ihm vorgebrachten Bestätigungen, wonach er nunmehr die Konfession gewechselt habe, ergebe einen weiteren Nachfluchtgrund, welcher allerdings vom Beschwerdeführer selbst nicht vorgebracht worden sei.

2. Aberkennungsverfahren:

2.1. Aufgrund der mit 26.08.2019 rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers gemäß § 201 Abs. 1 erster Fall StGB (Vergewaltigung) zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten leitete die belangte Behörde ein Aberkennungsverfahren ein.

2.2. Bei der niederschriftlichen Einvernahme am 16.09.2019 vor der belangten Behörde im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Farsi gab der Beschwerdeführer an: Im Falle einer Rückkehr in den Iran würde er sicher exekutiert, gehängt, werden. Die Gründe, warum er nicht in den Iran zurückkehren könne, seien politische Gründe. Er habe sich im Iran an sehr vielen Aktivitäten beteiligt. Trotz seiner Haftentlassung hätten die iranischen Behörden Interesse an seiner Person, da er drei Monate nach seiner Freilassung erneut verfolgt worden sei. Dies wegen der Flyer, die er verteilt hätte. Von wann bis wann er im Iran inhaftiert gewesen sei, könne er nicht mit genauen Daten angeben, sondern nur ungefähr sagen. Er sei zu drei Jahren Freiheitstrafe verurteilt worden, jedoch nur eineinhalb Jahre von Frühling 1389 (entspricht Frühling 2010) bis zum 10. Monat 1390 (entspricht Dezember 2011 bis Jänner 2012) in Haft gewesen. In einem 30 m² kleinen Haus hätten sie die Flyer kopiert und diese dann in der Bevölkerung verteilt. Auch besondere Daten für Versammlungen seien mit diesen Flyern bekanntgegeben worden. Sie seien ein paar Personen gewesen und sie hätten sich in der Region aufgeteilt. Er hätte seine eigene Region gehabt. Als er dabei gewesen wäre, die Flyer zu verteilen, wäre er von der Polizei ertappt und festgenommen worden. Die Polizisten hätten die Flyer gelesen. Bei der Festnahme hätte er keine Gelegenheit gehabt, wegzulaufen. Die Polizei hätte ihm Handschellen angelegt, ihn geschlagen und ihn anschließend mit einem Fahrzeug aufs Polizeirevier gebracht, wo er bis zum darauffolgenden Tag hätte bleiben müssen. Danach sei er in die Untersuchungshaft überstellt worden, dort sei er drei oder vier Tage geblieben, dann sei er in das Gefängnis verlegt worden, wo er eineinhalb Jahre lang inhaftiert gewesen sei. Einen Monat nach der Einlieferung habe er sein Gerichtsverfahren gehabt, ihm sei die Gefährdung der nationalen Sicherheit vorgeworfen worden. Er sei vom Hauptgericht der Provinz XXXX zu drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Er sei auch mit einer Exekution bedroht worden. Andere Strafen seien nicht verhängt worden. Nach eineinhalb Jahren in Haft sei er aufgrund seiner Krebserkrankung, weil man der Ansicht gewesen sei, dass er daran sterben werde, freigelassen worden. Im Iran habe er sich ein-, zweimal in Haft befunden. Ein-, zweimal habe die Polizei nach ihm gesucht. Im Gefängnis sei er nur einmal für eineinhalb Jahre gewesen. Der Name des Richters habe XXXX gelautet. Um welche Zweigstelle des Gerichts es sich gehandelt habe, könne er nicht sagen, er habe alle Namen vergessen. Nach der Festnahme sei er zwei oder drei Mal verhört worden. Bereits vor seinem Gefängnisaufenthalt und seiner Festnahme habe er von Etelaat öfters Schriftstücke erhalten, dass er sich stellen solle, als er dort erschienen sei, sei er aber lediglich bedroht und ermahnt worden. Nach seiner Entlassung habe er seine politischen Aktivitäten fortgesetzt und abermals einen Brief von Etelaat bekommen, jedoch der Ladung keine Folge geleistet. Ein oder zwei Tage vor Ablauf der Erscheinungsfrist habe Etelaat sein Elternhaus gestürmt, er sei zu diesem Zeitpunkt am Markt Obst kaufen gewesen. Ein Bekannter habe ihn kontaktiert und ihm gesagt, dass sein Elternhaus von der Polizei aufgesucht worden sei und er fliehen solle, weshalb er aus dem Iran geflüchtet sei. Im Iran habe er für keine politische Partei gearbeitet. Er habe seine politischen Tätigkeiten in einer selbständigen Gruppe von 10 - 15 Personen ausgeübt. Sie hätten der Bevölkerung ihre kritischen Ansichten kundgetan. Er sei in zwei, drei Vereinen tätig gewesen. " XXXX " sei einer davon gewesen. Er habe die Namen der anderen vergessen. Er habe der Behörde aber damals die Mitgliedsausweise vorgelegt. Vor seiner Inhaftierung sei er zweimal bei Etelaat gewesen. Das Haus, in dem er die Flyer kopiert habe, sei im Dorf XXXX gewesen. Die iranischen Behörden seien auf dieses Haus aufmerksam geworden. Sie hätten sogar alles, das Kopiergerät, mitgenommen. Das Haus sei vor seiner Festnahme von den Behörden durchsucht worden. Das Haus sei nur dieses eine Mal durchsucht worden.

In Österreich habe er, bevor er inhaftiert worden sei, in einer Tankstelle gearbeitet. Er habe in Österreich ernsthaft ein unfaires Verfahren gehabt. Er schwöre, dass er den Körper dieser Frau nicht gesehen habe und sie auch seinen Körper nicht. Es sei kein Beweis gefunden worden. Der Richter habe ihn schuldig gesprochen, dass er den Vorsatz gehabt hätte, dies zu tun. Er habe nicht einmal davon geträumt. Die Frau, die ihn angezeigt habe, sei Stammkundin der Tankstelle gewesen. Diese Frau habe die Tankstelle besucht, wenn er Nachdienst gehabt habe, und sei bis in der Früh geblieben. Er wisse nicht, was er sagen solle, wie er es erklären solle. Wenn er ein Vergewaltiger wäre und er diese Tat beabsichtigt hätte, hätte er das an einem Abend gemacht, wo sie bis in Früh bei ihm gewesen wäre. Seine Finger hätten niemals ihre Hand berührt.

Seine Ehefrau und seine Tochter seien bei ihm in Österreich gewesen, aufgrund seines Problems seien sie aber vor ca. zwei Jahren wieder in den Iran zurückgekehrt. Er selbst habe Österreich etwa zwei Monate zuvor verlassen. Er sei in die Türkei gereist, in den Iran könne er nicht mehr zurück, da er dort exekutiert werden würde. Bevor er Österreich verlassen habe, sei er zwei Monate in der Untersuchungshaft gewesen. Seine Ehefrau und seine Tochter hätte dadurch in Österreich keine finanzielle Unterstützung mehr erhalten, lediglich die Miete sei bezahlt worden. Seine Familie sei alleine, im Stich gelassen, gewesen. Wegen seiner Familie sei er aus Österreich ausgereist. Seine Frau sei involviert gewesen. Die Rückreise seiner Frau und seiner Tochter in den Iran sei vom österreichischen Staat organisiert worden. Er habe ihnen die Rückkehr in den Iran nicht vorgeschlagen. Im Iran sei es üblich, dass die Frau und das Kind in Ruhe gelassen werden.

