TE Vwgh Erkenntnis 1997/12/2 97/05/0236

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Veröffentlicht am 02.12.1997
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Index

L80003 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan
Niederösterreich;
L82000 Bauordnung;
L85003 Straßen Niederösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §56;
AVG §8;
BauRallg;
LStG NÖ 1979 §6 Abs1 idF 8500-3;
LStG NÖ 1979 §6 Abs2;
LStG NÖ 1979 §6 Abs3;
LStG NÖ 1979 §6 Abs6 idF 8500-3;
LStG NÖ 1979 §6a Abs1 idF 8500-3;
LStG NÖ 1979 §6a idF 8500-3;
ROG NÖ 1976 §22 Abs1 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Engelbert und der Gabriele Grossberger in Ybbsitz, beide vertreten durch Mag. Johannes Kerschbaumer, Rechtsanwalt in Wien I, Domgasse 6, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 20. Mai 1997, Zl. RU1-V-97023/01, betreffend ein Bewilligungsverfahren nach dem Niederösterreichischen Landesstraßengesetz (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Ybbsitz, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Aufgrund der Eingabe der mitbeteiligten Partei vom 10. Juni 1996 um Erteilung der Baubewilligung nach dem Niederösterreichischen Landesstraßengesetz für die Errichtung eines öffentlichen Parkplatzes (Gemeindestraße) auf der Parzelle Nr. 511/2, KG Ybbsitz, wurde für den 21. Juni 1996 eine mündliche Verhandlung anberaumt, zu der die Beschwerdeführer als Anrainer geladen wurden. Die Grundstücke der Beschwerdeführer grenzen unmittelbar an das zu bebauende Grundstück an. Die Beschwerdeführer brachten in der Verhandlung vor, ihre Grundstücke seien durch eine Stützmauer gegen das Grundstück Nr. 511/2 gesichert. Bei der Bauführung sei darauf zu achten, daß keine Schäden an der Stützmauer sowie an dem hangaufwärts gelegenen Haus einträten. Weiters sei die bestehende Regenwasserleitung so, wie im Befund beschrieben, in ihrer Funktion auszuführen. Es würden Beeinträchtigungen durch Lärm und Abgase befürchtet.

Mit Bescheid vom 11. Dezember 1996 erteilte der Gemeinderat der Marktgemeinde Ybbsitz der mitbeteiligten Partei die beantragte Straßenbaubewilligung unter Vorschreibung von Auflagen.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Vorstellung wegen Unzuständigkeit des Gemeinderates, der angefochtene Bescheid sei nicht ausreichend konkretisiert, der Bürgermeister sei befangen, die Umwidmung des Grundstückes, auf dem der Parkplatz errichtet werden solle, von Bauland-Wohngebiet auf Verkehrsfläche sei rechtswidrig, das Verfahren sei mangelhaft geblieben.

Mit Bescheid vom 20. Mai 1997 hat die belangte Behörde die Vorstellung der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Gemeinderates als unbegründet abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Unzuständigkeit des Gemeinderates und in der Folge der belangten Behörde, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Auch die mitbeteiligte Marktgemeinde hat in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die Beschwerdeführer erstatteten eine Replik zur Gegenschrift der mitbeteiligten Marktgemeinde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 6 Abs. 1 des Niederösterreichischen Landesstraßengesetzes in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung LGBl. 8500-3, ist vor Inangriffnahme der Bauarbeiten für die Neuanlage, Umgestaltung oder Umlegung einer Landeshaupt- oder Landesstraße eine örtliche Verhandlung und Begehung der Trasse zum Zwecke der Begutachtung des Bauvorhabens vom Standpukt der durch den Bauentwurf berührten Interessen durchzuführen. Hiebei ist insbesondere auch darauf Bedacht zu nehmen, daß sich die geplante Straße unter Schonung bestehender Natur- und Kunstdenkmale dem Landschaftsbild anpaßt und dem Verkehr, einschließlich eines allfälligen besonderen landwirtschaftlichen Verkehrsbedürfnisses gerecht wird. Weiters ist auf die Umweltverträglichkeit Bedacht zu nehmen.

Zufolge Abs. 3 dieser Gesetzesstelle sind zu der Amtshandlung, die in den durchzogenen Gemeinden durch Anschlag an der Amtstafel durch acht Tage vor dem Verhandlungstag kundzumachen ist, außer den Entwurfsvertretern die Durchzugsgemeinden, die sonstigen beteiligten Behörden und Amtsstellen sowie alle bekannten Anrainer und sonstigen Beteiligten, insbesondere auch die in Betracht kommenden Stromversorgungsunternehmungen nachweislich zu laden. Abweichungen vom Bauentwurf, über die bei der Verhandlung eine Einigung erzielt wurde, sind in den der Verhandlung zugrunde liegenden Entwurfsplänen mit blauer Farbe ersichtlich zu machen. Privatrechtliche Einwendungen gegen den Bauentwurf, über die eine Einigung nicht erzielt worden ist, sind zur Austragung auf den Zivilrechtsweg zu verweisen.

