Entscheidungsdatum
10.06.2020Norm
BEinstG §14Spruch
W261 2230377-1/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS als Vorsitzende und die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER sowie den fachkundigen Laienrichter Herbert PICHLER als Beisitzerin und Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, Niederösterreich und Burgenland, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 20.01.2020, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 25.03.2020, betreffend die Abweisung des Antrages auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten beschlossen:
A)
In Erledigung der Beschwerde und des Vorlageantrages wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin stellte am 04.09.2019 einen Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten behinderten beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (auch Sozialministeriumservice, in der Folge belangte Behörde) und legte ein Konvolut an medizinische Befunden bei.
Die belangte Behörde holte zur Überprüfung des Antrages ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Orthopädie ein. In dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 07.11.2019 erstatteten Gutachten vom 08.11.2019 stellte die Sachverständige bei der Beschwerdeführerin die Funktionseinschränkungen "Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Lumboischialgie" mit einem Gesamtrad der Behinderung in Höhe von 30 v.H. fest.
Die belangte Behörde übermittelte der Beschwerdeführerin dieses Sachverständigengutachten mit Schreiben vom 14.11.2019 im Rahmen des Parteiengehörs und räumte ihr eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme ein.
Die Beschwerdeführerin gab, bevollmächtigt vertreten durch den Kriegsopfer und Behindertenverband für Wien, Niederösterreich und Burgenland (in der Folge KOBV), mit Schreiben vom 03.12.2019 eine Stellungnahme ab, in welcher sie vorbrachte, dass für sie nicht nachvollziehbar sei, dass die medizinische Sachverständige bei ihr funktionelle Einschränkungen ohne radikuläres Defizit festgestellt habe, wobei die vorgelegten medizinischen Befunde belegen würden, dass bei ihr eine Nervenwurzelkompression im Bereich L5 beidseits durch eine Neuroformanenstenose L5/S1 gegeben sei. Aufgrund der radikulären Ausfälle leide die Beschwerdeführerin an Ausfällen der unteren Extremitäten und an einem tauben Gefühl, insbesondere des linken Fußes. Es würden auch therapieresistente Schmerzen vorliegen. Hinzu käme ein Erschöpfungssyndrom, weswegen sie unter Antriebsminderung und Affektibilität, Konzentrations- und Biorhythmusstörungen leide. Die Beschwerdeführerin legte eine Reihe von neuen medizinischen Befunden vor.
Die belangte Behörde nahm diese Stellungnahme zum Anlass, um eine medizinische Sachverständige aus dem Fachbereich der Allgemeinmedizin um die Erstellung eines Sachverständigengutachtens aufgrund der Aktenlage zu ersuchen. In deren Sachverständigengutachten aufgrund der Aktenlage vom 10.12.2019 kommt die medizinische Sachverständige zusammenfassend zum Ergebnis, dass bei der Beschwerdeführerin die Funktionseinschränkungen "Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Lumboischialgie und eine Erschöpfungsdepression" mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 30 vH vorliegen würden.
Die belange Behörde übermittelte dieses Sachverständigengutachten der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 11.12.2019 im Rahmen des Parteiengehörs und räumte ihr die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme innerhalb von zwei Wochen ein.
Die Beschwerdeführerin gab keine Stellungnahme ab.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 20.01.2019 wies die belangte Behörde den Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten gemäß §§ 2 und 14 Abs. 1 und 2 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) ab und stellte einen Grad der Behinderung von 30 v.H. fest. Die belangte Behörde legte dem Bescheid das zuletzt eingeholte Sachverständigengutachten vom 10.12.2019 in Kopie bei.
Gegen diesen Bescheid erhob die durch den KOBV bevollmächtigt vertretene Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde und brachte zusammengefasst vor, dass im Sachverständigengutachten nicht ausreichend berücksichtigt sei, dass die Beschwerdeführerin an therapieresistenten Schmerzen und damit einhergehend an Funktionsbeeinträchtigungen infolge der vorliegenden Nervenwurzelkompression leide. Aufgrund des Schweregrades der Erkrankung wäre das Leiden 1 entsprechend der Einschätzungsverordnung mit einem höheren Grad der Behinderung einzustufen gewesen.
Zudem leide die Beschwerdeführerin an einer therapieresistenten Depression, welche ebenfalls zu Arbeitsunfähigkeit und Einschränkungen im Alltags- und Sozialleben der Beschwerdeführerin führen würden. Auch bei Leiden 2 wäre ein höherer Grad der Behinderung festzustellen gewesen.
Im Zusammenwirken aller gesundheitlichen Einschränkungen sei bei der Beschwerdeführerin ein Gesamtgrad der Behinderung von mindestens 50 vH gerechtfertigt. Es werde beantragt, der Beschwerde Folge zu geben, den erstinstanzlichen Bescheid aufzuheben und dem Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten stattzugeben, in eventu festzustellen, dass der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin zumindest 40 vH betrage.
Die Beschwerdeführerin legte mit der Beschwerde eine Reihe von medizinischen Befunden vor.
Mit Eingabe vom 09.03.2020 legte die Beschwerdeführerin bevollmächtigt vertreten durch den KOBV weitere medizinische Befunde vor.
Die belangte Behörde ersuchte eine Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie um Erstellung eines Sachverständigengutachtens aufgrund der Aktenlage.
In deren Sachverständigengutachten aufgrund der Aktenlage vom 25.03.2020 kommt die medizinische Sachverständige für Allgemeinmedizin, Neurologie und Psychiatrie zusammenfassend unter Berücksichtigung sämtlicher von der Beschwerdeführerin vorgelegten medizinische Befunde zum Ergebnis, dass bei der Beschwerdeführerin die Funktionseinschränkungen "Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Lumboischialgie, Erschöpfungsdepression und Schmerzsyndrom" mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 30 vH vorliegen würden. Leiden 2 erhöhe den Gesamtgrad der Behinderung nicht, da keine maßgebliche ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung sowie teilweise eine Leidensüberschneidung vorliege.
Mit Bescheid vom 25.03.2020 erließ die belangte Behörde eine Beschwerdevorentscheidung, wonach die Beschwerde abgewiesen werde. Mit einem Grad der Behinderung von 30 v.H. seien die Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten nicht erfüllt.
Die Beschwerdeführerin legte mit Eingabe vom 31.03.2020, bevollmächtigt vertreten durch den KOBV, einen Befund vom 05.03.2020 im Zusammenhang mit ihrem Wirbelsäulenleiden vor.
Die Beschwerdeführerin stellte, bevollmächtigt vertreten durch den KOBV, mit Schreiben vom 16.04.2020 einen Vorlageantrag und führt aus, dass die belangte Behörde den mit Eingabe vom 31.03.2020 vorgelegten Befund vom 05.03.2020 nicht berücksichtigt habe. Darin werde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin an einer stetig progredienten Lumbago leide, und auch die Bandscheibendegeneration in den Segmenten L4/L5 sei stark ausgeprägt. Aufgrund dieser Einschränkungen sei die Einschätzung der belangten Behörde mit einem Grad der Behinderung von 30 vH aufgrund der degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule nicht nachvollziehbar. Insbesondere werde auch ausgeführt, dass sich die Erschöpfungsdepression und das Schmerzsyndrom natürlich mit den degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule wechselseitig beeinflusse, da aufgrund der Schmerzen die Depression verstärkt werde. Die Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten sei für die Beschwerdeführerin essentiell, da in der Zwischenzeit ihr Dienstverhältnis zu ihrem Arbeitgeber aufgekündigt worden sei.
Die belangte Behörde legte den Aktenvorgang dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 16.04.2020 vor, wo dieser am selben Tag einlangte.
Das Bundesverwaltungsgericht holte am 17.04.2020 einen Auszug aus dem AJ-WEB Auskunftsverfahren ein, wonach die Beschwerdeführerin seit 26.10.2019 laufend Krankengeld beziehe.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zu A)
Gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (in der Folge VwGVG) hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden,
1. wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, allerdings mit dem Unterschied, dass die Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 28 Abs. 3 VwGVG nicht erforderlich ist. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), § 28 VwGVG, Anm. 11.).
§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, zur Auslegung des § 28 Abs. 3 2. Satz ausgeführt hat, ist vom prinzipiellen Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auszugehen. Nach der Bestimmung des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG kommt bereits nach ihrem Wortlaut die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht (vgl. auch Art. 130 Abs. 4 Z 1 B-VG). Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.
Ist die Voraussetzung des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG erfüllt, hat das Verwaltungsgericht (sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist) "in der Sache selbst" zu entscheiden.
Das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, verlangt, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird.
Wie der Verwaltungsgerichtshof im oben angeführten Erkenntnis ausgeführt hat, wird eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht, vgl. Holoubek, Kognitionsbefugnis, Beschwerdelegitimation und Beschwerdegegenstand, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, erster Instanz, 2013, Seite 127, Seite 137; siehe schon Merli, Die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte erster Instanz, in Holoubek/Lang (Hrsg), Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2008, Seite 65, Seite 73 f).
Der angefochtene Bescheid erweist sich in Bezug auf den zu ermittelnden Sachverhalt aus folgenden Gründen als grob mangelhaft:
Die Beschwerdeführerin leidet unter anderem an einem psychischen Leiden und degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, welche durch Befunde objektiviert wurden.
Es besteht zwar kein Anspruch auf die Zuziehung von Sachverständigen eines bestimmten medizinischen Teilgebietes. Es kommt jedoch auf die Schlüssigkeit der eingeholten Gutachten an.
Gegenständlich ist die in den beiden letzten medizinischen Sachverständigengutachten vorgenommene Beurteilung angesichts des komplexen Krankheitsbildes der Beschwerdeführerin offensichtlich sachwidrig erfolgt. Das Vorbringen und die vorgelegten Beweismittel enthalten konkrete Anhaltspunkte, dass die Einholung von Gutachten der Fachrichtungen Psychiatrie erforderlich ist, um eine vollständige und ausreichend qualifizierte Prüfung zu gewährleisten. Zwar zog die belangte Behörde erstmals eine Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie im Berufungsvorentscheidungsverfahren bei, diese führte jedoch keine persönliche Untersuchung durch, um sich einen persönlichen Eindruck von der psychischen Verfasstheit und der Leidenszustände der Beschwerdeführerin zu bilden.
Laut diesem Sachverständigengutachten der Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie vom 25.03.2020 aufgrund der Aktenlage liegt bei der Beschwerdeführerin neu ein Schmerzsyndrom vor, welches die medizinische Sachverständige - wie die Erschöpfungsdepression auch - nach Position 03.06.01 der Einschätzungsverordnung als depressive Störung leichten Grades mit einem Grad der Behinderung von 20 vH einstufte. Dabei übersah die medizinische Sachverständige, dass die Einschätzungsverordnung unter Position 04.11. eine eigene Position zur Einschätzung von Chronischen Schmerzsyndromen vorsieht. Es ist diesem der Beschwerdevorentscheidung zugrundeliegenden Sachverständigengutachten nicht zu entnehmen, aus welchen Gründen eine Einschätzung des Schmerzsyndroms nach dieser Position unterblieb. Eine Zuordnung eines Schmerzsyndroms unter die Position 03.06. der Einschätzungsverordnung ist jedenfalls nicht nachvollziehbar.
Die Beurteilung der medizinischen Sachverständigen, dass das Leiden 2 das führende Leiden 1 nicht wechselseitig beeinflussen würde, ist, wie die Beschwerdeführerin richtig anführt, widersprüchlich, gab doch die medizinische Sachverständige selbst an, dass es zwischen den beiden Leiden Überschneidung gibt.
Auch hinsichtlich des führenden Leidens 1 liegen aktuelle Befunde vor, und es wäre im Rahmen einer persönlichen Untersuchung durch eine/n Facharzt/-ärztin aus dem Fachbereich der Orthopädie zu beurteilen gewesen, ob - wie die Beschwerdeführerin anführt und durch medizinische Befunde belegt, die Funktionseinschränkungen mittleren Grades rezidivierend und anhaltend und verbunden mit Dauerschmerzen sind, worauf die im letzten Sachverständigengutachten aufgenommene Diagnose des Schmerzsyndroms hinweist. Auch radiologische Veränderungen sind durch die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Befunde ebenso belegt, wie maßgebliche Einschränkungen im Alltag. Es ist daher nicht schlüssig nachvollziehbar, weswegen die von der belangten Behörde beigezogenen medizinischen Sachverständigen einen Grad der Behinderung von 30vH und nicht von 40vH laut Position 02.01.02 der Einschätzungsverordnung feststellten. Jedenfalls fehlt eine entsprechende schlüssige und nachvollziehbare Begründung in der Einschätzung dieses Leidens 1.
Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde medizinische Sachverständigengutachten der Fachrichtungen Psychiatrie/Neurologie und Orthopädie basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin einzuholen und die Ergebnisse unter Einbeziehung des Beschwerdevorbringens und des Vorbringens im Vorlageantrag bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen haben. Die Einzelgutachten sind in Form eines Gesamtgutachtens zusammenzufassen.
Von den Ergebnissen des weiteren Ermittlungsverfahrens wird die Beschwerdeführerin mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme in Wahrung des Parteiengehörs in Kenntnis zu setzen sein.
Aus den dargelegten Gründen ist davon auszugehen, dass die belangte Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat und sich der vorliegende Sachverhalt zur Beurteilung des Grades der Behinderung als so mangelhaft erweist, dass weitere Ermittlungen bzw. konkretere Sachverhaltsfeststellungen erforderlich erscheinen.
Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens durch das Bundesverwaltungsgericht kann - im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 VwGVG - nicht im Sinne des Gesetzes liegen. Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes und angesichts der im gegenständlichen Fall unterlassenen Sachverhaltsermittlungen - nicht ersichtlich.
Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben. Da der maßgebliche Sachverhalt im Fall der Beschwerdeführerin noch nicht feststeht und vom Bundesverwaltungsgericht auch nicht rasch und kostengünstig festgestellt werden kann, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen zurückzuverweisen.
Von der Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung wird gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG abgesehen, zumal aus dem Beschwerdeakt ersichtlich ist, dass eine mündliche Erörterung der Rechtssache mangels ausreichender Sachverhaltserhebungen und Feststellungen der belangten Behörde eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Ermittlungspflicht Grad der Behinderung Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W261.2230377.1.00Im RIS seit
17.09.2020Zuletzt aktualisiert am
17.09.2020