TE Vwgh Beschluss 2020/6/25 Ra 2020/19/0182

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.06.2020
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §18 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des S R N, vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Februar 2020, W218 2178194-1/9E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 23. Oktober 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, er sei im Alter von einem Jahr mit seiner Familie in den Iran geflohen, weil sein Vater beschuldigt worden sei, einen Kommandanten der Mujaheddin getötet zu haben. Aus diesem Grund drohe der Familie Verfolgung in Afghanistan. Aus dem Iran sei der Revisionswerber aus Angst, nach Afghanistan abgeschoben oder in den Krieg nach Syrien geschickt zu werden, geflohen.

2        Mit Bescheid vom 24. Oktober 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlungals unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7        Die Revision wendet sich zur Begründung ihrer Zulässigkeit gegen die Beweiswürdigung in Zusammenhang mit dem Fluchtvorbringen.

8        Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 23.1.2019, Ra 2018/19/0712 bis 0715, mwN).

9        Das Bundesverwaltungsgericht ist nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Rahmen der Beweiswürdigung unter Berufung auf vage und widersprüchliche Angaben des Revisionswerbers zum Ergebnis gekommen, das Fluchtvorbringen sei nicht glaubwürdig. Selbst wenn aber eine Bedrohung seiner Familie durch die Mujaheddin bestanden hätte, würde dem Revisionswerber dreißig Jahre nach diesem Vorfall bei einer Rückkehr nach Afghanistan keine Verfolgung mehr drohen. Die Revision legt mit ihrem bloß allgemeinen Vorbringen nicht dar, dass diese Beweiswürdigung unvertretbar wäre.

10       Insofern die Revision in diesem Zusammenhang vorbringt, das BVwG hätte den entscheidungswesentlichen Sachverhalt durch die Beauftragung eines länderkundigen Sachverständigen mit Recherchen im Heimatdorf des Revisionswerbers klären können, ist ihr zu entgegen, dass ein allgemeines Recht auf eine fallbezogene Überprüfung des Vorbringens durch Recherche im Herkunftsstaat nicht besteht. Die Beurteilung der Erforderlichkeit derartiger Erhebungen im Sinn des § 18 Abs. 1 letzter Satz AsylG 2005 obliegt der ermittelnden Behörde bzw. dem Verwaltungsgericht (vgl. VwGH 15.4.2020, Ra 2019/19/0076, mwN; vgl. näher zu Erkundigungen im Herkunftsstaat VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100 und 0101). Die Revision behauptet auch nur, dass durch eine solche Recherche das Vorbringen, die Familie sei im Kleinkindalter des Revisionswerbers wegen einer Bedrohung durch die Mujaheddin geflüchtet, geklärt werden könnte, legt aber nicht dar, dass der Revisionswerber aus diesem Grund im Entscheidungszeitpunkt (weiterhin) mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt wäre (vgl. zum maßgeblichen Zeitpunkt der Flüchtlingseigenschaft VwGH 27.6.2019, Ra 2018/14/0274, mwN).

11       Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit weiter vor, der Revisionswerber sei in seinem ganzen bisherigen Leben noch nicht selbsterhaltungsfähig gewesen und macht in diesem Zusammenhang Ermittlungsfehler geltend.

12       Das BVwG legte seiner Beurteilung in Bezug auf die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten zu Grunde, der Revisionswerber sei gesund und im erwerbsfähigen Alter, verfüge über Schulbildung und Arbeitserfahrung, könne sich in einer Landessprache seines Herkunftsstaats verständigen, sei in einem afghanischen Familienverband aufgewachsen und könne Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen. Die Revision legt nicht dar, dass das BVwG mit seiner Beurteilung, dem Revisionswerber stehe auch ohne familiäre Anknüpfungspunkte in seinem Herkunftsstaat jedenfalls in der Stadt Mazar-e Sharif eine innerstaatliche Fluchtalternative offen, fallbezogen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre (vgl. zur Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative in bestimmten Gebieten Afghanistans auch ohne familiäre Kontakte VwGH 13.2.2020, Ra 2019/19/0406, mwN; zu im Iran aufgewachsenen afghanischen Staatsbürgern VwGH 13.2.2020, Ra 2018/19/0628, mwN).

13       In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 25. Juni 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020190182.L00

Im RIS seit

17.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

17.09.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten