TE Lvwg Erkenntnis 2020/8/27 LVwG-408-15/2020-R1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.08.2020
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Entscheidungsdatum

27.08.2020

Norm

EpidemieG 1950 §33
EpidemieG 1950 §32 Abs1
EpidemieG 1950 §49 Abs1
AVG §3

Text

Im Namen der Republik!

Erkenntnis

Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg hat durch sein Mitglied Mag. Nikolaus Brandtner über die Beschwerde der I GmbH, S, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft F vom 20.07.2020 betreffend die Vergütung des Verdienstentganges gemäß § 32 Epidemiegesetz 1950, zu Recht erkannt:

Gemäß § 28 Abs 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde insoweit Folge gegeben, als als der angefochtene Bescheid wegen örtlicher Unzuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch ersatzlos behoben wird.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig.

Begründung

1.   Mit angefochtenem Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 18.05.2020 betreffend Vergütung des Verdienstentganges gemäß § 32 Epidemiegesetz 1950, BGBl Nr 186/1950, idgF, zurückgewiesen.

2.   Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin rechtzeitig Beschwerde erhoben. In dieser bringt sie im Wesentlichen vor, mit dem angefochtenen Bescheid sei der Antrag auf Rückerstattung der Kosten für die Quarantäne eines näherbezeichneten Mitarbeiters in der Höhe von 1.614,37 Euro zurückgewiesen worden. Der Mitarbeiter sei bei der Einreise seitens der Behörde verpflichtet worden, die Erklärung zur Ein- und Durchreise zu unterschreiben, obwohl er auf der Rückreise von einer Montage, sprich „im gewerblichen Verkehr“ nach Österreich eingereist sei und sämtliche dafür notwendigen Dokumente mit sich geführt habe.

3.   Folgender Sachverhalt steht fest:

Der Mitarbeiter der Antragstellerin ist wohnhaft in W, K. Er ist im Betrieb der Antragstellerin mit Sitz in S, K, beschäftigt. Er reiste am 02.04.2020 aus einem Nachbarstaat in den Bezirk F nach Österreich ein und unterfertigte bei der Einreise nach Österreich eine „Erklärung zur Ein- und Durchreise“, mit der er sich verpflichtete, in Österreich unverzüglich eine 14-tägige Heimquarantäne anzutreten.

Mit Antrag vom 18.05.2020 hat die Beschwerdeführerin als Arbeitgeberin bei der Bezirkshauptmannschaft F gemäß § 32 Epidemiegesetz 1950 einen Anspruch auf Vergütung des Verdienstentganges geltend gemacht. Die Bezirkshauptmannschaft F wies den Antrag zurück. Begründend führte die Bezirkshauptmannschaft F aus, eine Verpflichtung zur unverzüglichen Heimquarantäne aufgrund der im Zeitpunkt der Einreise gültigen Verordnung über Maßnahmen bei der Einreise aus Nachbarstaaten habe eine Voraussetzung für die Einreise nach Österreich dargestellt, verwirkliche jedoch keinen der in § 32 Abs 1 Epidemiegesetz 1950 taxativ aufgezählten Tatbestände und vermöge daher keinen Anspruch auf Vergütung des Verdienstentganges zu begründen.

4.   Dieser Sachverhalt ergibt sich auf Grund der Aktenanlage. Dieser Sachverhalt ist unstrittig.

5.   Nach § 25 Epidemiegesetz 1950, BGBl Nr 186/1950, wird durch Verordnung auf Grund der bestehenden Gesetze und Staatsverträge bestimmt, welchen Maßnahmen zur Verhütung der Einschleppung einer Krankheit aus dem Auslande der Einlass von Seeschiffen sowie anderer dem Personen- oder Frachtverkehr dienenden Fahrzeuge, die Ein- und Durchfuhr von Waren und Gebrauchsgegenständen, endlich der Eintritt und die Beförderung von Personen unterworfen werden.

§ 32 Abs 1 und 3 Epidemiegesetz 1950, BGBl Nr 186/1950, idF BGBl I Nr 43/2020, lautet:

„§ 32. (1) Natürlichen und juristischen Personen sowie Personengesellschaften des Handelsrechtes ist wegen der durch die Behinderung ihres Erwerbes entstandenen Vermögensnachteile dann eine Vergütung zu leisten, wenn und soweit

1. sie gemäß §§ 7 oder 17 abgesondert worden sind, oder

2. ihnen die Abgabe von Lebensmitteln gemäß § 11 untersagt worden ist, oder

3. ihnen die Ausübung einer Erwerbstätigkeit gemäß § 17 untersagt worden ist, oder

4. sie in einem gemäß § 20 im Betrieb beschränkten oder geschlossenen Unternehmen beschäftigt sind, oder

5. sie ein Unternehmen betreiben, das gemäß § 20 in seinem Betrieb beschränkt oder gesperrt worden ist, oder

6. sie in Wohnungen oder Gebäuden wohnen, deren Räumung gemäß § 22 angeordnet worden ist, oder

7. sie in einer Ortschaft wohnen oder berufstätig sind, über welche Verkehrsbeschränkungen gemäß § 24 verhängt worden sind,

und dadurch ein Verdienstentgang eingetreten ist.

[…]

(3) Die Vergütung für Personen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, ist nach dem regelmäßigen Entgelt im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes, , zu bemessen. Die Arbeitgeber haben ihnen den gebührenden Vergütungsbetrag an den für die Zahlung des Entgelts im Betrieb üblichen Terminen auszuzahlen. Der Anspruch auf Vergütung gegenüber dem Bund geht mit dem Zeitpunkt der Auszahlung auf den Arbeitgeber über. Der für die Zeit der Erwerbsbehinderung vom Arbeitgeber zu entrichtende Dienstgeberanteil in der gesetzlichen Sozialversicherung und der Zuschlag gemäß § 21 des Bauarbeiterurlaubsgesetzes 1972, BGBl Nr 414, ist vom Bund zu ersetzen.“

§ 33 Epidemiegesetz 1950, BGBl Nr 186/1950, idF BGBl Nr 702/1974, lautet:

„§ 33. Der Anspruch auf Entschädigung gemäß § 29 ist binnen sechs Wochen nach erfolgter Desinfektion oder Rückstellung des Gegenstandes oder nach Verständigung von der erfolgten Vernichtung, der Anspruch auf Vergütung des Verdienstentganges gemäß § 32 binnen sechs Wochen vom Tage der Aufhebung der behördlichen Maßnahmen bei der Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Bereich diese Maßnahmen getroffen wurden, geltend zu machen, widrigenfalls der Anspruch erlischt.“

Die §§ 1 und 2 der im Zeitpunkt der Einreise gültigen Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz über Maßnahmen bei der Einreise aus Italien, der Schweiz, Liechtenstein, Deutschland, Ungarn und Slowenien, BGBl II Nr 87/2020, idF BGBl II Nr 104/2020 lauteten:

„§ 1. Personen, die von Italien nach Österreich einreisen wollen, haben ein ärztliches Zeugnis (in deutscher, englischer oder italienischer Sprache beispielsweise entsprechend den Anlagen A, B und C) über ihren Gesundheitszustand mit sich zu führen und vorzuweisen, dass der molekularbiologische Test auf SARS-CoV-2 negativ ist. Das ärztliche Zeugnis darf bei der Einreise nicht älter als vier Tage sein.

§ 2. Abweichend von § 1 ist Personen erlaubt, nach Österreich einzureisen, die österreichische Staatsbürger sind, oder die ihren Haupt- oder Nebenwohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich haben, und sich zu einer unverzüglich anzutretenden 14-tägigen selbstüberwachten Heimquarantäne verpflichten und dies mit ihrer eigenhändigen Unterschrift bestätigen. Im Falle, dass ein währenddessen durchgeführter molekularbiologischer Test auf SARS-CoV-2 negativ ist, kann die Heimquarantäne beendet werden.“

§ 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl Nr 51/1991, lautet:

„§ 1. Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Behörden richtet sich nach den Vorschriften über ihren Wirkungsbereich und nach den Verwaltungsvorschriften.“

§ 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl Nr 51/1991, idF BGBl I Nr 100/2011, lautet:

„Soweit die in § 1 erwähnten Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nichts bestimmen, richtet sich diese

1. in Sachen, die sich auf ein unbewegliches Gut beziehen: nach der Lage des Gutes;

2. in Sachen, die sich auf den Betrieb eines Unternehmens oder einer sonstigen dauernden Tätigkeit beziehen: nach dem Ort, an dem das Unternehmen betrieben oder die Tätigkeit ausgeübt wird oder werden soll;