Nach seiner Ausreise aus Österreich habe er sich von 15.08.2017 bis 31.07.2019 in der Türkei aufgehalten. Er habe dort illegal in einem Restaurant gearbeitet. Seine Frau und seine Tochter hätten in dieser Zeit wieder im Iran gelebt und er hätte mit ihnen Kontakt über das Handy gehabt und ihnen Geld über eine Wechselstube geschickt. Er habe aber nicht länger illegal in der Türkei leben wollen, weshalb er zurück nach Österreich gekommen sei.

Nunmehr lebten keine Familienangehörigen mehr in Österreich, er habe aber einen ca. 60jährigen österreichischen Freund, der sogar seinen Fall verfolge. Seine gesamte Familie, seine Frau, sein Kind, seine Eltern, seine Geschwister (zwei Schwestern und ein Bruder), 12 Tanten und Onkel väterlicherseits und acht Onkel und Tanten mütterlicherseits, lebten im Iran in XXXX . Derzeit stehe er im Gefängnis nur in Kontakt mit seiner Ehefrau. Er sei Moslem. Er glaube zwar an einen Gott, sei aber ohne Bekenntnis. Wie sich die begangene Straftat mit seinem Glauben an Gott vereinbaren lasse, wisse er nicht. In Österreich habe er einen Deutschkurs besucht und eine berufliche Tätigkeit angenommen. Er schätze, dass er über 15prozentige Deutschkenntnisse verfüge. Er hätte früher Darmkrebs gehabt, jetzt sei er gesund. Er habe seit zwei Jahren keine ärztliche Kontrolle mehr gehabt.

Er sei auch in Österreich politisch aktiv gewesen und für die regimekritische Organisation " XXXX " tätig gewesen. Es handle sich hierbei um keine politische Partei. Man könne diese Gruppe sowohl als politisch als auch sozial engagiert bezeichnen. Alle zwei Wochen am Sonntag hätten sich die Mitglieder der Gruppe bei einer XXXX versammelt. So hätten sie ihre kritischen Ansichten gegenüber dem iranischen Regime geteilt. Von Oktober 2015 bis zum Verlassen Österreichs sei er bei dieser Gruppierung gewesen. Seine Aufgabe für diese Gruppe in Österreich sei hauptsächlich das Fotografieren von Flyern, Textaufstellungen, Bildern und Transparenten, die die Mitglieder der Gruppe angefertigt hätten, gewesen. Er selbst habe keine Texte, welche sich auf regimekritische Themen bezogen hätten, verfasst oder Flyer angefertigt, um seinen Bruder im Iran nicht zu gefährden. Zuletzt habe er drei Monate, bevor er Österreich verlassen habe, an einer Veranstaltung dieser Gruppe in Österreich teilgenommen. Die Gruppe hätte Bilder und Transparente mit Texten aufgestellt. Die Passanten hätten es gelesen oder sich erkundigt. Es habe sich um friedliche Veranstaltungen gehandelt. Wegen seiner Arbeit habe er sich zum Schluss nicht mehr an allen Versammlungen und Aktivitäten beteiligt können.

Nach der Anerkennung als Asylberechtigter habe er sich Deutschkenntnisse angeeignet und umgehend einen Job gefunden, da er dem österreichischen Staat und der Bevölkerung keine Last habe sein wollen. Er sei nie wegen Problemen bei der Polizei gewesen. Nach Beendigung seiner Freiheitstrafe werde er sich wie ein Musterbürger bis zu seinem Lebensende verhalten. Er sehe keine schlechte Zukunft in Österreich, da er sich ein korrektes Leben vornehme und einer Arbeit nachgehen wolle. Er werde weder mit Iranern noch mit anderen Ausländern Kontakt aufnehmen. Nach seiner Haftentlassung wolle er an keinen Veranstaltungen der Gruppe " XXXX " teilnehmen. Er beabsichtige, nur ganz normal zu leben. Er wolle sich von der Gruppe distanzieren und von allem, was ihm Probleme verursache. Hätte er im Iran keine Probleme und wäre er dort nicht in Lebensgefahr, wäre er nicht nach Österreich zurückgekommen und hätte er nicht drei Jahre Gefängnis in Kauf genommen. Kein vernünftiger Mensch, der in seinem Herkunftsland keine Probleme hätte, würde in ein anderes Land gehen, wo er eine dreijährige Freiheitsstrafe zu verbüßen habe.

3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten aberkannt und festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt (Spruchpunkt I.), dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen dem Beschwerdeführer nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.), festgestellt, dass seine Abschiebung in den Iran zulässig ist (Spruchpunkt V.), die Frist für die freiwillige mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung bestimmt (Spruchpunkt VI.) und gegen den Beschwerdeführer ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

In der Begründung dieses Bescheides stellte die belangte Behörde den Verfahrensgang und die Beweismittel dar und legte ihrer Entscheidung folgende Feststellungen zugrunde: Hinsichtlich der Identität des Beschwerdeführers ging die belangte Behörde (im Sinne einer Individualisierung als Verfahrenspartei) von dessen Angaben zu seinem Namen und zu seinem Geburtsdatum aus. Er sei iranischer Staatsbürger. Er gehöre der Volksgruppe der Kurden an und sei sunnitisch-moslemischen Glaubens. Er sei verheiratet und Vater eines Kindes. Seine Ehefrau und Tochter hätten Einreiseanträge bei der österreichischen Botschaft Teheran eingebracht. Nach Prüfung der Sachlage habe das Bundesamt erklärt, dass die Gewährung des Status der Asylberechtigten wahrscheinlich sei, weshalb seine Ehefrau und seine Tochter in der Folge legal mit einem Visum in das Bundesgebiet eingereist seien. Das anschließend eröffnete Asylverfahren seiner Familienangehörigen sei eingestellt worden, da diese freiwillig das österreichische Bundesgebiet verlassen und und in den Iran zurückkehrt seien. Er sei gesund und arbeitsfähig.

Er sei in Österreich straffällig geworden und stelle eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. Er sei von einem inländischen Gericht, dem Landesgericht für Strafsachen Wien (Urteil vom 12.06.2017, AZ 21 HV 22/2017g), wegen eines besonders schweren Verbrechens, nämlich dem Verbrechen der Vergewaltigung gemäß § 201 Abs. 1 StGB, zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten, verurteilt worden. Darüber hinaus sei er durch das Landesgericht für Strafsachen Wien (Urteil vom 30.03.2017, AZ 125 HV 136/2014g) gemäß §§ 223 Abs. 2 und 224 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von acht Wochen verurteilt worden. Aufgrund der Schwere des begangenen Verbrechens und seiner wiederholten Verurteilung in Österreich sei eine negative Zukunftsprognose zu erstellen. Er sei als gemeingefährlicher Täter anzusehen, zumal es sich bei der von ihm begangenen Straftat der Vergewaltigung um eine besonders verwerfliche Form der Kriminalität handle.

Er sei erstmals im September 2014 in Österreich in Erscheinung getreten. Er sei illegal in das Bundesgebiet eingereist. Er habe Österreich im Juni 2017 verlassen, um sich der Strafverfolgung zu entziehen, und er habe sich bis 30.07.2019 außerhalb Österreichs aufgehalten. Sein derzeitiger Aufenthalt stütze sich auf den Status des Asylberechtigten. Er sei nicht Mitglied in einem Verein, einer religiösen Gruppe oder einer sonstigen Organisation in Österreich. Er verfüge über keine Familienangehörigen und haben auch sonst keine Bindungen an Österreich. Seine Ehegattin und sein Kind seien in den Iran zurückgekehrt. Er sei zweimal rechtskräftig in Österreich verurteilt worden und befinde sich derzeit in Haft. Eine Bereitschaft zu einer nachhaltigen Integration habe nicht festgestellt werden können.

Der Beschwerdeführer sei nicht in der Lage gewesen, die Gründe, die zu seiner Ausreise aus dem Iran geführt hätten bzw. eine Gefährdungslage für seine Person im Falle der Rückkehr glaubhaft darzulegen, weshalb nicht hätte festgestellt werden können, dass er zum gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt im Falle seiner Rückkehr in den Iran in seinem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht wäre. Nicht festgestellt werden könne, dass ihm im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre oder er in eine existenzgefährdende Notlage geraten würde.

Zur Lage im Iran traf die belangte Behörde auf der Grundlage des Länderinformationsblattes Iran der Staatendokumentation auszugsweise folgende Feststellungen:

Allgemeine Menschenrechtslage

...

Der Iran zählt zu den Ländern mit einer anhaltend beunruhigenden Lage der Menschenrechte, die jedoch besser ist als in der Mehrzahl der Nachbarländer (ÖB Teheran 12.2018). Die Menschenrechtsbilanz der Regierung bleibt schlecht und verschlechterte sich in mehreren Schlüsselbereichen. Zu den Menschenrechtsfragen gehören Hinrichtungen für Verbrechen, die nicht dem internationalen Rechtsstandard der "schwersten Verbrechen" entsprechen, zahlreiche Berichte über rechtswidrige oder willkürliche Tötungen, Verschwindenlassen und Folter durch Regierungsbeamte, harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen, systematische Inhaftierungen einschließlich Hunderter von politischen Gefangenen. Weiters unrechtmäßige Eingriffe in die Privatsphäre, Beschränkungen der freien Meinungsäußerung, der Presse und des Internets, einschließlich Zensur, Blockieren von Webseiten und Kriminalisierung von Verleumdungen; erhebliche Eingriffe in das Recht auf friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit, wie z.B. die restriktiven Gesetze für Nichtregierungsorganisationen (NGO); Einschränkungen der Religionsfreiheit, Beschränkungen der politischen Beteiligung, weit verbreitete Korruption auf allen Regierungsebenen, rechtswidrige Rekrutierung von Kindersoldaten durch Regierungsakteure zur Unterstützung des Assad-Regimes in Syrien, Menschenhandel, strenge staatliche Beschränkungen der Rechte von Frauen und Minderheiten, Kriminalisierung von sexuellen Minderheiten, Verbrechen, die Gewalt oder Gewaltdrohungen gegen LGBTI-Personen beinhalten, und schließlich das Verbot unabhängiger Gewerkschaften. Die Regierung unternahm wenige Schritte um verantwortliche Beamte zur Rechenschaft zu ziehen. Viele dieser Missstände sind im Rahmen der Regierungspolitik zu verantworten. Straffreiheit ist auf allen Ebenen der Regierung und der Sicherheitskräfte weit verbreitet (US DOS 13.3.2019).

Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität, die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsätze in Frage stellt. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weit gefasste Straftatbestände (vgl. Art. 279 bis 288 iStGB sowie Staatsschutzdelikte insbesondere Art. 1 bis 18 des 5. Buches des iStGB). Personen, deren öffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten, können der Spionage beschuldigt werden (AA 12.1.2019). Besonders unter Druck stehen Mitglieder bzw. Gründer von Menschenrechtsorganisationen (zumeist Strafverteidiger bzw. Menschenrechtsanwälte), wie etwa des "Defenders of Human Rights Center", deren Gründungsmitglieder nahezu allesamt wegen ihrer Tätigkeit hohe Haftstrafen verbüßen. Zum Teil wurden auch Körperstrafen sowie Berufs- und Reiseverbote über sie verhängt. Es ist davon auszugehen, dass sie in Haftanstalten physischer und schwerer psychischer Folter ausgesetzt sind. Oft werden auch Familienmitglieder und Freunde von Strafverteidigern unter Druck gesetzt (verhört oder verhaftet). Die Tätigkeit als Frauen- und Menschenrechtsaktivist wird regelmäßig strafrechtlich verfolgt (Vorwurf der Propaganda gegen das Regime o.ä.) und hat oft die Verurteilung zu Haft- oder auch Körperstrafen zur Folge (ÖB Teheran 12.2018).

Die Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs-, Versammlungs- und Religionsfreiheit sind weiterhin stark eingeschränkt. Die Behörden inhaftierten zahlreiche Personen, die friedlich Kritik geäußert hatten. Die Gerichtsverfahren waren in aller Regel unfair. Folter und andere Misshandlungen von Gefangenen sind noch immer an der Tagesordnung und bleiben straflos. Es werden weiterhin Auspeitschungen, Amputationen und andere grausame Körperstrafen vollstreckt. Die Behörden billigten, dass Menschen wegen ihres Geschlechts, ihres Glaubens, ihrer politischen Überzeugung, ethnischen Zugehörigkeit, sexuellen Orientierung, Geschlechtsidentität oder einer Behinderung in starkem Maße diskriminiert und Opfer von Gewalt wurden. Hunderte Menschen wurden hingerichtet, einige von ihnen in der Öffentlichkeit. Tausende saßen weiterhin in den Todeszellen, darunter Personen, die zur Tatzeit noch minderjährig waren. Ende Dezember 2017 gingen Tausende Menschen auf die Straße, um gegen Armut, Korruption und politische Unterdrückung zu protestieren. Es waren die größten Kundgebungen gegen die iranische Führung seit 2009 (AI 22.2.2018). Bei diesen landesweiten Protesten wurden ca. 4.900 Personen verhaftet und mindestens 21 Personen wurden bei Auseinandersetzungen mit den Sicherheitsbehörden während der Demonstrationen getötet (FH 4.2.2019). Human Rights Watch spricht von 30 Getöteten, einschließlich Sicherheitskräften. Glaubwürdige Untersuchungen in Bezug auf die getöteten Demonstranten oder in Bezug auf die übermäßige Gewaltanwendung wurden nicht unternommen. Die Behörden wendeten sich verstärkt dem friedlichen Aktivismus zu und nahmen Anwälte und Menschenrechtsverteidiger fest, die nun mit Anklagen konfrontiert sind, die zu langen Gefängnisstrafen führen können (HRW 17.1.2019).

