TE Vwgh Erkenntnis 1997/11/28 96/19/1063

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Veröffentlicht am 28.11.1997
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Index

19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §7 Abs3;
AufG 1992 §5 Abs1;
AVG §68 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
MRK Art8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des 1967 geborenen QT, vertreten durch den als Verfahrenshelfer bestellten Rechtsanwalt Dr. Bernhard Gansrigler in 1040 Wien, Fleischmanngasse 9, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. Oktober 1995, Zl. 113.038/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte am 24. Oktober 1994 die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 22. November 1994 wurde dieser Antrag gemäß § 6 Abs. 2 mangels einer Antragstellung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus abgewiesen.

In seiner Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, den gegenständlichen Antrag von Ungarn aus eingebracht und damit das gesetzliche Erfordernis der Antragstellung vom Ausland aus erfüllt zu haben. Er habe sich jahrelang als Asylwerber in Österreich mit Aufenthaltsbewilligung aufgehalten und nun nach negativem Abschluß des Asylverfahrens um Erteilung der Aufenthaltsbewilligung nach den Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes angesucht.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. Oktober 1995 wurde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 AufG und § 10 Abs. 1 Z. 4 und Z. 7 Fremdengesetz (FrG) abgewiesen. Die belangte Behörde vertrat den Standpunkt, daß der Beschwerdeführer im Jahr 1991 unter Umgehung der Grenzkontrolle über die CSSR in das Bundesgebiet eingereist und der Asylantrag vom 17. Jänner 1992 rechtskräftig negativ beschieden worden sei. Da sich der Beschwerdeführer seitdem wider den § 15 FrG, somit unerlaubt und ohne jegliche Aufenthaltsberechtigung, im österreichischen Bundesgebiet aufhalte, stelle diese Tatsache eine Gefährdung für die öffentliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit dar. Die §§ 10 Abs. 1 Z. 4 und Z. 7 FrG fänden durch § 5 Abs. 1 AufG direkte Anwendung, eine Bewilligung könne somit nicht erteilt werden. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes seien Fremde, die sich den Zugang zum Bundesgebiet unter Umgehung der Grenzkontrolle verschafft und einen unberechtigten Asylantrag gestellt hätten, nicht besser zu stellen, als Fremde, die keinen Antrag gestellt hätten. Zu den persönlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers sei festzuhalten, daß aufgrund seiner arbeitsrechtlichen Integration zweifelsfrei private Bindungen im Bundesgebiet bestünden. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes stelle jedoch die Versagung eines Sichtvermerkes gemäß § 10 Abs. 1 Z. 7 FrG einen zulässigen Eingriff in das Privat- und Familienleben - auch im Hinblick auf Art. 8 MRK - dar. Es erübrige sich somit jedes weitere Eingehen darauf.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer meint, aus den Verfahrensergebnissen gehe nicht hervor, aus welchen Gründe die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet wäre. Eine Begründung dazu fehle, zumal beim Beschwerdeführer zweifelsfrei "persönliche Verhältnisse aufgrund der arbeitsrechtlichen Integration und der privaten Bindungen im Bundesgebiet gegeben" seien.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

Im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides (8. November 1995) hatte die belangte Behörde die Rechtslage in der Fassung der AufG-Novelle, BGBl. Nr. 351/1995, anzuwenden.

§ 5 Abs. 1 AufG lautet:

"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."

§ 10 Abs. 1 Z. 4 und 7 FrG lauten:

"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn

...

4. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;

...

7. sich der Sichtvermerkswerber nach Umgehung der Grenzkontrolle im Bundesgebiet aufhält."

Die entscheidungswesentlichen Sachverhaltsannahmen der belangten Behörde, wonach der Beschwerdeführer im Jahr 1991 unter Umgehung der Grenzkontrolle über die Tschechoslowakei in das Bundesgebiet eingereist sei, sein Asylantrag am 17. Jänner 1992 rechtskräftig abgewiesen worden sei, und er sich seit diesem Zeitpunkt ohne Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet befinde, wurden in der Beschwerde nicht bekämpft. Der Beschwerdeführer stellt lediglich in Abrede, daß durch seinen unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet die Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet würde und rügt, seine persönlichen Bindungen durch seine arbeitsrechtliche Integration seien nicht entsprechend berücksichtigt worden.

Wie eben dargelegt, bestreitet der Beschwerdeführer nicht, unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich eingereist zu sein. Es begegnet daher keinen Bedenken, wenn die belangte Behörde den Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 7 FrG als verwirklicht angenommen und dem Beschwerdeführer im Grunde des § 5 Abs. 1 AufG die angestrebte Bewilligung versagt hat (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 23. Juni 1994, Zl. 94/18/0326, und vom 27. Juni 1997, Zl. 96/19/0044).

Aber auch der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG wurde im gegenständlichen Fall verwirklicht. Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, rechtfertigt eine - im Fall des Beschwerdeführers unbestritten vorliegende - unrechtmäßige Fortsetzung eines Inlandsaufenthaltes nach rechtskräftiger Abweisung eines Asylantrages die Annahme, der weitere Aufenthalt des Fremden werde die öffentliche Ordnung gefährden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 26. September 1996, Zl. 95/19/1075, vom 12. September 1997, Zl. 96/19/1872, und vom 7. November 1997, Zl. 96/19/0562).

Zu der von der belangten Behörde durchgeführten Abwägung im Sinn des Art. 8 MRK ist zu bemerken, daß die Versagung eines Sichtvermerkes gemäß § 10 Abs. 1 Z. 7 FrG einen bereits vom Gesetzgeber vorgedachten zulässigen Eingriff in das Privat- und Familienleben - auch im Hinblick auf Art. 8 MRK - darstellt, weshalb im Einzelfall nicht darauf einzugehen ist (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Juli 1993, Slg. Nr. 13.497 = ZfVB 1995/5/1729, sowie das hg. Erkenntnis vom 24. März 1997, Zl. 95/19/1208). Dem Gesetzgeber könne nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes nicht entgegengetreten werden, wenn er angenommen hat, daß die durch § 10 Abs. 1 Z. 6 und 7 FrG allenfalls bewirkten Eingriffe in das durch Art. 8 Abs. 1 MRK umschriebene Recht aus den im Abs. 2 dieser Bestimmung aufgezählten Gründen zulässig sind, weil sie inbesondere zur Wahrung der nationalen Sicherheit, der öffentlichen Ruhe und Ordnung sowie des wirtschaftlichen Wohles des Landes notwendig erscheinen. Eine rigorose, Ausnahmen ausschließende (daher in Einzelfällen Härten bedingende) Regelung, wie sie § 10 Abs. 1 Z. 7 FrG treffe, könne nämlich deshalb notwendig sein, um zu sichern, daß das in anderen fremdenrechtlichen Vorschriften (insbesondere im Aufenthaltsgesetz) entwickelte geschlossene Ordnungssystem nicht gestört werde, welches der Erreichung des - sachlich begründbaren und durch Art. 8 MRK gedeckten - Zieles, die Einreise von Fremden nach Österreich zwecks längerem oder dauerndem Aufenthalt im Bundesgebiet (Einwanderung) in geordnete Bahnen zu lenken, diene.

Darüberhinaus sind die während des Asylverfahrens begründeten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers im Inland nach den Intentionen des Gesetzgebers bei der Entscheidung über einen Aufenthaltsantrag nicht zu berücksichtigen, wenn und solange sich der Fremde nach rechtskräftiger Abweisung seines Asylantrages weiterhin unrechtmäßig in Österreich aufhält. Gleiches gilt für die während des unberechtigten Aufenthaltes im Inland begründeten persönlichen Interessen (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 26. September 1996, Zl. 95/19/1075, sowie vom 7. November 1997, Zl. 96/19/0562).

Aus all diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung, BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996191063.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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