Entscheidungsdatum
27.05.2020Norm
BBG §40Spruch
W216 2228526-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marion STEINER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Benedikta TAURER sowie die fachkundige Laienrichterin Mag. Bettina PINTER als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , bevollmächtigt vertreten durch den Verein Chronisch Krank, Kirchengasse 3, 4470 Enns, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich, vom 20.12.2019, OB: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin stellte am 08.07.2019 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (in der Folge: belangte Behörde) unter Vorlage medizinischer Beweismittel einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses.
2. Zur Überprüfung, ob die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses vorliegen, wurde von der belangten Behörde in der Folge ein medizinisches Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin und Facharztes für Augenheilkunde, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 15.11.2019, mit dem Ergebnis eingeholt, dass der vorliegende Gesamtgrad der Behinderung bei der Beschwerdeführerin 40 v.H. betrage.
3. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 18.11.2019 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 45 Abs. 3 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) Gelegenheit gegeben, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen.
Die Beschwerdeführerin nahm von der Erstattung einer Stellungnahme Abstand.
4. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 20.12.2019 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin vom 08.07.2019 auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40, § 41 und § 45 BBG ab und stellte einen Grad der Behinderung in Höhe von 40 v.H. fest.
Beweiswürdigend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das durchgeführte medizinische Ermittlungsverfahren ergeben habe, dass ein Grad der Behinderung von 40 v.H. vorliegen würde. Die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt worden.
In der rechtlichen Beurteilung zitierte die belangte Behörde die maßgeblichen Bestimmungen des BBG.
5. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin durch ihre bevollmächtigte Rechtsvertretung - rechtzeitig und unter Vorlage medizinischer Beweismittel - das Rechtsmittel der Beschwerde und zeigte sich mit dem Ergebnis des angefochtenen Bescheides nicht einverstanden. Begründend führte sie im Wesentlichen aus, dass sie aufgrund der nun neu vorgelegten Pumpenprotokolle richtigerweise unter der Pos. Nr. 09.02.04 mit einem GdB von 50% einzustufen gewesen sei. Diese Protokolle würden trotz aller therapeutischer Bemühungen schwankende Blutzuckerwerte und eine instabile Stoffwechsellage bezeugen. Diese Einschätzung begründe sich im Gegensatz zum eingeholten Gutachten der belangten Behörde nicht auf einzelne Blutzuckerwerte, sondern auf den Langzeitverlauf der Pumpenprotokolle. Ihr Diabetes Mellitus sei trotz der Insulinpumpe labil und es würden weiterhin hypoglykämische Anfälle und hohe Blutzuckerwerte auftreten, insbesondere tagsüber. Es liege bei ihr zwar noch ein guter Allgemeinzustand vor, da jedoch weiterhin trotz Insulinpumpe eine instabile Stoffwechsellage und stark schwankende Blutzuckerwerte bestünden sei sie diesbezüglich mit einem GdB von 50% einzustufen.
6. Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden von der belangten Behörde dem Bundesverwaltungsgericht am 13.02.2020 vorgelegt.
7. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichtes ein ergänzendes Sachverständigengutachten des Arztes für Allgemeinmedizin und Facharztes für Augenheilkunde mit dem Ersuchen um Stellungnahme zu dem Beschwerdevorbringen sowie Beurteilung, welche Gesundheitsschädigungen in welchem Ausmaß durch die vorgelegten Befunde dokumentiert würden und ob diese Befunde eine Änderung bzw. Erweiterung der Beurteilung bedingen würden, eingeholt.
8. Mit Schreiben vom 18.03.2020 wurden die Beschwerdeführerin und die belangte Behörde vom Bundesverwaltungsgericht über das Ergebnis der Beweisaufnahme informiert und ihnen - unter Beachtung der COVID-19-Pandemie bedingten Unterbrechungen von Fristen - die Gelegenheit eingeräumt, zu dem übermittelten medizinischen Sachverständigengutachten Stellung zu nehmen.
Die belangte Behörde erstattete keine Stellungnahme.
9. Mit am 28.04.2020 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangtem Schreiben legte die Beschwerdeführerin erneut medizinische Unterlagen (Fachärztliche Stellungnahme zur Stoffwechsellage der Beschwerdeführerin vom 26.04.2020 sowie Psychodiabetologische Stellungnahme vom 23.04.2020) vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Das Bundesverwaltungsgericht geht aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt aus:
Die Beschwerdeführerin weist einen normalen Allgemeinzustand auf; ihr Ernährungszustand ist adipös.
Die Beschwerdeführerin leidet unter folgenden Funktionseinschränkungen:
1) Diabetes mellitus Typ 1, Positionsnummer: 09.02.02, Grad der Behinderung: 40%
2) Chronische Urticaria, Positionsnummer: 01.01.02, Grad der Behinderung: 20%
3) Schilddrüsenunterfunktion, Hashimoto-Thyreoiditis, Positionsnummer: 09.01.01, Grad der Behinderung: 10%
Der bei der Beschwerdeführerin vorliegende Gesamtgrad der Behinderung beträgt 40 v.H.
Die führende funktionelle Einschränkung (Leiden 1) wird durch die anderen funktionellen Einschränkungen mangels nachteiliger wechselseitiger Beeinflussung nicht erhöht.
Der bei der Beschwerdeführerin diagnostizierte Diabetes mellitus ist nicht instabil.
Es liegt ein Dauerzustand vor.
Eine Nachuntersuchung ist nicht erforderlich.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zu Art und Ausmaß der bei der Beschwerdeführerin vorliegenden Funktionseinschränkungen und des Gesamtgrades der Behinderung, der bei der Beschwerdeführerin vorliegt, gründen sich - in freier Beweiswürdigung - auf das im erstinstanzlichen Verfahren eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin und Facharztes für Augenheilkunde, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin, in Verbindung mit dem seitens des Bundesverwaltungsgerichts eingeholten schlüssigen und widerspruchsfreien ergänzenden Sachverständigengutachten ebenfalls des Arztes für Allgemeinmedizin und Facharztes für Augenheilkunde.
Der im Verfahren vor der belangten Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht beigezogene ärztliche Sachverständige geht in seinen beiden Gutachten auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei ein. Er setzt sich in seinen Gutachten nicht nur umfassend und nachvollziehbar mit den vorgelegten Befunden, sondern auch mit der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussungen und dem Zusammenwirken aller zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen auseinander. Die getroffenen Einschätzungen, welche auf einem umfassenden Untersuchungsbefund beruhen, entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen.
Im Lichte der Anlage zur Einschätzungsverordnung ist festzuhalten, dass der bei der Beschwerdeführerin diagnostizierte Diabetes mellitus (Leiden 1) im eingeholten Sachverständigengutachten vom 17.11.2019 zutreffend der Positionsnummer 09.02.02 mit dem oberen Rahmensatz von 40 v.H. zugeordnet wurde. Diesbezüglich führt der medizinische Sachverständige in seinem Gutachten vom 06.03.2020 korrekt aus, dass die Insulinpumpentherapie aus gutachterlicher Sicht einer funktionellen Insulintherapie entspreche. Es ist dem Sachverständigen zuzustimmen, wenn er weiters festhält, dass schwankende BIutzuckerwerte nicht gleichbedeutend seien mit einer instabilen Stoffwechsellage. Die Sensorprotokolle der Beschwerdeführerin zeigten weder schwere Hypoglykämien, noch schwere hyperglykämische Entgleisungen.
Korrekt hält der Sachverständige fest, dass sich die getroffene Einschätzung in seinen beiden Gutachten im Gegensatz zur Behauptung in der Beschwerde nicht auf einzelne Blutzuckerwerte gründe, sondern einerseits auf den mäßig erhöhten Langzeitwert HbA1c, den guten Allgemeinzustand und das Fehlen von schweren Hypo- und Hyperglykämien.
Soweit die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde vermeint, dass ihr Leiden 1 richtigerweise unter die Positionsnummer 09.02.04 einzuschätzen gewesen wäre, ist ihr - in Übereinstimmung mit den Ergebnissen des ärztlichen Begutachtungsverfahrens - zu entgegnen, dass dies - der Anlage zur Einschätzungsverordnung entsprechend - das Vorliegen einer instabilen Stoffwechsellage (schwere Hypo- und/oder Hyperglykämien) und eines reduzierten Allgemeinzustandes voraussetzt.
Aus dem von der Beschwerdeführerin zitierten Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, W141 2125729-1, ist für sie nichts zu gewinnen, zumal nähere Details über den Blutzuckerverlauf des Beschwerdeführers dem Erkenntnis nicht zu entnehmen sind. Im gegenständlichen Fall ist jedenfalls zwar von schwankenden Werten, nicht jedoch von stark schwankenden Werten zu sprechen. Dass diese trotz aller Bemühungen stark schwanken, kann nicht angenommen werden (HbA1c stieg von 7,6 % im Juni 2018 auf 8,8% im Nov. 2019 an).
Die bei der Beschwerdeführerin vorliegende Urticaria (Leiden 2) wurde im eingeholten Sachverständigengutachten ebenfalls dem befunddokumentierten Ausmaß der Funktionseinschränkung entsprechend beurteilt und im Einklang mit den vorgelegten Befunden und dem im Rahmen der persönlichen Untersuchung erhobenen klinischen Status unter die Positionsnummer 01.01.02 der Anlage zur Einschätzungsverordnung korrekt eingeschätzt. Mitberücksichtigt wurde dabei die Hauterkrankung mit häufigem Juckreiz und der Notwendigkeit der Einnahme eines Antihistaminikums, jedoch bei guter Behandelbarkeit. Durch die Heranziehung dieser Positionsnummer ist den Beschwerden der Beschwerdeführerin ausreichend Rechnung getragen worden.
Hinsichtlich der festgestellten Schilddrüsenunterfunktion, Hashimoto-Thyreoiditis, (Leiden 3) wurde vom Sachverständigen korrekt die Positionsnummer 09.01.01 mit dem unteren Rahmensatz dieser Position von 10 v.H. bei leichter endokriner Störung und komplikationsfreier Substitutionstherapie gewählt.
Hinsichtlich des Gesamtgrades der Behinderung im Ausmaß von 40 v.H. wurde im Sachverständigengutachten schlüssig ausgeführt, dass die führende funktionelle Einschränkung durch die anderen funktionellen Einschränkungen mangels nachteiliger wechselseitiger Beeinflussung nicht erhöht wird.
Einbezogen wurden vom befassten Sachverständigen die im Verfahren vorgelegten Befunde, die im Übrigen nicht im Widerspruch zu den gutachterlichen Beurteilungen stehen und kein höheres Funktionsdefizit dokumentieren, als anlässlich der Begutachtung festgestellt werden konnte.
Die Einwendungen der Beschwerdeführerin im Rahmen des Beschwerdevorbringens waren somit nicht geeignet, eine Änderung des Ermittlungsergebnisses herbeizuführen. Zusammengefasst konnten die Angaben der Beschwerdeführerin nicht über den erstellten Befund hinaus objektiviert werden. Die Krankengeschichte der Beschwerdeführerin wurde umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander berücksichtigt. Das Beschwerdevorbringen war somit nicht geeignet, die gutachterliche Beurteilung, wonach ein Grad der Behinderung in Höhe von 40 v.H. vorliegt, zu entkräften.
Die beiden eingeholten Sachverständigengutachten stehen mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit des befassten Sachverständigen oder dessen Beurteilung beziehungsweise Feststellungen substantiiert in Zweifel zu ziehen.
Soweit die Beschwerdeführerin mit ihrer Beschwerdeschrift neue Befunde vorgelegt hat, ist festzuhalten, dass diese mit der Frage, welche Gesundheitsschädigungen - in welchem Ausmaß - durch die vorgelegten Befunde dokumentiert werden und ob diese eine Änderung bzw. Erweiterung der Beurteilung bedingen, dem ärztlichen Sachverständigen vorgelegt wurden. Der ärztliche Sachverständige kommt diesbezüglich nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass die vorgelegten Befunde nicht geeignet seien, das Begutachtungsergebnis zu entkräften.
Die Beschwerdeführerin ist diesem ergänzenden Sachverständigengutachten im Rahmen des ihr eingeräumten Parteiengehörs auch nicht substantiiert entgegengetreten. Die Beschwerdeführerin legte zwar im Rahmen des ihr vom Bundesverwaltungsgericht eingeräumten Parteiengehörs erneut - unter die Neuerungsbeschränkung fallende - medizinische Befunde vor, unterließ jedoch völlig eine Stellungnahme und begründete daher überhaupt nicht, in welchen Beurteilungen das Gutachten unrichtig oder unvollständig wäre. Die Einwendungen der Beschwerdeführerin werden mit den vorgelegten Befunden auch nicht untermauert. Die darin diagnostizierten Leiden entsprechen lediglich den Funktionsstörungen, die bereits vom Sachverständigen in seinen beiden Gutachten festgestellt wurden. Weder wird in den vorgelegten Befunden eine Verschlechterung der Leiden der Beschwerdeführerin seit der Begutachtung behauptet, noch die Einwendungen der Beschwerdeführerin bestätigt.
Das Bundesverwaltungsgericht findet daher keinen Anlass zur Annahme, dass die vorliegenden Sachverständigengutachten mit den Erfahrungen des Lebens oder den Denkgesetzen im Widerspruch stehen. Das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten sowie das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten sind nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes vollständig, schlüssig und frei von Widersprüchen und es bestehen seitens des Bundesverwaltungsgerichtes keine Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses. Auch sind an der Person des Sachverständigen keine Bedenken aufgetreten und wurden solche seitens der Beschwerdeführerin auch nicht vorgebracht. Die eingeholten Sachverständigengutachten werden daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu A)
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes, BGBl. 283/1990 idF BGBl. I 57/2015 (BBG), lauten:
"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
...
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.
§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
...
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
...
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen."
Die maßgebenden Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung, BGBl. II 261/2010 idF BGBl II 251/2012 (Einschätzungsverordnung), lauten auszugsweise:
"Behinderung
§ 1. Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Grad der Behinderung
§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.
(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.
(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.
Gesamtgrad der Behinderung
§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.
(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht. Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.
(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn
- sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,
- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.
(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.
Grundlage der Einschätzung
§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.
(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.
..."
Gemäß § 35 Abs. 2 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG 1988) bestimmt sich die Höhe des Freibetrages nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,
1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,
2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.
Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen.
Zuständige Stelle ist:
- Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).
- Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.
- In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.
Die Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen hat nicht im Wege der Addition der einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen zu erfolgen, sondern es ist bei Zusammentreffen mehrerer Leiden zunächst von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für welche der höchste Wert festgestellt wurde, und dann ist zu prüfen, ob und inwieweit durch das Zusammenwirken aller zu berücksichtigenden Funktionsbeeinträchtigungen eine höhere Einschätzung des Grades der Behinderung gerechtfertigt ist (vgl. den eindeutigen Wortlaut des § 3 der Einschätzungsverordnung, BGBl. II 261/2010, sowie die auf diese Rechtslage übertragbare Rechtsprechung, VwGH 17.07.2009, 2007/11/0088; 22.01.2013, 2011/11/0209 mwN). Bei ihrer Beurteilung hat sich die Behörde eines oder mehrerer Sachverständiger zu bedienen, wobei es dem Antragsteller freisteht, zu versuchen, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. VwGH 30.04.2014, 2011/11/0098; 21.08.2014, Ro 2014/11/0023). Gemäß § 3 Abs. 2 dritter Satz der Einschätzungsverordnung sind Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v.H. außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.
Wie oben unter Punkt II.2. ausgeführt, werden der gegenständlichen Entscheidung das von der belangten Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin und Facharztes für Augenheilkunde in Verbindung mit dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten schlüssigen und widerspruchsfreien ergänzenden Sachverständigengutachten ebenfalls des Arztes für Allgemeinmedizin und Facharztes für Augenheilkunde zugrunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin 40 v.H. beträgt. Ein höherer Grad der Behinderung ist derzeit nicht gerechtfertigt.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.
Die Beschwerdeführerin ist den Ausführungen des beigezogenen Sachverständigen, denen das Bundesverwaltungsgericht folgt, nicht entgegengetreten, sie hat kein Sachverständigengutachten oder eine sachverständige Aussage vorgelegt, in welcher die Auffassung vertreten worden wäre, dass die Annahmen und Schlussfolgerungen des Sachverständigen unzutreffend oder unschlüssig seien.
Hinsichtlich der von der Beschwerdeführerin neu vorgelegten Befunde sowie der Neuerungsbeschränkung ist die Beschwerdeführerin darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber mit der Novelle BGBl. I 57/2015 für das Verfahren nach dem Bundesbehindertengesetz (§ 46 BBG) und für das Verfahren zur Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der Behinderten (in § 19 Abs. 1 BEinstG) ein Neuerungsverbot eingeführt hat, das in den Gesetzesmaterialien als "Neuerungsbeschränkung" bezeichnet wird.
Der im Beschwerdefall anwendbare § 46 BBG lautet:
"Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden."
Die Einführung der Neuerungsbeschränkung erfolgte mit der gleichen Gesetzesnovelle, mit der auch eine (vom VwGVG abweichende) Verlängerung der dem Sozialministeriumservice eingeräumten Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung festgelegt wurde. Aus den parlamentarischen Materialien folgt, dass der Gesetzgeber zwischen der Schaffung großzügigerer Möglichkeiten der Erlassung von Beschwerdevorentscheidungen einerseits und der Beschränkung neuer Tatsachen und Beweise im verwaltungsgerichtlichen Verfahren einen unmittelbaren Zusammenhang ("im Gegenzug") gesehen hat. Die Regierungsvorlage erläutert dies wie folgt (527 BlgNR 25. GP, 4-5):
"In der Praxis hat sich gezeigt, dass neu vorgelegte medizinische Befunde und die oftmals erforderliche Beiziehung von neuen Sachverständigen häufig einen zeitnahen Abschluss der Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wesentlich erschweren. Es soll daher die derzeit für Beschwerdevorentscheidungen vorgesehene zweimonatige Entscheidungsfrist auf zwölf Wochen verlängert werden. Hierdurch bleibt es einerseits Menschen mit Behinderung unbenommen, im Verfahren vor dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen bzw. in einer allfälligen Beschwerde gegen einen Bescheid alle Tatsachen und Beweismittel vorzubringen. Außerdem wird es dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ermöglicht in erster Instanz eine fundierte Entscheidung zu treffen, sodass die Menschen mit Behinderung durch eine gesamt zu erwartende kürzere Verfahrensdauer schneller zu ihrem Recht kommen. Im Gegenzug soll eine auf das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht begrenzte Neuerungsbeschränkung geschaffen werden. ..."
