TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/12 I412 2181864-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.05.2020
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Entscheidungsdatum

12.05.2020

Norm

AsylG 2005 §13
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §54
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §55 Abs1 Z1
AsylG 2005 §55 Abs1 Z2
AsylG 2005 §55 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52
FPG §53
FPG §55 Abs4
IntG §11 Abs2
IntG §9 Abs4
NAG §81 Abs36
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

I412 2181864-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gabriele ACHLEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, RD Wien, vom 23.11.2017, Zl. IFA: XXXX Verfahren: XXXX, zu Recht erkannt:

A)

1. Die Beschwerde gegen Spruchpunkte I. und II. wird als unbegründet abgewiesen.

2. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und eine Rückkehrentscheidung gemäß § 9 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt.

XXXX wird gemäß §§ 54, 55 Abs 2 und 58 Abs 2 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von 12 Monaten erteilt.

3. In Erledigung der Beschwerde werden die Spruchpunkte IV., VI. und VII. ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste bereits im Jahr 2008 ins österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 02.06.2008 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Nach abweisender Entscheidung durch das Bundesasylamt wurde auch eine dagegen erhobene Beschwerde vom Asylgerichtshof am 27.10.2010 als unbegründet abgewiesen.

2. Nach zwei rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilungen am 28.07.2008 und 24.03.2010 wegen Vergehen und Verbrechen nach dem Suchtmittelgesetz zu Freiheitsstrafen in der Dauer von sechs Monaten und zwei Wochen (teilbedingt) bzw. 30 Monaten (unbedingt), stellte der Beschwerdeführer am 20.05.2011 neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Dieser wurde wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, eine Beschwerde dagegen vom Asylgerichtshof am 15.09.2011 abgewiesen.

3. Gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte er am 15.03.2016 und gab er in der Erstbefragung an, mit seiner Frau und Tochter in Österreich zusammen leben zu wollen. Er habe 1999/2002 Probleme an der Universität gehabt, weil sein Vortragender homosexuell gewesen sei. Die Leute beschimpften auch ihn, dass er homosexuell sei. Außerdem sei er schon lange aus seiner Heimat weg und würde ihm eine Rückkehr schwer fallen. Vor der belangten Behörde gab er befragt nach seiner neuerlichen Asylantragstellung an, dass er jetzt den eigentlichen Grund für seine Flucht angeben wolle. Sein Universitätsprofessor sei homosexuell gewesen und habe ihm Avancen gemacht. Er sei mit ihm auch intim geworden. Es sei nicht seine sexuelle Einstellung aber einem Professor widerspreche man nicht, weil man sonst keinen Abschluss bekomme. Die "Beziehung" sei bekannt geworden und wären er und der Lehrer blamiert gewesen. Eine Anzeige bei der Polizei habe er nicht gemacht, weil er sich damit nur noch größere Probleme eingehandelt hätte. Er habe diesen Grund in den vorherigen Asylverfahren nicht erwähnt, weil er annahm, auf dieselben Vorbehalte wie in Nigeria zu stoßen. Daher habe er auch eine Aliasidentität verwendet. Seinen richtigen Namen und den eigentlichen Fluchtgrund wolle er jetzt aber angeben.

4. Mit dem Bescheid vom 23.11.2017 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht (Spruchpunkt IV.). Zugleich erkannte die belangte Behörde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt V.). Ferner wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.). Außerdem wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 15.03.2016 verloren hat (Spruchpunkt VII.).

5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom 03.01.2018. Dem Beschwerdeführer sei es schwer gefallen, seinen Fluchtgrund vor einem männlichen Referenten zu erzählen und hätte er bei einer Einvernahme durch eine Organwalterin detailliertere Angaben machen können. Es werde daher beantragt, das weitere Verfahren vor einer Richterin zu führen und im Falle eine Dolmetscherin beizuziehen. Bei sorgfältiger Verfahrensführung wäre die belangte Behörde zum Schluss gekommen, dass dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr eine asylrelevante Verfolgung droht. Außerdem habe er sich in seinem knapp zehnjährigen Aufenthalt in Österreich integriert, er spreche sehr gut Deutsch, verkaufe eine Straßenzeitung und führe ein schützenswertes Familienleben in Österreich. Er und seine Lebensgefährtin sind Eltern einer 2013 geborenen Tochter und lebe im gemeinsamen Haushalt außerdem ein weiteres Kind seiner Frau, das österreichischer Staatsbürger sei. Er kümmere sich um beide Kinder gleichermaßen und wäre eine Fortführung des Familienlebens außerhalb Österreichs nicht möglich. Vor dem Hintergrund des Kindeswohls sei auch ein Einreiseverbot nicht verhältnismäßig. Zudem liege die letzte strafgerichtliche Verurteilung bereits lange zurück und gehe keine Gefährlichkeit vom Beschwerdeführer aus. Die Feststellung, dass er das Recht zum Aufenthalt wegen Straffälligkeit in den Jahren 2008 und 2009 verloren habe, gehe bei einem zugelassenen Asylverfahren ab dem Jahr 2016 außerdem ins Leere.

6. Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor. Mit Teilerkenntnis vom 10.01.2018, GZ I412 2181864-1/2E, wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

7. Zwischenzeitlich heiratete der Beschwerdeführer am 04.07.2018 die Mutter seiner 2013 geborenen Tochter und des Stiefsohnes und wurde am 01.05.2019 das zweite gemeinsame Kind des Paares geboren. Eingebracht wurden außerdem ein weiteres Empfehlungsschreiben, Abschlusszeugnisse der universitären Ausbildungen des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau und ein Arztbrief über den Behandlungsbedarf des Stiefsohnes.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer gehört der Volksgruppe der Ibo an, bekennt sich zum christlichen Glauben und stammt aus Imo State, Nigeria. Er spricht Ibo, Englisch und Deutsch auf Niveau B1. Er ist verheiratet, hat mit seiner Ehefrau zwei gemeinsame Kinder und lebt bei der Familie ein weiterer Sohn der Ehefrau. Der dreieinhalbjährige Stiefsohn leidet an einer Autismusspektrumstörung und ist eine Therapie empfohlen. Der Beschwerdeführer, seine Ehefrau und die 2013 und 2019 geborenen Kinder des Paares sind nigerianische Staatsangehörige, der 2016 geborene Sohn der Ehefrau ist Österreicher. Die Familienangehörigen halten sich auf folgenden Grundlagen in Österreich auf:

2013 geborene Tochter: Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus", gültig bis 14.08.2020

2019 geborener Sohn: Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte", gültig bis 21.03.2021

Ehefrau: Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" gültig bis 06.03.2020, ein Verlängerungsantrag wurde am 03.01.2020 gestellt. Die Familie lebt in einem gemeinsamen Haushalt in Wien 16.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.

Der Beschwerdeführer stellte bereits zuvor zwei Anträge auf internationalen Schutz, die jeweils nach Beschwerdeverfahren vom Asylgerichtshof abgewiesen wurden. Er hält sich seit (mindestens) 2008 in Österreich auf.

Die Eltern des Beschwerdeführers sind bereits verstorben, in Nigeria leben sich noch ein Bruder, eine Schwester und ein Stiefbruder, zu seinen Geschwistern hat er selten Kontakt.

Der Beschwerdeführer besuchte eine Universität in Nigeria und arbeitete etwa ein Jahr im Bereich Banken und Finanzen in Nigeria. Aufgrund seiner Ausbildung und Arbeitserfahrung in Nigeria und auch in Österreich hat er eine Chance, auch hinkünftig am nigerianischen Arbeitsmarkt unterzukommen.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich vorbestraft. Er wurde am 28.07.2008 und am 24.03.2010 von österreichischen Straflandesgerichten wegen Vergehens und Verbrechens nach dem Suchtmittelgesetz zu (teilbedingten) Freiheitsstrafen in der Dauer von sechs Monaten und zwei Wochen bzw. 30 Monaten verurteilt. Die Haftstrafen wurden am 01.06.2011 nach bedingter Entlassung endgültig vollzogen.

Der Beschwerdeführer verkauft in Österreich eine Straßenzeitung und arbeite auch als Zeitungszusteller und Abwäscher. Derzeit bezieht er auch Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung in Wien. Der Beschwerdeführer während seines Aufenthalts in Österreich integrative Schritte in verschiedenen Bereichen gesetzt und führt mit seiner Ehefrau und den zwei leiblichen Kindern und dem Stiefsohn ein Familienleben.

1.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:

Entgegen seinem Fluchtvorbringen kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aufgrund der knapp 20 Jahre zurückliegenden homosexuellen Avancen seines Universitätsprofessors einer Bedrohung durch die Gesellschaft oder staatliche Behörden in Nigeria ausgesetzt wäre.

1.3. Zu den Feststellungen zur Lage in Nigeria:

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 23.11.2017 getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten, allerdings liegt nunmehr eine Gesamtaktualisierung des Länderinformationsblattes vor. Dem Beschwerdeführer wurde Gelegenheit geboten, dazu Stellung zu nehmen. Er trat den Ausführungen nicht substantiiert entgegen, sodass sich das Bundesverwaltungsgericht auf die Ausführungen im aktuellen LIB vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt.

Eine nach Nigeria zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in die Akten der belangten Behörde zum gegenständlichen und zu den vorherigen Asylverfahren unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz sowie in das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria. Zusätzlich wurden Auszüge aus dem Zentralen Melderegister, dem Betreuungsinformationssystem des Bundes, des Zentralen Fremdenregisters und des Strafregisters der Republik Österreich eingeholt.

Der Beschwerdeführer bestreitet den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt nicht substantiiert und erstattete in der Beschwerde auch kein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen, sodass das Bundesverwaltungsgericht den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend ermittelt ansieht und sich der von der belangten Behörde vorgenommenen, nachvollziehbaren Beweiswürdigung vollumfänglich anschließt.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seinem Gesundheitszustand, seiner Arbeitsfähigkeit, seiner Herkunft, seiner Glaubens- und Volkszugehörigkeit sowie seiner Staatsangehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglichen glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde. Die Angaben zu seinen Familienangehörigen ergeben sich aus den vorgelegten Heirats- und Geburtsurkunden. Die Angaben über den Gesundheitszustand des Stiefsohnes basieren auf dem ärztlichen Befundbericht vom 02.03.2020. Die Identitäten der Angehörigen wurden außerdem durch Vorlage von Reisedokumenten belegt. Da der Beschwerdeführer selbst keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegte und bis zur Stellung des gegenständlichen Antrages unter einem Aliasnamen auftrat, steht seine Identität nicht zweifelsfrei fest.

Die rechtlichen Grundlagen der Aufenthalte der Ehefrau und der Kinder ergeben sich aus den eingeholten Auszügen aus dem Zentralen Fremdenregister. Dass die Familie in einem gemeinsamen Haushalt lebt, ergibt sich aus dem Zentralen Melderegister. Der Leistungsbezug des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem Betreuungsinformationssystem des Bundes. Durch Vorlage von Dienst- bzw. Werkverträgen und Bestätigungen des Arbeitgebers konnten die bisherigen beruflichen Tätigkeiten des Beschwerdeführers in Österreich festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer brachte im Laufe des Verfahrens auch eine Bestätigung über die absolvierte Deutschprüfung B1 und über 50 Empfehlungs- und Unterstützungsschreiben von Freunden und Bekannten in Vorlage, die ihn durchwegs als freundliche, sozial engagierte, kommunikative und verlässliche Person beschreiben. Außerdem war er ehrenamtlich für das Wiener Hilfswerk tätig (AS 71) und bestätigte der Herausgeber der Straßenzeitung, die er verkauft, dass der Beschwerdeführer regelmäßig am gemeinschaftlichen Freizeitangebot teilnimmt. In Zusammenschau mit den Deutschkenntnissen B1, der bisherigen beruflichen Tätigkeiten und der sozialen Eingliederung konnte festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Österreich in vielerlei Hinsicht integrative Schritte gesetzt hat und die Zeit seines Aufenthaltes jedenfalls genutzt hat, um sich in der österreichischen Gesellschaft einzufügen.

Die Feststellung über die strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.

2.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Nach der Rechtsprechung des VwGH ist der Begriff der Glaubhaftmachung im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften im Sinn der Zivilprozessordnung zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der Beschwerdeführer die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der hierzu geeigneten Beweismittel, insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers, voraus (vgl. VwGH 23.09.2014, Ra 2014/01/0058 mwN). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt ebenso wie die Beweisführung den Regeln der freien Beweiswürdigung (VwGH 27.05.1998, Zl. 97/13/0051). Bloßes Leugnen oder eine allgemeine Behauptung reicht für eine Glaubhaftmachung nicht aus (VwGH 24.2.1993, Zl. 92/03/0011; 1.10.1997, Zl. 96/09/0007).

Im Falle der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers sind positive Feststellungen von der Behörde nicht zu treffen (VwGH 19.03.1997, Zl. 95/01/0466).

Im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit von Angaben eines Asylwerbers hat der Verwaltungsgerichtshof als Leitlinien entwickelt, dass es erforderlich ist, dass der Asylwerber die für die ihm drohende Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe konkret und in sich stimmig schildert (VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294) und dass diese Gründe objektivierbar sind (VwGH 05.04.1995, Zl. 93/18/0289). Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, genügt zur Dartuung von selbst Erlebtem grundsätzlich nicht. Der Asylwerber hat im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach § 15 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage und allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert wahrheitsgemäß darzulegen (VwGH 15.03.2016, Ra 2015/01/0069; 30.11.2000, Zl. 2000/01/0356). Die Mitwirkungspflicht des Asylwerbers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).

Es entspricht ferner der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wenn Gründe, die zum Verlassen des Heimatlandes beziehungsweise Herkunftsstaates geführt haben, im Allgemeinen als nicht glaubwürdig angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens bzw. der niederschriftlichen Einvernahmen unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen oder mit tatsächlichen Verhältnissen bzw. Ereignissen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 06.03.1996, Zl. 95/20/0650). Die Unkenntnis in wesentlichen Belangen indiziert ebenso mangelnde Glaubwürdigkeit (VwGH 19.03.1997, Zl. 95/01/0466).

Zunächst ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer bis zur Stellung des gegenständlichen Antrages unter einer Aliasidentität vor Behörden auftrat und seine bisherigen Asylverfahren sich somit auf eine andere Identität bezogen. Diese jahrelange Vorgehensweise erschüttert die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers als Person bereits massiv und kommt hinzu, dass er den nunmehr vermeintlich wahren Fluchtgrund erst bei seinem dritten Antrag auf internationalen Schutz und somit acht Jahre nach seiner Einreise nach Österreich ins Treffen führt.

Befragt zu den Gründen für seine Vorgehensweise gab er Bedenken an, dass man ihm auch in Österreich aufgrund der angeblichen Homosexualität mit Vorbehalten gegenüber stehe, so wie in Nigeria. Es ist nicht nachvollziehbar, dass ein Asylwerber, der bemüht ist, in einem Land Aufnahme und Schutz zu finden, über Jahre seinen wahren Fluchtgrund verschweigt. In Anbetracht dessen, dass der Beschwerdeführer bereits im Jahr 2011 einen Folgeantrag stellte, nachdem ein Asylantrag schon zuvor nach Rechtszug zum Asylgerichtshof negativ beschieden wurde, und auch in seinem zweiten Antrag den eigentlichen Fluchtgrund nicht vorbrachte, widerspricht der allgemeinen Lebenserfahrung. Spätestens nach der ersten negativen Entscheidung musste dem Beschwerdeführer bereits klar sein, dass er alles seinem Wunsch auf Gewährung von internationalen Schutz Dienliche vorbringen und zumindest die Kernfluchtgeschichte möglichst umfassend und gleichbleibend schildern muss, sodass der Behörde erkennbar ist, welchen massiven Bedrohungen er im Herkunftsland ausgesetzt ist.

Es drängt sich vielmehr der Eindruck auf, dass der Beschwerdeführer seinen damals unrechtmäßigen Aufenthalt durch Stellung eines weiteren Asylantrages legalisieren wollte und gab er aus Hauptgrund bei der Ersteinvernahme auch an, dass er mit seiner Frau und Tochter weiterhin in Österreich zusammenleben wolle.

Aufgrund der oberflächlichen Angaben und der nicht nachvollziehbar dargelegten Verfolgungsgefahr, war dem Vorbringen, nach homosexuellen Avancen durch den Professor einer Bedrohung ausgesetzt zu sein, kein Glaube zu schenken. Den Vorwurf der belangten Behörde, sein Vorbringen nur detailarm dargelegt zu haben, versuchte er in der Beschwerde mit Schamgefühlen gegenüber einem männlichen Einvernahmeleiter zu begründen und wurde für das weitere Beschwerdeverfahren ein weiblich besetztes Gericht beantragt. Damit ist aber für den Beschwerdeführer nichts gewonnen. In der Einvernahme wurde er explizit nach seinem Wohlbefinden während der Einvernahme gefragt und ob er auch den Dolmetscher einwandfrei verstanden habe. Beide Fragen bejahte er und war der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Einvernahme bereits durch den MigrantInnenverein St. Marx vertreten, sodass ihn die Rechtsberatung jedenfalls darauf hinweisen hätte können, einen Einvernahmeleiter des Geschlechts seiner Wahl zu beantragen. Der Einwand, er hätte seinen Fluchtgrund genauer vor einer weiblichen Organwalterin geschildert, ist auch deshalb zu relativieren, weil dieser Umstand auch in der Stellungnahme zur Einvernahme (AS 519ff), eingebracht durch die Rechtsberaterin, nicht aufgegriffen wurde.

Selbst bei Wahrunterstellung des Vorbringens ist von einer innerstaatlichen Fluchtalternative auszugehen. Da es in Nigeria kein funktionierendes Meldesystem gibt, ist davon auszugehen, dass ihn seine Verfolger in einem anderen Landesteil nicht ausfindig machen können. Zudem wird ihn niemand wegen seiner angeblichen Homosexualität gefährden, da von den Vorkommnissen mit dem Professor in einem anderen Teilen Nigerias nichts bekannt ist.

Eine innerstaatliche Fluchtalternative wird von Seiten des Bundesverwaltungsgerichtes auch für zumutbar gehalten. Der Beschwerdeführer hatte zum Zeitpunkt seiner Ausreise den Universitätsabschluss bereits absolviert und in diesem Berufsfeld gearbeitet. Eine solche Tätigkeit hätte er auch in einem anderen Landesteil ausüben können. Auch hat er es geschafft, von Nigeria aus nach Europa zu gelangen und sich schließlich bis nach Österreich durchzuschlagen und sollte es ihm daher auch möglich sein, sich innerhalb seines Herkunftsstaates örtlich zu verändern.

Es ist für das Bundesverwaltungsgericht schlüssig nachvollziehbar, dass die belangte Behörde dieses Fluchtvorbringen als unglaubwürdig einstuft. Dieser Beurteilung tritt auch die Beschwerde in keiner Weise entgegen, sodass für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund besteht, an der Würdigung der belangten Behörde zu zweifeln. Daher schließt sich das Bundesverwaltungsgericht dieser Beweiswürdigung vollinhaltlich an.

Da der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde dem bekämpften Bescheid nicht substantiiert entgegen trat und sich seine Beschwerdebegründung darin erschöpfte, seine Fluchtgründe nach wie vor aufrecht zu halten und sie in seiner Beschwerde geltend zu machen, ergeben sich auch keine Zweifel am Zutreffen der von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen und ihrer Beweiswürdigung.

2.4. Zum Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Nigeria samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von Nichtregierungsorganisationen, wie bspw. Open Doors, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Der Beschwerdeführer trat diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland nicht substantiiert entgegen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1. Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

3.1.1. Rechtslage

Gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt der in Art 1 Absch A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 06.10.1999, 99/01/0279).

Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG 2005 erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinaus geht (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Der nunmehr vorgetragene Ausreisegrund des Beschwerdeführers liegt in Befürchtungen vor Verfolgung wegen einer angeblich homosexuellen Beziehung zu/mit seinem Professor. Diesem Vorbringen konnte wie in der Beweiswürdigung unter Punkt 2.3. bereits ausführlich dargestellt, kein Glaube geschenkt werden. Der Beschwerdeführer machte sohin keine wohlbegründete individuelle Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, geltend. Er hat somit keine asylrelevanten Verfolgungsgründe vorgebracht.

Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers rechtfertigt - vor dem Hintergrund der unbedenklichen Länderberichte über Algerien - aber auch aus folgenden Gründen nicht die Stattgabe seines Antrages auf internationalen Schutz:

Selbst wenn das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers als glaubhaft zu werten gewesen wäre, ist in Bezug auf den Herkunftsstaat des Beschwerdeführers gerichtsbekannt, dass in Nigeria grundsätzlich in anderen Teilen des Landes eine innerstaatliche Fluchtalternative iSd § 11 AsylG 2005 besteht, die im Allgemeinen auch zumutbar ist (zu diesem Erfordernis vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. März 2011, Zl. 2008/01/0047); im Besonderen wäre es vor allem dem Beschwerdeführer zumutbar gewesen, innerhalb Nigerias Schutz vor der von ihm behaupteten Gefahr zu suchen, da es sich bei ihm um einen gesunden Erwachsenen handelt, dem ein Ortswechsel ohne weiteres möglich gewesen wäre. Letzteres erschließt sich schon allein aus dem Umstand, dass es dem Beschwerdeführer schließlich auch gelungen ist, illegal nach Österreich einzureisen.

Die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl sind daher nicht gegeben. Aus diesem Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 3 Abs 1 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

3.2.1. Rechtslage

Gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Im Rahmen der Prüfung des Einzelfalls ist die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein - über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes - "real risk" einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (vgl VwGH 28.06.2011, 2008/01/0102). Die dabei aufgrund konkreter vom Fremden aufgezeigter oder von Amts wegen bekannter Anhaltspunkte anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (VwGH 15.12.2010, 2006/19/1354; 31.05.2005, 2005/20/0095, 31.03.2005, 2002/20/0582).

Die Abschiebung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also bezogen auf den Einzelfall die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art 3 EMRK ist nicht ausreichend (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174). Zu berücksichtigen ist auch, dass nur bei Vorliegen exzeptioneller Umstände, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet, die Gefahr einer Verletzung von Art 3 EMRK angenommen werden kann (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174; 19.11.2015, Ra 2015/20/0174 ua). Das Vorliegen solcher exzeptioneller Umstände erfordert detaillierte und konkrete Darlegungen (vgl VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 07.09.2016, Ra 2015/19/0303 ua).

3.2.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Dem Beschwerdeführer droht in Nigeria - wie oben bereits dargelegt wurde - keine asylrelevante Verfolgung.

Auch dafür, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Nigeria die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art 3 EMRK überschritten wäre, gibt es im vorliegenden Beschwerdefall keinen Anhaltspunkt. Der Beschwerdeführer ist volljährig, gesund und somit arbeitsfähig. Er hat eine universitäre Ausbildung genossen und in diesem Berufsfeld bereits in Nigeria, wenn auch nur kurz, gearbeitet. Auch die in Österreich gesammelte Arbeitserfahrung als Zeitungsverkäufer, -zusteller und Abwäscher kann in diesem Zusammenhang als hilfreich angesehen werden. Es wird ihm durch Annahme einer Tätigkeit, selbst wenn es sich um eine andere, als die erlernte bzw. um eine Hilfstätigkeit handelt, möglich sein, sich eine Existenz in Nigeria zu sichern. Außerdem leben noch die Geschwister des Beschwerdeführers in Nigeria, mit denen er zumindest gelegentlich in Kontakt steht. Er wäre zumindest in der ersten Zeit nach seiner Rückkehr nicht auf sich alleine gestellt.

Damit ist der Beschwerdeführer durch die Abschiebung nach Nigeria nicht in seinem Recht gemäß Art 3 EMRK verletzt, weil die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz im konkreten Fall gedeckt werden können. Dass der Beschwerdeführer allenfalls in Österreich wirtschaftlich gegenüber seiner Situation in Nigeria besser gestellt ist, genügt nicht für die Annahme, er würde in Nigeria keine Lebensgrundlage vorfinden und somit seine Existenz nicht decken können. Hierfür fehlen im vorliegenden Fall alle Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände.

Ganz allgemein besteht in Nigeria derzeit keine solche Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Art 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK (ZPEMRK) ausgesetzt wäre. Im Verfahren sind auch keine Umstände bekannt geworden und ergeben sich auch nicht aus dem amtliches Wissen darstellenden Länderinformationsblatt für Nigeria, die nahelegen würden, dass bezogen auf den Beschwerdeführer ein reales Risiko einer gegen Art 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw der Todesstrafe besteht.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 8 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 abzuweisen war.

Gemäß § 8 Abs. 3 leg. cit. sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht. Bereits aus diesem Grund ist der Antrag daher auch diesbezüglich abzuweisen.

3.3. Zur Rückkehrentscheidung, Zulässigkeit der Abschiebung und der Erteilung eines Aufenthaltstitels (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 58 Abs 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig auf Dauer unzulässig erklärt wurde. Es ist daher zu prüfen, ob eine Rückkehrentscheidung auf Basis des § 9 Abs 1 bis 3 BFA-VG für unzulässig zu erklären ist.

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet wie folgt (Abs 1 bis 3):

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre."

Im Hinblick darauf ist für den vorliegenden Fall Folgendes festzuhalten:

Der Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen ist (siehe etwa das Erkenntnis des VwGH vom 4. August 2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253, mwN). Der Beschwerdeführer lebt seit 2008 und damit seit über zwölf Jahren in Österreich. Die Aufenthaltsdauer spricht daher zunächst dafür, dass sein Interesse an einem Verbleib im Bundesgebiet ein schwerwiegendes ist.

Auch bei einem mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalt in Verbindung mit dem Vorliegen gewisser integrationsbegründender Aspekte ist aber dann nicht zwingend von einem Überwiegen des persönlichen Interesses auszugehen, wenn dem Umstände entgegenstehen, die das gegen einen Verbleib im Inland sprechende öffentliche Interesse verstärken bzw. die Länge der Aufenthaltsdauer im Inland relativieren (vgl. VwGH, Beschluss vom 23. Februar 2017, Ra 2016/21/0340, Erkenntnis vom 26. Jänner 2017, Ra 2016/21/0168). Im Sinne der höchstgerichtlichen Judikatur muss daher berücksichtigt werden, dass er zweimal strafrechtlich verurteilt wurde und seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen war. Ohne die Verurteilungen aufgrund Vergehens und Verbrechens nach dem Suchtmittelgesetz verharmlosen zu wollen, muss dem Beschwerdeführer diesbezüglich aber zu Gute gehalten werden, dass er sich während der Probezeit und auch danach nichts weiter hat zu Schulden kommen lassen und die letzte rechtskräftige Verurteilung bereits über zehn Jahre zurückliegt.

Auch wenn der Beschwerdeführer nunmehr seinen dritten Antrag auf internationalen Schutz stellte und seiner Ausreiseverpflichtung nach den ersten beiden Verfahren nicht nachkam, ist ihm die gegenständlich lange Verfahrensdauer von über vier Jahren nicht zuzurechnen. Er stellte den Antrag am 15.03.2016 und entschied die belangte Behörde darüber etwa eineinhalb Jahr später am 23.11.2017. Der Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung durch das Bundesverwaltungsgericht am 10.01.2018 zuerkannt und behängt das Beschwerdeverfahren seither beim genannten Gericht. Es übersteigt jedenfalls das Maß dessen, was für ein rechtsstaatlich geordnetes, den verfassungsrechtlichen Vorgaben an Sachverhaltsermittlungen und Rechtschutzmöglichkeiten entsprechendes Asylverfahren angemessen ist. Es liegt somit ein Fall vor, in dem die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der einreise- und fremdenrechtlichen Vorschriften sowie der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung angesichts der langen Verfahrensdauer oder der langjährigen Duldung des Aufenthaltes im Inland nicht mehr hinreichendes Gewicht haben, die Rückkehrentscheidung als "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" erscheinen zu lassen (vgl. VfSlg 18.499/2008, 19.752/2013; EGMR 04.12.2012, Fall Butt, Appl. 47.017/09, Z 85 f.).

Die Bestätigung über die Tätigkeit als Zeitungsverkäufer und seine Bereitschaft, ehrenamtliche Tätigkeiten zu übernehmen, sprechen zwar per se nicht für einen überdurchschnittlichen Grad der Integration. Die soziale Verfestigung spiegelt sich jedoch nicht zuletzt auch in den zahlreichen Unterstützungserklärungen von Freunden und Bekannten in Österreich wieder und hat sich der Beschwerdeführer auch in sprachlicher Hinsicht durch Absolvierung der Prüfung B1 um weitergehende Integration bemüht.

Entgegen den Ansichten der belangten Behörde, wonach zwar das Zusammenleben mit der Lebensgefährtin und dem gemeinsamen Kind bejaht wurde, das Bestehen eines Familienlebens aber dennoch verneint wurde, stellt die erkennende Richterin fest, dass der Beschwerdeführer eindeutig ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK führt. Zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung lebte er mit der Lebensgefährtin, dem gemeinsamen und dem Stiefkind an derselben Adresse und hat sich das Familienleben dahingehend intensiviert, dass er die Partnerin geheiratet hat und das Paar ein weiteres gemeinsames Kind, geboren im Mai 2019, hat.

Nach ständiger Rechtsprechung des EGMR entsteht ein von Art 8 Abs 1 EMRK geschütztes Familienleben zwischen Eltern und Kind mit dem Zeitpunkt der Geburt (vgl. EGMR, 21.6.1988, Berrehab, Appl. 10730/84 [Z21]; 26.5.1994, Keegan, Appl. 16969/90 [Z44]).

Gestattet ein Mitgliedstaat einer fremden Person, den Ausgang eines auswanderungsrechtlichen Verfahrens im Inland abzuwarten und ermöglicht er ihr so, ein Familienleben zu begründen, führt dies aber nicht automatisch zu einer aus Artikel 8 EMRK resultierenden Verpflichtung, die Niederlassung zu erlauben. Wurde das Familienleben zu einer Zeit begründet, während der sich die betroffene Person über die Unsicherheit ihres Aufenthaltsstatus im Klaren war, kann ihre Ausweisung nur unter außergewöhnlichen Umständen gegen Artikel 8 EMRK verstoßen. Solche außergewöhnlichen Umstände können sich insbesondere aus einer sehr langen Aufenthaltsdauer und den Auswirkungen der Ausweisung auf die dadurch betroffenen Kinder ergeben (EGMR, Urteil vom 03. Oktober 2014, J. gegen die Niederlande, Nr. 12.738/10). Auch wenn die Interessen der Kinder allein nicht entscheidend sein können, muss solchen Interessen auf jeden Fall erhebliches Gewicht beigemessen werden.

Erstmals benannte der EGMR im Urteil Üner (Üner gegen die Niederlande vom 18. Oktober 2006) das Kindeswohl als eigenständiges Kriterium der Interessensabwägung. In diesem Urteil wurde das Kindeswohl (als untergeordnetes Element) sowie das sehr stark ausgeprägte Privat- und Familienleben des Vaters (noch) von den ebenfalls sehr gewichtigen öffentlichen Interessen an einem Aufenthaltsverbot überwogen. Im Urteil Rodrigues da Silva und Hoogkamer überwog das explizit genannte Kindeswohl die öffentlichen Interessen an einer Ausweisung. Aus diesen Urteilen ist erkennbar, dass der EGMR in zunehmender Intensität die Bedeutung der Beziehung zwischen Kindern und dem Elternteil, welches die wichtigste Bezugsperson für diese ist, für das Kindeswohl anerkannt hat. Mit den Urteilen Nunez (Urteil vom 28. Juni 2011, Nunez gegen Norwegen, Nr. 55597/09 und Udeh (Urteil vom 16. April 2013, Udeh gg. Schweiz, Nr. 12020/09) hat der EGMR inzwischen hervorgehoben, dass es für das Kindeswohl von großer Bedeutung ist, mit beiden Elternteilen aufzuwachsen. Gleichzeitig wurde das Recht des Beschwerdeführers auf ein gemeinsames Leben (mit der Kernfamilie) als eines der grundlegenden Aspekte des Rechtes auf Achtung des Familienlebens hervorgehoben. In einer Gesamtbetrachtung in der das Kindeswohl zu berücksichtigen ist, tritt jedoch die Frage, ob das Familienleben in einem Zeitpunkt entstanden ist (bzw. das Kind zu einem Zeitpunkt geboren wurde), in dem der Aufenthalt eines Elternteils unsicher war, in den Hintergrund (vgl. dazu Chmielewski, Kindeswohl als Kriterium der Interessensabwägung, in: MIGRALEX, 03/2013, 71).

Im konkreten Fall muss berücksichtigt werden, dass der Beschwerdeführer eine enge Bindung zu seinen beiden leiblichen Kindern und zu seinem Stiefsohn hat und auch in ihre tägliche Versorgung und Erziehung durch Zusammenleben im gemeinsamen Haushalt eingebunden ist. Der Beschwerdeführer unterstützt die Kinder finanziell durch den Verkauf einer Straßenzeitung und teilt sich die Haushaltsaufgaben mit seiner Ehefrau (AS 628). Die beiden leiblichen Kinder sind nigerianische Staatsangehörige, der Stiefsohn ist Österreicher. Alle Kinder sind in Österreich geboren, die siebenjährige Tochter ist schulpflichtig und wurden alle bisher in Österreich hauptsozialisiert. Die Kinder sind daher mit der deutschen Sprache aufgewachsen und haben keinerlei Bezug oder Bindung zu Nigeria. Die Fortsetzung des Familienlebens in Nigeria ist daher nur schwer möglich, da sich die Kinder im Falle einer Übersiedelung in einer völlig fremden Umgebung wiederfinden würden, insbesondere die schulpflichtige Tochter. Außerdem sind die Ehefrau und die leiblichen Kinder in Österreich durch Aufenthaltstitel nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz aufenthaltsberechtigt und ist der Stiefsohn österreichischer Staatsangehöriger. Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat im Urteil vom 15. November 2011, C-256/11, "Dereci ua.", ausgesprochen, dass Artikel 20 AEUV nationalen Maßnahmen entgegensteht, die bewirken, dass den Unionsbürgern (hier betreffend die Angehörigeneigenschaft: dem die österreichische Staatsbürgerschaft besitzenden Kind des Fremden) der tatsächliche Genuss des Kernbestands der Rechte, die ihnen dieser Status verleiht, verwehrt wird. Das Kriterium der Verwehrung des Kernbestands der Rechte, die der Unionsbürgerstatus verleiht, bezieht sich auf Sachverhalte, die dadurch gekennzeichnet sind, dass sich der Unionsbürger de facto gezwungen sieht, nicht nur das Gebiet des Mitgliedstaats, dem er angehört, sondern das Gebiet der Union als Ganzes zu verlassen. Sollten derartige Gründe - der bloße Wunsch nach Aufrechterhaltung der Familiengemeinschaft im Gebiet der Union reicht allerdings nicht aus - bestehen, würde die gegenüber einem Fremden ausgesprochene Anordnung, das Bundesgebiet wegen des unrechtmäßigen Aufenthalts zu verlassen, dem Unionsrecht widersprechen und daher nicht zulässig sein (Hinweis E vom 21. Dezember 2011, 2009/22/0054, sowie etwa jenes vom 23. Februar 2012, 2009/22/0158).

Im konkreten Fall besteht nicht nur der Wunsch nach Fortsetzung des Familienlebens, sondern hat das Stiefkind aufgrund von Entwicklungsstörungen zudem einen erhöhten Betreuungsbedarf und ist der Beschwerdeführer, wie bereits ausgeführt, in die Betreuung des Kindes miteingebunden. Aufgrund des jungen Alters der drei Kinder und der Autismusspektrumstörung des Stiefsohnes ist von einem besonderen Abhängigkeitsverhältnis zu beiden Elternteilen auszugehen. Das verleiht im vorliegenden Fall dem Familienleben zwischen den Beschwerdeführern untereinander und zur Ehefrau eine besondere Schutzbedürftigkeit und damit ein besonderes Gewicht. Im Falle einer Abschiebung des Beschwerdeführers wäre die Ehefrau mit der Versorgung der drei Kinder auf sich alleine gestellt und würde nicht nur die monetäre Unterstützung durch den Zeitungsverkauf wegfallen, sondern auch die Hilfe im Haushalt und in der Kindererziehung bzw. -betreuung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 26.06.2014, Ro 2014/21/0010, erkannt, dass der langjährige unrechtmäßige Aufenthalt eines Fremden "keinen unbedeutenden Verstoß gegen die öffentliche Ordnung" darstellt. Das reicht aber, auch angesichts des Umstands, dass die Eheschließung des Fremden in Kenntnis seines unrechtmäßigen Aufenthalts erfolgte (vgl. § 61 Abs. 2 Z 8 FrPolG 2005 idF FRÄG 2011), noch nicht aus, die Trennung von seiner österreichischen Ehefrau und dem gemeinsamen Kind zu rechtfertigen (Hinweis E 9. November 2010, 2009/21/0031; E 16. Mai 2012, 2011/21/0277; VfGH 3. September 2009, U 354/09; VfGH 14. Juni 2010, B 326/08).

Im gegenständlichen Fall hat sich der Beschwerdeführer zwar nach Abschluss des zweiten Asylverfahrens im Jahr 2011 bis zur neuerlichen Antragstellung am 15.03.2016 unrechtmäßig in Österreich aufgehalten, zum Zeitpunkt der Eheschließung war der Aufenthalt aber nicht unrechtmäßig, sondern "nur" unsicher, da er sich (wieder) im laufenden Asylverfahren befand und, wie unten noch auszuführen sein wird, er das Recht zum Aufenthalt gemäß § 13 AsylG 2005 nicht verloren hat. Vor dem Hintergrund der oben zitierten Judikatur müssen weitere Faktoren vorliegen, um die Trennung von seiner aufenthaltsberechtigten Ehefrau, den beiden leiblichen Kindern und dem österreichischen Stiefsohn zu rechtfertigen.

Das Kindeswohl müsste hinter das öffentliche Interesse an einer Außerlandesbringung des Erstbeschwerdeführers zurücktreten, wenn von diesem eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen würde. Eine derartige Gefährdungsprognose liegt aber nicht vor. Der Verstöße gegen das Suchtmittelgesetz liegen bereits über zehn Jahre zurück; bei der letzten Verurteilung handelte es sich um eine unbedingte Freiheitsstrafe, der Beschwerdeführer wurde aber frühzeitig bedingt entlassen. Ohne diesen Sachverhalt beschönigen zu wollen, muss berücksichtigt werden, dass er sich während der Probezeit und auch danach, insbesondere seit der Begründung eines Familienlebens, nichts mehr zu Schulden kommen hat lassen. Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährden würde.

Vor diesem Hintergrund ist im Rahmen einer Interessensabwägung gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG festzustellen, dass eine Rückkehrentscheidung zum Zeitpunkt der Entscheidung durch das erkennende Gericht auf Dauer unzulässig ist. Es wird nicht verkannt, dass dem Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ein hoher Stellenwert zukommt, doch ist im gegenständlichen Fall aus den eben dargelegten Gründen in einer Gesamtschau und Abwägung aller Umstände das private Interesse an der - nicht nur vorübergehenden - Fortführung des Familien- und Privatlebens des Beschwerdeführers in Österreich dennoch höher zu bewerten, als das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung.

Da die maßgeblichen Umstände in ihrem Wesen nicht bloß vorübergehend sind, ist eine Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären.

Gemäß § 58 Abs 2 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

§ 55 AsylG 2005 samt Überschrift lautet:

"Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK

§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen."

Gemäß § 54 Abs 1 AsylG 2005 werden Drittstaatsangehörigen folgende Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt:

"§ 54. (1) Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen werden Drittstaatsangehörigen erteilt als:

1. "Aufenthaltsberechtigung plus", die zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und unselbständigen Erwerbstätigkeit gemäß § 17 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975 berechtigt,

2. "Aufenthaltsberechtigung", die zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit, für die eine entsprechende Berechtigung nach dem AuslBG Voraussetzung ist, berechtigt,

3. "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz", die zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit, für die eine entsprechende Berechtigung nach dem AuslBG Voraussetzung ist, berechtigt."

