Entscheidungsdatum
07.05.2020Norm
AsylG 2005 §10Spruch
I422 2155907-2/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas BURGSCHWAIGER über die Beschwerde des XXXX, geb. am XXXX, StA. Irak, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung Diakonie Flüchtlingsdienst GmbH, Wattgasse 48/3. Stock, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.01.2019, Zl. 1071901800-150610774/BMI-BFA_STM_AST_01, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. mit der Maßgabe abgewiesen, dass dieser zu lauten hat:
"Gemäß § 13 Abs. 2 Z 3 AsylG haben Sie Ihr Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 06.04.2018 verloren."
Im Übrigen wird der Beschwerde stattgegeben und der Bescheid hinsichtlich der Spruchpunkte II. bis VI. ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und stellte am 03.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) vom 18.04.2017, Zl. 1071901800-150610774, hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Irak (Spruchpunkt II.) abgewiesen wurde. Zugleich wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt III.). Des Weiteren setzte die belangte Behörde eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt IV.). Dagegen erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig und zulässig mit Schriftsatz vom 03.05.2017 das Rechtsmittel der Beschwerde und ist derzeit das Beschwerdeverfahren beim erkennenden Gericht anhängig.
2. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid der belangten Behörde vom 18.01.2019, Zl. 1071901800-150610774/BMI-BFA_STM_AST_01, wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 und 2 AsylG sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 11.06.2018 verloren habe (Spruchpunkt I.). Darüber hinaus wurde ihm kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt (Spruchpunkt II.), gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt III.) sowie festgestellt, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt IV.). Die belangte Behörde gewährte dem Beschwerdeführer für seine freiwillige Ausreise eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt V.) und erließ gegen ihn ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VI.).
3. Dagegen erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 20.02.2019 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde. Es wurde inhaltliche Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie die Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung ein für den Beschwerdeführer günstigerer Bescheid erzielt worden wäre, moniert.
4. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.09.2019 wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung des erkennenden Richters zugewiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zum Verfahrensgang:
Die im Verfahrensgang geschilderten - unstrittigen - Ausführungen werden zu Feststellungen erhoben. Ergänzend werden darüber hinaus folgende Feststellungen getroffen:
1.2. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist irakischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Araber und bekennt sich zum schiitischen muslimischen Glauben. Der volljährige Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Sorgepflichten. Seine Identität steht nicht fest.
Der Beschwerdeführer reiste im Jahr 2015 unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und hält sich seit (mindestens) 03.06.2015 in Österreich auf. Er ist seitdem - mit lediglich kurzen Unterbrechungen - im Bundesgebiet aufrecht gemeldet.
Mit Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Graz zu 19 HR 53/18w wurde über den Beschwerdeführer am 06.04.2018 wegen des Verdachts des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 SMG die Untersuchungshaft verhängt.
Anklageerhebung betreffend die zweite Verurteilung, dem 21.12.2018. Insoweit ist jedoch darauf hinzuweisen, dass bereits mit 17.05.2018
Der Beschwerdeführer weist in Österreich nachstehende strafrechtliche Verurteilungen auf:
Am 17.05.2018 wurden gegen den Beschwerdeführer erstmals Anklage erhoben. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 11.06.2018 zu 6 Hv 56/2018m wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall SMG sowie wegen der Vergehen des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 12 Monaten, wovon zehn Monate unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden, rechtskräftig verurteilt. Dieses Urteil erwuchs am 11.06.2018 in Rechtskraft.
Eine zweite Anklageerhebung folgte am 21.12.2018 und wurde der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 11.03.2019 zu 32 Hv 1/2019s wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall SMG unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 11.06.2018 zu 6 Hv 56/2018m gemäß den §§ 31, 40 StGB (Zusatzstrafe) zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von sechs Monaten verurteilt, welche unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Dieses Urteil erwuchs am 15.03.2019 in Rechtskraft.
1.3. Zu den asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer stellte am 03.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, den die belangte Behörde mit Bescheid vom 18.04.2017, Zl. 1071901800-150610774 negativ beschied. Zugleich erließ sie über ihn eine Rückkehrentscheidung und erklärte seine Abschiebung für zulässig. In der dagegen fristgerecht erhobenen und beim Bundesverwaltungsgericht anhängigen Beschwerde erging noch keine Entscheidung.
