TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/19 G306 2220980-1

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Veröffentlicht am 19.05.2020
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Entscheidungsdatum

19.05.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

G306 2220980-1/6E

Beschluss

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Dietmar MAURER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Kroatien, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.06.2019, Zl. XXXX, beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder belangte Behörde) vom 18.06.2018 wurde gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG gegen den Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ein auf die Dauer von vier Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), und gemäß § 70 Abs. 3 FPG dem BF ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt (Spruchpunkt II.).

2. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

3. Am 08.07.2019 langte beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF ist bosnischer Staatsangehöriger.

1.2. Mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wurde gegen den BF ein vierjähriges Aufenthaltsverbot erlassen.

Es fehlen Feststellungen zur Aufenthaltsdauer des BF im Bundesgebiet und zu seiner gesundheitlichen Situation, zumal er dem BFA zusammen mit seiner Stellungnahme vom 08.06.2019 einen Bescheid der PVA vom XXXX.2013 über eine ihm unbefristet zuerkannte Invaliditätspension vorgelegt hat.

2. Beweiswürdigung:

Der unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und die unter Punkt II. getroffenen Feststellungen ergaben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.

Da sich die gegenständliche - zulässige und rechtzeitige - Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene

verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG (Anmerkung: sog. Bescheidbeschwerden) dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg cit. nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1

B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Das Modell der Aufhebung des Bescheids und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 28 VwGVG Anm11). Gemäß dieser Bestimmung kann die Berufungsbehörde, sofern der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen. Wie oben ausgeführt, ist aufgrund von § 17 VwGVG die subsidiäre Anwendung von § 66 Abs. 2 AVG durch die Verwaltungsgerichte ausgeschlossen.

Im Gegensatz zu § 66 Abs. 2 AVG setzt § 28 Abs. 3 VwGVG die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung nicht mehr voraus.

Der VwGH hat mit Erkenntnis vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063 (Waffenverbot), in Bezug auf die grundsätzliche Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte nach § 28 VwGVG und die Möglichkeit der Zurückverweisung ausgesprochen, dass angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte darstellt. So kommt eine Aufhebung des Bescheides nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Das Verwaltungsgericht hat nachvollziehbar zu begründen, wenn es eine meritorische Entscheidungszuständigkeit nicht als gegeben annimmt, etwa weil es das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und Z 2 des § 28 Abs. 2 VwGVG verneint bzw. wenn es von der Möglichkeit des § 28 Abs. 3 erster Satz VwGVG nicht Gebraucht macht.

Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Die Begründung eines Bescheides bedeutet die Bekanntgabe der Erwägungen, aus denen die Behörde zur Überzeugung gelangt ist, dass ein bestimmter Sachverhalt vorliegt und dass damit der Tatbestand einer bestimmten Rechtsnorm verwirklicht ist. Die Begründung eines Bescheides hat Klarheit über die tatsächlichen Annahmen der Behörde und ihre rechtlichen Erwägungen zu schaffen. In sachverhaltsmäßiger Hinsicht hat sie daher alle jene Feststellungen in konkretisierter Form zu enthalten, die zur Subsumierung dieses Sachverhaltes unter die von der Behörde herangezogene Norm erforderlich sind. Denn nur so ist es möglich, den Bescheid auf seine Rechtsrichtigkeit zu überprüfen (VwGH 23.11.1993, Zl. 93/04/0156; 13.10.1991, Zl. 90/09/0186; 28.07.1994, Zl. 90/07/0029).

3.2. Der im gegenständlichen Fall relevante, mit "Aufenthaltsverbot" betitelte § 67 FPG lautet auszugsweise wie folgt:

"(1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden."

Mit Spruchpunkt I. des gegenständlich angefochtenen Bescheides wurde gegen den BF ein vierjähriges Aufenthaltsverbot erlassen.

