TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/12 G306 2228366-5

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Veröffentlicht am 12.05.2020
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Entscheidungsdatum

12.05.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76

Spruch

G306 2228366-5/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dietmar MAURER in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren zur Überprüfung der Anhaltung in Schubhaft des ägyptischen Staatsangehörigen XXXX, geboren am XXXX, Zl.: XXXX zu Recht:

A)

I. Die Anhaltung in Schubhaft vom XXXX.2020 bis zur Erlassung dieses Erkenntnisses war rechtswidrig.

II. Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF) stellte am XXXX.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 21.02.2017 als unbegründet abgewiesen. In Einem wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Ägypten zulässig ist. Als Frist für die freiwillige Ausreise wurden 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt. Dieser Bescheid wurde dem BF am 24.02.2017 durch Hinterlegung zugestellt.

Mit Ladungsbescheid des BFA vom 06.09.2018 wurde der BF für den 13.09.2018 im Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates zur ägyptischen Vertretungsbehörde geladen. Eine Zustellung dieses Bescheides an den BF an seiner Meldeadresse durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes war nicht möglich.

Mit Bescheid des BFA vom 05.04.2019 wurde dem BF aufgetragen, binnen drei Tagen an einer bestimmten Adresse Unterkunft zu nehmen. Eine Zustellung dieses Bescheides durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes an der ehemaligen Meldeadresse des BF war nicht

möglich. Da der BF über keine Meldeadresse verfügte und dem BFA auch sonst keine Zustelladresse bekannt war, wurde der Bescheid durch öffentliche Bekanntmachung am 10.04.2019 zugestellt.

Am XXXX.2019 erließ das BFA gemäß § 34 Abs. 3 Z. 2 BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG einen Festnahmeauftrag gegenüber den BF.

Am XXXX.2020 wurde der BF von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes aufgegriffen, auf Grund des Festnahmeauftrages vom XXXX.2019 festgenommen und dem BFA vorgeführt.

Am XXXX.2020 wurde der BF unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch zu den Voraussetzungen der Anordnung der Schubhaft einvernommen.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX.2020 wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG iVm § 57 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Dieser Bescheid wurde dem BF am XXXX.2020 durch persönliche Übernahme zugestellt.

Am 15.01.2020 stellte der BF im Stande der Schubhaft einen Asylfolgeantrag. Mit Aktenvermerk des BFA vom 15.01.2020 wurde festgestellt, dass die für die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Dieser Aktenvermerk wurde dem BF am 15.01.2020 zugestellt.

Mit Bescheid des BFA vom 30.01.2020 wurde der Asylfolgeantrag des BF zurückgewiesen und eine Rückkehrentscheidung gegen ihn erlassen. Gegen diese Entscheidung brachte der BF eine Beschwerde ein. Mit Erkenntnis des BVwG vom 27.02.2020 wurde das Asylverfahren in 2. Instanz gem. § 68 AVG rechtskräftig zurückgewiesen und gleichzeitig eine Rückkehrentscheidung mit einem 2-jährigen Einreiseverbot erlassen.

Am 13.02.2020 langte beim BVwG die Schubhaftbeschwerde ein.

Am 18.02.2020 wurde in der mündlichen Verhandlung beim BVwG, Zl.: W250 2228366-2/12Z festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung, die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Gegen diese Entscheidung brachte der BF die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof ein. Der BF beantragte, dass die aufschiebende Wirkung zuerkannt werde. Am 11.05.2020 wurde beim Verwaltungsgerichtshof seitens des BVwG nachgefragt, ob bezüglich der aufschiebenden Wirkung bereits eine Entscheidung gefallen wäre. Das BVwG bekam die Auskunft, dass es gegenwärtig nicht absehbar wäre, wann darüber seitens des Verwaltungsgerichtshofs entschieden werde.

Am 23.04.2020 legte das BFA dem BVwG die Akten unter Darlegung der Gründe, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig sei, zu einer Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Anhaltung des BF in Schubhaft, erstmalig vor.

Mit Beschluss vom 24.04.2020, Zl.:G306 2228366-4/11E, wurde die Vorlage als unzulässig zurückgewiesen.

Am 08.05.2020 legte das BFA dem BVwG die Akten unter Darlegung der Gründe, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig sei, zu einer Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Anhaltung des BF in Schubhaft, abermals vor.

Mit Schreiben des BVwG vom 11.05.2020 per Mail, wurde das BFA aufgefordert zu diversen Fragen Stellung zu nehmen. Am selben Tag langte beim BVwG die Stellungnahme ein.