Infolge der Straffälligkeit des Beschwerdeführers erließ die belangte Behörde den verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 18.01.2019, Zl. 1071901800-150610774/BMI-BFA_STM_AST_01, mit dem sie den Verlust seines Aufenthaltsrechtes, eine Rückkehrentscheidung und ein siebenjähriges Einreiseverbot aussprach.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Sachverhalt:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung des bekämpften Bescheides und der Angaben des Beschwerdeführers im Beschwerdeschriftsatz. Einsicht genommen wurde zusätzlich in den Akt des erkennenden Gerichtes, GZ: I422 2155907-1, insbesondere in die dort vorliegenden gekürzten Urteilsausfertigungen, und wurden Auskünfte aus dem Strafregister der Republik Österreich, dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR) und dem Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung (GVS) ergänzend eingeholt.
2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seiner Staatsangehörigkeit und seiner Glaubens- und Volksgruppenzugehörigkeit ergeben sich aus seinen diesbezüglichen glaubhaften und nicht widerlegten Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der belangten Behörde im Asylverfahren, dessen Informationen dem erkennenden Gericht (vgl. GZ: I422 2155907-1), vorliegen. Die belangte Behörde hat diese Feststellungen korrekt und nachvollziehbar gewürdigt. Aus dem Beschwerdevorbringen sind keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen aufgekommen.
Da der Beschwerdeführer den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente vorgelegt hat, steht seine Identität nicht zweifelsfrei fest.
Die Feststellungen betreffend seine unrechtmäßige Einreise und seinen Aufenthalt im Bundesgebiet ergeben sich aus den nachvollziehbaren Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde im Asylverfahren. Aus einem aktuellen ZMR-Auszug ergibt sich die Feststellung bezüglich seiner Wohnsitzmeldung in Österreich. Ersichtlich ist weiters, dass der Beschwerdeführer von 20.08.2015 bis 08.09.2015, 17.02.2016 bis 18.02.2016 sowie von 12.06.2018 bis 01.07.2018 über keinen aufrecht gemeldeten Wohnsitz verfügte.
Die Feststellung hinsichtlich der Verhängung der Untersuchungshaft ergibt sich aus der im Verwaltungsakt einliegenden Verständigung der belangten Behörde vom 06.04.2018.
Seine strafgerichtlichen Verurteilungen ergeben sich aus dem aktuellen Auszug aus dem Strafregister der Republik Österreich und den sich im Akt des erkennenden Gerichtes zur GZ: I422 2155907-1 befindlichen gekürzten Urteilsausfertigungen des Landesgerichtes für Strafsachen Graz. Die jeweiligen Anklageerhebungen sind durch die im Verwaltungsakt befindlichen Verständigungen der belangten Behörde vom 06.04.2018 und 21.12.2018 ersichtlich.
2.3. Zu den asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren:
Die Feststellungen zu den asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren ergeben sich aus den vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakte zu I422 2155907-1 und I422 2155907-2.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde
3.1. Zum Verlust des Aufenthaltsrechtes (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
3.1.1. Rechtslage:
Gemäß § 13 Abs. 1 AsylG ist ein Asylwerber, dessen Asylverfahren zugelassen ist, bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder bis zum Verlust des Aufenthaltsrechtes (Abs. 2) zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Ein auf Grund anderer Bundesgesetze bestehendes Aufenthaltsrecht bleibt unberührt.
Gemäß § 13 Abs. 2 AsylG verliert ein Asylwerber sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet, wenn
1. dieser straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3),
2. gegen den Asylwerber wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung, die nur vorsätzlich begangen werden kann, eine Anklage durch die Staatsanwaltschaft eingebracht worden ist,
3. gegen den Asylwerber Untersuchungshaft verhängt wurde (§§ 173 ff StPO, BGBl. Nr. 631/1975) oder
4. der Asylwerber bei der Begehung eines Verbrechens (§ 17 StGB) auf frischer Tat betreten worden ist.
Der Verlust des Aufenthaltsrechtes ist dem Asylwerber mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Wird ein Asylwerber in den Fällen der Z 2 bis 4 freigesprochen, tritt die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung der Straftat zurück (§§ 198 ff StPO) oder wird das Strafverfahren eingestellt, lebt sein Aufenthaltsrecht rückwirkend mit dem Tage des Verlustes wieder auf.
Hat ein Asylwerber sein Recht auf Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß Abs. 2 verloren, kommt ihm faktischer Abschiebeschutz (§ 12) zu (§ 13 Abs. 3 AsylG). Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat im verfahrensabschließenden Bescheid über den Verlust des Aufenthaltsrechtes eines Asylwerbers abzusprechen (§ 13 Abs. 4 AsylgG).