Die belangte Behörde nahm im Zuge des Verfahrensganges des angefochtenen Bescheides auf das Vorbringen des BF in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 08.06.2019 Bezug, durch einen langjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet einen Freundes-, Arbeitskollegenkreis und ein kulturelles und soziales Umfeld, und eine enge Beziehung zu seinen Kindern, Enkelkindern und Geschwistern zu haben, ging dann jedoch im Zuge der weiteren Begründung des Bescheides überhaupt nicht darauf ein, seit wann bzw. wie lange sich der BF in Österreich aufgehalten hat, und hielt bezüglicher der in Österreich lebenden Familienangehörigen des BF fest, dass sie den Standpunkt vertritt, der BF könne den Kontakt zu seinen Familienangehörigen auch durch deren Besuch im Ausland aufrecht erhalten. Des Weiteren wurde auf eine laut Strafrechtsurteil vom XXXX2019 vorhandene Scheinmeldung verwiesen, die sich der BF zugelegt hätte, um Ausgleichszulage kassieren zu können, während er sich in Wahrheit in seiner Heimat aufgehalten habe.

Die belangte Behörde hat sich nicht damit auseinandergesetzt, welche Meldung(en) des BF außer dieser laut Gerichtsurteil von März 2019 bestehenden "Scheinmeldung" im Bundesgebiet noch bestehen, auch nicht damit, wie lange sich der BF tatsächlich in Österreich aufgehalten hat, zumal der BF im Zuge seiner schriftlichen Einvernahme vom 08.06.2019 auf einen "langfristigen Aufenthalt in Österreich" verwiesen hat, nicht mit der tatsächlichen Intensität der Beziehung des BF zu seinen in Österreich lebenden Familienangehörigen oder einem zwischen ihnen in irgendeiner Form bestehenden Abhängigkeitsverhältnis, und auch nicht damit, welche gesundheitliche Beeinträchtigung seinem vorgelegten Invaliditätsbescheid von 2013 zugrunde gelegen sind bzw. immer noch zugrunde liegen, zumal der BF im Zuge seiner schriftlichen Einvernahme vom 08.06.2019 vorgebracht hat, eine Eingliederung des BF in sein Herkunftsland hätte aufgrund seiner gesundheitlichen Probleme undenkbare Folgen.

Nähere Ermittlungen zur tatsächlichen Aufenthaltsdauer in Österreich fehlen, und sind diese auch unabdingbar, um eine fallentsprechende Beurteilung der Gefährdungsprognose vornehmen zu können.

Die belangte Behörde führte nach Wiedergabe von § 67 Abs. 1 und Abs. 2 FPG an, "diese Voraussetzungen treffen im Gegenstandsfalle für Sie zu, wofür die Gründe in diesem Bescheid ausführlich dargelegt sind", ohne angeführt zu haben, welche Voraussetzungen auf den gegenständlichen Fall zutreffen. Im Zuge der Wiedergabe der Bestimmung des § 67 Abs. 1 FPG war nur § 67 Abs. 1 S. 2 FPG, "das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen", kursivgedruckt, und diesem kursivgedruckten Teilsatz normalgedruckt der Gliedsatz angefügt, "die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt".

Dass § 67 Abs. 1 S. 2 FPG zur Anwendung zu gelangen hat, weil der BF sich noch nicht zehn Jahre lang im Bundesgebiet aufhält, fehlt im konkreten Fall, wobei darauf hingewiesen wird, dass bei einem bereits zehnjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet der strengere, eine nachhaltige und maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit der Republik Österreich beinhaltende Gefährdungsmaßstab nach § 67 Abs. 1 S. 5 FPG zur Anwendung gelangt.

Die belangte Behörde hat nach Wiedergabe von § 67 Abs. 1 und Abs. 2 nur allgemein festgehalten, "diese Voraussetzungen treffen im Gegenstandsfalle für Sie zu, wofür die Gründe in diesem Bescheid dargelegt sind", und schloss diesem Satz folgende Ausführung an:

