TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/16 I406 2201537-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.04.2020
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Entscheidungsdatum

16.04.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
AVG §68 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs4
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I406 2201537-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard KNITEL als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, StA. Tunesien, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20/5, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.03.2020, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. wird als unbegründet abgewiesen.

II. Im Übrigen wird der Beschwerde Folge gegeben und werden die Spruchpunkte II., III., IV., V., VI. und VII. des angefochtenen Bescheides behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Tunesiens, reiste spätestens am 24.03.2014 in Österreich ein und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA; belangte Behörde) vom 07.04.2014, Zl. XXXX, als unbegründet abgewiesen wurde. Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückehrentscheidung erlassen, die Zulässigkeit seiner Abschiebung nach Tunesien festgestellt und eine 14-tägige Frist für eine freiwillige Ausreise gewährt. Der Bescheid erwuchs am 07.04.2014 unangefochten in erster Instanz in Rechtskraft.

Das BFA hatte den Fluchtgrund des Beschwerdeführers, demzufolge dieser von Muslimbrüdern aufgefordert worden sei, in Syrien in den Krieg zu ziehen, sich jedoch geweigert habe und in weiterer Folge mit dem Tod bedroht worden sei, für unglaubhaft befunden. Außerdem traf es die Feststellung, dass der Beschwerdeführer gesund und arbeitsfähig sei und in Anbetracht dessen erwartet werden könne, dass er sich in seinem Heimatland eine Existenz aufbaue. Es sei im Falle einer Rückkehr keine Gefährdung gegeben.

2. Am 01.10.2018 stellte der Beschwerdeführer den verfahrensgegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Bei seiner am selben Tag durchgeführten Erstbefragung erklärte er, keine neuen Fluchtgründe zu haben. Gleichzeitig legte er ein Konvolut an medizinischen Unterlagen aus den Monaten Juni und August 2018 vor, wonach er an einer akut polymorphen psychotischen Störung mit Symptomen einer Schizophrenie (ICD-10: F23.1) und einer DD Psychotischen Störung durch Cannabis (ICD-10: F12.5) leide und eine psychiatrische und medikamentöse Betreuung unbedingt notwendig sei.

3. Am 08.10.2018 wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich durch das BFA einvernommen und legte einen weiteren fachärztlichen Befundbericht vom 17.09.2018 vor.

4. Am 27.02.2020 fand eine weitere niederschriftliche Einvernahme des aus der JA XXXX vorgeführten Beschwerdeführers statt.

5. Mit angefochtenem Bescheid vom 16.03.2020 wies das BFA den Folgeantrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 01.10.2018 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.). und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) wegen entschiedener Sache nach § 68 Abs. 1 AVG zurück (Spruchpunkt II.). Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Tunesien zulässig sei (Spruchpunkt V.). Schließlich gewährte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer keine Frist für eine freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.). und erließ gegen ihn ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VII.)

6. Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht mit Schriftsatz seiner Rechtsvertretung vom 24.03.2020 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

7. Beschwerde und Bezug habender Akt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 27.03.2020 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der volljährige Beschwerdeführer ist tunesischer Staatsbürgerschaft und Herkunft. Er gehört der Volksgruppe der Araber an und bekennt sich zum muslimisch-sunnitischen Glauben. Seine Identität steht fest.

Der Beschwerdeführer reiste illegal nach Österreich ein und hält sich seit mindestens 24.03.2014 durchgehend im österreichischen Bundesgebiet auf.

Sein erster Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des BFA vom 07.04.2014 rechtskräftig negativ entschieden. Der Bescheid erwuchs unangefochten am 23.04.2014 in erster Instanz in Rechtskraft.

Im vorangegangenen Verfahren zu seinem ersten Antrag auf internationalen Schutz hatte der Beschwerdeführer geltend gemacht, in Tunesien von Muslimbrüdern verfolgt zu werden, weil er deren Aufforderung, in Syrien in den Krieg zu ziehen, nicht gefolgt sei.

Im ersten Asylverfahren lagen keine gesundheitlichen Einschränkungen des Beschwerdeführers vor.

Der Beschwerdeführer brachte im gegenständlichen Verfahren keine Verfolgung seiner Person in Tunesien vor. Er begründete seine zweite Asylantragsstellung mit einer psychischen Erkrankung.

Es liegen Befunde vor, wonach der Beschwerdeführer an einer akut polymorphen psychotischen Störung mit Symptomen einer Schizophrenie (ICD-10: F23.1) und einer DD Psychotischen Störung durch Cannabis (ICD-10: F12.5) leidet. Er befand sich von 19.06.2018 bis 20.06.2018 in stationärer Behandlung in einer psychiatrischen Einrichtung und wird seit dem 17.08.2018 von den psychosozialen Diensten XXXX betreut, die eine engmaschige Betreuung als unbedingt erforderlich erachten. Der Beschwerdeführer erhält derzeit die Psychopharmaka Olanzapin San Ftbl 10 mg und Solian Tbl 200 mg.

In Bezug auf den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers liegt eine entscheidungswesentliche Änderung des Sachverhaltes vor, die eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Frage der möglichen Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten erforderlich macht.

2. Beweiswürdigung:

2.1 Zum Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA (inklusive der Aktenbestandteile zum Vorverfahren) und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2 Zur Person des Beschwerdeführers und zu seinen Anträgen auf internationalen Schutz:

Die Staatsangehörigkeit und Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund des vorliegenden tunesischen Reisepasses Nr. XXXXfest.

Die Feststellung zu seinem Aufenthalt im Bundesgebiet seit mindestens März 2014 ergibt sich aus dem Datum seiner ersten Asylantragsstellung in Zusammenschau mit einer zmr-Auskunft.

Der Beschwerdeführer hatte im Verfahren zu seinem ersten Antrag auf internationalen Schutz vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und auch in seiner niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA am 31.03.2014 angegeben, gesund zu sein. Es wurden auch keine ärztlichen Befunde vorgelegt, sodass das BFA in seinem Bescheid vom 07.04.2014 keine gesundheitlichen Einschränkungen des Beschwerdeführers feststellte. Entsprechend wurde die Feststellung getroffen: "Sie sind gesund und nehmen keine Medikamente ein." (Bescheid Seite 10). Der Bescheid erwuchs unangefochten in erster Instanz in Rechtskraft.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren keine neuen Asylgründe vorbrachte, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben im Zuge seiner polizeilichen Erstbefragung und in seinen niederschriftlichen Einvernahmen vor dem BFA. So gab er am 01.10.2018 vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes wörtlich zu Protokoll: "Ich habe keine neuen Fluchtgründe. Ich habe in Tunesien weder politische noch religiöse Probleme." (AS 11). Gegenüber dem BFA erklärte er am 08.10.2018, keinerlei Probleme in Tunesien zu haben. Er habe keinen neuen Asylantrag stellen wollen. In seiner jüngsten Einvernahme durch das BFA am 27.02.2020 erklärte er neuerlich, keine Fluchtgründe zu haben. Jedoch machte er psychische Probleme geltend und erklärte, Medikamente gegen Schizophrenie zu nehmen. In der Beschwerde wurde nur allgemein und ohne die Nennung weiterer Details behauptet, gegen den Beschwerdeführer seien in seiner Heimat Verfolgungshandlungen gesetzt worden, die bei einer Rückkehr sicher wieder auch gegen ihn gesetzt werden können. Es wurden damit keine asylrelevanten Umstände substantiiert geltend gemacht, die seit Rechtskraft des vorangegangenen Asylverfahrens entstanden wären.

Der Beschwerdeführer legte im gegenständlichen die folgenden Befunde und ärztlichen Bestätigungen vor, auf deren Grundlage die Feststellungen zu seinem Gesundheitszustand getroffen wurden:

- Fachärztliche Befundberichte der Psychosozialen Dienste XXXX vom 17.08.2018, 17.09.2018 und 13.01.2020

- Patientenbrief der Krankenanstalt XXXX vom 20.06.2018

- Radiologischer Befundbericht der Krankenanstalt XXXX vom 19.06.2018

- chronologische Krankengeschichte der JA XXXX vom 06.03.2020

- Behandlungsmitteilung der JA XXXX vom 06.03.2020 (Olanzapin, Solian)

Wie sich aus den vorgelegten Unterlagen ergibt, hat sich in Hinblick auf den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers seit rechtskräftigem Abschluss des Vorverfahrens eine Änderung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes ergeben.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1.1 Prüfungsumfang:

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

3.1.2 Zum Unterbleiben der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Die Verhandlung kann nach Abs. 2 entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (Z 1) oder die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist (Z 2).

In Bezug auf Spruchpunkt I. ist der Sachverhalt unbestritten; es wurden im ganzen Verfahren keine neuen Fluchtgründe vorgebracht, auch in der Beschwerde nicht. Da die sonstigen Spruchpunkte zu beheben waren, konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG unterbleiben.

Zu A)

3.2 Zur Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status eines Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Entschiedene Sache liegt vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert haben. Aus § 68 AVG ergibt sich, dass Bescheide mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit auch prinzipiell unwiderrufbar werden, sofern nichts anderes ausdrücklich normiert ist. Über die mit einem rechtswirksamen Bescheid erledigte Sache darf nicht neuerlich entschieden werden.

Das BFA hatte den Folgeantrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 01.10.2018 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten mit Bescheid vom 16.03.2020 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und zu Recht darauf verwiesen, dass der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren keine neuen Fluchtgründe vorgebracht hat. Einer neuerlichen Sachentscheidung hinsichtlich des Status des Asylberechtigten steht daher die Rechtskraft des vorangegangenen Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.04.2014 entgegen.

Hinsichtlich des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG 2005 behauptete der Beschwerdeführer vor dem BFA keine Sachverhaltsänderung, die die Gewährung von Asyl rechtfertigen könnte.

Aus diesem Grund erweist sich die Zurückweisung des neuerlichen Antrages, insoweit sich dieser auf die Gewährung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG 2005 bezieht, als rechtmäßig.

3.3 Zur Behebung der restlichen Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides:

Das BFA hatte den Folgeantrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 01.10.2018 auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Spruchpunkt II. des Bescheides vom 16.03.2020 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

Da die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen hat, ist Prozessgegenstand der vorliegenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes nur die Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisung, nicht aber der zurückgewiesene Antrag selbst. Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben (nochmals) zu überprüfen; die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (vgl. VwGH 25. 4. 2002, 2000/07/0235; VwGH 15. 10. 1999, 96/21/0097).

Nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zu dieser Bestimmung liegen verschiedene "Sachen" im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG dann vor, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern (vgl. VwGH 24. 2. 2005, 2004/20/0010 bis 0013; VwGH 4. 11. 2004, 2002/20/0391; VwGH 20. 3. 2003, 99/20/0480; VwGH 21. 11. 2002, 2002/20/0315).

In der Beschwerde wird eine Verletzung der in Art 2 und 3 EMRK geschützten Rechte des Beschwerdeführers aufgrund seiner psychischen Erkrankung behauptet. Zu überprüfen ist daher, ob in Bezug auf die gesundheitliche Situation des Beschwerdeführers eine Änderung eingetreten ist, welche ein anderes Ergebnis in Bezug auf die Frage des subsidiären Schutzes nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen lässt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach erkannt, dass die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten kann, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte beruhenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen (vgl. u.a. VwGH 06.11.2009, Zl. 2008/19/0174). Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend (vgl. u. a. VwGH 06.11.2009, Zl. 2008/19/0174). Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. VwGH 21.08.2001, Zl. 200/01/0443 und zuletzt VwGH, 25.05.2016, Ra 2016/19-0036-5).

Es ist unbestritten, dass nach der allgemeinen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK und Krankheiten eine Überstellung nach Tunesien dann nicht zulässig wäre, wenn dem Beschwerdeführer dort wegen fehlender Behandlung schwerer Krankheiten eine existenzbedrohende Situation drohen würde.

Im ersten Asylverfahren hatte der Beschwerdeführer keinerlei gesundheitliche Beeinträchtigungen geltend gemacht. Im gegenständlichen Verfahren legte er verschiedene Befunde vor, wonach er an einer akut polymorphen psychotischen Störung mit Symptomen einer Schizophrenie (ICD-10: F23.1) und einer DD Psychotischen Störung durch Cannabis (ICD-10: F12.5) leidet, sich deshalb für zwei Tage in stationärer Behandlung befand und seit dem 17.08.2018 psychiatrisch betreut wird. Laut den vorgelegten Unterlagen sei es notwendig, dass der Beschwerdeführer die ihm verordneten Medikamente regelmäßig einnehme.

Es ist daher von einer erheblichen Änderung in Bezug auf den gesundheitlichen Zustand des Beschwerdeführers auszugehen und kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass dies keine Relevanz für die Beurteilung der Frage des subsidiären Schutzes hat.

Das Bundesverwaltungsgericht betont in diesem Zusammenhang, dass damit keineswegs einer Entscheidung über die Frage des subsidiären Schutzes vorgegriffen werden soll, sondern dass lediglich festgestellt wird, dass eine erhebliche Sachverhaltsänderung eingetreten ist.

Das BFA würdigte die neu aufgetretene Erkrankung des Beschwerdeführers in der verfahrensgegenständlich angefochtenen Entscheidung nicht und traf lediglich die Feststellung, dass der Beschwerdeführer an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung leide und sich hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten keine Änderung ergeben habe.

Damit übersieht die Behörde, dass eine psychische Erkrankung in Bezug auf eine mögliche Verletzung der in Art 2 und 3 EMRK geschützten Rechte sehr wohl relevant sein kann. Es kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass eine andere Beurteilung in Bezug auf die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten erfolgen könnte.

Bei einer behaupteten Lageänderung in einem Folgeantrag, die - im Vergleich zum rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren - nicht von vornherein als ungeeignet anzusehen ist, ein anderes Ergebnis zu erzielen, darf keine Zurückweisung des bezughabenden Antrages wegen entschiedener Sache stattfinden, sondern hat eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem neuen Vorbringen zu erfolgen. Auch wenn gegenständlich keine neuen Fluchtgründe vorgebracht wurden, hat sich durch die Erkrankung des Beschwerdeführers eine Sachverhaltsänderung ergeben, die eine inhaltliche Prüfung in Bezug auf die Frage des subsidiären Schutzes notwendig macht (vgl etwa in Bezug auf die Änderung der allgemeinen Lage VwGH 12.10.2016, Ra 2015/18/0221).

Es ist daher eine umfassende inhaltliche Prüfung des psychischen Zustandes des Beschwerdeführers erforderlich und in der Folge eine Beurteilung, ob im Fall einer Rückführung eine Verletzung der in Art 2 und 3 EMRK geschützten Rechte mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist; in diesem Zuge ist gegebenenfalls auch zu überprüfen, ob der Beschwerdeführer in Tunesien Zugang zu den von ihm benötigten Medikamente erhalten würde.

Die Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz erfolgte somit hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zu Recht. Spruchpunkt II. war daher ebenso zu beheben wie die darauf aufbauenden Spruchpunkte.

Hat die belangte Behörde einen Antrag zurückgewiesen, so ist Sache des Beschwerdeverfahrens lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung. Eine erstmalige inhaltliche Entscheidung über den zugrunde liegenden Antrag hätte demgegenüber den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens überschritten (VwGH 12.10.2015, Ra 2015/22/0115). Dem Antrag in der Beschwerde auf eine inhaltliche Entscheidung kann daher nicht entsprochen werden.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

Abschiebung Asylantragstellung Asylverfahren Behebung der Entscheidung Einreiseverbot Einreiseverbot aufgehoben entschiedene Sache Folgeantrag geänderte Verhältnisse gesundheitliche Beeinträchtigung Identität der Sache Kassation psychische Erkrankung Rechtskraft der Entscheidung Rechtskraftwirkung res iudicata Rückkehrentscheidung Spruchpunktbehebung subsidiärer Schutz wesentliche Änderung wesentliche Sachverhaltsänderung Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I406.2201537.2.00

Im RIS seit

18.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

18.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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