TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/2 G314 2231249-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.06.2020
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Entscheidungsdatum

02.06.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3

Spruch

G314 2231249-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des deutschen Staatsangehörigen XXXX, geboren am XXXX, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX.04.2020, Zl. XXXX, zu Recht:

A) Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.

B) Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

C) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF) wurde zwischen XXXX.02. und XXXX.02.2019 sowie zwischen XXXX.10.2019 und XXXX.03.2020 in der Justizanstalt XXXX in Untersuchungs- bzw. Strafhaft angehalten. Mit den Schreiben des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 14.02.2019 und vom 22.10.2019 wurde er aufgefordert, sich zur beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbots zu äußern. Er erstattete jeweils eine entsprechende Stellungnahme.

Nach Einvernahme des BF vor dem BFA am 25.02.2020 wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gegen ihn gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG ein auf sieben Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 70 Abs 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde gegen das Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.). Das Aufenthaltsverbot wurde im Wesentlichen mit insgesamt vier strafgerichtlichen Verurteilungen im Bundesgebiet begründet. Außerdem bestünde ein Waffenverbot. Wegen Verwaltungsübertretungen seien in den Jahren 2015 bis 2019 Geldstrafen von insgesamt mehr als EUR 5.000 verhängt worden. Der BF stelle eine gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit der Republik Österreich dar. Das Aufenthaltsverbot greife mangels familiärer Anknüpfungen des BF im Bundesgebiet nicht in sein Familienleben ein; der Eingriff in sein Privatleben sei verhältnismäßig. Obwohl das BFA in der Begründung des Bescheids erkennbar von einem Inlandsaufenthalt des BF seit 2006 ausgeht, enthält der Bescheid keine Ausführungen zur Erfüllung des in § 67 Abs 1 Satz 5 FPG normierten Gefährdungsmaßstabs.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit den Anträgen, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und den angefochtenen Bescheid, insbesondere das gegen den BF erlassene Aufenthaltsverbot, zu beheben. Hilfsweise beantragt er die Reduktion der Dauer des Aufenthaltsverbots sowie die Erteilung eines Durchsetzungsaufschubs und stellt einen Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag. Der BF begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass er sich seit 14 Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, sodass ihm der verstärkte Schutz des § 67 Abs 1 Satz 5 FPG zukomme. Der angefochtene Bescheid enthalte dazu keine Feststellungen. Da das BFA die konkrete Dauer seines rechtmäßigen Aufenthalts nicht erhoben habe, liege eine gravierende Ermittlungslücke vor. Der BF bereue seine Straftaten, die er unter Alkoholeinfluss begangen habe. Aufgrund seiner bedingten Entlassung könne von einer positiven Zukunftsprognose ausgegangen werden, zumal er mit seiner Bewährungshelferin schon mit der Deliktverarbeitung begonnen habe. Er werde die offene Geldstrafe in Form von gemeinnütziger Arbeit ableisten und habe hinsichtlich seiner Verwaltungsstrafen eine Ratenzahlungsvereinbarung getroffen. Er habe kaum noch Bindungen zu seinem Heimatstaat, wo ihm die Obdachlosigkeit drohe. Aufgrund einer Herzoperation und einer Diabeteserkrankung sei ein Grad der Behinderung von 60 % festgestellt worden; trotzdem habe er schon einen Arbeitsplatz für die Zeit nach der Haftentlassung gefunden. Sein Verhalten rechtfertige das erlassene Aufenthaltsverbot nicht. Die Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubs und die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung seien ebenfalls nicht zu Recht erfolgt.

Das BFA legte die Beschwerde samt den Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem Antrag vor, sie als unbegründet abzuweisen.

Feststellungen:

Der am XXXX geborene BF ist deutscher Staatsangehöriger und beherrscht die deutsche Sprache. Er absolvierte die Schule und Berufsausbildungen zum XXXX sowie zum XXXX in seinem Herkunftsstaat. Er ist geschieden und hat mehrere bereits volljährige Kinder, wobei nur zu seiner jüngsten Tochter, die studiert, sporadisch Kontakt besteht.

Seit April 2006 lebt der BF im Bundesgebiet, wo er immer wieder erwerbstätig war oder Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe bezog. Am XXXX.02.2013 wurde ihm eine Anmeldebescheinigung ausgestellt. Er hat keine familiären Anknüpfungen im Bundesgebiet, aber einen Freundes- und Bekanntenkreis. Er leidet an (insulinpflichtigem) Diabetes melltius; 2012 musste er sich einer Bypass-Operation unterziehen. Die damit zusammenhängenden gesundheitlichen Probleme werden medikamentös behandelt und erfordern regelmäßige ärztliche Kontrollen.

Der BF wurde im Bundesgebiet bislang vier Mal strafgerichtlich verurteilt. Mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX, wurde wegen der Vergehen der gefährlichen Drohung (§ 107 Abs 1 StGB) und der Sachbeschädigung (§ 125 StGB) eine teilbedingte Geldstrafe verhängt, wobei der unbedingte Strafteil im Mai 2014 vollzogen und der bedingte im April 2016 endgültig nachgesehen wurde. Mit dem Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX, folgte die Verurteilung zu einer Geldstrafe wegen der Vergehen der Gefährdung der körperlichen Sicherheit (§§ 89 iVm 81 Abs 1 und 2 StGB), des Imstichlassens eines Verletzten (§ 94 Abs 1 StGB) und der (grob) fahrlässigen Körperverletzung (§ 88 Abs 1 und 3 StGB), die im September 2016 vollzogen wurde.

Am XXXX.02.2019 wurde der BF festgenommen und anschließend bis XXXX.02.2019 in der Justizanstalt XXXX in Untersuchungshaft angehalten. Mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX, wurde er wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung (§§ 15, 84 Abs 4 StGB) sowie wegen der Vergehen des Hausfriedensbruchs (§ 109 Abs 3 StGB), der Sachbeschädigung (§ 125 StGB), der Körperverletzung (§§ 15, 83 Abs 1 StGB), der Nötigung (§ 105 StGB) und der gefährlichen Drohung (§ 107 Abs 1 bzw. Abs 1 und Abs 2 StGB) zu einer Strafenkombination (unbedingte Geldstrafe und bedingt nachgesehene fünfmonatige Freiheitsstrafe) verurteilt. Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass er in der Nacht zum XXXX.01.2019 eine schlafende Frau am Hals gepackt, stark gewürgt und mit einer Verletzung am Körper bedroht hatte. Dieselbe Frau hatte er schon im Sommer 2017 durch die Drohung mit einer Verletzung am Körper genötigt, es zu unterlassen, einen Bekannten aufzusuchen. Am XXXX.02.2019 hatte er sie neuerlich mit zumindest einer Verletzung am Körper bedroht. Am XXXX.02.2019 hatte er eine versperrte Wohnungstüre mit Gewalt aufgebrochen und beschädigt. Anschließend hatte er den Inhaber der Wohnung mit der Faust geschlagen, mit beiden Händen gewürgt und mit dem Umbringen bedroht, wobei das Opfer Hämatome an beiden Augen, Rissquetschwunden an den Oberlidern und Prellungen des Rippenthorax und des Jochbeins erlitt. Am XXXX.02.2019 hatte er ihn mit zumindest einer Verletzung am Körper bedroht. Bei der Strafbemessung wurden das teilweise Geständnis und der Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben war, als mildernd, die einschlägige Vorstrafenbelastung und das Zusammentreffen eines Verbrechens mit mehreren Vergehen dagegen als erschwerend berücksichtigt.

Am XXXX.10.2019 wurde der BF abermals verhaftet und in der Folge in Untersuchungshaft genommen. Mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX, wurde er wegen der Vergehen der Nötigung (§§ 15, 105 Abs 1 StGB), der gefährlichen Drohung (§ 107 Abs 1 und 2 StGB) und nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG zu einer fünfmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt. Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass er am XXXX.10.2019 versucht hatte, eine Frau durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung am Körper dazu zu nötigen, zu unterlassen, zu jemandem anderen zu gehen und zu erzählen, dass er mit einer Waffe vor ihr gestanden sei. Ein männliches Opfer hatte er mit dem Tode bedroht, indem er ankündigte, ihn beim nächsten Treffen umzubringen, und dies durch Inszenierung einer Schussabgabe mit einem Gasdruckrevolver unterstrich, den er trotz eines Waffenverbots besaß. Bei der Strafzumessung wurde der Umstand, dass es bei der Nötigung beim Versuch geblieben war, als mildernd gewertet; erschwerend wirkten sich drei einschlägige Vorstrafen, der rasche Rückfall und das Zusammentreffen von Vergehen aus. Gleichzeitig wurde die mit dem vorangegangenen Urteil gewährte bedingte Strafnachsicht widerrufen.

Der BF verbüßte die Freiheitsstrafen in der Justizanstalt XXXX, wo er im gelockerten Vollzug angehalten und am XXXX.03.2020 nach Verbüßung der Hälfte der Strafen bedingt entlassen wurde. Danach wurde er noch bis XXXX.03.2020 im Polizeianhaltezentrum XXXX angehalten, weil gegen ihn ab 2015 wegen Verwaltungsübertretungen Geldstrafen von insgesamt über EUR 5.000 verhängt worden waren, die nur zum Teil bezahlt wurden, sodass Ersatzfreiheitsstrafen zu vollziehen waren. Danach bezog der BF ein Zimmer im XXXX. Ab Juni 2020 hat er eine Mietwohnung und einen Arbeitsplatz in Aussicht. Er wird von der Bewährungshilfe betreut, mit der er gut zusammenarbeitet und seine Delikte bei regelmäßigen Gesprächen bearbeitet. Für die vom Landesgericht XXXX verhängte offene Geldstrafe erbringt er gemeinnützige Leistungen. Hinsichtlich der noch offenen Verwaltungsstrafen wurde eine Ratenzahlungsvereinbarung getroffen. Er hat vor, seine Gewaltbereitschaft im Rahmen einer Gewaltberatung aufzuarbeiten.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des Gerichtsakts des BVwG. Entscheidungswesentliche Widersprüche bestehen nicht.

Die Feststellungen zur Identität des BF (Name, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit) und zu seinen persönlichen und familiären Verhältnissen beruhen auf seinen Angaben vor dem BFA, dem (dem BVwG in Kopie vorliegenden) Reisepass und den entsprechenden Feststellungen n den Strafurteilen. Deutschkenntnisse sind angesichts seiner Herkunft plausibel, zumal er bei der Einvernahme vor dem BFA keinen Dolmetsch benötigte.

Die Feststellungen zur Ausbildung des BF folgen seinen Angaben vor dem BFA, die mit den entsprechenden Angaben in den Vollzugsinformationen korrespondieren.

Da aus dem Zentralen Melderegister (ZMR) ab April 2006 fast durchgehend Hauptwohnsitzmeldungen (bzw. für die Zeit der Obdachlosigkeit eine Hauptwohnsitzbestätigung) hervorgehen, ist in Übereinstimmung mit der Darstellung des BF davon auszugehen, dass er sich seither kontinuierlich im Bundesgebiet aufhält. Die Anmeldebescheinigung ist im Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR) dokumentiert. Es ist angesichts des langen Inlandsaufenthalts glaubhaft, dass in Deutschland kaum noch Anknüpfungen bestehen und der BF in Österreich Freundschaften geknüpft hat. In seiner Stellungnahme an das BFA nannte er mehrere Bezugspersonen auch namentlich. Familiäre Bindungen in Österreich verneinte er dagegen.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF beruhen auf seinen konsistenten Angaben dazu.

Die Feststellungen zu den strafgerichtlichen Verurteilungen des BF, den zugrundeliegenden Taten und den Strafzumessungsgründen sowie zum Strafvollzug und zur bedingten Entlassung beruhen auf dem Strafregister und den Strafurteilen vom XXXX und vom XXXX. Die Festnahmen des BF und seine Anhaltungen in der Justizanstalt Feldkirch ergeben sich aus den Vollzugsinformationen, der Vorhaftanrechnung laut den Strafurteilen und aus der Wohnsitzmeldung in der Justizanstalt laut ZMR.

Die Geldstrafen wegen Verwaltungsübertretungen und der Vollzug von Ersatzfreiheitsstrafen im Anschluss an die bedingte Entlassung gehen aus dem mit der Beschwerde vorgelegten Bewährungshilfebericht hervor. Die Unterkunft des BF im XXXX schilderte er dem BFA. Die aktuelle Hauptwohnsitzmeldung laut ZMR bestätigt diese Angaben. Die Einstellungszusage wurde mit der Beschwerde vorgelegt. Die Pläne des BF zur Regulierung der offenen Geldstrafen und zur Aufarbeitung seiner Delinquenz werden in den vorgelegten Berichten seiner Bewährungshelferin schlüssig und glaubhaft dargelegt.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Aufgrund der in § 18 Abs 5 BFA-VG angeordneten amtswegigen Prüfung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das BVwG ist der Antrag des BF, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, weder notwendig noch zulässig und daher zurückzuweisen.

Zu Spruchteil B):

Gegen den Beschwerdeführer als unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gemäß § 67 Abs 1 FPG nur zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen EWR-Bürger, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde.

Da sich der BF seit deutlich mehr als zehn Jahren im Bundesgebiet aufhält und die Kontinuität seines Aufenthalts durch die Haft nicht unterbrochen wurde, weil seine Freunde in Österreich leben und es während des fünfmonatigen Freiheitsentzugs jedenfalls nicht zum Abreißen der hier in den Jahren davor geknüpften Integrationsbande gekommen ist, ist für die Zulässigkeit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im vorliegenden Fall der verschärfte Gefährdungsmaßstab nach § 67 Abs 1 fünfter Satz FPG maßgeblich. Mit dieser Bestimmung soll Art 28 Abs 3 lit a der Freizügigkeitsrichtlinie (§ 2 Abs 4 Z 18 FPG) umgesetzt werden, wozu der EuGH bereits judizierte, dass hierauf gestützte Maßnahmen auf "außergewöhnliche Umstände" begrenzt sein sollten; es sei vorausgesetzt, dass die vom Betroffenen ausgehende Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit einen "besonders hohen Schweregrad" aufweise, was etwa bei bandenmäßigem Handeln mit Betäubungsmitteln der Fall sein könne (EuGH 23.11.2010, Tsakouridis, C-145/09, insbesondere Rn. 40, 41 und 49 ff; siehe daran anknüpfend auch EuGH 22.5.2012, P.I., C-348/09, Rn. 19 und 20 sowie Rn. 28, wo überdies - im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch eines Kindes, der zu einer siebeneinhalbjährigen Freiheitsstrafe geführt hatte - darauf hingewiesen wurde, dass es "besonders schwerwiegende(r) Merkmale" bedarf; siehe VwGH 24.01.2019, Ra 2018/21/0248).

Die vom BF ausgehende Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit erreicht in der gebotenen Gesamtbetrachtung den in § 67 Abs 1 Satz 5 FPG festgelegten Gefährdungsmaßstab (nachhaltige und maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit der Republik Österreich) nicht. Er wurde zwar wiederholt wegen Aggressionsdelikten verurteilt, war aber nunmehr zum ersten Mal in Haft, wobei dem Erstvollzug im Allgemeinen eine erhöhte spezialpräventive Wirkung zukommt. Da er sich aktiv um die Aufarbeitung seiner Taten und der daraus hervorgehenden Gewaltbereitschaft und auch um seine gesellschaftliche und berufliche Resozialisierung bemüht, kann trotz des raschen Rückfalls und auch unter Einbeziehung der Verwaltungsübertretungen nicht von "außergewöhnlichen Umständen" mit "besonders hohem Schweregrad" bzw. von "besonders schwerwiegenden Merkmalen" der von ihm begangenen Straftaten gesprochen werden. Somit kommt die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen ihn auf Basis des § 67 Abs 1 fünfter Satz FPG entgegen der Ansicht des BFA nicht in Betracht, sodass der auf dieser Annahme fußende Bescheid in Stattgebung der Beschwerde ersatzlos zu beheben ist.

Da ein geklärter Sachverhalt vorliegt und der BF auch in der Beschwerde kein ergänzendes klärungsbedürftiges Tatsachenvorbringen erstattete, kann die beantragte Beschwerdeverhandlung unterbleiben, zumal iSd § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG schon aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Zu Spruchteil C):

Die bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung ist im Allgemeinen nicht revisibel (VwGH 25.04.2014, Ro 2014/21/0033). Das gilt sinngemäß auch für die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose (VwGH 11.05.2017, Ra 2016/21/0022; 20.10.2016, Ra 2016/21/0284). Die Revision ist nicht zuzulassen, weil sich das BVwG im vorliegenden Fall an der bestehenden höchstgerichtlichen Rechtsprechung orientieren konnte und keine darüber hinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen war.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung - Entfall Behebung der Entscheidung Voraussetzungen Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G314.2231249.1.00

Im RIS seit

18.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

18.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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