TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/16 I415 2168982-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.06.2020
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Entscheidungsdatum

16.06.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I415 2168982-1/19E

S C H R I F T L I C H E A U S F E R T I G U N G D E R A M 29.05.2020

M Ü N D L I C H V E R K Ü N D E T E N E N T S C H E I D U N G

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hannes LÄSSER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch RA Mag. Anton KARNER gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark vom 10.08.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.05.2020 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, stellte am 25.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er zusammengefasst damit begründete, dass er von der Gruppe „Boko Haram“ verfolgt werde. Seine Eltern seien bereits verstorben und aufgrund seiner Weigerung, sich dieser Gruppe anzuschließen, fürchte er auch um sein Leben.

2.       Am 24.02.2017 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. In dieser Einvernahme gab er als Fluchtgrund an, dass nach dem Tod seines Vaters nun sein Onkel sich dessen Vermögen aneignen wolle. Aus Furcht davor, dass ihn sein Onkel töten würde, habe er Nigeria verlassen. Als weiteren Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer seine sexuelle Orientierung an. Demnach könne er in Nigeria seine Homosexualität nicht ausleben, ohne deshalb verfolgt zu werden.

3.       Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 10.08.2017, Zl. XXXX , wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage (Spruchpunkt IV.).

4.       Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 24.08.2017. Der Beschwerdeführer monierte darin Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die belangte Behörde habe die Situation Homosexueller in Nigeria nicht ausreichend ermittelt sowie unzulässigerweise aus dem Nichtvorbingen dieses Fluchtgrundes in der Ersteinvernahme auf ein gesteigertes - und damit unglaubhaftes - Vorbringen geschlossen. Er stellte die Anträge, das Bundesverwaltungsgericht möge den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass dem Antrag auf internationalen Schutz Folge gegeben und dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten, in eventu der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werde; in eventu den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass die gegen den Beschwerdeführer gefällte Rückkehrentscheidung aufgehoben werde; in eventu den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass der Bescheid betreffend der gegen den Beschwerdeführer festgestellten Abschiebung aufgehoben werde; in eventu einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG erteilen; in eventu den angefochtenen Bescheid zur Gänze beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverweisen sowie jedenfalls eine mündliche Beschwerdeverhandlung anberaumen.

5.       Beschwerde und Bezug habender Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht mit Schriftsatz der belangten Behörde vom 17.08.2017 (eingelangt am 30.08.2017) vorgelegt.

6.       Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte dem Beschwerdeführer über seine Rechtsvertretung RA Mag. Anton Karner im Vorfeld zur mündlichen Verhandlung mit Schreiben vom 10.03.2020 die aktuellen Länderfeststellungen zu Nigeria. RA Mag. Anton Karner teilte dem Bundesverwaltungsgericht nach Erhalt der Ladung für die Verhandlung am 17.04.2020 mit, dass der Beschwerdeführer „seit Jahren nicht mehr von ihm vertreten werde“. Die Verhandlung am 17.04.2020 musste aufgrund der CoViD-19 Pandemie abberaumt werden.

7.       Der nunmehr unvertretene Beschwerdeführer wurde für eine weitere Verhandlung am 29.05.2020 über seine näher bezeichnete Adresse geladen. Laut dem Akt einliegendem Rückschein hat der Beschwerdeführer die Ladung für diese Verhandlung am 07.05.2020 persönlich übernommen.

8.       Am 29.05.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Innsbruck, eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, zu der der Beschwerdeführer trotz nachweislicher Ladung ohne Angabe von Gründen nicht erschienen ist und wurde anlässlich dieser Verhandlung unter Zugrundelegung des Verwaltungs- und Gerichtsaktes das gegenständliche Erkenntnis mündlich verkündet und dem Beschwerdeführer abermals an die näher bezeichnete Adresse zugestellt.

9.       Mit Schreiben vom 10.06.2020 beantragte der Beschwerdeführer – nunmehr wiederum vertreten durch RA Mag. Anton Karner – die schriftliche Ausfertigung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter Punkt I. beschriebene Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

1.1.    Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Nigerias und somit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 20b Asylgesetz 2005.

Er ist volljährig, ledig und kinderlos. Er gehört der Volksgruppe der Ibo an und bekennt sich zum christlichen Glauben. Seine Identität steht nicht fest.

Der Beschwerdeführer reiste aus Nigeria über Libyen in die Türkei und gelangte schlepperunterstützt nach Österreich. Er hält sich zumindest seit seiner Antragstellung am 25.09.2015 in Österreich auf.

Der Beschwerdeführer ist jung, gesund und arbeitsfähig. Er leidet an keiner lebensbedrohlichen psychischen oder physischen Beeinträchtigung, die seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat entgegensteht.

Der Beschwerdeführer besuchte in seiner Heimat zehn Jahre lang die Schule und hat sich nach seiner Ausreise seinen Lebensunterhalt in der Türkei als Fabrikarbeiter verdient. Er ist erwerbsfähig und hat aufgrund seiner Arbeitserfahrung eine Chance, am nigerianischen Arbeitsmarkt unterzukommen.

Eine Schwester des Beschwerdeführers lebt weiterhin in Nigeria, in Österreich leben keine Familienmitglieder oder Verwandten und bestehen auch sonst keine maßgeblichen privaten oder familiären Beziehungen.

Eine den Anforderungen eines schützenswerten Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK entsprechende integrative Verfestigung des Beschwerdeführers in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht konnte nicht festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer erhielt bis zum 05.09.2018 Mittel aus der Grundversorgung. Mit diesem Datum wurde er aufgrund unbekannten Aufenthalts abgemeldet.

Dem Beschwerdeführer wurde durch die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung die Gelegenheit gewährt, sein Vorbringen näher zu erläutern. Er erschien allerdings unentschuldigt nicht zur Verhandlung und verletzte damit seine Mitwirkungspflicht im Asylverfahren.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten.

Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr nach Nigeria mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanten Verfolgung und keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird.

1.2.    Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:

Entgegen seinem Fluchtvorbringen kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer als Christ große Probleme mit der Gruppe „Boko Haram“ gehabt hat und er – weil er sich dieser Gruppierung nicht anschlossen hat – aus seinem Herkunftsland geflohen ist. Es haben sich im Verfahren mangels Glaubwürdigkeit auch keine Anhaltspunkte in Bezug auf eine asylrelevante Verfolgung des Beschwerdeführers in Nigeria wegen seiner später vor dem BFA vorgebrachten gesteigerten Fluchtgründe betreffend seine behauptete Homosexualität bzw. familiäre Erbstreitigkeiten oder aus sonstigen Gründen ergeben.

Der Beschwerdeführer ist seiner Mitwirkungspflicht im Rahmen des Asylverfahrens nicht nachgekommen. Der Beschwerdeführer ist seit 06.11.2018 am XXXX gemeldet. Er ist trotz nachweislicher persönlicher Entgegennahme der Ladung zur Verhandlung am 29.05.2020 unentschuldigt nicht erschienen.

Es existieren keine Umstände, welche einer Abschiebung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden. Der Beschwerdeführer verfügt über keine sonstige Aufenthaltsberechtigung. Es spricht nichts dafür, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria eine Verletzung von Art. 2, Art. 3 oder 8 EMRK oder auch der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention nach sich ziehen würde. Der Beschwerdeführer ist auch nicht von willkürlicher Gewalt infolge eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bedroht.

Der Beschwerdeführer wird im Falle seiner Rückkehr in sein Heimatland mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanten Verfolgung und keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.

1.3.    Zur Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsland des Beschwerdeführers sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 10.08.2017 getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria zitiert. Dem Beschwerdeführer wurde im Vorfeld zur mündlichen Verhandlung das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Nigeria übermittelt. Daraus ergeben sich folgende Feststellungen:

Nigeria ist in 36 Bundesstaaten und einen Bundeshauptstadtbezirk sowie 774 Local Government Areas (LGA/Bezirke) untergliedert. Die Bundesstaaten werden von direkt gewählten Gouverneuren regiert. Sie verfügen auch über direkt gewählte Parlamente.

Nigeria verfügt über ein Mehrparteiensystem. Die am System der USA orientierte Verfassung enthält alle Attribute eines demokratischen Rechtsstaates (inkl. Grundrechtskatalog, Gewaltenteilung). Dem starken Präsidenten - zugleich Oberbefehlshaber der Streitkräfte - und dem Vizepräsidenten stehen ein aus Senat und Repräsentantenhaus bestehendes Parlament und eine unabhängige Justiz gegenüber. Die Verfassungswirklichkeit wird von der Exekutive in Gestalt des direkt gewählten Präsidenten und von den direkt gewählten Gouverneuren dominiert. Der Kampf um politische Ämter wird mit großer Intensität, häufig auch mit undemokratischen, gewaltsamen Mitteln geführt. Die Justiz ist der Einflussnahme von Exekutive und Legislative sowie einzelner politischer Führungspersonen ausgesetzt.

Es gibt in Nigeria keine klassischen Bürgerkriegsgebiete oder -parteien. Im Wesentlichen lassen sich mehrere Konfliktherde unterscheiden: Jener von Boko Haram im Nordosten; jener zwischen Hirten und Bauern im Middle-Belt; sowie Spannungen im Nigerdelta und eskalierende Gewalt im Bundesstaat Zamfara. Außerdem gibt es im Südosten zwischen der Regierung und Igbo-Gruppen, die für ein unabhängiges Biafra eintreten, sowie zwischen Armee und dem Islamic Movement in Nigeria (IMN) Spannungen. Die 2017 deutlich angespannte Lage im Südosten des Landes ("Biafra") hat sich mit dem Eingriff des Militärs und der mutmaßlichen Flucht des Anführers der stärksten separatistischen Gruppe IPOB derzeit wieder beruhigt.

Die Verfassung sieht Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz vor. In der Realität ist die Justiz allerdings der Einflussnahme von Exekutive und Legislative sowie einzelner politischer Führungspersonen ausgesetzt. Vor allem auf Bundesstaats- und Bezirksebene (LGA) versuchen Politiker die Justiz zu beeinflussen. Die insgesamt zu geringe personelle und finanzielle Ausstattung sowie mangelnde Ausbildung behindern die Funktionsfähigkeit des Justizapparats und machen ihn chronisch korruptionsanfällig. Die Gehälter im Justizbereich sind niedrig, und es mangelt an Infrastruktur. Zusätzlich widersprechen sich die Rechtssysteme mitunter. Trotz allem hat die Justiz in der Praxis ein gewisses Maß an Unabhängigkeit und Professionalität erreicht.

Eine willkürliche Strafverfolgung bzw. Strafzumessungspraxis durch Polizei und Justiz, die nach Rasse, Nationalität o. ä. diskriminiert, ist nicht erkennbar. Das bestehende System benachteiligt jedoch tendenziell Ungebildete und Arme, die sich weder von Beschuldigungen freikaufen noch eine Freilassung auf Kaution erwirken oder sich einen Rechtsbeistand leisten können. Zudem ist vielen eine angemessene Wahrung ihrer Rechte auf Grund von fehlenden Kenntnissen selbst elementarster Grund- und Verfahrensrechte nicht möglich. Gesetzlich vorgesehen sind prozessuale Rechte wie die Unschuldsvermutung, zeitnahe Information über die Anklagepunkte, das Recht auf ein faires und öffentliches Verfahren, das Recht auf einen Anwalt, das Recht auf ausreichende Zeit zur Vorbereitung der Verteidigung, Zeugen zu befragen und das Recht auf Berufung. Diese Rechte werden jedoch nicht immer gewährleistet. Auch der gesetzlich garantierte Zugang zu einem Rechtsbeistand oder zu Familienangehörigen wird nicht immer ermöglicht. Der Zugang zu staatlicher Prozesskostenhilfe ist in Nigeria beschränkt: Das Institut der Pflichtverteidigung wurde erst vor kurzem in einigen Bundesstaaten eingeführt. Lediglich in den Landeshauptstädten existieren NGOs, die sich zum Teil mit staatlicher Förderung der rechtlichen Beratung von Beschuldigten bzw. Angeklagten annehmen.

Die am 29.5.1999 in Kraft getretene Verfassung Nigerias enthält einen umfassenden Grundrechtskatalog. Dieser ist zum Teil jedoch weitreichenden Einschränkungen unterworfen. Das in Art. 33 der Verfassung gewährte Recht auf körperliche Unversehrtheit wird z.B. unter den Vorbehalt gestellt, dass die betroffene Person nicht bei der Anwendung legal ausgeübter staatlicher Gewalt zur "Unterdrückung von Aufruhr oder Meuterei" ihr Leben verloren hat. In vielen Bereichen bleibt die Umsetzung der zahlreich eingegangenen menschenrechtlichen Verpflichtungen weiterhin deutlich hinter internationalen Standards zurück. Zudem wurden völkerrechtliche Verpflichtungen zum Teil nur lückenhaft in nationales Recht umgesetzt. Einige Bundesstaaten haben Vorbehalte gegen einige internationale Vereinbarungen geltend gemacht und verhindern regional eine Umsetzung. Selbst in Bundesstaaten, welche grundsätzlich eine Umsetzung befürworten, ist die Durchsetzung garantierter Rechte häufig nicht gewährleistet. Die Menschenrechtssituation hat sich seit Amtsantritt einer zivilen Regierung 1999 zum Teil erheblich verbessert, vor allem im Hinblick auf die Freilassung politischer Gefangener und die Presse- und Meinungsfreiheit. Allerdings kritisieren Menschenrechtsorganisationen den Umgang der Streitkräfte mit Boko Haram-Verdächtigen, der schiitischen Minderheit, Biafra-Aktivisten und Militanten im Nigerdelta. Schwierig bleiben die allgemeinen Lebensbedingungen, die durch Armut, Analphabetismus, Gewaltkriminalität, ethnische Spannungen, ein ineffektives Justizwesen und die Scharia-Rechtspraxis im Norden des Landes beeinflusst werden. Es gibt viele Fragezeichen hinsichtlich der Einhaltung der Menschenrechte, wie z.B. die Praxis des Scharia-Rechts (Tod durch Steinigung), Entführungen und Geiselnahmen im Nigerdelta, Misshandlungen und Verletzungen durch Polizisten und Soldaten sowie Verhaftungen von Angehörigen militanter ethnischer Organisationen.

Die in den Jahren 2000/2001 eingeführten strengen strafrechtlichen Bestimmungen der Scharia haben zu keinem starken Anstieg von Menschenrechtsverletzungen geführt, die wenigen Steinigungsurteile wurden jeweils von einer höheren Instanz aufgehoben, auch Amputationsstrafen wurden in den letzten Jahren nicht vollstreckt. Es setzten sich nigerianische Organisationen wie z.B. CEHRD (Centre for Environment, Human Rights and Development), CURE-NIGERIA (Citizens United for the Rehabilitation of Errants) und HURILAWS (Human Rights Law Services) für die Einhaltung der Menschenrechte in ihrem Land ein. Auch die Gewerkschaftsbewegung Nigeria Labour Congress (NLC) ist im Bereich von Menschenrechtsfragen aktiv.

Homosexuelle Handlungen jeglicher Art sind – unabhängig vom Geschlecht der betroffenen Personen – sowohl nach säkularem Recht als auch nach Scharia-Recht (Körperstrafen bis hin zum Tod durch Steinigung in besonderen Fällen) strafbar. Allerdings sind kaum Fälle strafrechtlicher Verfolgung einvernehmlicher homosexueller Handlungen bekannt geworden. § 214 des Strafgesetzbuchs sieht 14 Jahre Haft für gleichgeschlechtliche Beziehungen vor. Der im Jänner 2014 verabschiedete Same Sex Marriage Prohibition Act (SSMPA) sieht zudem vor, dass homosexuelle Paare, die heiraten oder öffentlich ihre Zuneigung zeigen, mit Haft bestraft werden können. Das Gesetz sieht bis zu 14 Jahre Haft für Eheschließungen und zivilrechtliche Partnerschaften zwischen zwei Frauen oder zwei Männern vor. Wer seine Liebesbeziehung zu einem Menschen des gleichen Geschlechts direkt oder indirekt öffentlich zeigt, soll dem Gesetz zufolge mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden können. Die gleiche Strafe ist für die Gründung und Unterstützung von Clubs, Organisationen oder anderen Einrichtungen für Schwule und Lesben vorgesehen.

In den zwölf nördlichen Bundesstaaten, wo das islamische Recht in Kraft ist, können homosexuelle Handlungen mit Haft, Stockschlägen oder Tod durch Steinigung bestraft werden. Aktivisten sind keine Fälle bekannt, bei denen die Todesstrafe umgesetzt wurde. Insgesamt kam es auch unter der Scharia nur zu wenigen Verurteilungen. Homosexuelle versuchen auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen und weitverbreiteter Vorbehalte in der Bevölkerung, ihre sexuelle Orientierung zu verbergen. Der SSMPA hat zu einer weiteren Stigmatisierung von Lesben und Schwulen geführt. Diese werden oftmals von der Polizei schikaniert und misshandelt und von der Bevölkerung gemobbt oder mittels Selbstjustiz verfolgt. Erpressung und Gewalt treten oft schon beim Verdacht auf, homosexuell zu sein. Die meisten Menschenrechtsverletzungen gegen Homosexuelle gehen von nicht-staatlichen Akteuren aus. Die Verfügbarkeit von staatlichem Schutz ist in Frage zu stellen, manchmal interveniert die Polizei gar nicht oder verhaftet das Opfer. Opfer von Menschenrechtsverletzungen haben es extrem schwer, Vergehen bei den Behörden zu melden, denn es herrscht Angst vor Stigmatisierung, weiterer Gewalt und Diskriminierung. Es gibt viele Fälle, in denen Polizeibeamte Personen, von denen angenommen wird, dass sie sexuellen Minderheiten angehören, willkürlich verhaften. In der Folge werden hohe Geldsummen für die Freilassung gefordert. Staatliche Stellen sind häufig selbst die Täter bei Menschenrechtsverletzungen oder handeln in Kooperation mit nichtstaatlichen Akteuren. Im Rahmen der Verabschiedung des SSMPA 2014 kam es zu einer Zunahme an Fällen von Belästigung und Drohung. Es wurde von zahlreichen Verhaftungen berichtet. Allerdings wurden die Verhafteten in allen Fällen ohne eine formelle Anklage nach Zahlung einer Geldsumme freigelassen, die oftmals nichts anderes als ein Bestechungsgeld war.

Im Jahr 2017 kam es erstmals zu Anklagen unter dem SSMPA. Im November 2017 wurden ein Hotelbesitzer und zwei seiner Mitarbeiter wegen Unterstützung homosexueller Aktivitäten angeklagt. Im Dezember 2017 wurden die drei Angeklagten auf Kaution freigelassen und im August 2018 wurde das Verfahren eingestellt. Ansonsten ist keine strafrechtliche Verfolgung gemäß dem SSMPA feststellbar. Nach anderen Angaben wurden vereinzelt langjährige Haftstrafen verhängt. Eine generelle bzw. systematische „staatliche Verfolgung“ ist derzeit nicht gegeben. Die Rechtsänderung hat bisher nicht zu einer flächendeckenden verschärften Strafverfolgung geführt. Allerdings dient das Gesetz zur Rechtfertigung von Menschenrechtsverletzungen wie Folter, sexueller Gewalt, willkürlicher Haft, Erpressung von Geld sowie Verletzung von Prozessrechten. Gesellschaftliche Diskriminierung bei offenem Zurschaustellen der sexuellen Orientierung ist vorhanden. Die Community wird nicht überwacht. Die Polizei wird nicht aus eigenem Antrieb aktiv und sucht gezielt nach Homosexuellen. Die Polizei verhaftet Verdächtige in erster Linie mit dem Ziel, Geld zu erpressen. Grundsätzlich kommen Verdächtige nach der Zahlung einer „Kaution“ wieder frei. Aufgrund der bei der Polizei herrschenden Korruption ist es einfach, sich aus der Haft freizukaufen. Auch für betroffene Homosexuellen-NGOs hatte der SSMPA kaum Auswirkungen, keine der Organisationen musste die Arbeit einstellen. Im Gesundheitsbereich tätige NGOs mit Fokus auf Homosexuelle (v.a. HIV/AIDS) stellten zwar Anfang 2014 kurzfristig den Betrieb ein, doch wurde dieser nach wenigen Wochen wieder aufgenommen und läuft seither wie vor Inkrafttreten des SSMPA. Die meisten Homosexuellen-NGOs haben ihre Basis in den Hauptstädten der Bundesstaaten. Üblicherweise sind die Homosexuellen-NGOs den Betroffenen bekannt. Es existieren auch eigene HIV/AIDS-Kliniken, die gezielt für homosexuelle Patienten eingerichtet wurden. Verschiedene NGOs bieten Angehörigen sexueller Minderheiten rechtliche Beratung und Schulungen in Meinungsbildung, Medienarbeit und Bewusstseinsbildung in Bezug auf HIV an. Es existieren Netzwerke von Menschenrechtsanwälten, welche – im Falle der Verhaftung eines Homosexuellen – unmittelbar kontaktiert werden und die Person gegen „Kaution“ freizukaufen versuchen. Die Anwälte sind organisiert, es gibt unterschiedliche Vereine, z.B. Lawyers League for Minorities, Lawyers Alert oder die Coalition of Human Rights Lawyers. Homosexuellen-Netzwerke verschiedener Landesteile bzw. Städte sind miteinander in Kontakt. Die Netzwerke und Organisationen bieten auch Unterstützung und Zufluchtsmöglichkeiten an.

Die Verfassung garantiert Religionsfreiheit und Freiheit der Religionsausübung. Laut Verfassung darf die Regierung keine Staatsreligion beschließen, ist religiöse Diskriminierung verboten und hat jeder die Freiheit seine Religion zu wählen, auszuüben, zu propagieren und zu ändern. Im Vielvölkerstaat Nigeria ist die Religionsfreiheit ein Grundpfeiler des Staatswesens. Die Bundesregierung achtet auf die Gleichbehandlung von Christen und Muslimen, z.B. bei der Finanzierung von Gotteshäusern und Wallfahrten. Sie unterstützt den Nigerian Inter-Religious- Council, der paritätisch besetzt ist und die Regierung in Religionsangelegenheiten berät. Ähnliche Einrichtungen wurden auch in mehreren Bundesstaaten erfolgreich eingeführt. Die Regierung achtet Religionsfreiheit in der Praxis, obwohl von lokalen politischen Akteuren geschürte Gewalt in der Regel straflos bleibt. Die Verfassung verbietet es, ethnischen oder religiösen Gruppen Vorrechte einzuräumen. In der Praxis bevorzugen Bundesstaaten jedoch die jeweils durch die lokale Mehrheitsbevölkerung ausgeübte Religion. Manche Gesetze der Landes- und Lokalregierung diskriminieren Mitglieder religiöser Minderheiten. Außerdem gestaltet sich die Umsetzung der verfassungsmäßig gesicherten Religionsfreiheit in der Praxis aufgrund religiöser Spannungen schwierig.

Verfassung und Gesetze erlauben die freie Bildung politischer Parteien, Gewerkschaften oder Interessengruppen. Üblicherweise respektiert die Regierung dieses Recht, es wird jedoch für einige Gruppen eingeschränkt. Es liegen keine Erkenntnisse über die Verfolgung von Exilpolitikern durch die nigerianische Regierung vor. Auch in Nigeria kann sich die politische Opposition grundsätzlich frei betätigen. Das gilt nicht nur für die parlamentarische Opposition sondern auch für außerparlamentarische Parteien und Gruppen. Bislang sind auch - meist marginale - Gruppen mit sezessionistischen Zielen (etwa Biafra) weitgehend toleriert worden.

Die Verfassung sowie weitere gesetzliche Bestimmungen gewährleisten Bewegungsfreiheit im gesamten Land sowie Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung. Allerdings schränken Sicherheitsbeamte die Bewegungsfreiheit durch Ausgangssperren ein. Dies betrifft aufgrund der Operationen gegen Boko Haram v.a. die Bundesstaaten Adamawa, Borno und Yobe. Auch in anderen Bundesstaaten kommt es in Reaktion auf gewaltsame Auseinandersetzungen in ländlichen Regionen mitunter zu Ausgangssperren. Bei Operationen von Sicherheitskräften in Städten und an Hauptverkehrsstraßen werden gelegentlich Checkpoints eingerichtet. Zahlreiche von Militär und Polizei betriebene Checkpoints bleiben aufrecht.

Bürger dürfen sich in jedem Teil des Landes niederlassen. Grundsätzlich besteht in den meisten Fällen die Möglichkeit, staatlicher Verfolgung, Repressionen Dritter sowie Fällen massiver regionaler Instabilität durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Prinzipiell sollte es einer Person, die von nicht-staatlichen Akteuren verfolgt wird oder die sich vor diesen fürchtet, in einem großen Land wie Nigeria möglich sein, eine interne Relokation in Anspruch zu nehmen. Natürlich müssen die jeweiligen persönlichen Umstände beachtet werden.

Ein Meldewesen ist nicht vorhanden, wie zahlreiche Quellen bei EASO angeben. Nur eine Quelle behauptet, dass es eine Art Meldewesen gibt. Es bestehen gesetzliche Voraussetzungen, damit Bundesstaaten ein Meldewesen einrichten können. Bislang hat lediglich der Bundesstaat Lagos davon Gebrauch gemacht. Auch ein funktionierendes nationales polizeiliches Fahndungssystem existiert nicht. Daraus resultiert, dass eine Ausforschung einmal untergetauchter Personen kaum mehr möglich ist. Das Fehlen von Meldeämtern und bundesweiten polizeilichen Fahndungsbehörden ermöglicht es in den allermeisten Fällen, bereits in der näheren Umgebung "unterzutauchen". Im Sheriffs and Civil Process Act Chapter 407, Laws of the Federation of Nigeria 1990 sind Ladungen vor Gericht geregelt. Der Sheriff oder von ihm bestellte Bailiffs müssen die Ladungen in ganz Nigeria persönlich zustellen.

Die nigerianische Wirtschaft hat sich 2017 allmählich aus der schlimmsten Rezession seit 25 Jahren erholt, das BIP ist um 0,55 Prozent gestiegen. Mehrere Faktoren haben dazu beigetragen, dass sich die nigerianische Wirtschaft seit Ende 2017 allmählich wieder erholt, unter anderem eine Steigerung der Erdölförderleistung, die Erholung des Erdölpreises und eine verbesserte Leistung von Landwirtschaft und Dienstleistungssektor. Etwa 80 Prozent der Gesamteinnahmen Nigerias stammen aus der Öl- und Gasförderung. Neben Erdöl verfügt das Land über z.B. Zinn, Eisen-, Blei-, und Zinkerz, Kohle, Kalk, Gesteine, Phosphat - gesamtwirtschaftlich jedoch von geringer Bedeutung. Von Bedeutung sind hingegen der (informelle) Handel und die Landwirtschaft, welche dem größten Teil der Bevölkerung eine Subsistenzmöglichkeit bieten. Der Industriesektor (Stahl, Zement, Düngemittel) machte 2016 ca. 20 Prozent des BIP aus. Neben der Verarbeitung von Erdölprodukten werden Nahrungs- und Genussmittel, Farben, Reinigungsmittel, Textilien, Brennstoffe, Metalle und Baumaterial produziert. Industrielle Entwicklung wird durch die unzureichende Infrastruktur (Energie und Transport) behindert. Über 60 Prozent der Nigerianer sind in der Landwirtschaft beschäftigt, in ländlichen Gebieten über 90 Prozent. Der Agrarsektor wird durch die Regierung Buhari stark gefördert. Dadurch hat etwa der Anteil an Großfarmen zugenommen. Auch die Mais- und Reisproduktion wurde dadurch kräftig ausgeweitet. Dabei ist das Potenzial der nigerianischen Landwirtschaft bei Weitem nicht ausgeschöpft und das Land ist nicht autark, sondern auf Importe - v. a. von Reis - angewiesen. Über 95 Prozent der landwirtschaftlichen Produktion kommt aus Subsistenzbetrieben. Historisch war Lebensmittelknappheit in fast ganz Nigeria aufgrund des günstigen Klimas und der hohen agrarischen Tätigkeit so gut wie nicht existent. In einzelnen Gebieten im äußersten Norden (Grenzraum zu Niger) gestaltet sich die Landwirtschaft durch die fortschreitende Desertifikation allerdings schwierig. Experten schließen aufgrund der Wetterbedingungen, aber auch wegen der Vertreibungen als Folge der Attacken durch Boko Haram Hungerperioden für die nördlichen, insbesondere die nordöstlichen Bundesstaaten nicht aus. Die Einkommen sind in Nigeria höchst ungleich verteilt. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben in absoluter Armut, fast 50 Prozent unter der Armutsgrenze. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, bei Jugendlichen wird sie auf über 20 Prozent geschätzt. Offizielle Statistiken über Arbeitslosigkeit gibt es aufgrund fehlender sozialer Einrichtungen und Absicherung nicht. Geschätzt wird sie auf 20 bis 45 Prozent - in erster Linie unter 30-jährige - mit großen regionalen Unterschieden. Der Staat und die Bundesstaaten haben damit begonnen, Programme zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit umzusetzen. Die Resultate sind dürftig. Der Mangel an lohnabhängiger Beschäftigung führt dazu, dass immer mehr Nigerianer in den Großstädten Überlebenschancen im informellen Wirtschaftssektor als "self-employed" suchen. Die Großfamilie unterstützt in der Regel beschäftigungslose Angehörige. Generell wird die Last für Alter, Krankheit, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung vom Netz der Großfamilie und vom informellen Sektor getragen. Allgemein kann festgestellt werden, dass auch eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit findet, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird.

Programme zur Armutsbekämpfung gibt es sowohl auf Länderebene als auch auf lokaler Ebene. Zahlreiche NGOs im Land sind in den Bereichen Armutsbekämpfung und Nachhaltige Entwicklung aktiv. Frauenorganisationen, von denen Women In Nigeria (WIN) die bekannteste ist, haben im traditionellen Leben Nigerias immer eine wichtige Rolle gespielt. Auch Nigerianer, die in der Diaspora leben, engagieren sich für die Entwicklung in ihrer Heimat. Die täglichen Lebenshaltungskosten differieren regional zu stark, um Durchschnittswerte zu berichten. Verdienstmöglichkeiten für Rückkehrerinnen: Eine der Berufsmöglichkeiten für Rückkehrerinnen ist die Eröffnung einer mobilen Küche für "peppersoup", "garri" oder "pounded yam", für die man lediglich einen großen Kochtopf und einige Suppenschüsseln benötigt. Die Grundausstattung für eine mobile Küche ist für einen relativ geringen Betrag erhältlich. Hauptsächlich im Norden ist auch der Verkauf von bestimmten Holzstäbchen zur Zahnhygiene eine Möglichkeit, genügend Einkommen zu erlangen. In den Außenbezirken der größeren Städte und im ländlichen Bereich bietet auch "mini-farming" eine Möglichkeit, selbständig erwerbstätig zu sein. Schneckenfarmen sind auf 10 m² Grund einfach zu führen und erfordern lediglich entweder das Sammeln der in Nigeria als "bushmeat" gehandelten Wildschnecken zur Zucht oder den Ankauf einiger Tiere. Ebenso werden nun "grasscutter" (Bisamratten-ähnliche Kleintiere) gewerbsmäßig in Kleinkäfigen als "bushmeat" gezüchtet. Großfarmen bieten Tagesseminare zur Aufzucht dieser anspruchslosen und sich rasch vermehrenden Tiere samt Verkauf von Zuchtpaaren an. Rascher Gewinn und gesicherte Abnahme des gezüchteten Nachwuchses sind gegeben. Schnecken und "grasscutter" finden sich auf jeder Speisekarte einheimischer Lokale. Für handwerklich geschickte Frauen bietet auch das Einflechten von Kunsthaarteilen auf öffentlichen Märkten eine selbständige Erwerbsmöglichkeit. Für den Verkauf von Wertkarten erhält eine Verkäuferin wiederum pro 1.000 Naira Wert eine Provision von 50 Naira. Weiters werden im ländlichen Bereich Mobiltelefone für Gespräche verliehen; pro Gespräch werden 10 Prozent des Gesprächspreises als Gebühr berechnet.

Nigeria verfügt über ein sehr kompliziertes Gesundheitssystem. Die medizinische Versorgung ist mit jener in Europa nicht vergleichbar, sie ist vor allem im ländlichen Bereich technisch, apparativ und/oder hygienisch problematisch. Es besteht keine umfassende Liste der Krankenhäuser und Ausstattungen, aber zahlreiche Krankenhäuser in Nigeria sind gut ausgestattet und in der Lage, zahlungsfähige Patienten medizinisch zu versorgen. Verschiedene Krankenhäuser in Nigeria haben sich auf unterschiedliche Krankheiten spezialisiert und Patienten suchen diese Krankenhäuser entsprechend ihrer Erkrankung auf. Allgemeine Krankenhäuser in Nigeria behandeln Patienten mit verschiedenen Krankheiten, verfügen jedoch üblicherweise über Fachärzte wie etwa Kinderärzte, Augenärzte, Zahnärzte, Gynäkologen zur Behandlung bestimmter Krankheiten.

Rückkehrer finden in den Großstädten eine medizinische Grundversorgung vor. Wenn ein Heimkehrer über eine medizinische Vorgeschichte verfügt, sollte er möglichst eine Überweisung von dem letzten Krankenhaus, in dem er behandelt wurde, vorlegen). Heimkehrer, die vorher nicht in ärztlicher Behandlung waren, müssen lediglich dem Krankenhaus eine Registrierungsgebühr zahlen und in der Lage sein, ihre Behandlungskosten selbst zu tragen. Hat eine Person keine Dokumente, führt dieser Umstand nicht zur Verweigerung medizinischer Versorgung oder zum Ausschluss von anderen öffentlichen Diensten (z.B. Bildung).

Medikamente sind verfügbar, können aber je nach Art teuer sein. Die staatliche Gesundheitsversorgung gewährleistet keine kostenfreie Medikamentenversorgung. Jeder Patient - auch im Krankenhaus - muss Medikamente selbst besorgen bzw. dafür selbst aufkommen. Medikamente gegen einige weit verbreitete Infektionskrankheiten wie Malaria und HIV/Aids können teils kostenlos in Anspruch genommen werden, werden jedoch nicht landesweit flächendeckend ausgegeben. In der Regel gibt es fast alle geläufigen Medikamente in Nigeria in Apotheken zu kaufen, so auch die Antiphlogistika und Schmerzmittel Ibuprofen und Diclofenac sowie die meisten Antibiotika, Bluthochdruckmedikamente und Medikamente zur Behandlung von neurologischen und psychiatrischen Leiden.

Abschiebungen erfolgen auf dem Luftweg, in Linien- oder Chartermaschinen. Rückführungen aus EU-Staaten erfolgen meist durch Charterflüge, die auch durch FRONTEX durchgeführt werden. Die österreichische Botschaft in Abuja unterstützt regelmäßig die Vorbereitung und Durchführung von Joint Return Operations im Rahmen von FRONTEX als "lead nation". Ohne gültigen nigerianischen Pass oder einen von einer nigerianischen Botschaft ausgestellten vorläufigen Reiseausweis ist eine Einreise aus Europa kommender nigerianischer Staatsangehöriger nicht möglich. Dies gilt auch für zwangsweise Rückführungen.

Erkenntnisse darüber, ob abgelehnte Asylbewerber bei Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben, liegen nicht vor. Verhaftung aus politischen Gründen oder andere außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise von abgeschobenen oder freiwillig rückkehrenden Asylwerbern sind nicht bekannt. Die Erfahrungen seit dem Jahre 2005 lassen kaum Probleme erkennen. Abgeschobene Personen werden im Allgemeinen nach ihrer Ankunft in Lagos von der zuständigen Behörde (Nigerian Immigration Service), manchmal auch von der NDLEA (National Drug Law Enforcement Agency) befragt bzw. erkennungsdienstlich behandelt und können danach das Flughafengelände unbehelligt verlassen. Meist steigen sie in ein Taxi ein oder werden von ihren Familien abgeholt. Es kann jedoch nicht mit gänzlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die abgeschobenen Personen keine weiteren Probleme mit den Behörden haben. Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt allerdings darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist.

Internationale Akteure bemühen sich, neue Rückkehrer- bzw. Migrationsberatungszentren aufzubauen. Eine entsprechende Einrichtung von IOM in Benin-City, Edo State, wurde 2018 eröffnet. Gleichermaßen hat im Herbst 2018 in Lagos das Migrationsberatungszentrum der GIZ seinen Betrieb aufgenommen. Gemeinsam mit dem nigerianischen Arbeitsministerium wird dort über berufliche Perspektiven in Nigeria informiert.

Eine nach Nigeria zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt. Es kann allgemein festgestellt werden, dass der pauschale Hinweis eines Asylwerbers auf die allgemein herrschende Situation in Nigeria nicht ausreicht, um eine Bedrohung iSv Art. 2 MRK, 3 MRK oder des Protokolls Nr. 6 oder 13 der EMRK darzustellen.

Es kann daher zusammengefasst festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr keiner lebensbedrohenden Situation überantwortet wird.

Es wird weiters festgestellt, dass der Beschwerdeführer seinen Lebensunterhalt aus eigener Kraft bestreiten kann, zumal er gesund und arbeitsfähig ist und über eine zehnjährige Schulbildung sowie Arbeitserfahrung als Fabrikarbeiter verfügt. Selbst wenn ihm kein privater Familienverband soziale Sicherheit bieten sollte, kann er seinen Lebensunterhalt aus eigener Kraft bestreiten. Staatliche Repressionen im Falle der Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl können nicht festgestellt werden.

Es wurden zwischenzeitlich auch keine Anhaltspunkte dafür bekannt, wonach die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 50 FPG idgF in seinen Heimatstaat Nigeria unzulässig wäre.

2. Beweiswürdigung:

Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz, in das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria, sowie die Verhandlungsschrift der mündlichen Verhandlung vom 29.05.2020.

Auch der Beschwerde vermag das Bundesverwaltungsgericht keine neuen Sachverhaltselemente zu entnehmen, die geeignet wären, die von der belangten Behörde getroffene Entscheidung in Frage zu stellen.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität, zur Staatsangehörigkeit und zur Herkunft des Beschwerdeführers getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen auch in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.

Aus dem Verwaltungsakt und der Beschwerde ergaben sich keinerlei Hinweise auf eine mögliche Erkrankung. Deshalb war die Feststellung zu treffen, dass der Beschwerdeführer gesund und arbeitsfähig ist.

Die Feststellungen zu seiner Schulbildung und Berufserfahrung ergeben sich aus seinen eigenen, plausiblen Angaben vor der belangten Behörde.

Dass der Beschwerdeführer in Österreich weder Verwandte noch Familienangehörige hat und auch keine tiefgreifende soziale und integrative Verfestigung im Sinne des Art. 8 EMRK aufweist, hingegen in Nigeria eine Schwester des Beschwerdeführers lebt, resultiert aus dem Verwaltungsakt. Maßgeblichen Beziehungen zu ÖsterreicherInnen wurden nicht vorgebracht.

Weiters erklärte er, eine Straßenzeitung zu verkaufen, legte diesbezüglich aber keine Bestätigungen vor. Ansonsten legte er keinerlei Nachweise vor, die eine besondere Integrationsverfestigung seiner Person in Österreich belegen würden. Besondere Integrationsbemühungen des seit September 2015 in Österreich lebenden Beschwerdeführers sind nicht ersichtlich bzw. wurden im Stadium der Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht nicht übermittelt. Auch aus der Beschwerde gehen keine Hinweise auf ein schützenswertes Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich hervor.

Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (zB ihre familiäre (VwGH 14.2.2002, 99/18/0199 ua), gesundheitliche (VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601) oder finanzielle (vgl VwGH 15.11.1994, 94/07/0099) Situation), von dem sich die Behörde nicht amtswegig Kenntnis verschaffen kann (vgl auch VwGH 24.10.1980, 1230/78), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Asylwerbers (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279).

Da der Beschwerdeführer entweder nicht im Stande oder nicht Willens war, den österreichischen Behörden identitätsbezeugende Dokumente vorzulegen, steht seine Identität nicht fest.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Österreich nicht vorbestraft ist, beruht auf dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Strafregisterauszug.

Dass der Beschwerdeführer bis 05.09.2018 Leistungen aus der Grundversorgung bezog (OZ 9 im Akt) und nicht selbsterhaltungsfähig ist, ergibt sich aus dem eingeholten Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem.

Zur ordnungsgemäßen Ladung:

Der Beschwerdeführer wurde über die von ihm im Verfahren namhaft gemachte Adresse geladen. Seitens der Caritas XXXX erging diesbezüglich mit E-Mail vom 27.09.2018 folgende als solche bezeichnete „Hauptwohnsitzbestätigung“: „Sehr geehrte Damen und Herren! Hiermit bestätige ich, dass mit heutigem Datum, dem 27.09.2018, Herr XXXX Nationalität Nigeria in der XXXX gemäß §19 MeldeG registriert ist und somit postalisch an unserer Adresse, XXXX , erreichbar ist. Anbei übermittle ich Ihnen die Bestätigung unsererseits, sowie eine Identitätsbestätigung. Mit freundlichen Grüßen […]“ (OZ 10 im Akt).

Seitens der PI-Graz Hauptbahnhof wurde der Beschwerdeführer am 09.07.2019 hinsichtlich der Wohnsitzbeschränkung belehrt und wurde ihm das diesbezügliche Infoblatt in Englischer Sprache auf sein Verlangen ausgefolgt (OZ 11 im Akt).

Da die Vertretungsbefugnisse seitens RA Mag. Anton Karner spätestens per 11.03.2020 („Herr XXXX wird schon seit Jahren nicht mehr von mir vertreten und bitte ich um Kenntnisnahme“, OZ 13 im Akt) und der ARGE Diakonie RB per 30.04.2020 („von o.g. Klienten haben wir keine Vollmacht mehr.“ OZ 16 im Akt, sowie Vollmachtsauflösung vom 30.08.2017, OZ 5 im Akt) beendet waren, wurde der Beschwerdeführer persönlich für die beantragte Beschwerdeverhandlung am 22.05.2020 geladen und hat er diese Ladung am 07.05.2020 (RSb, OZ 15 im Akt) – ebenso wie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung samt mündlich verkündetem Erkenntnis am 04.06.2020 (RSb, OZ 17 im Akt) – persönlich gegen Unterschriftsleistung übernommen.

2.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Dem Asylwerber steht die Einvernahme als wichtigstes Beweismittel zur Verfügung. Das Bundesverwaltungsgericht kann einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubwürdig anerkennen, wenn der Asylwerber gleichbleibende, substantiierte Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und mit den Tatsachen oder allgemeinen Erfahrungen übereinstimmen.

Der Beschwerdeführer hatte bei der Asylantragstellung in Österreich am 26.09.2015 vorgebracht, dass er aufgrund seines christlichen Glaubens große Probleme mit der Gruppe „Boko Haram“ gehabt hätte. Dieser hätte er sich anschließen sollen – was der Beschwerdeführer aber verweigert hätte. Daher aus diesem Grund wäre er geflohen, weil er um sein Leben gefürchtet hätte (AS 9).

Eineinhalb Jahre später, bei der Einvernahme durch die belangte Behörde am 24.02.2017 war die Bedrohung durch Boko Haram kein Thema mehr, sondern zunächst nur die Furcht vor seinem Onkel: „Als meine Eltern starben haben sich die ganzen Umstände verändert. Meine Eltern verstarben ungefähr im August 2013. (…) Ich wollte weiter im Osten Nigerias bleiben, jedoch mein Onkel XXXX wollte das Vermögen meines Vaters für sich beanspruchen. Einige Leute sagten zu mir, ich solle wegfahren, da mich sonst mein Onkel töten würde. (…) Ich hatte vorher schon immer Probleme mit meinem Onkel. Mein Onkel verwendet nämlich JUDU. (…) Wenn ich zuhause geblieben wäre, hätte mich mein Onkel mit JUDU getötet.“ (AS 81 ff).

Erst gegen Ende der Einvernahme ergänzte der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe noch um seine homosexuelle Orientierung. Diesbezüglich sei es im Oktober 2013 zu einem Vorfall in einem Hotel gekommen, bei dem der Beschwerdeführer von Angestellten des Hotels aufgrund seiner Sexualität attackiert und verletzt worden wäre (AS 89).

Im Hinblick darauf, dass im Asylverfahren die Aussage des Beschwerdeführers die zentrale Erkenntnisquelle darstellt, stützt sich das erkennende Gericht vor allem auf die unmittelbaren Angaben des Beschwerdeführers und müssen die Angaben des Beschwerdeführers bei einer Gesamtbetrachtung auf ihre Glaubwürdigkeit überprüft werden. Generell ist zur Glaubhaftigkeit eines Vorbringens auszuführen, dass eine Aussage grundsätzlich dann als glaubhaft zu qualifizieren ist, wenn das Vorbringen hinreichend substantiiert ist; der Beschwerdeführer sohin in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über von ihm relevierte Umstände bzw. Erlebnisse zu machen. Weiters muss das Vorbringen plausibel sein, d.h. mit überprüfbaren Tatsachen oder der allgemeinen Lebenserfahrung entspringenden Erkenntnissen übereinstimmen. Hingegen scheinen erhebliche Zweifel am Wahrheitsgehalt einer Aussage angezeigt, wenn der Beschwerdeführer den seiner Meinung nach seinen Antrag stützenden Sachverhalt bloß vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt. Weiteres Erfordernis für den Wahrheitsgehalt einer Aussage ist, dass die Angaben in sich schlüssig sind; so darf sich der Beschwerdeführer nicht in wesentlichen Passagen seiner Aussage widersprechen.

Es ist anhand der Darstellung der persönlichen Bedrohungssituation eines Beschwerdeführers und den dabei allenfalls auftretenden Ungereimtheiten - z.B. gehäufte und eklatante Widersprüche (z.B. VwGH 25.1.2001, 2000/20/0544) oder fehlendes Allgemein- und Detailwissen (z.B. VwGH 22.2.2001, 2000/20/0461) - zu beurteilen, ob Schilderungen eines Asylwerbers mit der Tatsachenwelt im Einklang stehen oder nicht.

Der erkennende Richter geht aufgrund einer Gesamtschau des Akteninhaltes davon aus, dass der Beschwerdeführer den angegebenen Fluchtgrund, ihm drohe in Nigeria asylrelevante Verfolgung wegen seiner behaupteten Homosexualität bzw. wegen Erbstreitigkeiten mit seinem Onkel oder durch Boko Haram nicht glaubhaft machen konnte.

So wird die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers vor allem dadurch schwer belastet, dass er bei seiner Ersteinvernahme am 26.09.2015 seinen Antrag auf internationalen Schutz ausschließlich mit der Bedrohung durch Boko Haram begründete und zur Untermauerung seines Vorbringens ausführte: „Da ich Christ bin, habe ich große Probleme mit der Gruppe Boko Haram, ich sollte mich ihnen anschließen – was ich verweigerte – daher fürchte ich um mein Leben und floh“ (AS 9).

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass die Erstbefragung nicht der Erörterung der Fluchtgründe dient, es ist aber im Sinne eine Glaubwürdigkeitsbeurteilung davon auszugehen, dass ein Schutzsuchender, der einen langwierigen, anstrengenden und letztendlich auch schlepperunterstützen und damit kostspieligen Weg auf sich nimmt, von Anbeginn die essentiellen Bestandteile seiner Fluchtgeschichte stringent und widerspruchsfrei vorbringt. Die Steigerungen des Fluchtvorbringens belasten die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers jedenfalls massiv.

Auf den Vorhalt in der Einvernahme durch die belangte Behörde, dass der Beschwerdeführer bei der Erstbefragung noch die Furcht vor Boko Haram angeführt habe, antwortete der Beschwerdeführer nur allgemein: „Ja, alle diese Sachen passieren im Norden.“ (AS 93).

Die verschiedenen Versionen seiner Fluchtgeschichte waren derart unterschiedlich und in sich widersprüchlich, dass die belangte Behörde seinem Fluchtvorbringen zur Gänze die Glaubhaftigkeit absprach. Der Beschwerdeführer war keineswegs im Stande, lebensnahe oder zumindest gleichbleibenden Angaben dazu machen, welchen konkreten Verfolgungshandlungen er in Nigeria ausgesetzt war.

Daher wurde von Seiten des Bundesverwaltungsgerichtes versucht, dem Beschwerdeführer Gelegenheit zu geben, seine Sicht der Dinge in einer mündlichen Verhandlung darzulegen. Diesbezüglich ist aber im konkreten Fall auf die fehlende Mitwirkung des Beschwerdeführers hinzuweisen. So fand die für den 29.05.2020 anberaumte Beschwerdeverhandlung trotz ordnungsgemäßer persönlicher Ladung an den Beschwerdeführer – unentschuldigt ohne Angabe von Gründen – ohne den Beschwerdeführer statt und wurde durch dieses Verhalten manifestiert, dass seitens des Beschwerdeführers keinerlei Interesse an einem wie auch immer gearteten Abschluss des Asylverfahrens erkennbar ist.

Da es der Beschwerdeführer also vorgezogen hat, der mündlichen Verhandlung fernzubleiben, konnte seine Einvernahme bezüglich seiner behaupteten Fluchtgründe vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht stattfinden. Der Beschwerdeführer hat sich damit selbst die Möglichkeit auf rechtliches Gehör im Rahmen einer – von ihm im Rahmen der Beschwerde beantragten – mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht genommen. Dies stellt eine Verletzung seiner Mitwirkungspflicht dar, die zum einen bei der Beweiswürdigung zu Lasten des Beschwerdeführers zu berücksichtigen war und die zum anderen dem Beschwerdeführer bei der Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes zur Last fällt, soweit es dem Bundesverwaltungsgericht nicht möglich ist, von sich aus und ohne Mitwirkung der Partei tätig zu werden (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Dezember 2001, Zl. 2000/20/0318).

Der Asylwerber hat im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach § 15 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 alle zur Begründung seines Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage und allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert wahrheitsgemäß darzulegen (VwGH 15.03.2016, Ra 2015/01/0069; 30.11.2000, Zl. 2000/01/0356). Die Mitwirkungspflicht des Asylwerbers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214). Der Beschwerdeführer ist folglich seiner Mitwirkungspflicht nicht ansatzweise nachgekommen.