"Sie haben durch Ihr persönliches und vom Gericht durch die Verhängung einer mehrmonatigen unbedingten Freiheitsstrafe entsprechend gewürdigtes Verhalten in Österreich gezeigt, dass Sie kein Interesse daran haben, die Gesetze Österreichs zu respektieren. Ihr bisheriger Aufenthalt in Österreich (erg.: ohne angeführt zu haben, welcher Aufenthalt bzw. wie lange sich der BF bislang in Österreich aufgehalten hat) beeinträchtigte ein Grundinteresse der Gesellschaft, nämlich jenes an Ruhe, an Sicherheit für die Person und ihr Eigentum und an sozialem Frieden. Bei dem von Ihnen gezeigten Verhalten ist aufgrund der bei gewerbsmäßig begangenen Strafdelikten einhergehenden großen Wiederholungsgefahr mit einer Fortsetzung zu rechnen. Diese Annahme ist auch aufgrund Ihrer Vorverurteilungen gerechtfertigt. Es muss daher in Ihrem Fall unzweifelhaft von einer aktuellen, gegenwärtigen Gefahr gesprochen werden.

Die beeinträchtigten öffentlichen Interessen sind maßgeblich für das Wohlergehen und -befinden der Bevölkerung und können daher als erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung bezeichnet werden.

Aufgrund der wiederkehrenden Missachtung der Rechtsordnung sowie aufgrund Ihrer Lebenssituation in Österreich ist auch das Tatbestandsmerkmal der Nachhaltigkeit erfüllt."

Daran anschließend wurde im Hinblick auf ein Privat- und Familienlebens des BF in Österreich festgehalten, dass aufgrund der Aktenlage von Integrationsmerkmalen in Österreich in privater, sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht ausgegangen wird, der BF solche auch behauptet hat, der BF jedoch jedenfalls seine Pension aus Österreich auch in sein Heimatland überwiesen und er von seinen in Österreich lebenden Familienangehörigen im Ausland besucht werden könne.

Daran wiederum war folgende Ausführung angeschlossen:

"Es muss somit davon ausgegangen werden, dass das öffentliche Interesse an Ordnung und Sicherheit Ihrem persönlichen Interesse an einem Verbleib in Österreich überwiegt.

Die Gesamtbeurteilung Ihres Verhaltens, Ihrer Lebensumstände sowie Ihrer nicht vorhandenen familiären und privaten Anknüpfungspunkte haben daher im Zuge der von der Behörde vorgenommenen Abwägungsentscheidung ergeben, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes in der angegebenen Dauer gerechtfertigt und notwendig ist, die von Ihnen ausgehende, erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern. Es ist auch zu erwarten, dass dieser Zeitraum erforderlich ist, um in Ihnen einen positiven Gesinnungswandel Ihrer Einstellung zur österreichischen Rechtsordnung zu bewirken.

(...)."

Fest steht, dass die belangte Behörde mit ihren Ausführungen in der Rechtlichen Beurteilung eine vorliegende Gefährdung nicht im Zuge der Vornahme der Gefährdungsprognose beurteilt hat.

Nur im Zuge der Feststellungen "zu den Gründen für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes" wurde angeführt, dass der BF durch sein persönliches Verhalten wesentliche Grundinteressen des Staates nachhaltig beeinträchtigt habe, die Behörde nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens und bei Berücksichtigung der Ergebnisse dieses Verfahrens keinesfalls eine günstige Zukunftsprognose erstellen könne, und die Verfügung eines befristeten Aufenthaltsverbotes die einzig adäquate Maßnahme darstelle, um auf die vom BF ausgehende und nach Ansicht der Behörde massive Gefährdung der öffentlichen Sicherheit zu reagieren.

Bezug genommen wurde im Zuge der Feststellungen des angefochtenen Bescheides vorwiegend auf das Strafrechtsurteil von März 2019 bzw. damit in Zusammenhang auf die "Scheinmeldung" des BF, um eine Ausgleichszulage zu erlangen, und darauf, dass das rechtskräftige Gerichtsurteil den BF als gewerbsmäßig vorgehenden Straftäter, demnach als eine Person, die deshalb in fremdes Vermögen eingreift, um sich aus der wiederholten Begehung einschlägiger Delikte eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, aus.

Die Behörde hat zuvor in den Feststellungen auch konkret die der Verurteilung zugrunde liegenden strafbaren Handlungen wiedergegeben und festgehalten, die Handlungsweise des BF, mit der Scheinmeldung über Tatsachen getäuscht zu haben, um zu einer Ausgleichszulage zu gelangen, sei zweifellos dem Phänomen des sog. "Kriminaltourismus" zuzuordnen, für das kennzeichnend sei, dass die Täter nach Österreich einreisen, hier binnen kurzer Zeit Straftaten verüben und sich anschließend sofort wieder ins Ausland absetzen.

Die alle Risiken abdeckende Krankenversicherung des BF im Bundesgebiet, sein Pensionseinkommen und seine familiären, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet würden gegenüber den hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen in den Hintergrund treten, zumal der BF von seinen Familienangehörigen auch im Ausland besucht werden könne. Um welche familiäre, wirtschaftliche und sonstige Bindungen des BF es sich konkret handle, die gegenüber den öffentlichen Interessen in den Hintergrund treten würden, wurde nicht angeführt, und abschließend auf ein eminent hohes öffentliches Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf die Wahrung eines geordneten Fremdenwesens verwiesen.

Die belangte Behörde führte somit unter den Feststellungen "zu den Gründen für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes" und nicht im Zuge der Rechtlichen Beurteilung aus, warum nicht von einer positiven Zukunftsprognose und von einer massiven Gefährdung der öffentlichen Sicherheit auszugehen sei.

Ob nun eine solche Gefahr tatsächlich vorliegt, wäre jedoch nicht nur unter Bedachtnahme der dem Strafrechtsurteil von März 2019 zugrunde liegenden Delikte bzw. Straftaten, sondern unter Berücksichtigung des gesamten (Fehl-) Verhaltens des BF und aller individuellen Umstände im Zuge einer hinreichend begründeten Vornahme einer Gefährdungsprognose zu beurteilen gewesen.

Es wurden jedenfalls keine konkreten näheren Feststellungen zur Aufenthaltsdauer, zur gesundheitlichen Situation, zu den individuellen (familiären, sozialen, wirtschaftlichen) Umständen und dem gesamten Verhalten des BF getroffen, um eine hinreichend begründete Gefährdungsprognose vornehmen und das Vorliegen einer Gefahr beurteilen zu können, bzw. bei der Bemessung der Aufenthaltsverbotsdauer aufgrund konkreter Feststellungen die Beurteilung der Gefährdungsprognose vornehmen zu können.

Die Schlussfolgerung im Zuge der Rechtlichen Verurteilung, "bei dem von Ihnen gezeigten Verhalten ist aufgrund der bei gewerbsmäßig begangenen Strafdelikten einhergehenden großen Wiederholungsgefahr mit einer Fortsetzung zu rechnen; diese Annahme ist auch aufgrund Ihrer Vorverurteilungen gerechtfertigt" ist jedenfalls keine hinreichende Begründung dafür, warum, wie die Behörde ausführt, unzweifelhaft von einer aktuellen, gegenwärtigen Gefahr gesprochen werden müsse. Es wurde nur auf die vom BF erfüllten Strafdelikte, einer damit einhergehenden großen Wiederholungsgefahr und zu rechnenden Fortsetzung, und auf nicht näher angeführte Vorverurteilungen hingewiesen, ohne unter Berücksichtigung der der strafrechtlichen Verurteilung zugrundeliegenden Straftaten und des gesamten Verhaltens des BF hinreichend begründet eine Gefährdungsprognose vorgenommen zu haben. Es ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und aufgrund konkreter Feststellungen eine Beurteilung der Gefährlichkeitsprognose vorzunehmen.

Aufgrund fehlender Ermittlungen und Feststellungen, darunter auch der fehlenden Feststellung zur Aufenthaltsdauer und damit in Zusammenhang des im gegenständlichen Fall zur Anwendung gelangenden Gefährdungsmaßstabs (nach § 67 Abs. 1 S. 2 FPG oder nach § 67 Abs. 2 S. 5 FPG), und einer nicht hinreichend begründet vorgenommenen Gefährdungsprognose, war der angefochtene Bescheid daher gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Verfahrensergänzung und Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

Dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das BVwG selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist, war nicht erkennbar.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

4. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Da im gegenständlichen fall bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot Behebung der Entscheidung Ermittlungspflicht individuelle Verhältnisse Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G306.2220980.1.00

Im RIS seit

17.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

17.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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