Feststellungen:

Der BF ist vermutlich Staatsangehöriger von Ägypten. Seine Muttersprache ist Arabisch. Er ist geschieden und hat keine Obsorgeverpflichtungen. Die Familie lebt in Ägypten. Der BF ist gesund und haftfähig.

Das BFA legte am 08.05.2020 legte dem BVwG die Akten unter Darlegung der Gründe, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig sei vor.

Das BFA gab dazu folgende Stellungnahme ab:

"Das Asylverfahren des Herrn XXXX (BF) wurde am 10.03.2017 gem. §§ 3 und 8 AsylG rechtskräftig negativ beschieden. Gleichzeitig wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen.

Das Verfahren zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates (HRZ) wurde am XXXX.2017 gestartet.

Der BF wurde für einen Interviewtermin am 13.09.2018 bei der Botschaft von Ägypten vorgemerkt. Dazu wurde versucht dem BF am XXXX.2018 ein Mitwirkungsbescheid gem. § 46 Abs. 2a und 2b FPG iVm § 19 AVG durch die LPD XXXX zuzustellen.

Der BF hat die Verständigung über die Hinterlegung ungeachtet gelassen.

Er wurde amtlich abgemeldet und ist seit dem 01.02.2019 nicht mehr aufrecht im Bundesgebiet gemeldet. Weiters wurde gegen den BF ein Mandatsbescheid gem. § 57 Abs. 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG (Wohnsitzauflage) erlassen und versucht diese an seine Wohnadresse zuzustellen, obwohl er bereits abgemeldet war. Es wurde auch von den Beamten der LPD XXXX festgestellt, dass der BF dort bereits seit Monaten nicht mehr aufhältig ist, somit konnte die Wohnsitzauflage nicht zugestellt werden.

Am XXXX.2020, um 18:02 Uhr wurden Sie von Beamten der LPD XXXX festgenommen und ins PAZ XXXX eingeliefert.

Am XXXX.2020, um 10:45 Uhr wurde der BF niederschriftlich einvernommen.

Am XXXX.2020, um 16:15 Uhr wurde der Schubhaftbescheid persönlich zugestellt.

Am XXXX.2020 wurde eine Urgenz an die ägyptische Botschaft bezüglich der Ausstellung eines Heimreisezertifikates (HRZ) übermittelt.

Am 15.01.2020 stellte der BF einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz.

Am 15.01.2020, um 09:45 Uhr wurde dem BF der Aktenvermerk gem. § 76 Abs. 6 FPG für die Aufrechterhaltung der Schubhaft nach Stellung eines Asylantrages persönlich zugestellt.

Am 27.01.2020 wurde mittels Aktenvermerk gem. § 80 Abs. 6 FPG die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft geprüft und liegt diese weiterhin vor.

Am 30.01.2020 wurde das Asylverfahren gem. § 68 AVG und einer Rückkehrentscheidung sowie einem 2-jährigen Einreiseverbot entschieden.

Dieser Bescheid wurde dem BF am 31.01.2020 zugestellt. Es langte am 12.02.2020 ha. die Beschwerde ein und wurde diese zur Entscheidung an den BVwG übermittelt.

Am 05.02.2020 wurde von der XXXX eine Stellungnahme bezüglich der Schubhaft eingebracht. Diese wurde dem BVwG am 06.02.2020 per Mail mit dem kompletten Akt vorgelegt.

Am 06.02.2020 wurde vom BVwG mittels Aktenvermerk festgestellt, dass es sich um keine Schubhaftbeschwerde handelt.

Am 13.02.2020, um 08:57 Uhr langte ha. die Schubhaftbeschwerde ein.

Am 18.02.2020 wurde in der mündlichen Verhandlung beim BVwG zur GZ: W250 2228366-2/12Z festgestellt, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung, die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Am 20.02.2020 wurde eine weitere Urgenz an die ägyptische Botschaft bezüglich der Ausstellung eines Heimreisezertifikates (HRZ) übermittelt.

Am 27.02.3020 wurde das Asylverfahren in 2. Instanz gem. § 68 AVG rechtskräftig zurückgewiesen und gleichzeitig eine Rückkehrentscheidung mit einem 2-jährigen Einreiseverbot erlassen.

Am 04.03.2020 wurde mittels Aktenvermerk gem. § 80 Abs. 6 FPG die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft geprüft und liegt diese weiterhin vor.

Am 03.04.2020 wurde mittels Aktenvermerk gem. § 80 Abs. 6 FPG die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft geprüft und liegt diese weiterhin vor.

Der BVwG hat mit Erkenntnis vom 24.04.2020 zur GZ: G306 2228366-4/11E die Vorlage zur Überprüfung der Anhaltung in Schubhaft wegen Unzuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes gem. § 22a Abs. 4 BFA-VG als unzulässig zurückgewiesen.