Dieses prozessuale Verhalten des Beschwerdeführers hindert jedoch das Bundesverwaltungsgericht nicht, die vorliegende Beschwerdesache zu erledigen, weil sie dessen ungeachtet nach der Aktenlage auch ohne Mitwirkung des Beschwerdeführers entscheidungsreif ist. Dazu kommt, dass das Bundesverwaltungsgericht nach Maßgabe des § 39 Abs. 2 AVG iVm § 17 VwGVG grundsätzlich von Amts wegen vorzugehen, sowie den Gang des Ermittlungsverfahrens selbst zu bestimmen hat und sich dabei von Rücksichten auf möglichste Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis leiten lassen muss. Vor diesem rechtlichen Hintergrund darf das Bundesverwaltungsgericht weder mit der Entscheidung über die vorliegende Beschwerdesache (weiter) zuzuwarten, noch ist es angezeigt, einzelne rechtswirksam gesetzte Verfahrensschritte zu wiederholen.

Von einem Antragsteller ist ein Verfolgungsschicksal glaubhaft darzulegen. Einem Asylwerber obliegt es, bei den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen und Verhältnissen, von sich aus eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, seinen Asylanspruch lückenlos zu tragen und hat er unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern. Die Behörde bzw. das Gericht muss somit die Überzeugung von der Wahrheit des von einem Asylwerber behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor asylrelevanter Verfolgung herleitet. Es kann zwar durchaus dem Asylwerber nicht die Pflicht auferlegt werden, dass dieser hinsichtlich asylbegründeter Vorgänge einen Sachvortrag zu Protokoll geben muss, der auf Grund unumstößlicher Gewissheit als der Wirklichkeit entsprechend gewertet werden muss, die Verantwortung eines Antragstellers muss jedoch darin bestehen, dass er bei tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit die Ereignisse schildert.

Dies war letztlich aufgrund des vom Beschwerdeführer gesetzten – und damit eindeutig in seiner Sphäre gelegenen – Verhaltens nicht möglich.

Für den erkennenden Richter handelt es sich damit – der belangten Behörde folgend – sowohl bei der zunächst vorgebrachten Verfolgung aus religiösen Gründen durch die Gruppierung „Boko Haram“ als auch bei der Verfolgung durch den Onkel aufgrund einer Erbstreitigkeit sowie bei der nachträglich angeführten – in Nigeria unter Strafe stehenden – Homosexualität um vorgetäuschte bzw. erfundene Fluchtgeschichten. Eine Verfolgung von staatlichen und/oder privaten Gruppen aus politischen, rassischen, religiösen Gründen oder aus Gründen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe konnte daher nicht festgestellt werden.

Zusammenfassend gelangt das Bundesverwaltungsgericht – wie auch schon die belangte Behörde – aufbauend auf der obigen Beweiswürdigung zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer mangels Mitwirkungspflicht, aufgrund persönlicher Unglaubwürdigkeit aufgrund von Widersprüchlichkeiten und eines gesteigerten Fluchtvorbringens keine asylrelevante Verfolgung in Nigeria glaubhaft machen konnte und insbesondere keinerlei Interesse an einem wie immer gearteten Abschluss seines Asylverfahrens zeigte.

2.4. Zum Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Nigeria samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von Nichtregierungsorganisationen, wie bspw. Open Doors, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat in Nigeria ergeben sich insbesondere aus den folgenden Meldungen und Berichten:

-        AA - Auswärtiges Amt (10.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2018)

-        AA - Auswärtiges Amt (12.4.2019): Nigeria - Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/nigeriasicherheit/ 205788#content_6, Zugriff 12.4.2019

-        AA - Auswärtiges Amt (9.2018a): Nigeria - Innenpolitik,

-        AA - Auswärtiges Amt (9.2018b): Nigeria - Kultur und Bildung, Medien, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/-/205846, Zugriff 9.11.2018

-        AA - Auswärtiges Amt (9.2018c): Nigeria - Wirtschaft,

-        AI - Amnesty International (10.4.2019): Death Sentences and Executions 2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/2006174/ACT5098702019ENGLISH.PDF, Zugriff 12.4.2019

-        AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425079.html, Zugriff 8.11.2018

-        AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425079.html, Zugriff 8.11.2018

-        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (1.4.2019): Briefing Notes, https://www.ecoi.net/en/file/local/2006127/Deutschland Bundesamt_f

-        BBC News (22.10.2018): Nnamdi Kanu, Nigerian separatist leader, resurfaces in Israel, https://www.bbc.com/news/world-africa-45938456, Zugriff 17.12.2018

-        BBC News (26.2.2019): Nigeria Presidential Elections Results 2019, https://www.bbc.co.uk/news/resources/idt-f0b25208-4a1d-4068-a204-940cbe88d1d3, Zugriff 12.4.2019

-        BMEIA - Österreichisches Außenministerium (12.4.2019): Reiseinformationen - Nigeria, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/nigeria/, Zugriff 12.4.2019

-        BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Nigeria Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427393/488302_en.pdf, Zugriff 19.11.2018

-        CFR - Council on Foreign Relations (2019): Nigeria Security Tracker, https://www.cfr.org/nigeria/ nigeria-security-tracker/p29483, Zugriff 12.4.2019

-        CIA - Central Intelligence Agency (11.3.2019): The World Fact Book, Nigeria, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/ni.html, Zugriff 22.3.2019

-        CLS - Cornell Law School (20.12.2018): Death Penalty Database - Nigeria - Annual Number of Reported Executions, https://www.deathpenaltyworldwide.org/country-search-post.cfm?141- 9chk=on&hideinfo=on, Zugriff 22.3.2019

-        DS1 - Diplomatic Source 1 (20.11.2015): Interview im Rahmen einer Fact Finding Mission

-        DS2 - Diplomatic Source 2 (19.11.2015): Interview im Rahmen einer Fact Finding Mission

-        DS3 - Diplomatic Source 3 (18.11.2015): Interview im Rahmen einer Fact Finding Mission

-        DS4 - Diplomatic Source 4 (20.11.2015): Interview im Rahmen einer Fact Finding Mission

-        DT - Daily Trust (18.6.2016): Cult killings: States in grip of deadly rise, https://www.dailytrust.com.ng/cult-killings-states-in-grip-of-deadly-rise.html, Zugriff 16.11.2018

-        EASO - European Asylum Support Office (11.2018a): Country of Origin Information Report - Nigeria - Security Situation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2001366/2018_EASO_COI_Nigeria_SecuritySituation.pdf, Zugriff 12.4.2019

-        EASO - European Asylum Support Office (11.2018b): Country of Origin Information Report - Nigeria - Targeting of individuals, https://www.ecoi.net/en/file/local/2001375/2018_EASO_COI_Nigeria_TargetingIndividuals.pdf, Zugriff 11.4.2019

-        EASO - European Asylum Support Office (2.2019): Country Guidance: Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2004112/Country_Guidance_Nigeria_2019.pdf, Zugriff 12.4.2019

-        EASO - European Asylum Support Office (24.1.2019): Query Response – Identification documents system in Nigeria

-        EASO - European Asylum Support Office (6.2017): EASO Country of Origin Information Report Nigeria Country Focus, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1496729214_easo-country-fo

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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