Der Verlust des Aufenthaltsrechts tritt dabei bereits ex lege mit Rechtskraft der Verurteilung ein. Der daraufhin vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu erlassende Bescheid hat lediglich deklarative Wirkung (vgl. VwGH 15.03.2018, Ra 2018/21/0018).
Gemäß § 2 Abs. 3 AsylG ist ein Fremder im Sinne des AsylG u.a. straffällig geworden, wenn er wegen einer vorsätzlich begangenen gerichtlich strafbaren Handlung, die in die Zuständigkeit des Landesgerichtes fällt, rechtskräftig verurteilt worden ist.
3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 11.06.2018, rechtskräftig seit 11.06.2018, zu 6 Hv 56/2018m wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall SMG sowie wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 12 Monaten, wovon zehn Monate unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden, verurteilt.
Nach Erlassung des gegenständlichen Bescheides wurde der Beschwerdeführer überdies mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 11.03.2019 zu 32 Hv 1/2019s rechtskräftig wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall SMG unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 11.06.2018 zu 6 Hv 56/2018m gemäß den §§ 31, 40 StGB (Zusatzstrafe) zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von sechs Monaten verurteilt, welche unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.
Die belangte Behörde hat sich im bekämpften Bescheid vorwiegend auf § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG gestützt, da beide Urteile des Landesgerichtes - wie zuvor festgestellt - in Rechtskraft erwachsen sind. Darüber hinaus handelt es sich bei sämtlichen Straftaten um vom Beschwerdeführer vorsätzlich begangene gerichtlich strafbare Handlungen.
Der Beschwerdeführer erfüllt jedoch zusätzlich die - wie auch im Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides angenommen - Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 Z 2 AsylG, da die belangte Behörde von der Anklageerhebung der gerichtlich strafbaren Handlung, welche nur vorsätzlich begangen werden kann, Kenntnis erlangte. Die belangte Behörde stützt sich allerdings lediglich auf das Datum der Anklageerhebung betreffend die zweite Verurteilung, dem 21.12.2018. Insoweit ist jedoch darauf hinzuweisen, dass bereits mit 17.05.2018 Anklage gegen den Beschwerdeführer erhoben wurde, aus welcher sodann die erste strafgerichtliche Verurteilung resultierte.
Im vorliegenden Fall wurde über den Beschwerdeführer mit Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Graz am 06.04.2018 zu 19 HR 53/18w die Untersuchungshaft verhängt und erfolgte die Verständigung der belangten Behörde am selben Tag. Somit ist überdies der Tatbestand des § 13 Abs. 2 Z 3 AsylG erfüllt, sodass der Beschwerdeführer bereits ab dem 06.04.2018 sein Aufenthaltsrecht gemäß § 13 Abs. 2 Z 3 AslyG ex lege verloren hat. Sein Aufenthaltsrecht ist aufgrund seiner anschließenden, rechtskräftigen Verurteilung nicht wiederaufgelebt und verfügt er auch über keinen anderen Aufenthaltstitel.
Da die belangte Behörde über den Verlust des Aufenthaltsrechts im Bundesgebiet im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen hat (§ 13 Abs. 4 AsylG), ist allerdings fraglich, ob die belangte Behörde über den Verlust des Aufenthaltsrechts mit Bescheid absprechen durfte, nachdem sie - wie hier - den verfahrensabschließenden Bescheid bereits erlassen hatte. Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu dieser Frage fehlt. Dagegen spricht der Wortlaut der Bestimmung ("im verfahrensabschließenden Bescheid"). Dafür spricht, dass nach den Materialien ein Bescheid erlassen werden soll, um etwaige Rechtschutzdefizite zu vermeiden (ErläutRV 1803 BlgNr 24. GP 40). Der Gesetzgeber wollte daher sicherstellen, dass die Annahme der belangten Behörde, dass der Asylwerber sein Aufenthaltsrecht verloren hat, einer verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegen soll. Dies bedingt die Erlassung eines überprüfbaren Bescheids. Würde man davon ausgehen, dass kein Bescheid zu erlassen wäre, wenn das - auch im laufenden Beschwerdeverfahren grundsätzlich bestehende - Aufenthaltsrecht während anhängigem Beschwerdeverfahren wegfällt, käme es zu genau den Rechtschutzlücken, die der Gesetzgeber vermeiden wollte. Davon kann nicht ausgegangen werden. § 13 Abs. 4 AsylG ist in diesem Sinne daher so zu interpretieren, dass die belangte Behörde auch außerhalb des verfahrensabschließenden Bescheids mit Bescheid über den Verlust des Rechts auf Aufenthalt im Bundesgebiet absprechen darf. Die belangte Behörde hat daher zu Recht über den Verlust des Aufenthaltsrechts abgesprochen.