Laut heutiger Sicht liegen die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Anhaltung in Schubhaft, trotz derzeitiger Lage, noch immer vor. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Risiko, dass der BF untertaucht bevor er der ägyptischen Botschaft vorgeführt werden kann, die Identität bestätigt wird, ein Heimreisezertifikat (HRZ) ausgestellt und er anschließend nach Ägypten abgeschoben wird, als schlüssig anzusehen ist.

Der BF konnte nach seiner Festnahme und Schubhaftverhängung der ägyptischen Botschaft nicht vorgeführt werden, da er einen Folgeantrag gestellt hat. Solange über die Asylentscheidung in 1. oder 2. Instanz nicht rechtskräftig entschieden worden ist kann der BF nicht der Botschaft vorgeführt werden. Es findet mindestens ein Mal pro Monat eine Vorführung zur Botschaft statt.

Nachdem über den Folgeantrag vom BVwG rechtskräftig entschieden worden ist, hat sich aufgrund der Situation mit COVID-19 die Lage geändert und konnten plötzlich keine Vorführungen mehr stattfinden.

Sobald, die Situation mit COVID-19 zu Ende ist, kann der BF der ägyptischen Botschaft vorgeführt werden. Es ist daher dringend erforderlich, dass er nun weiterhin in Schubhaft verbleibt, damit nun endgültig die Staatsangehörigkeit des BF geklärt werden kann. Sobald diese feststeht und Abschiebungen in andere Länder wieder möglich sind kann der BF nach Ausstellung eines HRZ in sein Heimatland abgeschoben werden.

Der Sicherungsbedarf ist auf jeden Fall weiterhin gegeben.

Die Regionaldirektion Wien ersucht das Bundesverwaltungsgericht um Feststellung, ob zum Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG (§ 22a Abs. 4 BFA-VG) die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist."

Mit Schreiben per Mail des BVwG vom 11.05.2020 wurde das BFA aufgefordert zu diversen Fragen, eine weitere Stellungnahme abzugeben. Folgende Stellungnahme wurde abgegeben:

"das BFA, RD Wien, teilt zu Ihren gestellten Fragen folgendes mit:

· ob die ägyptische Botschaft derzeit geöffnet hat:

Laut HRZ-Abteilung der BFA Direktion hat sie derzeit geöffnet, läuft aber nur im eingeschränkten Betrieb. Das heißt es werden nur wenige VP reingelassen.

· ob derzeit Kontakt zur Botschaft besteht:

Laut HRZ-Abteilung besteht Kontakt. Letzter telefonischer Kontakt mit dem Konsul Hr. XXXX, heute am 11.05. 10:30 Uhr.

· ob in gegenständlicher Angelegenheit seit der Inschubhaftnahme irgendeine Rückmeldung der Botschaft erfolgte:

Laut HRZ-Abteilung erfolgte bis Dato keine Rückmeldung. In diesem Fall wäre ein Interview notwendig welches aber im eingeschränkten Botschaftsbetrieb lt. dem Konsul nicht möglich ist. Eine eventuell mögliche Wiederaufnahme der Interviews wurde seitens des Konsuls für Mitte/Ende Juni angedacht.

· wann zuletzt generell (nicht auf diesen Fall bezogen) eine Rückmeldung der ägyptischen Botschaft erfolgte:

Zuletzt gab es telefonischen Kontakt heute am 11.05. 10:30 Uhr. Am 11.03.2020 hatten wir den letzten Mail-Kontakt zur ägyptischen Botschaft. Bzw. hatten wir bis die Ausgangsbeschränkungen angefangen haben, fast täglich Kontakt zum Konsul.

Weiters wird mitgeteilt, dass der BF bereits seit dem 07.09.2018 unbekannten Aufenthaltes war und er somit der ägyptischen Botschaft nicht vorgeführt werden konnte.

Der BF hat in dem Sinne nicht mitgewirkt in dem er mehr als ein Jahr für die ha. Behörde nicht greifbar war.

Ob seine Identität richtig ist, kann von der ha. Behörde nicht angegeben werden, da die Botschaft bis dato seine Identität nicht bestätigen konnte bzw. wurde er nicht der Botschaft vorgeführt.

Sobald der BF vorgeführt wird, kann die Identität bestätigt werden und festgestellt werden, ob er diese verschleiert hat.

Es wurde bis dato vom VwGH die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt."

Der BF ist nicht bereit, in seinen Herkunftsstaat auszureisen. Er ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten. Es liegt kein Reisedokument vor.

In Österreich hält sich ein weitschichtiger Verwandte (Großcousin) des BF, welcher die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt. Es bestand kein gemeinsamer Wohnsitz mit diesem. Der BF hatte mit diesem auch nur sporadisch geringen Kontakt. Ansonsten hat der BF im Bundesgebiet keine Verwandte.

Der BF verfügt in Österreich seit einigen Monaten über eine Freundin. Er wohnte mit ihr nicht im selben Haushalt (BF konnte in der Einvernahme durch das BFA am XXXX.2020 weder den vollständigen Namen noch das Geburtsdatum noch die Adresse seiner Freundin nennen. In der Einvernahme durch das BFA am 30.01.2020 gab der BF an, dass er nur den Vornamen seiner Freundin kenne).

Der BF verfügt über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz. Der BF war seit den 07.08.2018 im Bundesgebiet nicht mehr gemeldet bzw. hatte dieser ab dieser Zeit keine geregelte Unterkunft.

Der BF ging im Bundesgebiet nie einer erlaubten Erwerbstätigkeit nach und hat der BF keine nennenswerten Barmittel zur Bestreitung seines Unterhaltes.

Der BF war nach islamischem Ritus mit einer österreichischen Staatsangehörigen verheiratet. Im Jahr 2019 ließ er sich scheiden und besteht seither kein Kontakt mehr zu ihr.

Aufgrund der aktuellen Corona-Pandemie wird in der ägyptischen Botschaft in XXXX nur eingeschränkt gearbeitet bzw. vereinzelnd Parteienverkehr zugelassen. Laut Auskunft des ägyptischen Konsuls vom 11.05.2020 wäre eine eventuell mögliche Wiederaufnahme des Interviews mit dem BF seitens des Konsuls für Mitte/Ende Juni angedacht bzw. denkbar.

Das BFA hat bereits am 29.03.2017 ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF eingeleitet. Da der BF jedoch seine Ladungen zur ägyptischen Botschaft nicht behob bzw. dieser nicht nachkam und dass der BF im Bundesgebiet untertauchte und seit dem 01.02.2019 im Bundesgebiet mehr keinen Wohnsitz hatte, war eine Vorführung zu einem Interview nicht möglich.

Trotz der COVID 19 Einschränkungen ist es nach wie vor wahrscheinlich, dass bis Ende Juni 2020 ein Heimreisezertifikat für den BF ausgestellt und seine Abschiebung nach Ägypten durchgeführt werden kann. Bei einer Entlassung aus der Schubhaft würde er mit hoher Wahrscheinlichkeit untertauchen und sich dem Verfahren entziehen.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich ohne entscheidungswesentliche Widersprüche aus dem unstrittigen Akteninhalt die vorgelegten Verwaltungsakte des BFA und der Gerichtsakten des BVwG.

Die Feststellungen basieren auf die Angaben des BF in seinen Niederschriften vor dem BFA sowie aus der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG vom 18.02.2020 sowie aus den Abfragen der Strafregisterauskunft, Zentralem Melderegister, Sozialversicherungsauszug und dem Fremden Informationssystem.

Name, Geburtsdatum und Staatsangehörigkeit des BF beruhen auf seinen eigenen Angaben. Die von ihm angegebene Muttersprache ist aufgrund seiner Herkunft plausibel, da der BF beim BFA mittels Dolmetscher für Arabisch einvernommen wurde.

Es sind keine Hinweise auf Erkrankungen oder Einschränkungen der Haftfähigkeit des BF aktenkundig.

Die fehlende Ausreisebereitschaft des BF ergibt sich aus den Stellungnahmen des BFA. Die Bemühungen zur Erlangung eines Heimreisezertifikats wurden vom BFA glaubwürdig vorgelegt.

Dass der BF im Bundesgebiet keine zwar gewisse soziale, sowie familiäre Verankerungen aufweist ergibt sich aus seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG vom 18.02.2020. Seine beschränkten finanziellen Mittel ergeben sich aus der Bargeldaufstellung der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung.

Die Feststellungen zu den aktuellen Maßnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung der Corona-Pandemie basieren auf übereinstimmenden Medienberichten und den dazu erlassenen Vorschriften.

Das BFA weist in der Stellungnahme zur gegenständlichen Vorlage zu Recht darauf hin, dass sich der BF bei einer Enthaftung dem weiteren Verfahren voraussichtlich durch Untertauchen entziehen würde. Dies ist angesichts seiner nicht rechtmäßigen Einreise, der unbegründeten Anträge auf internationalen Schutz, der konsistenten Weigerung, nach Ägypten zurückzukehren, und seines zunächst wenig kooperativen Verhaltens wahrscheinlich. Da die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie durchwegs vorübergehend bzw. befristet angeordnet wurden, ist dessen ungeachtet davon auszugehen, dass zeitnah, also innerhalb der nächsten ein bis zwei Monate, ein Ersatzreisedokument für ihn ausgestellt und seine Rückführung nach Indien bewerkstelligt werden kann.

