TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/28 L504 2104596-2

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Veröffentlicht am 28.08.2019
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Entscheidungsdatum

28.08.2019

Norm

BFA-VG §18 Abs2 Z1
B-VG Art133 Abs4
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch

L504 2104596-2/3Z

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. R. ENGEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , XXXX geb., StA. Türkei, vertreten durch RA Dr. WEH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.07.2019, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) In Teilerledigung der Beschwerde wird dieser hinsichtlich der Spruchpunkte IV. und V. gem. § 55 Abs 4 FPG und § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG stattgegeben und diese Spruchpunkte behoben.

Gemäß § 55 Abs 1 u. Abs 2 FPG wird festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrenshergang

Das Bundesamt hat mit Bescheid vom 15. Juli 2019 in Bezug auf den verfahrensgegenständlichen türkischen Staatsangehörigen nachfolgenden Bescheid/Spruch erlassen:

"[...]

I. Gemäß § 52 Abs. 1 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz i.V.m. § 9 BFA-Verfahrensgesetz wird gegen Sie eine Rückkehrentscheidung erlassen.

II. Es wird gemäß § 52 Abs. 9 Fremdenpolizeigesetz festgestellt, dass Ihre Abschiebung gemäß § 46 Fremdenpolizeigesetz in die Türkei zulässig ist.

III. Gemäß § 53 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz wird gegen Sie auf die Dauer von zehn Jahren ein Einreiseverbot erlassen.

IV. Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wird eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt.

V. Gemäß § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-Verfahrensgesetz wird die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung aberkannt.

[...]"

Spruchpunkt I. wurde im Wesentlichen damit begründet, dass sich die beschwerdeführende Partei [bP] seit 02.02.2015 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Dem Verlängerungsantrag sei von der Bezirkshauptmannschaft bislang nicht stattgegeben worden. Gemäß § 25 NAG würden die für die Erteilung erforderlichen Voraussetzungen für die Verlängerung des Antrages (gemeint wohl: Aufenthaltstitel) nicht vorliegen.

Ein Sachverhalt woraus sich eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 57 AsylG ergeben würde, liege nicht vor.

Aufgrund der strafrechtlichen Verurteilung gemäß § 87 StGB würden in Zusammenschau mit den gegebenen privaten und familiären Anknüpfungspunkten in Österreich die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung überwiegen.

Zur Spruchpunkt II. führte die Behörde im Wesentlichen aus, dass sich aus dem Ermittlungsverfahren nicht ergeben habe, dass die Abschiebung in die Türkei unzulässig wäre.

Zu Spruchpunkt III. führte die Behörde an, dass die Voraussetzungen für die Verhängung eines Einreiseverbotes gemäß § 53 Abs. 3 Z. 1 FPG im konkreten Fall erfüllt sei, der Beschwerdeführer sei wegen des Verbrechens gemäß § 87 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Höhe von drei Jahren sowie zur Zahlung von insgesamt ? 6000 an den Privatbeteiligten rechtskräftig verurteilt worden. Die beschwerderführende Partei habe dabei 2014 an einem Nachmittag bei einer Demonstration zwei Personen mit einer unbekannten Stichwaffe eine schwere Körperverletzung zugefügt.

Zu Spruchpunkt IV. führte die Behörde aus, dass von einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen sei, weil, wie sich aus Spruchpunkt V. ergebe, die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde.

Zu Spruchpunkt V. führte die Behörde aus, dass gemäß § 18 Abs 2 Z1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung aberkannt werde, weil die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen erforderlich sei. Zur Begründung verwies die Behörde auf die Erörterung unter Spruchpunkt I. und III. und führte aus, dass eine gegenwärtige, erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gegeben wäre und daher die sofortige Ausreise geboten sei.

Dagegen wurde durch den Rechtsfreund innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

Der Verwaltungsakt langte am 26.08.2019 beim BVwG ein.

Das Bundesamt machte von einer Beschwerdevorentscheidung keinen Gebrauch und nahm im Zuge der Vorlage der Beschwerde samt Akt keine Stellung zu den Einwendungen gegen die behördliche Entscheidung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Das BVwG hat durch den Inhalt des übermittelten Verwaltungsaktes der belangten Behörde, einschließlich der Beschwerde Beweis erhoben.

1. Feststellungen (Sachverhalt)

Die belangte Behörde hat im Bescheid nicht konkret und mit Substanz dargelegt, warum die Aufenthaltsbeendigung sofort - ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens - zu erfolgen hat und ergibt sich dies auch nicht aus der Aktenlage.

2. Beweiswürdigung

Der für diese Entscheidung maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage zweifelsfrei. Die Behörde ist den diesbezüglichen Argumenten in der Beschwerde im Zuge der Aktenvorlage auch nicht entgegen getreten.

3. Rechtliche Beurteilung

§ 18 BFA-VG

(2) Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist vom Bundesamt abzuerkennen, wenn

1. die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist,

2. der Drittstaatsangehörige einem Einreiseverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist oder

3. Fluchtgefahr besteht.

Zur Begründung einer Notwendigkeit der sofortigen Ausreise eines Fremden genügt es nicht, dafür auf eine - die Aufenthaltsbeendigung als solche rechtfertigende - Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Fremden zu verweisen, sondern es ist darüber hinaus darzutun, warum die Aufenthaltsbeendigung sofort - ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens - zu erfolgen hat; dazu ist es nicht ausreichend, jene Überlegungen ins Treffen zu führen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme selbst maßgeblich waren (vgl. VwGH 12.9.2013, 2013/21/0094; VwGH 3.7.2018, Ro 2018/21/0007).

Die Notwendigkeit der sofortigen Ausreise als gesetzliche Voraussetzung für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung betreffend die Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung erfordert also das Vorliegen besonderer Umstände, die mit den Voraussetzungen für die Aufenthaltsbeendigung als solche nicht gleichzusetzen sind (VwGH 04.04.2019, Ra 2019/21/0053).

Fallbezogen ergibt sich aus dieser Judikaturlinie:

Aus dem Verwaltungsakt ergibt sich, dass die bP nach negativem Asylverfahren am 22.02.2012 das Bundesgebiet freiwillig verlassen hat. In weiterer Folge erhielt die bP in Folge einer Eheschließung einer Aufenthaltstitel gem. NAG. Der letzte Aufenthaltstitel gem. NAG hatte einer Gültigkeit bis 02.02.2015. Vor Ablauf desselben stellte die bP am 29.12.2014 einen Verlängerungsantrag.

Gemäß § 24 Abs 1 NAG ist der Antragsteller bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Verlängerungsantrag weiterhin rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister kann aktuell nicht entnommen werden, dass über diesen Antrag seitens der NAG Behörde entschieden worden wäre. Folglich war davon auszugehen, dass die bP zum Zeitpunkt der Entscheidung des BFA - entgegen den Ausführungen im Bescheid - noch über ein Aufenthaltsrecht verfügte.

Die der Verurteilung zu Grunde liegende Tathandlung fand im Jahr 2014 statt und wurde die Verurteilung gem. § 87 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren am 31.10.2017 rechtskräftig.

Das Bundesamt legt zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gem. § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG nicht konkret dar, worin nun erst seit Erlassung des Bescheides eine Aufenthaltsbeendigung sofort - ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens - zu erfolgen hat. Der Behörde war die rechtskräftige Verurteilung bereist seit erheblicher Zeit bekannt und legte selbst in ihrem Verfahren offenkundig keine besondere Dringlichkeit an den Tag um das Verfahren ehestmöglich abschließen zu können.

In Anbetracht der Gesamtumstände und insbesondere der derzeit bestehenden Ehe mit einer österreichischen Staatsangehörigen, sowie zweier daraus resultierender Kinder, welche ebenso österr. Staatsangehörige sind, vermag das BVwG aus der Begründung des Bescheides und dem Akteninhalt nicht zu erkennen, weshalb die sofortige Ausreise tunlich wäre.

Das Verwaltungsgericht gelangt daher zur Erkenntnis, dass die Voraussetzungen für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gem. § 18 Abs 2 Z1 BFA-VG nicht vorlagen bzw. vorliegen, weshalb Spruchpunkt V. und IV. zu beheben waren.

Gemäß §§ 55 Abs 1 iVm Abs 2 beträgt somit die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

Absehen von einer mündlichen Beschwerdeverhandlung

Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG konnte eine mündliche Verhandlung vor dem BVwG unterbleiben, weil der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erschien.

Von einer Übersetzung des Spruches und der Rechtsmittelbelehrung konnte auf Grund bei der bP gegebener Deutschkenntnisse verzichtet werden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung Begründungsmangel Behebung der Entscheidung ersatzlose Teilbehebung freiwillige Ausreise Frist Fristverlängerung Rückkehrentscheidung Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Teilerkenntnis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L504.2104596.2.00

Im RIS seit

17.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

17.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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