Wie 2013 versprach Rohani auch im Wahlkampf 2017, die Bürgerrechte und die Meinungsfreiheit zu stärken. In seiner ersten Amtszeit von 2013-17 konnte die Regierung den Erwartungen nach einer Liberalisierung im Innern allerdings nicht gerecht werden. Die Menschenrechtslage in Iran bleibt fünf Jahre nach Amtsantritt einer gemäßigten Regierung trotz gradueller Verbesserungen im Bereich der Kunst- und Pressefreiheit nahezu unverändert kritisch. Regimegegner sowie religiöse und ethnische Minderheiten sind nach wie vor regelmäßig Opfer staatlicher Repressionen. Beunruhigend ist die hohe Anzahl an Hinrichtungen, die jedoch aufgrund einer Änderung im Drogengesetz 2018 niedriger lag als in den Vorjahren (AA 15.2.2019a).

Todesstrafe

Die Todesstrafe steht auf Mord (wobei die Familie des Opfers gegen Zahlung von Blutgeld auf die Hinrichtung verzichten kann), Sexualdelikte, gemeinschaftlichen Raub, wiederholten schweren Diebstahl, Drogenschmuggel, schwerwiegende Verbrechen gegen die Staatssicherheit, "Mohareb" ("Waffenaufnahme gegen Gott"), Abfall vom islamischen Glauben und homosexuelle Handlungen, sowie auf Vergehen wie Drogenkonsum oder außerehelichen Geschlechtsverkehr (ÖB Teheran 12.2018). Der größte Anteil der Hinrichtungen entfällt mittlerweile auf Verurteilungen wegen Mord und Sexualdelikten. Die Hinrichtungen werden regelmäßig durch Erhängen, selten durch Erschießen, z.T. öffentlich durchgeführt und auch gegen zum Tatzeitpunkt Minderjährige (ÖB Teheran 12.2018, vgl. AA 12.1.12019). Der Anteil öffentlich vollstreckter Hinrichtungen, ist 2018 auf knapp 3% gesunken (2017: 5%, 2016: 5%, 2015: 7%, 2014: 10%). Es wird über erfolgte Hinrichtungen nicht offiziell informiert (AA 12.1.2019).

Im Jänner 2018 trat eine Gesetzesänderung zur Todesstrafe bei Drogendelikten in Kraft. Wer Drogenstraftaten aufgrund von Armut oder Arbeitslosigkeit begeht, wird nicht mehr zum Tode verurteilt. Über gewalttätige Drogenstraftäter und solche, die mehr als 100 Kilo Opium oder 2 Kilo industrielle Rauschgifte produzieren oder verbreiten, wird weiterhin die Todesstrafe verhängt (ÖB Teheran 12.2018). Nach dieser Änderung sank in Iran die Anzahl der bekannt gewordenen Hinrichtungen (AI 10.4.2019, vgl. HRW 17.1.2019, FH 4.2.2019, HRC 8.2.2019) um circa 50%, von mindestens 507 im Jahr 2017 auf mindestens 253 im Jahr 2018 (AI 10.4.2019). Die Justiz hat die meisten Exekutionen, die wegen Drogenvergehen ausgesprochen worden waren, ausgesetzt, um sie im Einklang mit der Gesetzesänderung zu überprüfen (HRW 17.1.2019). Trotz dieser Rückgänge ist Iran noch immer für mehr als ein Drittel aller weltweit bekannt gewordenen Hinrichtungen verantwortlich. Amnesty International registrierte Umwandlungen von Todesurteilen bzw. Begnadigungen. Trotzdem wurden im Jahr 2018 mindestens 13 Personen in Iran öffentlich hingerichtet und sieben Personen wurden wegen Verbrechen hingerichtet, die sie im Alter von unter 18 Jahren begangen hatten (AI 10.4.2019).

Viele Todesurteile werden nach internationalen Verfahrensstandards widersprechenden Strafverfahren gefällt: Es wird immer wieder von durch Folter erzwungenen Geständnissen oder fehlenden Kommunikationsmöglichkeiten mit dem Verteidiger bzw. fehlender freier Wahl eines Verteidigers berichtet. Derzeit ist bei Ehebruch noch die Strafe der Steinigung vorgesehen (auf welche vom "Geschädigten" gegen eine Abstandsgeldzahlung verzichtet werden kann). Zwar wurde im Jahr 2002 ein Moratorium für die Verhängung der Steinigungsstrafe erlassen, jedoch wurde dies im Jahr 2009 vom damaligen Justizsprecher für nicht bindend erklärt. Es befinden sich noch mehrere Personen beiderlei Geschlechts auf der "Steinigungsliste". Seit 2009 sind jedoch keine Fälle von Steinigungen belegbar (ÖB Teheran 12.2018). Wie in den Vorjahren erhielt Amnesty International 2018 keine Berichte über gerichtlich angeordnete Hinrichtungen durch Steinigung. Allerdings wurde bekannt, dass in Iran zwei neue Todesurteile gefällt wurden, die durch Steinigung vollstreckt werden sollen (AI 10.4.2019).

Weiterhin finden in Iran Hinrichtungen von Straftätern statt, die zum Zeitpunkt ihrer Tat unter 18 Jahre alt waren. Das Alter der strafrechtlichen Verantwortlichkeit für Buben liegt bei 15 und für Mädchen bei 9 Jahren (ÖB Teheran 12.2018, vgl. AA 12.1.2019). In der Vergangenheit konnten einige Hinrichtungen von Jugendlichen aufgrund von großem internationalen Druck (meist in letzter Minute) verhindert werden (ÖB Teheran 12.2018).

Sunniten

Sunniten sind in der Verfassung als Muslime anerkannt und dürfen ihre Religion prinzipiell frei ausüben. Sie leben im Iran vor allem im Südwesten des Landes nahe den Grenzen zu den arabischen Nachbarländern. Sunniten sind - soweit sie nicht Kurden sind - meist gleichzeitig Angehörige der arabischen Minderheit (z.B. Ahwazi) (ÖB Teheran 12.2018). Sunniten sehen sich allerdings vielfältigen Diskriminierungen ausgesetzt und werden vor dem Gesetz benachteiligt. So nehmen gerade in den letzten Jahren die Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten zu (GIZ 3.2019c, vgl. ÖB Teheran 12.2018). Sunniten berichten, dass sie keine Moscheen in großen Städten bauen dürfen und Probleme hätten, Posten im öffentlichen Dienst zu bekommen (FH 4.2.2019, vgl. ÖB Teheran 12.2018). Immer wieder werden sunnitische Geistliche verhaftet und der "Propaganda gegen das System" oder des Terrorismus bezichtigt. Außerdem fürchten die Behörden ein Überlaufen iranischer Sunniten zum Salafismus, einer radikal fundamentalistischen Auslegung des Sunni-Islam, welche vor allem in Saudi Arabien ihren Ursprung findet (ÖB Teheran 12.2018).