3. in sonstigen Sachen: zunächst nach dem Hauptwohnsitz (Sitz) des Beteiligten, und zwar im Zweifelsfall des belangten oder verpflichteten Teiles, dann nach seinem Aufenthalt, dann nach seinem letzten Hauptwohnsitz (Sitz) im Inland, schließlich nach seinem letzten Aufenthalt im Inland, wenn aber keiner dieser Zuständigkeitsgründe in Betracht kommen kann oder Gefahr im Verzug ist, nach dem Anlaß zum Einschreiten; kann jedoch auch danach die Zuständigkeit nicht bestimmt werden, so ist die sachlich in Betracht kommende oberste Behörde zuständig.“

Im gegenständlichen Fall ist zunächst die örtliche Zuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft F für das gegenständliche Verfahren zu prüfen. Bei der Antragstellerin handelt es sich um ein Unternehmen mit Sitz in S, K.

Der Mitarbeiter, für den die Vergütung für den Verdienstentgang gemäß § 32 Abs 3 letzter Satz Epidemiegesetz 1950 beantragt wurde, wohnt in W, K.

Die Bezirkshauptmannschaft F stützt ihre örtliche Zuständigkeit erkennbar auf § 33 Epidemiegesetz 1950. Nach § 33 Epidemiegesetz ist der Anspruch auf Vergütung des Verdienstentganges gemäß § 32 binnen sechs Wochen vom Tage der Aufhebung der behördlichen Maßnahmen bei der Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Bereich diese Maßnahmen getroffen wurden, geltend zu machen. Bei dieser Regelung handelt es sich um eine Verwaltungsvorschrift, die den örtlichen Wirkungsbereich iSd § 1 iVm § 3 Einleitungssatz AVG festlegt.

Wie sich aus § 33 iVm § 32 Epidemiegesetz 1950 ergibt, ist diese Zuständigkeitsregelung dann anzuwenden, wenn die in § 32 Abs 1 Z 1 bis 7 Epidemiegesetz 1950 genannten Maßnahmen getroffen wurden.

 

Die belangte Behörde begründet die Zurückweisung des Antrages damit, dass keiner der in § 32 Abs 1 Epidemiegesetz 1950 taxativ aufgezählten Tatbestände (§ 32 Abs 1 Z 1 bis 7 Epidemiegesetz 1950) vorliege. Somit ist für das gegenständliche Verfahren die Regelung über die örtliche Zuständigkeit gemäß § 33 Epidemiegesetz 1950 nicht anzuwenden.

Nach § 3 iVm § 1 AVG kommt somit die allgemeine Zuständigkeitsregelung des AVG zur Anwendung. Nach § 3 Z 2 AVG richtet sich die örtliche Zuständigkeit in Sachen, die sich auf dem Betrieb eines Unternehmens beziehen nach dem Ort, an dem das Unternehmen betrieben oder die Tätigkeit ausgeübt wird oder werden soll. Nach der Aktenlage hat die Antragstellerin ihren Sitz in S. Der gegenständliche Antrag nach § 32 Abs 3 Epidemiegesetz bezieht sich auf den Betrieb eines Unternehmens. Somit wäre für den gegenständlichen Antrag örtlich die Bezirkshauptmannschaft W zuständig. Da die Bezirkshauptmannschaft F somit als örtlich unzuständige Behörde entschieden hat, war der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben.

Der verfahrenseinleitende Antrag wird zuständigkeitshalber der Bezirkshauptmannschaft W übermittelt.

6.   Die Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Frage der örtlichen Zuständigkeit nach § 33 Epidemiegesetz 1950 fehlt, wenn es sich bei der Maßnahme, für die Vergütung des Verdienstentganges gemäß § 32 Epidemiegesetz 1950 begehrt wird, nicht um eine der in § 32 Abs 1 Z 1 bis 7 Epidemiegesetz 1950 taxativ aufgezählten Maßnahmen handelt.

Schlagworte

Epidemiegesetz, Verdienstentgang, örtliche Zuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGVO:2020:LVwG.408.15.2020.R1

Zuletzt aktualisiert am

16.09.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Vorarlberg LVwg Vorarlberg, http://www.lvwg-vorarlberg.at
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