TE Bvwg Beschluss 2020/5/29 W279 1427424-4

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Veröffentlicht am 29.05.2020
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Entscheidungsdatum

29.05.2020

Norm

VwGG §25a Abs2 Z1
VwGG §30 Abs2

Spruch

W279 1427424-4/6E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Peter KOREN über den Antrag von XXXX , geb. XXXX , der gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.03.2020, GZ: W279 1427424-4/2E, erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, beschlossen:

Der Revision wird gemäß § 30 Abs. 2 VwGG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Mit Schriftsatz vom 28.05.2020 brachte die revisionswerbende Partei eine Revision gegen das im Spruch angeführte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes ein.

Zum Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung führte die revisionswerbende Partei Folgendes an:

"Das angefochtene Erkenntnis ist einem Vollzug zugänglich, da nach Abschluss des Verfahrens aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen den RW vollzogen werden können. Der Vollzug wäre für ihn mit einem unverhältnismäßigen Nachteil verbunden, da er in weiterer Folge aus dem Bundesgebiet abgeschoben werden könnte und den Ausgang des Verfahrens in XXXX abwarten müsste.

Durch die Abschiebung nach XXXX droht dem RW gerade eine Verletzung jener Rechte, deren Prüfung Gegenstand dieses Verfahren ist. In XXXX drohen dem RW erhebliche Eingriffe in die ihm durch Art 3 EMRK zukommenden Rechte.

Weiters wäre mit dem Vollzug der hier angefochtenen Entscheidung ein schwerer Eingriff in die dem RW durch Art 8 EMRK gewährleisteten Rechte verbunden, da der RW, wie in der Revision ausführlich dargelegt wurde, über besonders intensive Bindungen zu Österreich in privater und familiärer Hinsicht verfügt.

Zu den schon ursprünglich für die Zuerkennung und bisherigen Verlängerung des Status des subsidiär Schutzberechtigten maßgeblichen Gründen tritt nun eine drohende Verletzung von Art 3 EMRK im Fall einer Ansiedlung des RW in XXXX aufgrund der COVID-19-Pandemie hinzu, die XXXX in besonders schwerem Ausmaß zu belasten droht. In XXXX ist mit etwa 700.000 Infizierten zu rechnen, wobei auch junge Erwachsene aus Sicht lokaler Ärzte mit einem schweren Verlauf der

Krankheit werden rechnen müssen. Am 15. April meldete UNOCHA, dass insbesondere Männer zwischen 20 und 39 die höchste Infektionsrate aufweisen.

Es gibt keine realistische Chance auf medizinische Versorgung Infizierter. XXXX befürchtet mehr als 110.000 Tote aufgrund des COVID-19-Virus. Zurückzuführen ist diese hohe Anzahl zu vermutender Todesopfer neben dem Fehlen eines ausreichend funktionierenden Gesundheitssystems in XXXX auch darauf, dass es in der XXXX Bevölkerung wenig Bereitschaft gibt, sich testen zu lassen. Personen verheimlichen, dass sie krank sind, vor allem, um wegen der damit verbundenen Stigmatisierung nicht ausgegrenzt zu werden. Auch vermutlich auf die Pandemie zurückzuführende Todesfälle werden verheimlicht. Unter diesen Umständen die Verbreitung des Virus in den Griff zu bekommen, ist mit enormen Schwierigkeiten verbunden. Gerade die Städte XXXX und XXXX . das im Fall des RW von Seiten des BVwG

als innerstaatliche Fluchtalternative herangezogen wurde, sind von der Pandemie stark betroffen: Bis zum 4.5.2020 gab es in XXXX offiziell 2.894 Erkrankte, 90 Personen waren bereits verstorben. Allein in XXXX und XXXX waren mehr als 1.300 der Infizierten zu verzeichnen, auch die Provinz XXXX , in der sich die Stadt XXXX befindet, weist mit 208 Infizierten einen bereits sehr hohen Wert auf.

Die Dunkelziffer könnte aber sehr viel höher sein. Der XXXX Gesundheitsminister XXXX spricht von 10.000 Fällen allein in XXXX und führte aus, dass die Epidemie außer Kontrolle sei. In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass allein in der Woche von 9.4.2020 bis 15.4.2020 82.250 XXXX und XXXX aus dem vom Virus besonders schwer betroffenen XXXX zurückgekehrt sind. Das führt einerseits zu einer zusätzlichen Belastung des XXXX Gesundheitssystems, andererseits ist auch von einer beträchtlichen Anzahl infizierter Personen unter den Rückkehrenden auszugehen. Am 7.5.2020 gab es in XXXX bereits 925 bestätigte Krankheitsfälle, darunter 346 Mitarbeiter medizinischer Einrichtungen. Zurückzuführen sind diese Krankheitsfälle bei medizinischem Personal auf mangelnde Schutzkleidung und ein mangelndes Bewusstsein für Hygiene. Eine Folge dieser Entwicklungen war, dass viele Kliniken in XXXX geschlossen wurden. Die zunehmenden Krankheitsfälle unter medizinischem Personal führen bereits dazu, dass das Gesundheitssystem in XXXX an seine Grenzen stößt viele Spitäler sind kurz davor, zu schließen. Die COVID-19-Pandemie führt in XXXX zu drastischen Maßnahmen: Von 28.3.2020 an unterlagen die Einwohner XXXX und anderer XXXX Großstädte Einschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit. Angeordnet wurde unter anderem, dass Geschäfte weitgehend schließen müssen, größere Veranstaltungen verboten sind, staatliche Behörden weitgehend schließen müssen, der Personenverkehr in XXXX weitgehend zum Erliegen kommen muss, sich keine Gruppen von mehr als drei Menschen mehr bilden dürfen und Bewegungen im öffentlichen Raum überhaupt nur mehr aus triftigem Grund erfolgen dürfen. Lebensmittelpreise stiegen. Parallel dazu eskalieren kriegerische Auseinandersetzungen in XXXX erneut, der Friedensprozess mit den XXXX droht zu kollabieren. Die Ausgangssperren sind mit Einschränkungen für NGO-Mitarbeiter verbunden, die zum Teil Checkpoints nicht passieren dürfen. Entsprechende Probleme gibt es landesweit. Das wiederum muss Auswirkungen auf die Frage haben, inwieweit aus Europa rückkehrenden Personen Rückkehr- bzw. Reintegrationshilfe offensteht. Zu beachten ist weiters, dass gerade Rückkehrende aus Europa mit einer zusätzlichen Stigmatisierung zu rechnen haben, weil sie für die Verbreitung des Virus verantwortlich gemacht werden. Das führt dazu, dass familiäre Netzwerke nicht wie bisher in Anspruch genommen werden können. Im Falle seiner Rückkehr nach XXXX sähe sich der RW zum gegenwärtigen Zeitpunkt einer Verletzung seiner durch Art 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt - dies zum einen wegen des realen Risikos, Opfer der Erkrankung selbst zu werden, ohne Zugang zu adäquater Behandlung zu haben, zum anderen aber auch, weil nicht angenommen werden kann, dass der RW in XXXX vor dem Hintergrund der aktuellen Einschränkungen des öffentlichen Lebens eine reelle Chance vorfinden würde, sich durch eigene Berufstätigkeit und durch eigene Mittel oder durch staatliche Hilfen ausreichend zu versorgen, um seine existenziellen Bedürfnisse zu decken.

Es ist damit offenkundig, dass der Vollzug der hier angefochtenen Entscheidung den RW dem erheblichen Risiko von Eingriffen in seine Rechte nach Art. 2, 3 und 8 EMRK aussetzen würde. Zwingende öffentliche Interessen, die der Zuerkennung einer aufschiebenden Wirkung entgegenstehen, sind nicht erkennbar. Gegenüber dem angeführten Interesse des RW stärker zu gewichtende öffentliche Interessen am Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses liegen ebenso wenig vor. Die Voraussetzungen des § 30 Abs 2 VwGG für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sind damit erfüllt."

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Rechtliche Beurteilung:

§ 30 Abs. 2 VwGG lautet: "Bis zur Vorlage der Revision hat das Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision hat der Verwaltungsgerichtshof jedoch auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bedarf nur dann einer Begründung, wenn durch sie Interessen anderer Parteien berührt werden. Wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung der Revision maßgebend waren, wesentlich geändert haben, ist von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei neu zu entscheiden."

Gegenständlich ist kein zwingendes öffentliches Interesse erkennbar, dass der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Revision entgegenstünde. Nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses wäre für die revisionswerbende Partei ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden.

Aus diesen Erwägungen war dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 30 Abs. 2 VwGG stattzugeben.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung Revision

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W279.1427424.4.01

Im RIS seit

17.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

17.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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