Bei Neuanlage, Umgestaltung oder Umlegung von Gemeindestraßen und Wegen ist das vorangeführte Verfahren gemäß Abs. 6 dieser Gesetzesstelle durch den Gemeinderat durchzuführen. Die Landesregierung ist vor Ausschreibung der Verhandlung über das Bauvorhaben gutachtlich zu hören und zu dieser einzuladen. Den Baubewilligungsbescheid erläßt der Gemeinderat.

§ 6a leg. cit. regelt den Schutz der Nachbarn, wobei jedoch in Abs. 1 dieser Bestimmung festgelegt ist, daß hiedurch subjektive Rechte nicht begründet werden.

Aus den Bestimmungen des § 6 Abs. 1, 3 und 6 leg. cit. ergibt sich, daß die Anrainer legitimiert sind, im straßenbaurechtlichen Bewilligungsverfahren ihre Interessen zu wahren, auch wenn diese in ihrer Art gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt sind. Es ist lediglich klargestellt, daß privatrechtliche Einwendungen gegen den Bauentwurf mangels Einigung auf den Zivilrechtsweg zu verweisen sind. Dies bedeutet, daß straßenbautechnische Einwendungen der Anrainer bei der Entscheidung über die straßenrechtliche Baubewilligung zu berücksichtigen sind. Da das NÖ Landesstraßengesetz im Gegensatz zu Straßengesetzen anderer Länder keine Trassenverordnung vorsieht, findet auch die Festlegung der Trasse im straßenrechtlichen Baubewilligungsverfahren statt. Nun liegt es im Wesen einer derartigen Straßenplanung, daß die Berücksichtigung der Interessen des einen in der Regel zur Beeinträchtigung von Interessen anderer führt. Der dem Straßengesetz vorschwebende Zweck kann daher nur durch eine Abwägung der in Betracht kommenden Interessen, insbesondere in bezug auf den Verlauf der Straße, erreicht werden. In dieser Beziehung muß den Anrainern, die ja zur Verhandlung zu laden sind, ein Mitspracherecht zuerkannt werden. Zur erforderlichen Abwägung der Interessen bedarf es der Gegenüberstellung der verschiedenen Möglichkeiten mit ihren Vor- und Nachteilen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 20. März 1990, Zl. 85/05/0153, sowie vom 22. Juni 1993, Zl. 93/05/0032).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 31. Mai 1994, Zl. 94/05/0006, unter Hinweis auf das Erkenntnis vom 15. Mai 1990, Zl. 89/05/0221, seine Auffassung wiederholt, die durch die Novelle LGBl. 8500-1 erfolgte Einfügung des letzten Satzes des § 6 Abs. 1 sowie des § 6a über den "Schutz der Nachbarn" bewirke, daß nunmehr bei der Begutachtung von Bauvorhaben im Sinne des § 6 Abs. 1 leg. cit. einerseits allgemein "auf die Umweltverträglichkeit Bedacht zu nehmen" und andererseits "vorzusorgen sei, daß Beeinträchtigungen der Nachbarn durch den zu erwartenden Verkehr auf Landeshaupt- und Landesstraßen" in dem umschriebenen Maß "herabgesetzt werden".

Aus der Zusammenschau der Bestimmungen der §§ 6 Abs. 1 und 6a Abs. 1 ergibt sich zunächst, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits im genannten Erkenntnis vom 31. Mai 1994 ausgeführt hat, daß der Gesetzgeber den näher umschriebenen Schutz der Nachbarn nur beim Bau von Landeshaupt- und Landesstraßen, nicht aber bei Gemeindestraßen vorgesehen hat. Auf die Umweltverträglichkeit hat aber die Behörde auch bei der Neuanlage, Umgestaltung und Umlegung von Gemeindestraßen Bedacht zu nehmen, ohne daß die Nachbarn ein diesbezügliches Mitspracherecht beanspruchen könnten. § 6a leg. cit. hat nichts daran geändert, daß in straßenbaurechtlichen Verfahren über straßenbautechnische Einwendungen, die die Interessen der durch den Bauentwurf berührten Nachbarn betreffen, meritorisch abzusprechen ist.

Das Niederösterreichische Landesstraßengesetz regelt weder den Begriff des Nachbarn, noch den Parteienbegriff. In § 6 Abs. 1 leg. cit. werden die "durch den Bauentwurf berührten Interessen" angeführt, aus § 6 Abs. 3 leg. cit. ergibt sich, daß zur Amtshandlung alle bekannten Anrainer und sonstigen Beteiligten, insbesondere auch die in Betracht kommenden Stromversorgungsunternehmungen zu laden sind. Aufgrund dieser Bestimmungen sind die Anrainer legitimiert, im straßenbaurechtlichen Bewilligungsverfahren ihre Interessen zu wahren, wobei weder gesetzlich determiniert ist, wer Anrainer (bzw. Nachbar im Sinne des § 6a leg. cit.) ist, noch welcher Art die in Betracht kommenden Interessen sind.

