TE Vwgh Erkenntnis 1997/12/2 97/05/0232

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.12.1997
beobachten
merken

Index

L82000 Bauordnung;
L85003 Straßen Niederösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §56;
AVG §8;
BauRallg;
LStG NÖ 1979 §6 Abs1 idF 8500-3;
LStG NÖ 1979 §6 Abs1;
LStG NÖ 1979 §6 Abs3;
LStG NÖ 1979 §6 Abs6 idF 8500-3;
LStG NÖ 1979 §6;
LStG NÖ 1979 §6a Abs1 idF 8500-1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 97/05/0237

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerden 1. der Maria Anna Tatzreiter in Ybbsitz, vertreten durch Mag. Johannes Kerschbaumer, Rechtsanwalt in Wien I, Domgasse 6, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 20. Mai 1997, Zl. RU1-V-97023/02 (hg. Zl. 97/05/0232), sowie

2. der Wilhelmine Kerschbaumer in Ybbsitz, vertreten durch Mag. Johannes Kerschbaumer, Rechtsanwalt in Wien I, Domgasse 6, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 20. Mai 1997, Zl. RU1-V-97023/00 (hg. Zl. 97/05/0237), jeweils betreffend Parteistellung in einem Bewilligungsverfahren nach dem NÖ Landesstraßengsetz (mitbeteiligte Partei: jeweils Marktgemeinde Ybbsitz, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerinnen haben dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 2.282,50 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 6.250,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Mit Eingabe vom 10. Juni 1996 beantragte die mitbeteiligte Partei die Erteilung der Baubewilligung nach dem NÖ Landesstraßengesetz für die Errichtung eines öffentlichen Parkplatzes auf der Parzelle Nr. 511/2, KG Ybbsitz. Der Parkplatz ist über die Zufahrt, die über das öffentliche Gut, Grundstück Nr. 511/3, führt, zu erreichen. Die Grundstücke der Beschwerdeführerinnen grenzen an dieses Grundstück an. Ein weiteres Grundstück der Zweitbeschwerdeführerin wird vom Bauvorhaben durch das dazwischen liegende Grundstück Nr. 594 getrennt.

Über das Ansuchen wurde für den 21. Juni 1996 eine mündliche Verhandlung anberaumt, zu der die Beschwerdeführerinnen geladen wurden. Sie erhoben anläßlich der mündlichen Verhandlung gegen das geplante Straßenbauvorhaben Einwendungen.

Mit Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde Ybbsitz vom 11. Dezember 1996 wurde der mitbeteiligten Partei die beantragte Straßenbaubewilligung erteilt. Auf die Einwendungen der Erstbeschwerdeführerin wurde nicht eingegangen, die Anträge der Zweitbeschwerdeführerin wurden teils wegen mangelnder Parteilegitimation zurückgewiesen, teils auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Beide Beschwerdeführerinnen erhoben gegen den Bescheid des Gemeinderates Vorstellung. Mit jeweils einem Bescheid vom 20. Mai 1997 hat die belangte Behörde die Vorstellungen als unzulässig zurückgewiesen. Zur Begründung wurde jeweils ausgeführt, die Grundstücke der Beschwerdeführerinnen grenzten nicht unmittelbar an das Grundstück an, auf das sich die Straßenbaubewilligung beziehe. Die Grundstücke seien jeweils durch das Grundstück Nr. 511/3 von dem vom Straßenbauvorhaben erfaßten Grundstück getrennt.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden wegen Unzuständigkeit des Gemeinderates und in der Folge der belangten Behörde, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat den Verwaltungsakt mit einer gemeinsamen Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt. Auch die mitbeteiligte Marktgemeinde hat in einer gemeinsamen Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt. Die Beschwerdeführerinnen erstatteten je eine Replik zu beiden Gegenschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zunächst beschlossen, beide Beschwerden wegen ihres sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung zu verbinden.

In der Sache selbst hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Bei dem geplanten Parkplatz handelt es sich um eine Gemeindestraße.

Die Bestimmungen des § 6 Abs. 1, 3 und 6 sowie des § 6a des NÖ Landesstraßengesetzes in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung LGBl. 8500-3 haben nachstehenden Wortlaut:

"§ 6

Bauverhandlung, Trassenbegehung, Baubewilligung

(1) Vor Inangriffnahme der Bauarbeiten für die Neuanlage, Umgestaltung oder Umlegung einer Landeshaupt- oder Landesstraße ist eine örtliche Verhandlung und Begehung der Trasse zum Zwecke der Begutachtung des Bauvorhabens vom Standpunkt der durch den Bauentwurf berührten Interessen durchzuführen. Hiebei ist insbesondere auch darauf Bedacht zu nehmen, daß sich die geplante Straße unter Schonung bestehender Natur- und Kunstdenkmale dem Landschaftsbild anpaßt und dem Verkehr, einschließlich eines allfälligen besonderen landwirtschaftlichen Verkehrsbedürfnisses gerecht wird. Weiters ist auf die Umweltverträglichkeit Bedacht zu nehmen.

...

(3) Zu der Amtshandlung, die in den durchzogenen Gemeinden durch Anschlag an der Amtstafel durch acht Tage vor dem Verhandlungstag kundzumachen ist, sind außer den Entwurfsvertretern die Durchzugsgemeinden, die sonstigen beteiligten Behörden und Amtsstellen sowie alle bekannten Anrainer und sonstigen Beteiligten, insbesondere auch die in Betracht kommenden Stromversorgungsunternehmungen nachweislich zu laden. Abweichungen vom Bauentwurf, über die bei der Verhandlung eine Einigung erzielt wurde, sind in den der Verhandlung zugrunde liegenden Entwurfsplänen mit blauer Farbe ersichtlich zu machen. Privatrechtliche Einwendungen gegen den Bauentwurf, über die eine Einigung nicht erzielt worden ist, sind zur Austragung auf den Zivilrechtsweg zu verweisen.

...

(6) Bei Neuanlage, Umgestaltung und Umlegung von Gemeindestraßen und Wegen ist das vorangeführte Verfahren durch den Gemeinderat durchzuführen. ... Den Baubewilligungsbescheid erläßt der Gemeinderat.

§ 6 a

Schutz der Nachbarn

(1) Bei der Planung und beim Bau von Landeshaupt- und Landesstraßen ist vorzusorgen, daß Beeinträchtigungen der Nachbarn durch den zu erwartenden Verkehr auf Landeshaupt- und Landesstraßen soweit herabgesetzt werden, als dies durch einen im Hinblick auf den erzielbaren Zweck wirtschaftlich vertretbaren Aufwand erreicht werden kann, sofern nicht die Beeinträchtigung wegen der Art der Nutzung des der Landeshaupt- und Landesstraße benachbarten Gebäudes zumutbar ist. Subjektive Rechte werden hiedurch nicht begründet."

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 31. Mai 1994, Zl. 94/05/0006 (unter Hinweis auf das Erkenntnis vom 15. Mai 1990, Zl. 89/05/0221), seine Aufassung wiederholt, die durch die Novelle LGBl. 8500-1 erfolgte Einfügung des letzten Satzes des § 6 Abs. 1 sowie des § 6a über den "Schutz der Nachbarn" bewirke, daß nunmehr bei der Begutachtung von Bauvorhaben im Sinne des § 6 Abs. 1 leg.cit. einerseits allgemein "auf die Umweltverträglichkeit Bedacht zu nehmen" und andererseits "vorzusorgen sei, daß Beeinträchtigungen der Nachbarn durch den zu erwartenden Verkehr auf Landeshaupt- und Landesstraßen" in dem umschriebenen Maß "herabgesetzt werden".

Aus der Zusammenschau der Bestimmungen der §§ 6 Abs. 1 und 6a Abs. 1 ergibt sich zunächst, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits im genannten Erkenntnis vom 31. Mai 1994 ausgeführt hat, daß der Gesetzgeber den näher umschriebenen Schutz der Nachbarn nur beim Bau von Landeshaupt- und Landesstraßen, nicht aber bei Gemeindestraßen vorgesehen hat. Auf die Umweltverträglichkeit hat aber die Behörde auch bei der Neuanlage, Umgestaltung und Umlegung von Gemeindestraßen Bedacht zu nehmen, ohne daß die Nachbarn ein diesbezügliches Mitspracherecht beanspruchen könnten.