Seitens des Beschwerdeführers wurde in der Beschwerde nicht thematisiert, dass die belangte Behörde nach Erlassung des verfahrensabschließenden Bescheides allenfalls nicht mehr berechtigt gewesen wäre, über den Verlust des Aufenthaltsrechtes des Beschwerdeführers abzusprechen. Das Beschwerdevorbringen steht somit dem Ausspruch, dass der Beschwerdeführer sein Aufenthaltsrecht verloren hat, nicht entgegen.
Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich des Spruchpunktes I. des angefochtenen Bescheides mit der Maßgabe als unbegründet abzuweisen war, dass das Aufenthaltsrecht ab dem 06.04.2018 verlorenging.
3.2. Zur Behebung der Spruchpunkte II. bis VI. des angefochtenen Bescheides:
3.2.1. Rechtslage:
Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird (Z 1), der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird (Z 2), der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird (Z 3), einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt (Z 4) oder einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird (Z 5) und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.
Gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.
Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird (Z 1), dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird (Z 2), ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt (Z 3) oder ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird (Z 4) und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige (§ 52 Abs. 2 FPG).
Gemäß § 58 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird (Z 1), der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird (Z 2), einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt (Z 3), einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird (Z 4) oder ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt (Z 5).
Gemäß § 52 Abs. 9 FPG ist mit der Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten (§ 53 Abs. 1 FPG).
Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt (§ 55 Abs. 1 FPG).
3.2.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:
Anhand der zuvor zitierten Gesetzesbestimmungen § 10 Abs. 1 AsylG und § 52 Abs. 2 FPG ist die Rückkehrentscheidung mit der negativen Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz "zu verbinden" bzw. hat sie "unter einem" zu ergehen; sie setzt also die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz voraus. Die aktuelle höchstgerichtliche Rechtsprechung führt damit im Einklang Folgendes aus:
Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt darauf aufbauendem Einreiseverbot ist nicht zulässig, bevor über einen anhängigen Antrag auf internationalen Schutz abgesprochen wurde; und zwar auch dann, wenn ein Rückkehrentscheidungsverfahren - unabhängig vom Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz - bereits anhängig ist. Zugleich mit der Rückkehrentscheidung ist nämlich die Feststellung nach § 52 Abs. 9 FrPolG 2005 zu treffen, dass (nunmehr: ob) die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist; dies würde aber - jedenfalls in Bezug auf den Herkunftsstaat - bedeuten, das Ergebnis des Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz, in dem diese Frage erst zu klären ist, in unzulässiger Weise vorwegzunehmen. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung vor der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ist daher grundsätzlich nicht zulässig. Diese Überlegungen sind auch vor dem Hintergrund der geltenden Rechtslage aufrechtzuerhalten (vgl. VwGH 26.06.2019, Ra 2019/21/0146 mit Verweis auf die folgende VwGH-Judikatur: 04.08.2016, Ra 2016/21/0162; 15.03.2018, Ra 2017/21/0138; 25.09.2018, Ra 2018/21/0107).
Insoweit ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung vor der rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz, dessen Beschwerdeverfahren derzeit am Bundesverwaltungsgericht anhängig ist, nicht zulässig. Die erlassene Rückkehrentscheidung der belangten Behörde war somit - in Übereinstimmung mit dem Beschwerdevorbringen - gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos zu beheben.
Da - wie unter Punkt. 3.2.1. ersichtlich - die Spruchpunkte IV. bis VI. des bekämpften Bescheides mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung im direkten Zusammenhang stehen und darauf aufbauen, waren die weiteren damit verbundenen Aussprüche ersatzlos zu beheben.
4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Die Verhandlung kann nach Abs. 2 Z 1 entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.
Da hinsichtlich Spruchpunkt I. lediglich Rechtsfragen zu klären waren und die restlichen Spruchpunkte bereits aufgrund der Aktenlage ersatzlos zu beheben waren, konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 und 4 VwGVG abgesehen werden.
Zu B) Zulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Nach Art 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn es von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Das Erkenntnis ist von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängig, weil es zur Frage, ob die belangte Behörde auch außerhalb des verfahrensabschließenden Bescheides über den Verlust des Rechts auf Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 13 Abs. 4 AsylG absprechen darf, an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs fehlt.
Schlagworte
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ECLI:AT:BVWG:2020:I422.2155907.2.00Im RIS seit
18.09.2020Zuletzt aktualisiert am
18.09.2020