Rund 140 Sunniten sind derzeit aufgrund ihres Glaubens bzw. damit verbundener Anklagen inhaftiert. Am 25. April 2017 wurden in etwa 20 Personen während ihres morgendlichen Gebets verhaftet und an einen unbekannten Ort überführt. Personen, die vom schiitischen zum sunnitischen Glauben übertreten und dies öffentlich kundtun, werden zunehmend verfolgt (ÖB Teheran 12.2018). In den letzten Jahren wurden Sunniten wiederholt daran gehindert, ihre eigenen Eid-Gebete abzuhalten (ÖB Teheran 12.2018, vgl. AI 22.2.2018).

Sunniten werden mitunter sowohl aufgrund ihrer religiösen wie auch ethnischen Zugehörigkeit diskriminiert, da viele kurdischer oder arabischer Volkszugehörigkeit sind. In den sunnitischen Siedlungsgebieten im Westen und Südosten Irans ist die Religionsausübung jedoch ohne Einschränkungen möglich (AA 12.1.2019). Bei der Ausgrenzung von Sunniten spielt oft weniger die islamische Konfession als die ethnische Zugehörigkeit eine Rolle. Die meisten Sunniten in Iran sind Kurden, Turkmenen, Araber oder Belutschen, die in den Randprovinzen des Landes leben. Dort gibt es starke Autonomiebewegungen, gegen die die Zentralregierung in Teheran vorgeht. Angehörige der ethnischen Minderheiten haben deshalb auch schlechteren Zugang zu Wasser, Wohnraum, Arbeit oder Bildung. Sunnitentum, ethnische Zugehörigkeit und Autonomiebestrebungen vermischen sich in der staatlichen Wahrnehmung. Im Jahr 2015 wurde erstmals ein Sunnit zum Botschafter des Iran ernannt (Qantara.de 11.1.2016).

Ethnische Minderheiten

Iran gehört mit etwa 80 Millionen Einwohnern zu den 20 bevölkerungsreichsten Ländern der Erde. Das Bevölkerungswachstum beträgt etwa 1,3%. Dabei ist die iranische Gesellschaft weit heterogener als die offizielle Staatsdoktrin glauben machen will. Nur etwa 51% der Iraner sind Perser. Dazu kommt die Volksgruppe der Aseris mit 24% der Gesamtbevölkerung, etwa 8% Gilakis und Mazanderanis, 7% Kurden, 3% Araber und je etwa 2% Turkmenen, Luren und Belutschen. Die diesbezüglich genannten Zahlen variieren teils beträchtlich. Zudem leben viele Flüchtlinge im Land, von denen die afghanischen mit etwa zwei Millionen weiterhin die größte Gruppe stellen, gefolgt von irakischen. Insgesamt ist Iran im Moment das fünftgrößte Aufnahmeland für Flüchtlinge weltweit. Die ethnischen Minderheiten des Iran leben eher in den Grenzregionen des Landes zu seinen Nachbarn, die Kurden etwa im Nordwesten, die Araber in der Region um den Persischen Golf. Dennoch sind Entwicklungen wie etwa im Irak oder Afghanistan in Iran nicht zu erwarten. Abseits eines gern gepflegten Patriotismus zur eigenen Ethnie sind separatistische Bewegungen ethnischer Minderheiten kein vielen Nachbarstaaten vergleichbares Problem. Sie beschränken sich auf einige Gruppierungen in Belutschistan und Kurdistan, wobei gerade hier die Regierung immer wieder gern selbst Separatismus unterstellt, um diesem mit Gewalt zuvorzukommen (GIZ 3.2019c).

Es sind keine Rechtsverletzungen gegen Mitglieder ethnischer Minderheiten aus rein ethnischen Gesichtspunkten bekannt (ÖB Teheran 12.2018). Von Diskriminierungen im Alltag (rechtlich, wirtschaftlich und/oder kulturell, z.B. Zugang zu Wohnraum, Wasser und Bildung) wurde jedoch betreffend u.a. Angehöriger der arabischen Gemeinschaft der Ahwazi, Aseris, Belutschen, Kurden und Turkmenen berichtet. Der Gebrauch ihrer jeweiligen Muttersprache in Behörden und Schulen ist weiterhin verboten, trotz entsprechender Zusagen von Präsident Rohani während seines Wahlkampfes im Jahr 2013. Menschen, die sich für Minderheitenrechte einsetzen, können bedroht, festgenommen und bestraft werden (ÖB Teheran 12.2018, vgl. FH 4.2.2019).

Der Vielvölkerstaat Iran verfolgt gegenüber ethnischen Minderheiten grundsätzlich eine auf Ausgleich bedachte Politik, v.a. die Aseri sind in Staat und Wirtschaft sehr gut integriert (AA 12.1.2019). Die Infrastruktur von Regionen, wo Minderheiten wohnen, sind allerdings zum Teil stark vernachlässigt (BMI 2015, vgl. AA 12.1.2019, FH 4.2.2019). In der Provinz Sistan und Belutschistan berichteten viele Dorfbewohner, dass es ihnen an Wasser, Elektrizität, Schulen und Gesundheitseinrichtungen mangele. In der verarmten Provinz sind die Analphabetenquote bei Mädchen und die Kindersterblichkeit sehr hoch. Angehörigen ethnischer Minderheiten, die die Verletzung ihrer Rechte kritisieren, drohen willkürliche Inhaftierung, Folter und andere Misshandlungen, grob unfaire Gerichtsverfahren, Gefängnisstrafen und die Todesstrafe. Geheimdienste und Sicherheitsorgane beschuldigten Aktivisten, die sich für die Rechte von Minderheiten einsetzten, sie würden "separatistische Strömungen" unterstützen, die Irans territoriale Integrität bedrohten (AI 22.2.2018).

Kurden

Die Kurden (überwiegend Sunniten) sind hinsichtlich ihrer kulturellen Eigenständigkeit staatlicher Diskriminierung ausgesetzt. Dennoch werden sie in größerer Zahl in hohe Ämter der Provinzverwaltungen und zunehmend auch in der Ministerialbürokratie berufen (so wurde 2017 erstmals eine kurdischstämmige Frau Vize-Innenministerin). Der iranische Staatsrundfunk sendet stundenweise kurdischsprachige Sendungen auf dem Regionalsender IRIB Kurdistan (AA 12.1.2019). Die Regierung schränkt kulturelle und politische Aktivitäten der Kurden ein (HRW 17.1.2019). Problematisch sind vor allem kulturelle Aktivitäten, die politisch werden (DIS/DRC 23.2.2018).