Das Niederösterreichische Landesstraßengesetz regelt weder den Begriff des Nachbarn, noch den Parteienbegriff. In § 6 Abs. 1 leg.cit. werden die "durch den Bauentwurf berührten Interessen" angeführt, aus dessen § 6 Abs. 3 ergibt sich, daß zur Amtshandlung alle bekannten Anrainer und sonstigen Beteiligten, insbesondere auch die in Betracht kommenden Stromversorgungsunternehmungen zu laden sind. Aus diesen Bestimmungen ist lediglich abzuleiten, daß die Anrainer legitimiert sind, im straßenbaurechtlichen Bewilligungsverfahren ihre Interessen zu wahren, wobei weder gesetzlich determiniert ist, wer Anrainer ist, noch welcher Art die in Betracht kommenden Interessen sind. In seinem Erkenntnis vom 22. Juni 1993, Zl. 93/05/0032, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, auch die Festlegung der Trasse finde im straßenrechtlichen Baubewilligungsverfahren statt, da das Niederösterreichische Landesstraßengesetz im Gegensatz zu Straßengesetzen anderer Länder keine Trassenverordnung vorsehe. Es liege im Wesen einer derartigen Straßenplanung, daß die Berücksichtigung der Interessen des einen in der Regel zur Beeinträchtigung von Interessen anderer führe. Der dem Straßengesetz vorschwebende Zweck könne nur durch eine Abwägung der in Betracht kommenden Interessen, insbesondere in bezug auf den Verlauf der Straße erreicht werden. In dieser Beziehung müsse den Anrainern, die ja zur Verhandlung zu laden seien, ein Mitspracherecht zuerkannt werden. Zur erforderlichen Abwägung der Interessen bedürfe es der Gegenüberstellung der verschiedenen Möglichkeiten mit ihren Vor- und Nachteilen.

Nun sind aber die Beschwerdeführerinnen, deren Liegenschaften nicht unmittelbar an das vom Straßenbaubewilligungsverfahren betroffene Grundstück der zu bewilligenden Gemeindestraße (Parkplatz) angrenzen, nicht einmal Anrainer im Sinne des § 6 Abs. 3 des NÖ Landesstraßengesetzes. An dieser Beurteilung vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß die Zufahrt zum Parkplatz über das öffentliche Gut Gp. Nr. 511/3 führt und dort ein vermehrtes Verkehrsaufkommen bewirken wird. Auf dem Grundstück Nr. 511/3, öffentliches Gut, selbst sind keinerlei bauliche Maßnahmen vorgesehen, ein vermehrtes Verkehrsaufkommen allein begründet, wie aus dem bereits zitierten hg. Erkenntnis vom 31. Mai 1994 ableitbar ist, keine Parteistellung. Mit Recht hat daher die belangte Behörde die Vorstellung der Beschwerdeführerinnen mangels Parteistellung zurückgewiesen.

Mangels Parteistellung der Beschwerdeführerinnen war auf ihr inhaltliches Vorbringen nicht einzugehen.

Für die Entscheidung über das Straßenbaugesuch der mitbeteiligten Marktgemeinde war entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerinnen gemäß § 6 Abs. 6 des NÖ Landesstraßengesetzes der Gemeinderat zuständig. Dem Bescheid des Gemeinderates vom 11. Dezember 1996, mit dem die Straßenbaubewilligung erteilt wurde, lag die diesbezügliche Beschlußfassung des Gemeinderates vom 10. Dezember 1996 zugrunde, mit dem der Bescheid einschließlich seiner Begründung beschlossen wurde. Die Ansicht der Beschwerdeführerinnen, wonach dem Straßenbaubewilligungsbescheid kein Gemeinderatsbeschluß zugrunde lag, findet somit in der Aktenlage keine Deckung. Die belangte Behörde war aufgrund des § 61 der NÖ Gemeindeordnung 1973, LGBl. 1000-9, zur Entscheidung über die Vorstellungen der Beschwerdeführerinnen zuständig.

Da sich die Beschwerden somit als unbegründet erweisen, waren sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Da ausschließlich Rechtsfragen zu klären waren, konnte von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Gemeinde für die Aktenvorlage war mangels Rechtsgrundlage abzuweisen.

Mit der Erledigung der Beschwerden sind die Anträge, diesen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos geworden.

Schlagworte

Sachverhaltsermittlung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997050232.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten