TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/12 G305 2226923-7

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Veröffentlicht am 12.06.2020
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Entscheidungsdatum

12.06.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76

Spruch

G305 2226923-7/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS, in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren zur Überprüfung der Anhaltung in Schubhaft des XXXX (auch: XXXX), geb. XXXX, StA.: Algerien, BFA-Zahl XXXX, zu Recht:

A) Es wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nichtzulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom XXXX.09.2019, wurde über XXXX (in der Folge: Beschwerdeführer oder kurz: BF) die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung verhängt. Seit dem XXXX.09.2019, 16:05 Uhr, befindet er sich in Schubhaft. Gegen die Inschubhaftnahme hat er keine Beschwerde erhoben. Seit der Inschubhaftnahme befindet er sich durchgehend in Schubhaft im XXXX.

Das BFA brachte bereits am 23.12.2019, 22.01.2020, 24.02.2020 sowie am 17.03.2020 die Akten des BF zur amtswegigen Schubhaftüberprüfung beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) in Vorlage. Mit Erkenntnissen des BVwG vom 30.12.2019, GZ: G309 2226923-1, vom 24.01.2020, GZ: G304 2226923-2, vom 28.02.2020, GZ: G309 2226923-3, vom 19.03.2020, GZ: G309 2226923-4, vom 15.04.2020, GZ: G306 2226923-5 und vom 18.05.2020, GZ: G301 2226923-6 wurde festgestellt, dass zum Zeitpunkt der jeweils gefassten Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig war.

Am 09.06.2020 erfolgte nunmehr die siebte Vorlage zur amtswegigen Überprüfung der Schubhaft. Das BFA brachte eine Stellungnahme in Vorlage.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Feststellungen:

Der BF ist Staatsangehöriger von Algerien. Er hat sich im Bundesgebiet auch als XXXX (auch XXXX), geboren am XXXX, ausgegeben. Er wurde von Interpol XXXX am XXXX.06.2019 als XXXX (auch: XXXX), geb. am XXXX, identifiziert.

Am XXXX.05.2004 ist der Beschwerdeführer illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist und stellte er noch am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Am XXXX.11.2005 wurde dieser Antrag, rechtskräftig mit XXXX.03.2012, abgewiesen und gleichzeitig gegen den BF eine Ausweisung erlassen.

Im Februar 2005 wurde er wegen gewerbsmäßigen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten, davon sechs Monate bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, rechtskräftig strafrechtlich verurteilt. Am XXXX.05.2005 wurde ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot gegen ihn erlassen. Im April 2006 erfolgte eine neuerliche rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung des BF - wegen unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften - zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten, davon sechs Monate bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren. Im Mai 2018 wurde er neuerlich wegen versuchten Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, rechtskräftig strafrechtlich verurteilt.

Nach niederschriftlichen Einvernahmen des Beschwerdeführers am XXXX.01.2019 und XXXX.01.2019 wurde am XXXX.01.2019, rechtskräftig mit XXXX.02.2019, gegen den BF eine Rückkehrentscheidung und ein auf die Dauer von fünf Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen, und festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Algerien zulässig ist, und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt. Der BF ist seit Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung mit XXXX.01.2019 seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen und illegal im Bundesgebiet verblieben.

Am XXXX.01.2019 wurde ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates (HRZ) für den BF, jedoch mit dem vom BF bekannt gegebenen falschen Aliasdaten, eingeleitet. Mit Mandatsbescheid des BFA vom XXXX.03.2019, dem BF zugestellt am XXXX.03.2019, wurde ihm aufgetragen, bis zu seiner Ausreise durchgängig in einer näher angeführten Betreuungseinrichtung Unterkunft zu nehmen. Dieser Verpflichtung hätte er binnen drei Tagen nachzukommen gehabt. Zwar fand er sich am XXXX.03.2019 in der ihm zugewiesenen Betreuungseinrichtung ein, doch verließ er dieses Quartier unerlaubt am XXXX.05.2019, woraufhin er am XXXX.05.2019 in einem Bahnhof im Bundesgebiet von der Polizei aufgegriffen werden konnte. Er wurde am XXXX.07.2019 von der Polizei festgenommen und am Tag seiner Festnahme niederschriftlich einvernommen, danach jedoch wieder entlassen, weil zu diesem Zeitpunkt keine Vorführungen zur algerischen Delegation möglich waren. Laut einer am XXXX.07.2019 an das BFA ergangenen Mitteilung war der BF von dem ihm zugewiesenen Quartier bereits seit XXXX.07.2019 wieder abgängig.

Nachdem gegen den BF am XXXX.08.2019 ein Festnahmeauftrag erlassen worden war, wurde er am XXXX.09.2019 festgenommen und in ein Polizeianhaltezentrum eingeliefert. Mit Mandatsbescheid vom XXXX.09.2019, wurde über ihn die verfahrensgegenständliche Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

Der BF wurde am XXXX.11.2019 der algerischen Delegation vorgeführt und als algerischer Staatsbürger identifiziert. Abschließende Überprüfungen dazu in Algerien sind noch ausständig.

Insgesamt fanden bisher bereits 4 amtswegige Schubhaftüberprüfungen statt und wurde jeweils festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidungen die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung in Schubhaft vorlagen.

Der BF war bislang nicht bereit, freiwillig aus dem Bundesgebiet auszureisen. Er hat in Österreich keine familiäre oder sonstige soziale Anbindung, keinen gesicherten Wohnsitz und keine Existenzmittel zur Sicherung seines Lebensunterhaltes hat. Der BF leidet an keinen Erkrankungen, die eine Haftfähigkeit ausschließen würde. Bereits zweimal entzog er sich dem Verfahren, da er sich aus der ihm zugewiesenen Unterkunft ohne Genehmigung entfernte und untertauchen wollte.

Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt den vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den im Gerichtsakt einliegenden Aktenteilen, den Ergebnissen der bisher im Rahmen der Schubhaftüberprüfung durchgeführten Verhandlungen und der jüngsten Stellungnahme des BFA.

Rechtliche Beurteilung

Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs 4 BFA-VG die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Mit der Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

An den Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft hat sich seit der letzten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes darüber am 18.05.2020 nichts geändert. Gegen den BF besteht eine durchsetzbare und rechtskräftige Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot. Sein Antrag auf internationalen Schutz wurde rechtskräftig abgewiesen. In Zusammenschau mit seiner fehlenden sozialen Verankerung und der mangelnden Rückkehrbereitschaft liegt nach wie vor eine hohe Fluchtgefahr iSd § 76 Abs 3 Z 3 und 9 FPG vor. Der Zweck der Schubhaft kann auch nicht durch Anwendung eines gelinderen Mittels erreicht werden, da der BF mittellos ist und keine Unterkunftsmöglichkeit besteht und er sich bereits zwei Mal illegal von einer ihm zugewiesenen Unterkunft entfernt hat.

Die Schubhaft ist trotz der aktuellen Einschränkungen des internationalen Reiseverkehrs derzeit noch verhältnismäßig. Die vom BFA befürchtete Weiterreise des BF innerhalb des Schengengebiets ist zwar aufgrund der Grenzkontrollen und -schließungen an den Grenzübergängen zu Österreichs Nachbarländern, der Einreisebeschränkungen und der Einschränkungen beim grenzüberschreitenden Zug- und Busverkehr unwahrscheinlich, jedoch ist aufgrund seines bisherigen Verhaltens davon auszugehen, dass er nach seiner allfälligen Enthaftung im Inland untertauchen und sich verborgen halten würde, bis sich eine Möglichkeit zur Weiterreise bietet.

Da die Beschränkungen für Reisen derzeit vorübergehend bzw. befristet sind, ist davon auszugehen, dass nach deren Aufhebung Juni oder Juli 2020 ein Reisedokument für den BF ausgestellt und seine Rückführung nach Algerien durchgeführt werden wird. Ein aus den Maßnahmen zur Verhinderung der weiteren Ausbreitung der Corona-Pandemie allenfalls resultierendes Abschiebehindernis ist daher aufgrund der zeitlichen Beschränkung dieser Maßnahmen aus heutiger Sicht noch als vorübergehend anzusehen und wird voraussichtlich in der nächsten Zeit wieder wegfallen. Sollten die Maßnahmen, insbesondere die Einschränkungen bei Reisebewegungen oder auch eine etwaige Botschaftsschließung, jedoch über Juni 2020 hinaus verlängert oder gar unbefristet angeordnet werden, wird die Verhältnismäßigkeit der Schubhaft des BF zu hinterfragen sein, zumal dann voraussichtlich nicht mehr von der Möglichkeit einer zeitnahen Abschiebung nach Algerien ausgegangen werden kann.

Da zuletzt am 18.05.2020 eine Verhandlung vor dem BVwG zur Schubhaftprüfung durchgeführt wurde, unterbleibt eine weitere mündliche Verhandlung gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG iVm § 24 Abs 4 VwGVG, weil der relevante Sachverhalt aus der Aktenlage geklärt werden konnte und von der mündlichen Erörterung keine weitere Aufklärung zu erwarten ist.

Zu Spruchpunkt B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Fluchtgefahr Interessenabwägung öffentliche Interessen Schubhaft Schubhaftbeschwerde Sicherungsbedarf Verhältnismäßigkeit Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G305.2226923.7.00

Im RIS seit

18.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

18.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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