Seit dem Unabhängigkeitsreferendum der irakischen Kurden im September 2017 wurde die Präsenz von Militär und Revolutionsgarden deutlich erhöht (AA 12.1.2019, vgl. DIS/DRC 23.2.2018). Das Erdbeben von Kermanshah im November 2017, dessen Auswirkungen fast ausschließlich in den von Kurden bewohnten Gebieten zu spüren sind, hat die Präsenz der Sicherheitskräfte noch verfestigt, ca. 5.800 Freiwillige der Revolutionsgarden sollen bis zum Ende der Aufräumarbeiten vor Ort bleiben. Nach mehreren Scharmützeln im Grenzgebiet ist es im Sommer 2018 zu einem Raketenangriff auf kurdische Einrichtungen in Irak gekommen (AA 12.1.2019). In der iranischen Provinz Kurdistan gibt es auch militärische und geheimdienstliche Präsenz, die nicht immer sichtbar ist. Die Überwachung in diesem Gebiet ist nicht systematisch, aber strukturiert und auch nicht zufällig, sondern gezielt (DIS/DRC 23.2.2018).

Kurdischen Aktivisten werden in vielen Fällen von der Zentralregierung separatistische Tendenzen vorgeworfen und diese entsprechend geahndet (AA 12.1.2019). Unter den politisch Verfolgten sind daher verhältnismäßig viele Kurden. Auffallend sind die häufigen Verurteilungen im Zusammenhang mit Terrorvorwürfen - insbesondere die Unterstützung der als Terrororganisation geltenden PJAK (partiya jiyana azad a kurdistane, "Partei für ein freies Leben in Kurdistan", Schwesterorganisation der PKK in Iran), der kommunistischen Komala-Partei, oder der KDP-Iran - und das oftmals unverhältnismäßig hohe Strafausmaß. Zuletzt wurden im September 2018 drei angebliche Komala-Mitglieder wegen Terrorismus nach unfairen Verfahren und trotz internationaler Proteste hingerichtet, zeitgleich fanden Raketenangriffe auf einen Stützpunkt der KDP-Iran in Nord-Irak statt. Derzeit sollen etwa 100 Kurden auf ihre Hinrichtung warten. Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind (ÖB Teheran 12.2018, vgl. DIS/DRC 23.2.2018). KDPI, Komala und PJAK sind im Untergrund aktiv (DIS/DRC 23.2.2018).

Rückkehr

Allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, löst bei Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, können von den iranischen Auslandsvertretungen ein Passersatzpapier bekommen und nach Iran zurückkehren (AA 12.1.2019).

Zum Thema Rückkehrer gibt es kein systematisches Monitoring, das allgemeine Rückschlüsse auf die Behandlung von Rückkehrern zulassen würde. In Einzelfällen konnte im Falle von Rückkehrern aus Deutschland festgestellt werden, dass diese bei niederschwelligem Verhalten und Abstandnahme von politischen Aktivitäten, mit Ausnahme von Einvernahmen durch die iranischen Behörden unmittelbar nach der Einreise, keine Repressalien zu gewärtigen hatten. Allerdings ist davon auszugehen, dass Rückkehrer keinen aktiven Botschaftskontakt pflegen, der ein seriöses Monitoring ihrer Situation zulassen würde. Auch IOM Iran, die in Iran Unterstützungsleistungen für freiwillige Rückkehrer im Rahmen des ERIN-Programms anbietet, unternimmt ein Monitoring nur hinsichtlich der wirtschaftlichen Wiedereingliederung der Rückkehrer, nicht jedoch im Hinblick auf die ursprünglichen Fluchtgründe und die Erfahrungen mit Behörden nach ihrer Rückkehr. Australien zahlt Rückkehrhilfe an eine bislang überschaubare Gruppe an freiwilligen Rückkehrern in Teheran in Euro aus (ÖB Teheran 12.2018).

Iranische Flüchtlinge im Nordirak können offiziell nach Iran zurückkehren. Dafür werden iranische Identitätsdokumente benötigt. Wenn Personen diese Dokumente nicht besitzen, können sie diese beantragen. Für die Rückkehr nach Iran braucht man eine offizielle Erlaubnis des iranischen Staates. Die Rückkehr wird mit den Behörden von Fall zu Fall verhandelt. Iranische Rückkehrer, die nicht aktiv kurdische Oppositionsparteien, wie beispielsweise die KDPI oder Komala unterstützen, werden nicht direkt von den Behörden ins Visier genommen werden. Sie können aber durchaus zu ihrem Leben im Nordirak befragt werden. Der Fall kann aber anders aussehen, wenn Rückkehrer Waffen transportiert haben, oder politisch aktiv sind und deshalb Strafverfolgung in Iran riskieren. Die Rückkehr aus einem der Camps in Nordirak kann als Zugehörigkeit zu einer der kurdischen Oppositionsparteien gedeutet werden und deshalb problematisch sein (DIS/DRC 23.2.2018).

In Bezug auf Nachkommen von politisch aktiven Personen wird berichtet, dass es solche Rückkehrer gibt, aber keine Statistiken dazu vorhanden sind. Es ist auch durchaus üblich, dass Personen die Grenze zwischen Irak und Iran überqueren. Auch illegale Grenzübertritte sind weit verbreitet. Nachkommen von politisch aktiven Personen riskieren nicht notwendigerweise Strafverfolgung, wenn sie nach Iran zurückkehren. Ob solch ein Rückkehrer Strafverfolgung befürchten muss, würde von den Profilen der Eltern und wie bekannt diese waren, abhängen. Befragungen durch Behörden sind natürlich möglich, aber wenn sie beweisen können, dass sie nicht politisch aktiv sind und nicht in bewaffneten Aktivitäten involviert waren, wird wohl nichts geschehen (DIS/DRC 23.2.2018).

Iraner, die im Ausland leben, sich dort öffentlich regimekritisch äußern und dann nach Iran zurückkehren, können von Repressionen bedroht sein (AA 12.1.2019). Wenn Kurden im Ausland politisch aktiv sind, beispielsweise durch Kritik an der politischen Freiheit in Iran in einem Blog oder anderen Online Medien, oder wenn eine Person Informationen an die ausländische Presse weitergibt, kann das bei einer Rückreise eine gewisse Bedeutung haben. Die Schwere des Problems für solche Personen hängt aber vom Inhalt und Ausmaß der Aktivitäten im Ausland und auch vom persönlichen Aktivismus in Iran ab (DIS/DRC 23.2.2018).

Das Verbot der Doppelbestrafung gilt nur stark eingeschränkt. Nach IStGB wird jeder Iraner oder Ausländer, der bestimmte Straftaten im Ausland begangen hat und in Iran festgenommen wird, nach den jeweils geltenden iranischen Gesetzen bestraft. Bei der Verhängung von islamischen Strafen haben bereits ergangene ausländische Gerichtsurteile keinen Einfluss. Insbesondere bei Betäubungsmittelvergehen drohen drastische Strafen. In jüngster Vergangenheit sind keine Fälle einer Doppelbestrafung bekannt geworden (AA 12.1.2019).

Zurückgeführte unbegleitete Minderjährige werden vom "Amt für soziale Angelegenheiten beim iranischen Außenministerium" betreut und in Waisenheime überführt, wenn eine vorherige Unterrichtung erfolgt (AA 12.1.2019).

Dokumente (einschließlich Überprüfung)

Gefälschte bzw. mit falschen Angaben erstellte Dokumente sind in Iran einfach erhältlich (ÖB Teheran 12.2018; vgl. AA 12.1.2019), z.B. ein echtes Stammbuch (Shenasname), in das Privatpersonen eine nicht existierende Ehefrau eintragen (AA 12.1.2019). Die vorgelegten Dokumente sind in den meisten Fällen echt, der Inhalt gefälscht oder verfälscht. Sowohl die von iranischen Behörden als auch von der afghanischen Botschaft in Iran ausgestellten Dokumente bestätigen unrichtige Angaben. Eine Überprüfung ist seitens der österreichischen Botschaft nicht möglich. Die Überprüfung von Haftbefehlen kann von der Botschaft aufgrund von Datenschutz nicht durchgeführt werden. Die Überprüfung von Dokumenten von Afghanen (Aufenthaltsbestätigungen, Arbeitserlaubnis,...) ist auch kaum möglich, da deren Erfassung durch die staatlichen Behörden selten erfolgt, viele illegal im Land sind, geduldet werden und sich auch die Wohnorte häufig ändern. Allfällige allgemeine Erhebungen durch den Vertrauensanwalt führen daher zu nicht wirklich belastbaren, da nicht überprüfbaren Aussagen. Die afghanische Botschaft hat laut UNHCR jedenfalls kürzlich begonnen, Identitätsnachweise an afghanische Personen in Iran auszustellen (ÖB Teheran 12.2018).

Die offizielle Registrierungsbehörde nimmt alle iranischen Staatsangehörigen in ihre Datenbank auf. Auslandsvertretungen sind nicht ermächtigt, Auskünfte einzuholen. Ein formales Staatsangehörigkeitsfeststellungsverfahren ist nicht bekannt (AA 2.3.2018).

Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus: Basierend auf den Ausführungen im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme am 16.09.2019 sei die Behörde zu dem Schluss gelangt, dass die einst vom Beschwerdeführer vorgebrachten Fluchtgründe nicht vorgelegen seien, weshalb eine daraus resultierende Gefährdungslage im Fall einer Rückkehr auch nicht erkannt werden könne. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer im Iran im Fall einer Rückkehr keiner individuellen Verfolgung ausgesetzt sei und nicht in seinem Recht auf Leben gefährdet oder der Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen sei oder von der Todesstrafe bedroht wäre, gründe darauf, dass in seinen Angaben im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahmen zu seinen Fluchtgründen massive Widersprüche aufgetreten seien. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme am 24.03.2015 sei der Beschwerdeführer dazu befragt worden, von wann bis wann er sich in Haft im Iran befunden hätte. Er habe dazu ausgeführt, sich von 01.04.1391 (entspricht 21.06.2012) für eineinhalb Jahre in Haft befunden zu haben. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme im Aberkennungsverfahren am 16.09.2019 habe er jedoch angegeben, bereits im Frühling 1389 (entspricht Frühling 2010) inhaftiert worden zu sein. Er hätte sich bis zum 10. Monat 1390 (entspricht Dezember 2011 bzw. Jänner 2012) in Haft befunden. Die Zeitpunkte der vermeintlichen Inhaftierung im Iran divergierten somit um rund zwei Jahre. Weitere eklatante Widersprüche seien auch in Bezug auf seine vermeintliche Festnahme im Iran hervorgekommen: So habe er in der niederschriftlichen Einvernahme am 24.03.2015 geschildert, dass im dritten Monat 1391 vom iranischen Nachrichtendienst nach ihm gesucht worden wäre und er mündlich aufgefordert worden wäre, zur Einvernahme bei der Behörde am 01.04.1391 (entspricht 21.06.2012) zu erscheinen. Als er dem nachgekommen sei, sei er sofort festgenommen sowie in das Zentralgefängnis überstellt worden. Bereits zehn Tage später hätte er das Urteil des Revolutionsgerichts hinsichtlich seiner Haftstrafe erhalten. Seinen Ausführungen am 16.09.2019 sei hingegen zu entnehmen, dass er beim Verteilen von Flyern von Beamten gestellt und sofort festgenommen worden wäre. Dabei hätte sich ihm nicht die Möglichkeit geboten, wegzulaufen. Die Flyer seien ihm abgenommen und gelesen worden. Unmittelbar danach sei er zur Polizeistation verbracht worden, wo er bis zum darauffolgenden Tag angehalten worden wäre, bevor man ihn einer drei- bis viertägigen Untersuchungshaft zugeführt und er anschließend in das Zentralgefängnis verlegt worden wäre. Er habe betont, dass er bereits einen Monat im Zentralgefängnis aufhältig gewesen wäre, bevor es zur vermeintlichen Gerichtsverhandlung gekommen sei. Auch seine Ausführungen in Bezug auf die Überstellung ins das Zentralgefängnis seien divergierend: So habe er am 24.03.2015 erklärt, er sei unmittelbar nach seiner Ankunft bei der Behörde auch schon ins Gefängnis verbracht worden. Dies stehe in Widerspruch zu den Ausführungen am 16.09.2019, wo er behauptetet habe, erst nach einer drei bis viertätigen Untersuchungshaft ins Zentralgefängnis überstellt worden zu sein. Es bestünden auch Divergenzen betreffend den Zeitpunkt der vermeintlichen Urteilsverkündung: So habe er einmal angegeben, bereits 10 Tage nach seiner Inhaftierung das Urteil des Revolutionsgerichts erhalten zu haben, ohne dass es jemals zu einer Gerichtsverhandlung gekommen sei, hingegen habe er am 27.08.2015 erklärt, bereits eine Woche nach der Inhaftierung das Urteil ohne vorangegangene Verhandlung erhalten zu haben. Am 16.09.2019 wiederum habe er betont, dass er sein Gerichtsverfahren erst nach einem einmonatigen Aufenthalt gehabt hätte. Darüber hinaus sei er am 16.09.2019 zur verhängten Strafe befragt worden. Er habe erklärt, zu einer dreijährigen Freiheitstrafe verurteilt worden zu sein. Auf Nachfrage, ob es weitere Strafen gegeben hätte, habe er dies verneint. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme am 24.03.2015 habe er jedoch behauptet, neben einer dreijährigen Freiheitsstrafe noch zu 80 Peitschenhieben verurteilt worden zu sein. Dies habe er jedoch im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme im Aberkennungsverfahren mit keinem Wort erwähnt. Ein weiterer massiver Widerspruch habe sich in Bezug auf die Hausdurchsuchungen ergeben: So habe er im Anerkennungsverfahren erklärt, dass am Tag seiner Flucht sowohl das Haus in XXXX , wo er die Flyer für die Verteilung kopiert hätte, durchsucht worden wäre als auch sein Elternhaus. Dies finde jedoch keine Deckung mit seinen Ausführungen im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme am 16.09.2019, wo er ausgesagt habe, dass am Tag seiner Flucht lediglich sein Elternhaus durchsucht worden wäre und eine Durchsuchung des Hauses in XXXX bereits vor seiner Festnahme erfolgt sei. Er habe auch einmal behauptet, dass das Revolutionsgericht seine Strafe bemessen hätte, zu einem späteren Zeitpunkt habe er jedoch angegeben, die Strafe wäre vom Richter des Hauptgerichts der Provinz XXXX in XXXX ausgesprochen worden.