Gemäß § 54 Abs 2 AsylG 2005 sind Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen für die Dauer von zwölf Monaten beginnend mit dem Ausstellungsdatum auszustellen.

Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung plus" die Voraussetzungen nach Z 1 und Z 2 des § 55 Abs 1 AsylG 2005 kumulativ vorliegen müssen und ist daher nicht nur zu prüfen, ob die Erteilung eines Aufenthaltstitels für die Beschwerdeführer zur Aufrechterhaltung deren Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist, sondern auch, ob der Beschwerdeführer das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz erfüllt.

Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist gemäß § 9 IntG erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 11 vorlegt (Z 1), einen gleichwertigen Nachweis gemäß § 11 Abs. 4 über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung vorlegt (Z 2), über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht (Z 3), einen Aufenthaltstitelt "Rot-Weiß-Rot Karte" gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 NAG besitzt (Z 4) oder als Inhaber eines Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung Künstler" gemäß § 43a NAG eine künstlerische Tätigkeit in einer der unter § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 Kunstförderungsgesetz, BGBl. I Nr. 146/1988, genannten Kunstsparte ausübt; bei Zweifeln über das Vorliegen einer solchen Tätigkeit ist eine diesbezügliche Stellungnahme des zuständigen Bundesministers einzuholen.

§ 11 Abs 2 IntG lautet:

"Die Prüfung umfasst Sprach- und Werteinhalte. Mit der Prüfung ist festzustellen, ob der Drittstaatsangehörige über vertiefte elementare Kenntnisse der deutschen Sprache zur Kommunikation und zum Lesen und Schreiben von Texten des Alltags auf dem Sprachniveau A2 gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen und über Kenntnisse der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung der Republik Österreich verfügt. Der Prüfungserfolg ist mit "Bestanden" oder "Nicht bestanden" zu beurteilen. Zur erfolgreichen Absolvierung der Prüfung muss sowohl das Wissen über Sprach- sowie über Werteinhalte nachgewiesen werden. Wiederholungen von nicht bestandenen Prüfungen sind zulässig. Die Wiederholung von einzelnen Prüfungsinhalten ist nicht zulässig."

Die Übergangsbestimmung des § 81 Abs. 36 NAG lautet:

"Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG gilt als erfüllt, wenn Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 68/2017 vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 68/2017 erfüllt haben oder von der Erfüllung ausgenommen waren."

Die weiteren maßgeblichen Bestimmungen des NAG (idF vor BGBl I. Nr. 68/2017) lauten:

"Modul 1 der Integrationsvereinbarung

Gemäß § 14a Abs. 1 erster Satz NAG sind Drittstaatsangehörige mit erstmaliger Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1, Z 1, 2, 4, 5, 6 oder 8 zur Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung verpflichtet.

Gemäß Abs. 4 leg. cit. ist das Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

1. einen Deutsch-Integrationskurs besucht und einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über den erfolgreichen Abschluss des Deutsch-Integrationskurses vorlegt,

2. einen allgemein anerkannten Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß § 14 Abs. 2 Z 1 [= Kenntnisse der deutschen Sprache zur vertiefenden elementaren Sprachverwendung] vorlegt,

3. über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht oder

4. einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte" gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 besitzt."

Im gegenständlichen Fall bedeutet dies:

Der Beschwerdeführer verfügt über ein Deutsch Zertifikat A2 des ÖSD, ausgestellt am 19.04.2016, weshalb er das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a in der Fassung vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetz BGBl. Nr. 68/2017 erfüllt hat. Gemäß der zitierten Übergangsbestimmung ist die mangelnde Absolvierung eines Wertekurses gemäß § 11 Abs 2 IntG als Nachweis, dass der Beschwerdeführer mit den Werten der Republik Österreich in Kenntnis und verbunden ist, nicht maßgeblich für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung plus" gemäß § 55 Abs 1 AsylG 2005, soweit er die Voraussetzungen des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG idF vor dem BGBl. I Nr. 68/2017, vor dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens erfüllt hat.

Der Beschwerdeführer erfüllt somit auch ohne Vorlage eines Nachweises über die Absolvierung eines Wertekurses über die Kenntnisse der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung der Republik Österreich bzw. nur mittels Vorlage seines Sprachzertifikates auf dem Niveau B1 und Niveau A2 vom 19.04.2016 die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 Z 2 AsylG 2005.

Da die Voraussetzungen der Z 1 und Z 2 des § 55 Abs 1 AsylG 2005 kumulativ vorliegen, war dem Beschwerdeführer eine "Aufenthaltsberechtigung plus" gemäß § 54 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 zu erteilen.

3.4. Zur Behebung der weiteren Spruchpunkte:

Da die Rückkehrentscheidung für unzulässig erklärt wurde, ist der Beschwerdeführer nicht zur Ausreise verpflichtet und war der Ausspruch über die Nichtgewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise zu beheben.

Auch der Erlassung eines Einreiseverbotes ist mit der Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung die Grundlage (§ 53 FPG) entzogen und war Spruchpunkt VI. daher ersatzlos zu beheben.

Spruchpunkt VII. war aus dem Grund zu beheben, dass die belangte Behörde § 13 AsylG 2005 unrichtig angewendet hat. Nach dem klaren Wortlaut des § 13 Abs 1 und 2 AsylG 2005 verliert ein Asylwerber sein Recht zum Aufenthalt, nachdem dessen Asylverfahren zugelassen ist, wenn er beispielsweise straffällig wird (Abs 1 Z 1 leg. cit.). Eine Straffälligkeit, die bereits vor Zulassung des Verfahrens gesetzt wurde, ist nach dem Wortlaut außer Acht zu lassen. Die Verurteilungen des Beschwerdeführers liegen bereits über zehn Jahre zurück und liegen somi

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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