Entscheidungsdatum
15.06.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs2Spruch
I421 2229962-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Martin Steinlechner als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , StA. Serbien, vertreten durch: Mag. Stefan Errath, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl Regionaldirektion Wien vom 18.02.2020, Zl. 412587605-180834909,
zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Mit dem Bescheid vom 18.02.2020, Zl. 412587605-180834909, wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG erteilt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt II.) und zugleich festgestellt, dass seine Abschiebung nach Serbien zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.). Ferner wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 6 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt V.). Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte und das persönliche Verhalten des Beschwerdeführers eine massive Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung darstelle.
2. Gegen diesen dem Beschwerdeführer am 20.02.2020 zugestellten Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 17.03.2020 (bei der belangten Behörde eingelangt am 20.03.2020).
In der Beschwerde wird unter anderem vorgebracht, dass der von der Behörde angenommene unrechtmäßige Aufenthalt nicht vorliege.
3. Mit Schriftsatz vom 25.03.2020, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 27.04.2020 legte die belangte Behörde die Beschwerde und den Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zum Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich:
Der Beschwerdeführer hält sich aktuell rechtmäßig im Bundesgebiet auf und ist im Besitz eines Visums der Kategorie D (gültig von 03.02.2020 bis 01.08.2020).
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich:
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer sich auch aktuell rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und im Besitz eines Visums der Kategorie D (gültig von 03.02.2020 bis 01.08.2020) ist, geht aus der Anfrage aus dem Informationsverbundsystem des zentralen Fremdenregisters (IZF) vom 30.03.2020 hervor.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Stattgebung der Beschwerde
3.1. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
3.1.1. Rechtslage
Gemäß § 58 Abs 1 AsylG hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird (Z 2) oder wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt (Z 5). Gemäß § 58 Abs 2 AsylG hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG (Aufenthaltstitel aus Gründen des Art 8 EMRK) von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird. Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen (§ 58 Abs 3 AsylG). Auch wenn der Gesetzgeber das Bundesamt im Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung zur Prüfung und spruchmäßigen Erledigung der Voraussetzungen der §§ 55 und 57 AsylG von Amts wegen, dh auch ohne dahingehenden Antrag des Beschwerdeführers, verpflichtet, ist die Frage der Erteilung eines solchen Titels auch ohne vorhergehenden Antrag im Beschwerdeverfahren gegen den negativen Bescheid durchsetzbar und daher Gegenstand der Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl VwGH 28.01.2015, Ra 2014/20/0121).
3.1.2 Anwendung der Rechtslage auf den Beschwerdefall
Da der Beschwerdeführer über ein Visum der Kategorie D verfügt und sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, waren die Voraussetzungen für die Prüfung der Voraussetzungen zur Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen im Sinne des § 57 AsylG nicht gegeben. Daher war Spruchpunkt I. des Bescheides zu beheben.
3.2. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):
3.2.1. Rechtslage
Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden (§ 10 Abs 2 AsylG).
Gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.
Gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).
§ 20 FPG 2005. Form und Wirkung der Visa D:
(1) Visa D werden erteilt als
1. Visum für den längerfristigen Aufenthalt im Bundesgebiet;
2. Visum aus humanitären Gründen;
3. Visum zu Erwerbszwecken;
4. Visum zum Zweck der Arbeitssuche;
5. Visum zur Erteilung eines Aufenthaltstitels;
6. Visum zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG 2005;
7. Visum zur Wiedereinreise.
8. Visum aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen;
9. Visum für Saisoniers;
10. Visum für Praktikanten.
(2) Die Ausübung einer Erwerbstätigkeit ist nur in den Fällen des § 24 zulässig.
Visa D werden für die ein- oder mehrmalige Einreise ausgestellt und berechtigen zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet von mehr als 90 Tagen, und zwar von längstens
1. sechs Monaten bei Ausstellung von Visa gemäß Abs. 1 Z 1 bis 8 und 10;
2. neun Monaten innerhalb eines Zeitraumes von zwölf Monaten bei Ausstellung von
Visa gemäß Abs. 1 Z 9;
3. zwölf Monaten bei Ausstellung von Visa gemäß Abs. 1 Z 1, sofern dies aus Gründen des nationalen Interesses oder auf Grund internationaler Verpflichtungen notwendig ist; oder
4. zwölf Monaten bei Ausstellung von Visa gemäß Abs. 1 Z 3, sofern dies auf Grund internationaler Vereinbarungen zur Ausübung einer Tätigkeit, die vom AuslBG gemäß § 1 Z 14 AuslBVO ausgenommen ist, notwendig ist.
Gemäß § 27 FPG 2005 werden Visa D gegenstandslos, wenn
1. ein weiteres Visum D mit überschneidender Gültigkeit erteilt wird;
2. gegen den Fremden eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gemäß dem 8. Hauptstück erlassen wird;
3. der Fremde einen Antrag auf internationalen Schutz einbringt;
4. ein Aufenthaltstitel gemäß dem NAG oder dem AsylG 2005 ausgestellt wird;
5. der Fremde Österreicher, EWR-Bürger oder Schweizer Bürger wird;
6. eine Beschäftigungsbewilligung nach § 5 AuslBG des Fremden gemäß § 9 AuslBG rechtskräftig widerrufen wurde.
Der Ausspruch eines Aufenthaltsverbots oder einer Ausweisung soll zur Ungültigkeit eines Visums führen. Maßgeblicher Zeitpunkt hierfür soll allerdings nicht die Rechtskraft, sondern die Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Verfügung sein, weil später regelmäßig keine Möglichkeit mehr bestehen wird, die Ungültigkeit im Reisedokument ersichtlich zu machen (Ornezeder in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht § 27 FPG 2005, Stand 1.12.2017, rdb.at).
3.2.2. Anwendung der Rechtslage auf den Beschwerdefall
Der Beschwerdeführer hält sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf, da er aufgrund des ihm erteilten Visums der Kategorie D dazu berechtigt ist. Eine Rückkehrentscheidung kann daher nicht auf die von der belangten Behörde herangezogene Bestimmung, welche an den unrechtmäßigen Aufenthalt eines Fremden anknüpft, gestützt werden. Sohin war auch Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides zu beheben.
Eine Rückkehrentscheidung gegen Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, könnte allenfalls auf einen Tatbestand des § 52 Abs 4 FPG gestützt werden. Es ist dem BVwG jedoch verwehrt, von sich aus statt einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 eine andere nach § 52 FPG auszusprechen, weil dies die Sache des Beschwerdeverfahrens überschreiten würde. Sache des Beschwerdeverfahrens ist nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der Behörde gebildet hat (vgl. VwGH 27.03.2018, Ra 2015/06/0011). Den Inhalt des Spruchs des angefochtenen Bescheides bilden im gegenständlichen Fall Entscheidungen gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, nicht aber gegen einen rechtmäßig aufhältigen Drittstaatsangehörigen.
Damit ist aber auch den weiteren Spruchpunkten III. bis V., die allesamt die Rückkehrentscheidung zu Grundlage haben, der Boden entzogen. Deshalb waren auch die weiteren Spruchpunkte III. bis V. des bekämpften Bescheides zu beheben.
3.3. Zum Unterbleiben der mündlichen Verhandlung:
Da aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, entfällt die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.
Schlagworte
Abschiebung Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Aufenthaltstitel Behebung der Entscheidung berücksichtigungswürdige Gründe Einreiseverbot ersatzlose Behebung freiwillige Ausreise Frist Kassation rechtmäßiger Aufenthalt RückkehrentscheidungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:I421.2229962.1.00Im RIS seit
18.09.2020Zuletzt aktualisiert am
18.09.2020