Die belangte Behörde ging überdies aufgrund aus ihrer Sicht nicht konkreter und nicht umfassender Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich des von ihm angegebenen Türkeiaufenthalts davon aus, dass der Beschwerdeführer niemals in der Türkei aufhältig gewesen wäre, sondern er, nachdem er Österreich im Jahr 2017 verlassen habe, um sich der er Strafverfolgung in Österreich zu entziehen, in den Iran zurückgehrt sei, um sein Leben gemeinsam mit seinen Angehörigen zu bestreiten. Der Beschwerdeführer habe sich auf vage und äußerst oberflächliche Angaben zurückgezogen, wodurch der Eindruck gewonnen worden sei, dass er niemals in dem von ihm angegebenen Ort in der Türkei gelebt und gearbeitet habe. Demgegenüber habe er jedoch benennen können, dass mit dem PKW eine siebenstündige Autofahrt notwendig wäre, um in den Iran zu gelangen. Zwar habe er erklärt, bei der einstigen Ausreise aus dem Iran über diese Stadt gereist zu sein, doch divergierten seine Fluchtgründe derart massiv, dass davon ausgegangen werden müsse, dass er diesen Aspekt einzig behauptetet hätte, um eine zumindest temporäre Rückkehr in sein Heimatland zu verschleiern.

Die belangte Behörde ging davon aus, dass dem Beschwerdeführer jegliche Glaubwürdigkeit abzusprechen sei, weshalb auch nicht von einer diesbezüglichen Gefährdung im Fall seiner Rückkehr in sein Heimatland ausgegangen werden könne. Ihm sei eine Rückkehr in sein Heimatland zu seinen Familienangehörigen jedenfalls zumutbar.

3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer, dem mit Verfahrensanordnung von 11.10.2019 ein Rechtsberater gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG zur Seite gestellt wurde, durch seinen gewählten Rechtsvertreter fristgerecht Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG. In dieser wurde (nach Wiederholung des Sachverhaltes) im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Das Vorliegen eines besonders schweren Verbrechens alleine rechtfertige die Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht, sondern müsse beim Betroffenen auch eine Gemeingefährlichkeit vorliegen und müssten die öffentlichen Interesse an der Aufenthaltsbeendigung die Interessen des Betroffenen am Weiterbestehen seines Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen. Die zwei letzteren Voraussetzungen würden beim Beschwerdeführer nicht zutreffen, die Verurteilung nach §§ 223, 224 StGB sei aufgrund der Gefährdung des Beschwerdeführers in seinem Heimatland differenzierter zu beurteilen, als dies die belangte Behörde getan habe, auch am verhängten Strafausmaß von acht Wochen sei durchaus erkennbar, dass selbst das Strafgericht diesen Umstand berücksichtigt habe. Zudem habe der Beschwerdeführer durch seine Rückkehr nach Österreich, obwohl er von der gegen ihn verhängten mehrjährigen Haftstrafe gewusst habe, Respekt vor der österreichischen Rechtsordnung bewiesen. Für die Erstellung der Zukunftsprognose habe die belangte Behörde gänzlich außer Acht gelassen, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Darmkrebserkrankung in Österreich operiert worden sei, sich anschließend einer Chemotherapie unterziehen habe müssen und seither an Erektionsstörungen leide. Die belangte Behörde habe sich in keiner Weise mit den Milderungsgründen auseinandergesetzt, noch das geordnete, unbescholtene Familienleben des Beschwerdeführers bei regelmäßiger Arbeitstätigkeit und Integration in Österreich vor der Begehung der Straftaten gewürdigt. Im Übrigen lägen die von der belangten Behörde ins Treffen geführten Unterschiede in den jeweiligen Angaben des Beschwerdeführers nicht vor, es handle sich lediglich um Unschärfen, die nicht geeignet seien, die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers in Frage zu stellen. Bei einer Rückkehr in den Iran wäre der Beschwerdeführer einer massiven Gefährdung ausgesetzt und eine gefahrlose Rückkehr keinesfalls möglich.

4. Die belangte Behörde machte von der Möglichkeit der Beschwerdevorentscheidung nicht Gebrauch und legte die Beschwerde samt den bezughabenden Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der im Spruch genannte Beschwerdeführer ist iranischer Staatsangehöriger, Zugehöriger der Volksgruppe der Kurden und muslimisch-sunnitischen Glaubens. Er ist am XXXX geboren und stammt aus der Stadt XXXX im Iran.

Er trat im Jahr 2014 in Österreich in Erscheinung. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 01.09.2015, Zl. 1030804505-14941751/RDNÖ, wurde seinem Antrag auf internationalen Schutz vom 05.09.2014 stattgegeben und ihm der Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG zuerkannt sowie gemäß § 3 Abs. 5 AsylG festgestellt, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Dieser Bescheid erwuchs am 18.09.2015 in Rechtskraft.

Der Beschwerdeführer eignete sich Deutschkenntnisse an und war in Österreich erwerbstätig. Der Beschwerdeführer ist mit XXXX , geb XXXX , StA.: Iran, IFA 1104393607, verheiratet und hat eine Tochter XXXX , geb. XXXX , StA.: Iran, IFA 1104393705. Die Ehefrau und die Tochter des Beschwerdeführers stellten in Bezug auf den Beschwerdeführer Botschaftsanträge und zogen in Folge legal dem Beschwerdeführer nach Österreich nach.

1.2. Am 30.03.2017 wurde der Beschwerdeführer rechtskräftig vom Landesgericht für Strafsachen XXXX zur Aktenzahl 125 Hv 136/14g wegen des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden gemäß § 223 Abs. 2 und § 224 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von acht Wochen unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.

Der Beschwerdeführer hatte am 04.09.2014 einen gefälschten griechischen Personalausweis im Zuge einer sicherheitspolizeilichen Kontrolle vorgewiesen. Bei der Strafbemessung wurden erschwerend keine Umstände, mildernd hingegen der bisher ordentliche Lebenswandel und das Tatsachengeständnis gewertet.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 12.06.2017, 21 Hv 22/17g, rechtskräftig mit 26.08.2019, wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der Vergewaltigung gemäß § 201 Abs. 1 erster Fall StGB gemäß §§ 31, 40 StGB (unter Bedachtnahme auf das Urteil 125 Hv 136/14g vom 30.3.2017) zu einer Zusatzfreihei

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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