Die Beschwerdeführer sind jedenfalls Anrainer im Sinne des § 6 Abs. 3 des Niederösterreichischen Landesstraßengesetzes, da ihre Grundstücke unmittelbar an das Bauvorhaben angrenzen. Hinsichtlich der behaupteten Unzuständigkeit des Gemeinderates und in der Folge der belangten Behörde wird gemäß § 43 VwGG auf die diesbezüglichen Ausführungen im Erkenntnis vom heutigen Tage, Zlen. 97/05/0232, 97/05/0237, verwiesen. Das Straßenbauvorhaben soll auf einer Grundfläche verwirklicht werden, die entsprechend der 18. Flächenwidmungsplanänderung der Marktgemeinde Ybbsitz, Verordnung des Gemeinderates vom 27. Februar 1996, als Verkehrsfläche mit der Zusatzbezeichnung P (Parkplatz) gewidmet ist. Gegen die Gesetzmäßigkeit dieser Verordnung hegt der Verwaltungsgerichtshof keine Bedenken; das von den Beschwerdeführern herangezogene Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 21. Juni 1996, V 36, 37/96-13, bezog sich nicht auf die 18. Änderung des Flächenwidmungsplanes. Die gegenständliche Änderung des Flächenwidmungsplanes ist, bezogen auf dieses Grundstück, die erste seit der Erstellung des Flächenwidmungsplanes im Jahre 1983. Wenn die Gemeinde darauf hinweist, daß sich das als Parkplatz gewidmete Grundstück im unmittelbaren Bereich des Ortskernes (Marktplatz) befindet und aufgrund der zunehmenden Motorisierung der Weitläufigkeit des Streusiedlungsgebietes (104,2 km2 Gemeindefläche, 4.113 Einwohner, davon rd. 2.000 Einwohner in Streulage) eigene Kraftfahrzeuge eine wesentliche Rolle im innergemeindlichen Verkehrsgeschehen bilden werden, so kann nicht davon ausgegangen werden, daß hier keine wesentlichen Änderungen der Grundlage in bezug auf die Parkplatzsituation im Jahre 1983 zu erkennen wären (siehe § 22 Abs. 1 Z. 2 Nö ROG 1976).

Die Niederschrift über die Verhandlung vom 21. Juni 1996 wurde den Beschwerdeführern nachweislich zugestellt. Der Inhalt des Verhandlungsprotokolles ist den Beschwerdeführern somit bekannt. Wenn im Spruch des Bescheides des Gemeinderates vom 11. Dezember 1996 ausgesprochen wurde, daß der Gemeinderat über Antrag der mitbeteiligten Gemeinde die Neuanlage eines öffentlichen Parkplatzes bewilligt, die Verhandlungsschrift vom 21. Juni 1996 und die Projektunterlagen vom 8. Juni 1996 einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bilden, so war für die Beschwerdeführer der Spruch des Bescheides überprüfbar, da ihnen die Niederschrift zugestellt wurde und sie vor und während der mündlichen Verhandlung Gelegenheit hatten, in die Projektunterlagen Einsicht zu nehmen. Daß dem Anrainer in einem Baubewilligungsverfahren kein Anspruch darauf zukomme, daß er neben dem schriftlichen Baubewilligungsbescheid auch eine Ausfertigung der Pläne und Baubeschreibung erhalte, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 17. September 1991, Zl. 91/05/0095, zur Niederösterreichischen Bauordnung ausgesprochen. Auch aus § 6 Abs. 2 des Niederösterreichischen Landesstraßengesetzes ist lediglich zu entnehmen, was der der Amtshandlung zugrundezulegende Entwurf zu enthalten hat; eine Anordnung, daß jedem Anrainer Projektsunterlagen mit dem Bewilligungsbescheid zuzustellen seien, kann weder dieser Bestimmung noch einer anderen Bestimmung des Landesstraßengesetzes entnommen werden.

In der Vorschreibung, die Stützmauer sei nach zu verfassenden Detailplänen sowie einer Statik herzustellen, kann in bezug auf die Beschwerdeführer keine Rechtswidrikgeit erkannt werden; daß die - entsprechend dem einen Bescheidbestandteil bildenden Plan - vorgesehene Dimensionierung der Stützmauer in bezug auf die Liegenschaft der Beschwerdeführer nicht ausreichend sei, haben die Beschwerdeführer nicht einmal behauptet.

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen. Mit der Erledigung der Beschwerde ist der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gegenstandslos geworden.

Da ausschließlich Rechtsfragen zu klären waren, konnte von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Gemeinde für die Aktenvorlage war mangels Rechtsgrundlage abzuweisen.

Schlagworte

Planung Widmung BauRallg3 Sachverhaltsermittlung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997050236.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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