Rechtliche Beurteilung

Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs 4 BFA-VG die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom BVwG zu überprüfen. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das BVwG hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

Gegen dem BF besteht eine durchsetzbare und rechtskräftige Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot. Seine Anträge auf internationalen Schutz wurden rechtskräftig abgewiesen. In Zusammenschau mit der fehlenden fortgeschrittenen sozialen Verankerung und der mangelnden Rückkehrbereitschaft liegt nach wie vor Fluchtgefahr iSd § 76 Abs 3 Z 3 und 9 FPG vor. Das der BF nicht bereit ist mit der Behörde zusammenzuarbeiten hat er auch in den letzten Jahren eindrucksvoll bewiesen indem er sich unstet im Bundesgebiet aufhielt, Ladungen seitens der Behörde ignorierte und keine Anstalten zeigte, um ein Heimreiszertifikat bemüht zu sein. Der Zweck der Schubhaft kann auch nicht durch Anwendung eines gelinderen Mittels erreicht werden, zumal der BF mittellos ist und keine Unterkunftmöglichkeit besteht und der BF schon einmal für längere Zeit ohne behördliche Meldung im Bundesgebiet im Untergrund lebte.

Da die Schubhaftdauer sechs Monate noch nicht überschreitet und der BF noch nicht abgeschoben werden konnte, weil eine für seine Einreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt (vgl. § 80 Abs 4 Z 2 FPG), ist die Schubhaft trotz der aktuellen Einschränkungen des internationalen Reiseverkehrs, der Aussetzung von Einzelrückführungen derzeit noch verhältnismäßig.

Da die Beschränkungen für Reisen nach Ägypten, die Beschränkte Arbeit der ägyptischen Botschaft und die Aussetzung von Rückführungen derzeit vorübergehend bzw. befristet sind, (ägyptische Konsul gab dem BFA gegenüber am 11.05.2020 an, dass er mit einer Wiederaufnahme eines Interviews mit Ende Juni rechnet) ist davon auszugehen, dass nach deren Aufhebung ein Reisedokument für den BF ausgestellt und seine Rückführung nach Ägypten durchgeführt wird. Ein aus den Maßnahmen zur Verhinderung der weiteren Ausbreitung der Corona-Pandemie allenfalls resultierendes Abschiebehindernis ist daher aufgrund der zeitlichen Beschränkung dieser Maßnahmen aus heutiger Sicht noch als vorübergehend anzusehen und wird voraussichtlich in der nächsten Zeit wieder wegfallen. Sollten die Maßnahmen, insbesondere die Einschränkungen bei Reisebewegungen und die Botschaftsschließung, jedoch über den Juni 2020 hinaus verlängert oder gar unbefristet angeordnet werden, wird die Verhältnismäßigkeit der Schubhaft des BF zu hinterfragen sein, zumal dann voraussichtlich nicht mehr von der Möglichkeit einer zeitnahen Abschiebung nach Indien ausgegangen werden kann.

Der BF befindet sich seit XXXX2020, 16:15 Uhr in Schubhaft. Die Behörde legte dem BVwG jedoch erst am 08.05.2020 die Akten zur Prüfung der weitern Anhaltung des BF über vier Monate vor. Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom BVwG zu überprüfen. Das BFA hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem BVwG eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt.

Diesem Erfordernis hat das BFA nicht entsprochen, da sie den Akt spätestens am 02.05.2020 (30.04.2020) vorlegen hätte müssen. Die Behörde hat die verspätete Aktenvorlage zu vertreten. Da das BVwG mit seiner Entscheidung einen Titel für die weitere Anhaltung schafft, war die Anhaltung des BF von vom XXXX.2020 bis zur Erlassung des Erkenntnisses des BVwG rechtswidrig.

Eine mündliche Verhandlung gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG iVm § 24 Abs 4 VwGVG, konnte unterbleiben, weil der relevante Sachverhalt aus der Aktenlage geklärt werden konnte und von der mündlichen Erörterung keine weitere Aufklärung zu erwarten ist.

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen.

Schlagworte

Fluchtgefahr Interessenabwägung öffentliche Interessen Schubhaft Schubhaftbeschwerde Sicherungsbedarf Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G306.2228366.5.00

Im RIS seit

17.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

17.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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