Im Gesetzeswortlaut ("in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht") kommt zum Ausdruck, dass die Neuerungsbeschränkung nicht für das Beschwerdeverfahren als Ganzes (dh. einschließlich des behördlichen Beschwerdevorverfahrens), sondern erst ab dem Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (somit ab Vorlage an das Bundesverwaltungsgericht und somit nicht bereits im behördlichen Beschwerdevorverfahren) gelten soll. Neuerungen, die bereits in der Beschwerde vorgebracht werden, sind daher von vornherein nicht von der Beschränkung erfasst und können (müssen) auch vom Bundesverwaltungsgericht noch berücksichtigt werden. Besonders klar kommt die entsprechende Gesetzesintention im Ausschussbericht (564 BlgNR 25. GP) zum Ausdruck, wo es heißt:
"Der Ausschuss für Arbeit und Soziales stellt dazu fest, dass dieses Neuerungsverbot nur unmittelbar für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht, nicht jedoch für die Beschwerdevorentscheidung gilt. Weiters geht der Ausschuss davon aus, dass das Sozialministeriumsservice die Möglichkeit der Beschwerdevorentscheidung einschließlich einer allfälligen Beweisergänzung im Sinne einer sozialen Rechtsanwendung und der Verfahrensökonomie nutzen wird, auf jeden Fall jedoch bei Vorbringen neuer Tatsachen oder Beweismittel in der Beschwerde eine Beschwerdevorentscheidung zu ergehen hat."
Die Beschwerdeführerin hatte somit die Möglichkeit, in der Beschwerde (und bis zur Vorlage dieser an das Bundesverwaltungsgericht) "allfällige neu vorzubringende Umstände und Beweise anzuführen". Ab Vorlage der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (im vorliegenden Verfahren ab 13.02.2020) und somit im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ist jedoch - wie soeben ausgeführt - die Neuerungsbeschränkung des § 46 BBG zu beachten.
Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.
Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Unter dem Gesichtspunkt von Art. 6 EMRK (Art. 47 GRC) führte der Verwaltungsgerichtshof zur Frage der Durchführung einer beantragten mündlichen Verhandlung im Erkenntnis vom 16.12.2013, 2011/11/0180 (mit Hinweis auf EGMR 13.10.2011, Fexler gg. Schweden, Beschw. Nr 36801/06), aus, dass eine solche unterbleiben kann, wenn der Ausgang des Verfahrens vor allem vom Ergebnis der Gutachten medizinischer Sachverständiger abhängt und der Beschwerdeführer auch nicht behauptet, dass er den von der Behörde eingeholten Gutachten entgegentritt. Das Bundesverwaltungsgericht verweist in diesem Zusammenhang allgemein auf die Rechtsprechung des EGMR, die im Bereich von Entscheidungen, die eher technischer Natur ("rather technical in nature") sind und deren Ausgang von schriftlichen medizinischen Sachverständigengutachten abhängt ("the outcome depended on the written medical opinions") unter Rücksichtnahme u.a. auf die genannten Umstände von der Zulässigkeit des Absehens einer mündlichen Verhandlung ausgeht, dies nicht nur im Verfahren vor dem jeweils zuständigen Höchstgericht, sondern auch in Verfahren vor dem als erste gerichtliche Tatsacheninstanz zuständigen (Verwaltungs)Gericht, dem die nachprüfende Kontrolle verwaltungsbehördlicher Entscheidungen zukommt (vgl. zB EGMR [Unzulässigkeitsentscheidung] 22.05.2012, Osorio gg. Schweden, Beschw. Nr. 21660/09).
Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde und aus dem durch das Bundesverwaltungsgericht eingeholten ergänzenden Sachverständigengutachten. Auf sämtliche Einwendungen der Beschwerdeführerin im Verfahren und vorgelegten Befunde wurde vom herangezogenen Sachverständigen detailliert eingegangen und wurden diese Ausführungen im Rahmen des Parteiengehörs nicht ausreichend substantiiert bestritten. Dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lasse und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass Grad der Behinderung SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W216.2228526.1.00Im RIS seit
18.09.2020Zuletzt aktualisiert am
18.09.2020