Entscheidungsdatum
03.07.2020Norm
AlVG §1 Abs1 litaSpruch
I413 2232183-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Martin ATTLMAYR, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerde von Dr. XXXX gegen den Bescheid der der Tiroler Gebietskrankenkasse (nunmehr Österreichische Gesundheitskasse, LSt. Tirol) vom vom 16.07.2015, Zl. 2015-18-GPLA-SV-JHa-V-008, nach Beschwerdevorentscheidung vom 06.10.2015, 2015-18-GPLA-SV-JHa-BVA-V-008, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.11.2019, 19.11.2019 und 07.02.2020 zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird Folge gegeben und die Beschwerdevorentscheidung vom 06.10.2015, 2015-18-GPLA-SV-JHa-BVE-V-008, dahingehend abgeändert, dass Dr. XXXX für den Zeitraum vom 01.12.2012 bis 14.08.2013 aufgrund seiner am 18.11.2012 ausgeübten Tätigkeit als Notarzt bei der XXXX GmbH nicht der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung, Unfallversicherung und Pensionsversicherung sowie der Arbeitslosenversicherung in Österreich unterliegt.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die belangte Behörde führte bei der XXXX GmbH (im folgenden auch „mitbeteiligte Partei“) eine gemeinsame Prüfung der lohnabhängigen Abgaben (GPLA) für den Prüfzeitraum 01.01.2006 bis 31.12.2010 durch. Das Ergebnis dieser Prüfung wurde der mitbeteiligten Partei am 04.10.2012 zur Kenntnis gebracht. Die mitbeteiligte Partei beantragte die Erlassung eines Bescheides.
2. Die belangte Behörde führte für den Prüfzeitraum 01.01.2011 bis 31.12.2012 eine weitere GPLA durch. Im Rahmen der Schlussbesprechung am 24.09.2014 wurde das Ergebnis mit der mitbeteiligten Partei besprochen. Sie beantragte mit Schriftsatz vom 24.09.2014 eine bescheidmäßige Erledigung für diesen Prüfzeitraum. Mit Schriftsatz vom 12.11.2014 fasste die belangte Behörde die Ergebnisse der Schlussbesprechung vom 24.09.2014 betreffend den Prüfzeitraum 01.01.2011 bis 31.12.2012 sowie die Ergebnisse der Schlussbesprechung vom 04.10.2012 betreffend den Prüfzeitraum 01.01.2006 bis 31.12.2010 zusammen, verwies darauf, dass die belangte Behörde beide Zeiträume in einem Bescheid behandeln werde und ermöglichte die Einbringung einer Stellungnahme hierzu.
3. Mit Bescheid vom 16.07.2015, 2015-18-GPLA-SV-JHa-V-008 entschied die belangte Behörde wie folgt:
"1. Die in der Anlage A zu diesem Bescheid angeführten Personen unterliegen, zu den in der Anlage A genannten Zeiträumen, auf Grund ihrer ausgeübten Tätigkeit als Notärzte bei der XXXX GmbH, FN XXXX , rechtsfreundlich vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Günther Auer, Rechtsanwälte Greger und Auer, Salzburger Straße 77, 5110 Oberndorf, der Pflichtversicherung gemäß § 4 Abs 1 in Verbindung mit Abs 2 ASVG und der Arbeitslosenversicherung gemäß § 1 Abs 1 lit a AlVG.
2. Die in er Anlage B zu diesem Bescheid angeführten Personen unterliegen, zu den in der Anlage B genannten Zeiträumen, auf Grund ihrer ausgeübten Tätigkeit als Flugretter bei der XXXX GmbH, XXXX , rechtsfreundlich vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Günther AUER, Rechtsanwälte Greger und Auer, Salzburger Straße 77, 5110 Oberndorf, der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung, Unfallversicherung und Pensionsversicherung gemäß § 4 Abs 1 in Verbindung mit Abs 2 ASVG und der Arbeitslosenversicherung gemäß § 1 Abs 1 lit a AlVG."
4. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 06.10.2015, Zl. 2015-18-GPLA-SV-JHa-BVE-V-008, entschied die belangte Behörde wie folgt:
"1.1. Gemäß § 14 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird die Beschwerde des Herrn Dr. XXXX vom 28.08.2015, eingelangt am 01.09.2015, gegen den Bescheid der Tiroler Gebietskrankenkasse vom 16.07.2015, GZ: 2015-18-GPLA-SV-JHa-V-008, nachweislich zugestellt am 25.07.2015, als verspätet zurückgewiesen.
1.2. Gemäß § 14 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde des Herrn Dr. DI XXXX , vom 06.08.2015, postalisch eingelangt am 10.08.2015 (vorab per E-Mail eingelangt am 06.08.2015) stattgegeben und der Bescheid der Tiroler Gebietskrankenkasse vom 16.07.2015, GZ: 2015-18-GPLA-SV-JHa-V-008, dahingehend abgeändert, sodass der 1. Spruchpunkt zu lauten hat wie folgt:
1. "Die in Anlage C zu diesem Bescheid angeführten Personen unterliegen, zu den in der Anlage C genannten Zeiträumen, auf Grund ihrer ausgeübten Tätigkeit als Notärzte bei der XXXX GmbH, FN XXXX , rechtsfreundlich vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Günther Auer, Rechtsanwälte Greger und Auer, Salzburger Straße 77, 5110 Oberndorf, der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung, Unfallversicherung und Pensionsversicherung gemäß $ 4 Abs 1 in Verbindung mit Abs 2 ASVG und der Arbeitslosenversicherung gemäß § 1 Abs 1 lit a AlVG."
1.3. Gemäß § 14 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird die Beschwerde der
? XXXX GmbH, XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Günther Auer, Rechtsanwälte Greger und Auer, Salzburger Straße 77, 6110 Oberndorf, vom 05.05.2015, eingelangt am 07.08.2015,
? des Herrn Dr. XXXX (Notarzt) vom 28.08.2015, eingelangt am 01.09.2015, des Herrn Dr. XXXX (Notarzt), steuerfreundliche vertreten durch DRA-BAUER CONSULT, Steuerberatung u. Wirtschaftstreuhand GMBH, Stadtplatz 16, 4060 Leonding, vom 17.08.2015, eingelangt am 20.08.2015,
? des Herrn Dr. XXXX (Notarzt) vom 15.08.2015, eingelangt am 25.08.2015,
? des Herrn Dr. XXXX (Notarzt) vom 14.08.2015, eingelangt am 24.08.2015,
? des Herrn Dr. XXXX (Notarzt) vom 11.08.2015, eingelangt am 18.08.2015,
? der Frau Dr. XXXX (Notärztin) vom 07.08.2015, eingelangt am 17.0.2015,
? des Herrn Dr. XXXX (Notarzt), rechtsfreundlich vertreten durch Rechtsanwalt Armin Lackermeier, Bgm.-Jungwirth-Straße 28b, D-94161 Ruderting, vom 12.08.2015, eingelangt am 20.08.2015,
? des Herrn Dr. XXXX (Notarzt) vom 14.08.2015, eingelangt am 20.08.2015,
? des Herrn Dr. XXXX (Notarzt) vom 13.08.2015, eingelangt am 18.08.2015,
? des Herrn Dr. XXXX (Notarzt) vom 16.08.2015, eingelangt am 24.08.2015,
? des Herrn Dr. XXXX (Notarzt) vom 11.08.2015, eingelangt am 18.08.2015 und
? des Herrn XXXX (Flugretter) vom 16.08.2015, eingelangt am 19.08.2015, zur Gänze als unbegründet abgewiesen.
1.4. Der 2. Spruchpunkt des Bescheides der Tiroler Gebietskrankenkasse vom 16.07.2015, GZ: 2015-18-GPLA-SV-JHa-V-008, wird vollinhaltlich bestätigt, sodass dieser zu lauten hat wie folgt: 2. "Die in der Beilage B zu diesem Bescheid angeführten Personen unterliegen, zu den in der Anlage B genannten Zeiträumen, auf Grund ihrer ausgeübten Tätigkeit als Flugretter bei der XXXX GmbH, FN XXXX , rechtsfreundlich vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Günther Auer, Rechtsanwälte Greger und Auer, Salzburger Straße 77, 5110 Oberndorf, der Pflichtversicherung in der Krankenversciherung, Unfallversicherung und Pensionsversicherung gemäß § 4 Abs 1 in Verbindung mit Abs 2 ASVG und der Arbeitslosenversicherung gemäß § 1 Abs 1 lit a AlVG."
5. Mit Eingabe vom 26.10.2015 erstattete Dr XXXX zum Bescheid vom 16.07.2015, Zl. 2015-GPLA-SV-JHa-V-008 und "Beschwerdevorentscheid" vom 06.10.2015, GZ: 2015-18-GPLA-SV-JHa-BVE-V-008, Beschwerde. Er verfüge über ein A1-Formular und legte in Kopie A1-Bescheinigung betreffend die vorläufige Feststellung für den Zeitraum 02.10.2010 bis 01.10.2015 ausgestellt vom GKV-Spitzenverband DVKA vom 30.11.2010 und einer weiteren Bescheinigung für den Zeitraum 01.12.2012 bis 30.09.2015 vor.
6. Mit Schriftsatz vom 29.03.2016 legte die belangte Behörde ua die Beschwerde vor und erstattete ein Vorbringen. Sie beantragte die Abweisung ua der Beschwerde.
7. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 26.09.2016 wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung I409 abgenommen und der Gerichtsabteilung I414 neu zugewiesen.
8. Auf Grund der Übergangsbestimmung der GV 2018 4. Teil § 38 (5) wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung I414 abgenommen und der Gerichtsabteilung I413 neu zugewiesen.
9. Am 18.11.2019 und am 19.11.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durch.
10. Am 07.02.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht eine weitere mündliche Verhandlung durch.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist als angestellter Arzt in der Bundesrepublik Deutschland am Universitätsklinikum XXXX in XXXX tätig.
XXXX GmbH ist eine zu FN XXXX im Firmenbuch eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in Waidring mit dem Geschäftszweig Helicopter Transporte. Ihr selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer ist XXXX . XXXX GmbH betreibt ein Flugrettungsunternehmen mit Hubschraubern der Marke Airbus (Airbus Helicopter EC/H 135 P1 bzw T3 bzw T2+ bzw P2+e bzw T1) von verschiedenen Standorten in XXXX ( XXXX , XXXX , XXXX ) und XXXX ( XXXX ), welche neben dem Piloten mit Notärzten und Notfallsanitätern besetzt sind.
Am 18.11.2012 war der Beschwerdeführer als Notarzt für die XXXX GmbH in Österreich tätig.
Auf den Beschwerdeführer sind die Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zwischen 02.10.2012 und 01.10.2015 aufgrund der am 26.10.2015 vorgelegten A1-Bescheinigung anzuwenden.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in die Beschwerdevorentscheidung und die dagegen erhobene Beschwerde, in die mit dieser Beschwerde vorgelegten, den Zeitraum 02.10.2012 bis 01.10.2015 abdeckenden A1-Bescheinigungen.
Die Feststellungen zum Beschwerdeführer ergeben sich aus den vorgelegten A1 Bescheinigungen und seiner Beschwerde vom 26.10.2015.
Die Feststellungen zur XXXX GmbH basieren auf dem eingeholten Firmenbuchauszug, den glaubhaften Aussagen des Geschäftsführers in der mündlichen Verhandlung am 18.11.2019 (Protokoll S. 14 ff) und durch Einsicht auf die Homepage dieser Gesellschaft http://www. XXXX .
Dass der Beschwerdeführer am 18.11.2012 bei XXXX GmbH als Notarzt tätig war, ergibt sich zweifelsfrei aus dem Prüfbericht der belangten Behörde, welcher hinsichtlich dieser Frage nicht bestritten ist.
Die Feststellung, dass auf den Beschwerdeführer die Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zwischen 02.10.2012 und 01.10.2015 aufgrund der am 26.10.2015 vorgelegten A1-Bescheinigung anzuwenden sind, ergibt sich aus der vorgelegten A1-Bescheinigung.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 414 Abs 2 ASVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in Angelegenheiten nach § 410 Abs 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 ASVG auf Antrag einer Partei, welcher gleichzeitig mit der Beschwerde oder dem Vorlageantrag oder binnen vier Wochen ab Zustellung der Beschwerde einzubringen ist, durch einen Senat. Ein solcher Antrag wurde nicht gestellt. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Zu A) Stattgebung der Beschwerde
Gemäß § 4 Abs 1 Z 1 ASVG sind in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung aufgrund dieses Bundesgesetzes die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß §§ 5 und 6 von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet.
Gemäß § 4 Abs 2 ASVG ist Dienstnehmer iSd Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hierzu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbstständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen. Als Dienstnehmer gelten jedenfalls Personen, die mit Dienstleistungsscheck nach dem Dienstleistungsscheckgesetz (DLSG), BGBl I Nr 45/2015, entlohnt werden. Als Dienstnehmer gilt jedenfalls auch, wer nach § 47 Abs 1 iVm Abs 2 EStG 1988 lohnsteuerpflichtig ist, es sei denn, es handelt sich m Bezieher von Einkünften nach § 25 Abs 1 Z 4 lit. a oder b EStG 1988 (Z 1) oder Bezieher von Einkünften nach § 25 Abs 1 Z 4 lit c EStG 1988, die in einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis zu einer Gebietskörperschaft stehen (Z 2) oder Bezieher/innen von Geld- oder Sachleistungen nach dem Freiwilligengesetz.
Den Dienstnehmern stehen im Sinne dieses Bundesgesetzes Personen gemäß § 4 Abs 4 ASVG (ausgenommen jene in § 4 Abs 4 Z 2 lit a bis d ASVG) gleich, die sich auf Grund freier Dienstverträge auf bestimmte oder unbestimmte Zeit zur Erbringung von Dienstleistungen verpflichten und zwar für einen Dienstgeber im Rahmen seines Geschäftsbetriebes, seiner Gewerbeberechtigung, seiner berufsrechtlichen Befugnis (Unternehmen, Betrieb usw.) oder seines statutenmäßigen Wirkungsbereiches (Vereinsziel, usw), mit Ausnahme der bäuerlichen Nachbarschaftshilfe (Z 1), für eine Gebietskörperschaft oder eine sonstige juristische Person des öffentlichen Rechts bzw die von ihnen verwalteten Betriebe, Anstalten, Stiftungen oder Fonds (im Rahmen einer Teilrechtsfähigkeit), wenn sie aus dieser Tätigkeit ein Entgelt beziehen, die Dienstleistungen im Wesentlichen persönlich erbringen und über keine wesentlichen eigenen Betriebsmittel verfügen.
Gemäß § 35 Abs 1 ASVG gilt als Dienstgeber derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb (die Verwaltung, die Hauswirtschaft, die Tätigkeit) geführt wird, in dem der Dienstnehmer (Lehrling) in einem Beschäftigungs(Lehr)verhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgelts verweist.
Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer eine A1-Bescheinigung vorgelegt, wonach die BRD der Mitgliedstaat ist, dessen auf den Beschwerdeführer anzuwendenden Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit, worunter auch das Sozialversicherungsrecht fällt, anzuwenden sind.
Im Urteil EuGH 06.09.2018, C-527/16, hat der Europäische Gerichtshof in Beantwortung eines Vorabentscheidungsersuchens des Verwaltungsgerichtshofes klargestellt, dass eine vom zuständigen Träger eines Mitgliedstaats aufgrund von Art 12 Abs 1 der Verordnung (EG) Nr 883/2004 ausgestellte A1-Bescheinigung nicht nur für die Träger des Mitgliedstaats, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird, sondern auch für die Gerichte dieses Mitgliedstaats verbindlich ist.
Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom EuGH 06.02.2018, C-359/16, zwar - noch zu E 101-Bescheinigungen nach der Verordnung (EG) Nr 1408/71 - auch ausgeführt, dass sich Rechtsunterworfene nicht in betrügerischer oder missbräuchlicher Weise auf diese Bindungswirkung berufen können, wobei sich ein Betrug in Bezug auf die Ausstellung der Bescheinigungen in objektiver Hinsicht aus der Nichterfüllung der rechtlichen Voraussetzungen und in subjektiver Hinsicht aus der Absicht, diese Voraussetzungen zu umgehen, ergibt. Demnach kann sich die betrügerische Erwirkung einer Bescheinigung in einer willentlichen Handlung - wie der unzutreffenden Darstellung der tatsächlichen Situation des entsandten Arbeitnehmers oder des entsendenden Unternehmens - oder einer willentlichen Unterlassung - wie dem Verschweigen einer relevanten Information - bestehen, die in Umgehungsabsicht erfolgt (vgl Rn 53 des Urteils). Aber nur dann, wenn der ausstellende Träger nach Vorlage entsprechender Beweise nicht innerhalb angemessener Frist eine erneute Überprüfung vornimmt, kann ein nationales Gericht des Beschäftigungsstaates die betreffenden Bescheinigungen - nach Durchführung eines Verfahrens gegen die Person, die verdächtigt wird, entsandte Arbeitnehmer unter Verwendung von betrügerisch erlangten Bescheinigungen eingesetzt zu haben - außer Acht lassen (vgl Rn 54 bis 56 und sowie 60 und 61 des Urteils). Diese Rechtsprechung ist auf die A1-Bescheinigungen nach der Verordnung (EG) Nr 883/2004 zu übertragen (vgl den Hinweis in EuGH 06.09.2018, C- 527/16, Rn 46, auf das Urteil C-359/16).
Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer eine A1-Bescheinigung für seine Person vorgelegt. Es gibt keinen Anhaltspunkt, dass der Beschwerdeführer nicht am Universitätsklinikum XXXX ls Arzt tätig wäre und damit den rechtlichen Voraussetzungen für eine Pflichtversicherung in der BRD und damit auch die Voraussetzungen für die Ausstellung einer A1- Bescheinigung nicht vorlägen. Es ist daher von der Bindungswirkung der A1-Bescheinigung auszugehen (vgl VwGH 10.10.2018, Ra 2016/08/0176), deren Echtheit nicht in Frage gestellt wurde. Sie stand daher dem Eintritt einer Pflichtversicherung des Beschwerdeführers in Österreich entgegen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Das gegenständliche Erkenntnis erging auf Basis der gefestigten, nicht als uneinheitlich zu qualifizierenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (insbesondere VwGH 10.10.2018, RA 2016/08/0176). Es weicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ab. Eine Rechtsfrage von Bedeutung ist im gegenständlichen Verfahren nicht hervorgekommen, sodass die Revision nicht zuzulassen war.
Schlagworte
Arzt Bescheinigungsmittel Bindungswirkung Mitgliedstaat Pflichtversicherung ZuständigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:I413.2232183.1.00Im RIS seit
18.09.2020Zuletzt aktualisiert am
18.09.2020