TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/15 W185 2186955-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.05.2019
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Entscheidungsdatum

15.05.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §15b
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
AVG §68 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch

W185 2186955-2/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard PRÜNSTER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.02.2019, Zl. 1076558009-190063322, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 68 Abs. 1 AVG als unbegründet abgewiesen.

II. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte IV., V. und VII. des angefochtenen Bescheides wird gemäß §§ 10 AsylG 2005 in Verbindung mit § 9 BFA-VG sowie gemäß §§ 46, 52 und 53 FPG 2005 sowie gemäß § 15b AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

1. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Vorverfahren:

Der im Spruch angeführte Beschwerdeführer, ein mittlerweile volljähriger Staatsangehöriger aus Afghanistan, stellte nach irregulärer Einreise am 05.07.2015 einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 in Österreich.

Im Rahmen der am 06.07.2015 erfolgten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer an, seine Heimat aufgrund des Krieges und der unsicheren Lage verlassen zu haben. Außerdem sei er von den Taliban rekrutiert bzw entführt worden. Sie hätten eine Zusammenarbeit gefordert und ihm mit dem Tod gedroht. Pakistan, wo er mit seiner Familie lange Zeit gelebt habe, habe er verlassen, da er trotz Flüchtlingskarte abgeschoben worden sei.

Bei der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt) am 12.12.2016 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dass ihn die Taliban "mitgenommen" hätten. Sie hätten gesagt, dass er mit ihnen zusammenarbeiten solle. Er sei zwei Tage bei den Taliban gewesen, habe sich aber geweigert, mit diesen zusammenzuarbeiten. Dem Beschwerdeführer sei dann die Flucht geglückt. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst vor den Taliban, welche ihn entweder umbringen oder erneut mitnehmen würden.

Mit Verfahrensanordnung vom 10.05.2017 setzte das BFA das Geburtsdatum des Beschwerdeführers unter Verweis auf ein medizinisches Sachverständigengutachten zur Altersfeststellung mit XXXX fest.

Mit Bescheid vom 30.01.2018 wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zu (Spruchpunkt II.) und erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.). Weiters wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt VI.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

Begründend wurde ausgeführt, dass das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers unglaubwürdig gewesen sei. Der Beschwerdeführer werde in der Heimat nicht aus Gründen der Rasse, seiner politischen Einstellung oder seiner Religionszugehörigkeit verfolgt. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan dort der Gefahr einer Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung iSd GFK ausgesetzt wäre. Es könne auch nicht festgestellt werden, dass er im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan dort einer realen Gefahr der Verletzung von Art. 2, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde. Es liege keine relevante Gefährdungslage in Bezug auf seine unmittelbare Heimatprovinz Kabul vor. Der Beschwerdeführer könne Kabul über den dortigen Flughafen erreichen, ohne einer besonderen Gefährdung ausgesetzt zu sein. Er verfüge durch seine Eltern und Brüder, die in Kabul leben würden, über ein familiäres Netz zu seiner Unterstützung. Der Beschwerdeführer verfüge über eine ca. siebenjährige Schulbildung und etwas Berufserfahrung durch die Mithilfe in einem Lebensmittelgeschäft. Er könne für seinen Unterhalt grundsätzlich sorgen. Es könne keine allgemeine exzeptionelle Gefährdungslage in Afghanistan, die praktisch jeden betreffen würde, festgestellt werden. Es seien keine Hinweise hervorgekommen, dass allenfalls körperliche oder psychische Erkrankungen der Rückkehr entgegenstehen würden. Der Beschwerdeführer sei jung, gesund und gebildet, sodass ihm die Teilnahme am Erwerbsleben auch möglich sei. Es könne daher nicht festgestellt werden, dass es ihm bei einer Rückkehr nach Afghanistan an den notwendigsten Lebensgrundlagen fehlen würde. Der Beschwerdeführer verfüge in Österreich über familiäre Anknüpfungspunkte in Form einer Schwester, welcher hier der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden sei. Der Beschwerdeführer lebe mit seiner Schwester nicht im gemeinsamen Haushalt, es bestehe auch kein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis. Infolge dessen könne man fallgegenständlich nicht von jener Intensität einer Beziehung ausgehen, die notwendig sei, um von einem Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK zu sprechen. Ein schützenswertes Privatleben des Beschwerdeführers in Österreich habe nicht festgestellt werden können.

Mit Verfahrensanordnung vom 01.02.2018 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.

Nach fristgerechter Erhebung einer Beschwerde fand am 19.11.2018 eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt. Dabei gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt an, von den Taliban "mitgenommen" und von diesen zwei Nächte festgehalten worden zu sein. Er sei morgens auf dem Weg zu Schule "bewusstlos gemacht" und entführt worden. Die Taliban hätten gewollten, dass der Beschwerdeführer mit ihnen zusammenarbeite. Er sei von den Taliban nicht misshandelt worden; diese hätten ihn zur Zusammenarbeit aufgefordert und Koranverse vorgelesen. Nach zwei Nächten sei ihm die Flucht gelungen und er nach XXXX gelangt. In der Folge habe er seinen Bruder, welcher damals im Heimatdorf gewesen sei, angerufen. Dieser habe den Beschwerdeführer dann abgeholt und zu einem Freund seines Onkels gebracht, wo er einige Zeit geblieben sei. Der Vater des Beschwerdeführers sei der Meinung gewesen, dass der Beschwerdeführer das Land verlassen müsse, da es für diesen dort keine Sicherheit geben würde. Mit der finanziellen Hilfe seines Onkels habe er dann Afghanistan verlassen können. Der Beschwerdeführer könne nicht mehr in seine Heimat zurückkehren, da er sich geweigert hätte, mit den Taliban zusammenzuarbeiten; bei einer Rückkehr würde er von diesen verfolgt werden. Sein Vater habe ihm erzählt, dass ein Bewohner ihres Dorfes namens XXXX von der Polizei festgenommen worden sei. Er sei nicht konkret bedroht worden; nachdem er geflüchtet sei, sei er nicht mehr in sein Heimatdorf zurückgekehrt. Falls es irgendwelche Drohungen gegenüber seiner Familie gegeben habe, könne der Beschwerdeführer dazu keine Angaben machen, da diese bisher nichts dergleichen erzählt hätten. Hinsichtlich seines Gesundheitszustandes brachte der Beschwerdeführer vor, Schmerzen am Bein gehabt zu haben und dagegen auch einige Zeit Medikamente genommen zu haben. Röntgenbilder hätten keinen konkreten Befund ergeben. Derzeit befinde er sich nicht in ärztlicher Behandlung. Seine Familie besitze ein Haus im Heimatdorf und zwei Häuser in Kabul-Stadt, welche derzeit vermietet seien. Die Eltern, die Geschwister (ein Bruder und zwei Schwestern), ein Onkel väterlicherseits, die Großeltern und Onkel und Tanten mütterlicherseits seien in Afghanistan aufhältig. Ein Bruder halte sich in Pakistan auf. Eine Schwester sei in Österreich subsidiär schutzberechtigt. Die finanzielle Situation der Familie sei gut. Er habe regelmäßigen Kontakt zu seinen Eltern und zu seinem Bruder in Pakistan.

Mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.11.2018 - schriftlich ausgefertigt am 06.02.2019 - wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 30.01.2018 als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde festgehalten, dass das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers objektiv nicht geeignet sei, eine asylrelevante Flucht zu begründen, da es unsubstantiiert, unschlüssig und zu wesentlichen Punkten widersprüchlich gewesen sei. Es sei nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan geboren worden und dort aufhältig gewesen sei. Vor diesem Hintergrund erscheine auch das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte fluchtauslösende Ereignis, nämlich eine Bedrohung bzw. Verfolgung durch die Taliban in Afghanistan, als nicht glaubhaft. Das widersprüchliche, gesteigerte und unplausible Vorbringen führe nicht nur zur Unglaubhaftigkeit der im Verfahren aufgestellten Fluchtgründe, sondern indiziere auch die fehlende persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers. Unter Berücksichtigung des widersprüchlichen, gesteigerten und unplausiblen Vorbringens habe der Beschwerdeführer in der Beschwerdeverhandlung einen persönlich völlig unglaubwürdigen Eindruck hinterlassen. Im Falle einer Verbringung des Beschwerdeführers in den Herkunftsststaat drohe diesem kein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 EMRK oder der Prot. Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention. Der Beschwerdeführer sei gesund, verfüge über Berufserfahrung und sei im erwerbsfähigen Alter. Zudem könne der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr mit Unterstützungsmaßnahmen seitens seiner in Afghanistan aufhältigen Familie rechnen. Überdies könne er Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen. Dem Beschwerdeführer sei - abgesehen von einer Rückkehr in seine Heimatprovinz Kabul - auch eine Rückkehr nach Mazar-e Sharif (IFA) zumutbar. Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gem. § 57 AsylG würden nicht vorliegen. Eine intensive Beziehung des Beschwerdeführers zu seiner in Österreich aufhältigen Schwester sei nicht hervorgekommen. Der Beschwerdeführer lebe zwar mit seiner Schwester in einem gemeinsamen Haushalt, persönliche oder wirtschaftliche Abhängigkeiten bestünde jedoch nicht. Sonstige Familienangehörige (Eltern, Geschwister) seien nicht in Österreich aufhältig. Beziehungen zu sonst besonders nahestehenden Personen seien nicht hervorgekommen. Es liege daher kein schutzwürdiges Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich vor. Ausreichende Anhaltspunkte für eine tatsächliche, fortgeschrittene Integration seien nicht hervorgekommen. Der Beschwerdeführer lebe von der Grundversorgung und sei nicht selbsterhaltungsfähig. Er sei strafrechtlich unbescholten.

Das angeführte Erkenntnis wurde nicht bekämpft und erwuchs somit in Rechtskraft.

Am 05.12.2018 begab sich der Beschwerdeführer nach Deutschland, wo er einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Am 17.01.2019 wurde der Beschwerdeführer im Rahmen eines Dublin-Verfahrens nach Österreich rücküberstellt.

Gegenständliches Verfahren:

Am 17.01.2019 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz (Folgeantrag).

Im Zuge seiner Erstbefragung zum Folgeantrag durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 18.01.2019 führte der Beschwerdeführer zusammengefasst aus, "unabsichtlich" nach Deutschland gereist zu sein. Zur Einbringung des neuerlichen Antrags befragt, erklärte der Beschwerdeführer, dass sein Leben in Afghanistan in Gefahr sei. Er habe Afghanistan aufgrund persönlicher Gründe verlassen. Die Taliban hätten ihn aufgefordert, für sie zu arbeiten. Er habe die Zusammenarbeit jedoch verweigert. Er sei dann einmal entführt worden. Es seien auch ein paar Taliban von den Sicherheitskräften festgenommen worden. Jetzt drohe dem Beschwerdeführer der Tod, weil er die Zusammenarbeit mit den Taliban verweigert habe und diese ihn für die Festnahmen verantwortlich machen würden. Seine Eltern hätten ihm im Dezember 2018 am Telefon gesagt, dass es sein könne, dass die Taliban ihn für die Festnahmen ihrer Mitglieder verantwortlich machen könnten; das habe er vorher nicht gewusst. Der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers habe sich nicht geändert; er habe jedoch während seine Aufenthalts in Deutschland erfahren, an Hepatitis B erkrankt zu sein. Er habe in Österreich eine Schwester, bei der er während seines Voraufenthalts gelebt habe und beabsichtige, erneut bei dieser zu wohnen.

Am 28.01.2019 langten ein handschriftliches Schreiben des Beschwerdeführers in Paschtu sowie Fotografien der Tazkiras, der Reisepässe und der pakistanischen Visa seiner Familienangehörigen, ein. Am 28.01.2019 langte auch ein Laborbefund ein, aus welchem sich eine Hepatitis B Erkrankung ergibt. Der Beschwerdeführer führte im oben genannten (in die deutsche Sprache übersetzten) Schreiben aus, nach der Rückkehr seiner Familie aus Pakistan in Afghanistan in einer Madrasa in seinem Dorf Religionsunterricht bei einem Religionslehrer namens XXXX begonnen zu haben. Dieser Religionslehrer habe eines Tages den Beschwerdeführer und andere Dorfbewohner aufgefordert, mit ihm zu kommen. Sie seien dann mit dem Auto weggefahren und nach etwa zwei Stunden zu einem Haus gelangt. Dort hätten sie Tee getrunken und am Abend seien die Taliban in das Haus gekommen. Diese hätten über den Jihad und den Islam erzählt. Am nächsten Morgen seien die Taliban in die Berge gegangen. Der Religionslehrer habe den Beschwerdeführer und die anderen Dorfbewohner in weiterer Folge an einen anderen Ort gebracht. Nach zwei Nächten hätte der Beschwerdeführer von dort fliehen können und seinen Bruder getroffen und diesem alles erzählt. Der genannte Bruder hätte den Beschwerdeführer in der Folge nach Pakistan zu seinem Cousin gebracht, welcher einen Schlepper organisiert habe, um den Beschwerdeführer nach Europa zu bringen. Der oben angeführte Religionslehrer und seine Freunde seien von der afghanischen Regierung festgenommen worden. Der Religionslehrer schreibe seine Verhaftung dem Beschwerdeführer zu, da er annehmen würde, dass ihn dieser ihn an die Regierungskräfte verraten habe. Freunde des Religionslehrers hätten der Familie des Beschwerdeführers einen Brief geschickt und die "Übergabe" des Beschwerdeführers gefordert. Die Familie des Beschwerdeführers habe nach Pakistan fliehen können, wo sich derzeit auch aufhalte. Seine Familie habe darüber hinaus auch "alte Feindschaften"; seine Brüder und ein Cousin seien deshalb getötet worden. Der Beschwerdeführer führte schließlich noch an, in Österreich aufgrund seiner Hepatitis B Erkrankung in medizinischer Behandlung zu stehen.

Im Zuge einer weiteren Einvernahme vor dem Bundesamt am 04.02.2019 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, an Hepatitis B zu leiden und auch Tabletten gegen Kreislaufprobleme einzunehmen. Es seien noch weitere Untersuchungen geplant, die Befunde sohin noch nicht vollständig. Der Beschwerdeführer wurde seitens des Bundesamtes aufgefordert, medizinische Befunde vorzulegen. Wenn der Beschwerdeführer im Erstverfahren angegeben habe, von den Taliban entführt worden zu sein, stimme das so nicht. Er sei freiwillig mit dem Religionslehrer mitgegangen. Sein Vorbringen, er könne für die Festnahme der Talibanmitglieder verantwortlich gemacht werden, stünde in direktem Zusammenhang mit seinem Vorbringen aus dem Erstverfahren. Er habe nunmehr erneut einen Asylantrag in Österreich gestellt, da die Taliban ihm die Schuld für die Inhaftierung geben würden. Seine Familie sei deshalb nach Pakistan ausgewandert; die entsprechenden Unterlagen habe er bereits vorgelegt. Überdies gebe es seit langem eine "Feindschaft mit Personen der Regierung", im Zuge dessen seine Brüder und ein Cousin getötet worden seien. Diese Taten hätten sich bereits vor der Geburt des Beschwerdeführers ereignet. Im Erstverfahren habe der Beschwerdeführer nur die Bedrohung durch die Taliban angegeben. Da er nun befürchte, nach Afghanistan zurückkehren zu müssen, erzähle er auch die Sache mit den alten Feindschaften seiner Familie. Sein Leben sei auch dadurch in Gefahr. Der Beschwerdeführer gab explizit an, den nunmehrigen Asylantrag ausschließlich aus den Gründen, welche er bereits im Vorverfahren vorgebracht habe und des Telefonats mit seinen Eltern im Dezember 2018 und weil er bei seiner Schwester in Österreich bleiben wolle, wegen der Hepatitis B-Erkrankung sowie der "alten Feindschaft", gestellt zu haben; andere Gründe habe er nicht. Die vorgelegten Fotografien der Tazkiras und der Reispässe würden die Eltern, zwei Brüder, eine Schwägerin und eine Nichte des Beschwerdeführers betreffen. Der Beschwerdeführer habe diese Unterlagen vor rund eineinhalb Wochen vom Schwager seiner Schwester über den Verein Menschenrechte Österreich erhalten. Zurzeit habe der Beschwerdeführer keinen Kontakt zu seinen Eltern; er stehe nur in Kontakt mit seiner in Österreich lebenden Schwester. Von dieser erhalte er keine finanzielle Unterstützung. Auch sonst sei der Beschwerdeführer von niemandem in Österreich abhängig und bestünde auch zu niemandem sonst hier eine besonders enge Beziehung. Seit dem rechtskräftigen Abschluss des Vorverfahrens gebe es keine Änderungen in seinem Privat- oder Familienleben. Zu den Befürchtungen bei einer Rückkehr nach Afghanistan befragt erklärte der Beschwerdeführer, keinesfalls dorthin zurückkehren zu können. Er habe dort keine Familie mehr. Sein Leben wäre in Afghanistan seitens der Taliban als auch aufgrund der "alten Feindschaften" in Gefahr. In Österreich führe der Beschwerdeführer ein "anständiges" Leben, sei unbescholten und gehe arbeiten. Dem Beschwerdeführer wurden die Länderfeststellungen zu Afghanistan sowie eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation bezüglich der Behandelbarkeit von Hepatitis B in Afghanistan ausgefolgt und mit diesem auch erörtert.

In der Folge holte das Bundesamt bei der Betreuungsstelle XXXX Erkundigungen hinsichtlich der derzeitigen medizinischen Behandlung des Beschwerdeführers ein. Am 04.02.2019 wurde mitgeteilt, dass betreffend die Hepatitis-Erkrankung keine weiteren Behandlungsschritte vorgesehen seien und hinsichtlich einer Medikamenteneinnahme nichts bekannt sei. Aufgrund eines akuten Infektes seien dem Beschwerdeführer Paracetamol, Tonsillollösung sowie Mucobene verordnet worden. Weiters sei eine Rheumacreme verschrieben worden.

In einer neuerlichen Einvernahme vor dem Bundesamt am 12.02.2019 gab der Beschwerdeführer im Beisein seiner Rechtsberatung im Wesentlichen an, die persönlichen Schwierigkeiten, die er mit den Taliban und der "Feindschaft zu regierungsnahen Personen" habe, würden nicht in den Länderfeststellungen stehen. Er nehme Medikamente aufgrund seiner Hepatitis B Erkrankung ein; wie diese Medikamente heißen würden, könne er nicht angeben. Hinsichtlich der Feindschaft, welche die Familie in Afghanistan habe, führte der Beschwerdeführer aus, dass seine Brüder bei einem Bombenanschlag getötet worden seien, wobei nicht klar sei, ob dieser gezielt auf seine Brüder gerichtet worden sei. Einer seiner Cousins sei zu Hause erschossen worden. Diese Vorfälle hätten sämtlich bereits vor der Geburt des Beschwerdeführers stattgefunden. Die Familie des Beschwerdeführers sei nach der Geburt des Beschwerdeführers nach Pakistan geflohen. Die Personen, mit welchen die Feindschaft bestehen würde, hätten einen sehr hohen Rang bei der Regierung. Der Beschwerdeführer sei nicht in Pakistan, sondern in Afghanistan geboren worden. Er habe seine Tazkira vorgelegt.

Das Bundesamt erkundigte sich in weiterer Folge bei der Betreuungsstelle XXXX nach der derzeitigen medizinischen Behandlung des Beschwerdeführers. Am 13.02.2019 wurde mitgeteilt, dass eine medikamentöse Behandlung der bestehenden Erkrankung nicht vorgesehen sei und derzeit auch nicht durchgeführt werde. Der Beschwerdeführer erhalt bei Bedarf Paracetamol (Schmerzmittel, Knieschmerzen, Bauchschmerzen), Mucobene (Schleimlöser), Gurgellösung, Rheumacreme, Ifortiltropfen (Kreislauftropfen), Neurobionforte Dragee (Vitamin B). Weiter wurde angemerkt, dass der Beschwerdeführer täglich in der Arztstation vorstellig würde und dabei immer wieder über diverse gesundheitliche Beschwerden, etwa Schnupfen, Kopfschmerzen, Zahnschmerzen etc., klage.

Mit verfahrensgegenständlich angefochtenem Bescheid vom 20.02.2019 wies das Bundesamt den (zweiten) Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 17.01.2019 gemäß § 68 Abs. 1 AVG bezüglich Asyl wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I.). Der Antrag auf internationalen Schutz wurde hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.). In den Spruchpunkten III. bis VI. wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG getroffen und dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers (Spruchpunkt VI). Gegen den Beschwerdeführer wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.) und dem Beschwerdeführer die Unterkunftnahme in der BS XXXX AIBE Thalham aufgetragen (Spruchpunkt VIII.).

Das Bundesamt traf Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers sowie zur Lage im Herkunftsstaat (Auszug aus dem Länderinformationsblatt inkl. Updates vom 08.01.2019). Die Identität des Beschwerdeführers stehe nicht fest. Der Beschwerdeführer leide an keiner schweren oder lebensbedrohlichen Erkrankung. Der Beschwerdeführer nehme keine Medikamente gegen die bestehende Hepatitis B Erkrankung ein und sei auch nicht in stationärer Behandlung gewesen. Die Behandlung von Hepatitis B sei in Kabul, Herat und Mazar-e Sharif verfügbar. Das Bundesamt stellte weiters fest, dass der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz im Vorverfahren rechtskräftig abgewiesen worden sei und er im gegenständlichen Asylverfahren nicht glaubwürdig weitere asylrelevante Gründe vorgebracht habe bzw. sich kein neuer objektiver Sachverhalt ergeben habe. Hinsichtlich der abgeänderten Version über seinen Kontakt zu den Taliban sei festzuhalten, dass den Angaben des Beschwerdeführers - wie bereits im Erstverfahren - die Glaubwürdigkeit fehle. Die Ausführungen des Beschwerdeführers, derzeit keinen Kontakt zu seiner Familie zu haben, seien nicht nachvollziehbar und nicht glaubhaft. Er habe Fotografien der Reisepässe, der Visa und der Tazkiras seiner Familienangehörigen vorgelegt und angegeben, diese über den Schwager seiner Schwester erhalten zu haben. Es bestehe sohin Kontakt zur Familie zumindest über den Schwager seiner Schwester. Betreffend die Angabe, seine Familie sei zwischenzeitig nach Pakistan ausgewandert, wurde ausgeführt, dass auf den vorgelegten Fotos Visa für eine Aufenthaltsdauer von (nur) 30 Tage in Pakistan zu sehen seien. Zum nunmehrigen Vorbringen betreffend die "Feindschaft" der Familie sei anzumerken, dass sich die berichteten Vorkommnisse bereits vor der Geburt des Beschwerdeführers ereignet hätten. Der Beschwerdeführer habe diese "Feindschaft" im Zuge des Erstverfahrens nicht angegeben, obwohl ihm diese bereits vor Abschluss des ersten Verfahrens bekannt gewesen sei. Da sohin kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt feststellbar sei, sei der Folgeantrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. In Österreich halte sich eine Schwester des Beschwerdeführers auf, zu welcher jedoch kein Abhängigkeitsverhältnis bestehe. Der Beschwerdeführer habe keine engen sozialen Kontakte, die ihn an Österreich binden würden. Seit Abschluss des Erstverfahrens hätten sich betreffend das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers keine Änderungen ergeben. Es bestehe durch die erlassene Entscheidung kein unverhältnismäßiger Eingriff in Rechte gemäß Art. 3 und 8 EMRK. Der Genannte sei kurz nach Ablauf der Frist zu freiwilligen Ausreise rechtswidrig nach Deutschland ausgereist und habe dort einen Asylantrag gestellt. Am 17.01.2019 sei er im Rahmen der Dublin-VO von Deutschland nach Österreich überstellt worden. Beweiswürdigend wurde zum Fluchtvorbringen im Wesentlichen ausgeführt, dass sich dieses auf das bereits rechtskräftig im Vorverfahren als unglaubhaft beurteilte damalige Fluchtvorbringen beziehen würde. Im Erstverfahren sei dem Beschwerdeführern sowohl seitens des Bundesamtes als auch durch das BVwG die persönliche Glaubwürdigkeit abgesprochen worden. Am zentralen Vorbringen im Rahmen des rechtskräftig abgeschlossenen Erstverfahrens habe sich demnach nichts geändert. Im gegenständlichen Verfahren habe sich kein Hinweis auf einen seit Rechtskraft des Erstverfahrens entscheidungsrelevant geänderten Sachverhalt - weder im Hinblick auf die persönliche Situation des Beschwerdeführers, noch in Hinblick auf die allgemeine Lage im Herkunftsstaat - ergeben. Der Sachverhalt - sowohl bezüglich der individuellen Situation des Beschwerdeführers, als auch bezüglich der Lage im Herkunftsstaat - habe sich gegenüber dem Zeitpunkt der Vorentscheidung nicht maßgeblich geändert und liege sohin entschiedene Sache im Sinne des § 68 AVG vor. Die Rechtskraft der ergangenen Entscheidung im Erstverfahren stehe dem neuerlichen Antrag sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten iSd § 3 AsylG als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten iSd § 8 AsylG entgegen. Aufgrund des festgestellten Sachverhaltes sei eine Rückkehrentscheidung zu erlassen gewesen. Die Erlassung des Einreiseverbotes, befristet auf zwei Jahre, stütze sich insbesondere auch auf das Fehlverhalten des Beschwerdeführers, der seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sei, nach Deutschland gereist sei und dort missbräuchlich einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe, sowie seine Mittellosigkeit, aufgrund derer er lange Zeit öffentliche Mittel zur Unterstützung in Anspruch genommen habe.

Mit Schreiben seines zur Vertretung bevollmächtigten Rechtsberaters vom 04.03.2019 brachte der Beschwerdeführer fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 20.02.2019 ein. Es wurde darin auf die Ausführungen des Beschwerdeführers in seinen Befragungen verwiesen. Die afghanischen Sicherheitsbehörden seien nicht im Stande, dem Beschwerdeführer den notwendigen Schutz zu bieten. Es sei eine Verfolgung durch die Taliban und durch regierungsnahe Personen gegeben. Aus dem dem Bescheid beigefügten Länderinformationsblatt gehe hervor, dass die Lage in Afghanistan weiterhin volatil sei. Der Beschwerdeführer wäre im Falle einer Rückkehr einer Verfolgungsgefahr ausgesetzt. Sollte seinem Vorbringen keine Asylrelevanz zugemessen werden, so wäre ihm jedenfalls der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen. Betreffend das Einreiseverbot wurde ausgeführt, dass beinahe jeder Asylwerber Mittel aus der Grundversorgung beziehe und daher müsst praktisch bei jeder Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot wegen Mittellosigkeit erlassen werden. Darüber hinaus sei dem Beschwerdeführer nicht erklärlich, welche Gefährdung er für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstelle; er sei strafrechtlich unbescholten. Der Beschwerdeführer sei seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen, da sein Leben in Afghanistan in Gefahr und somit eine Rückkehr dorthin unzumutbar sei.

Am 12.03.2019 wurde das Bundesverwaltungsgericht darüber informiert, dass der Beschwerdeführer seit 22.02.2019 unbekannten Aufenthaltes sei und in Frankreich einen Asylantrag gestellt habe. Das Dublin-IN Verfahren laufe seit 08.03.2019.

Am 25.11.2019 wurde das Bundesverwaltungsgericht darüber informiert, dass der Beschwerdeführer am 22.11.2019 von Frankreich nach Österreich überstellt worden sei.

Aufgrund des unbekannten Aufenthaltes wurde der Beschwerdeführer am 05.12.2019 dem Quartier unstet XXXX zugewiesen.

Der Beschwerdeführer reiste am 17.12.2019 nach Frankreich aus.

Am 07.02.2020 brachte das Bundesverwaltungsgericht das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Bundesamt für Fremdenwesens Asyl, zu Afghanistan, Gesamtaktualisierung vom 13.11.2019, in das Verfahren ein.

Eine Stellungnahme hiezu wurde nicht erstattet.

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

* Einsicht in die dem erkennenden Gericht vorliegenden Akten und Vorakten des Bundesamtes und des BVwG samt Vorakten, insbesondere die Niederschriften der Erstbefragung am 18.01.2019 und der Einvernahmen vor dem Bundesamt am 04.02.2019 und 12.02.2019 sowie der Beschwerde vom 04.03.2019

* Einsicht in aktenkundliche Dokumentationsquellen des Bundesamtes betreffend Afghanistan (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation) sowie der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Afghanistan: Behandlung von Hepatitis B in Kabul, Herat, Mazar-e Sharif vom 31.07.2018

2. Ermittlungsergebnis (Sachverhaltsfeststellungen):

Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger Staatsangehöriger aus Afghanistan. Er gehört der Volksgruppe der Paschtunen und der Glaubensrichtung der Sunniten an. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Paschtu. Er ist ledig und kinderlos.

Der Beschwerdeführer hat in Pakistan sieben Jahre die Schule besucht. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer jemals in Afghanistan gelebt hat. Berufserfahrungen konnte er im Lebensmittelgeschäft seines Vaters, bei der Obsternte sowie weiteren Hilfstätigkeiten sammeln.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan eine Madrasa besucht hat und dort Religionsunterricht erhalten hat. Der Beschwerdeführer wurde weder durch Taliban entführt noch von diesen rekrutiert. Der Beschwerdeführer unterliegt keiner Bedrohung bzw Verfolgung seitens der Taliban. Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer persönlich nicht glaubwürdig ist.

Dass zwei Brüder des Beschwerdeführers bereits vor dessen Geburt - aufgrund langjähriger Probleme mit höhergestellten afghanischen Persönlichkeiten - ums Leben gekommen wären, kann nicht als erwiesen angenommen werden. Für einen solchen langjährigen Konflikt liegen keinerlei Anhaltspunkte vor; ein nachvollziehbares Vorbringen hiezu wurde nicht erstattet.

Die Kernfamilie des Beschwerdeführers besteht aus den Eltern, zwei Brüdern und drei Schwestern. Die Eltern des Beschwerdeführers stammen aus dem Distrikt XXXX in der Provinz Kabul. Die Eltern und die Geschwister des Beschwerdeführers und der Beschwerdeführer selbst hielten sich nach den eigenen Angaben des Beschwerdeführers seit einem Zeitpunkt kurz nach der Geburt des Beschwerdeführers in Pakistan auf. Nicht festgestellt werden kann, dass sich die Familienangehörigen des Beschwerdeführers zurzeit (wieder bzw noch) in Pakistan aufhalten. Ein Bruder des Beschwerdeführers lebt in Pakistan; eine Schwester des Beschwerdeführers lebt in Österreich und ist hier subsidiär schutzberechtigt. Mit der genannten Schwester (und deren Gatten) lebte der Beschwerdeführer während seiner Aufenthalte in Österreich zeitweise im gemeinsamen Haushalt.

Ein Onkel väterlicherseits des Beschwerdeführers lebt im Dorf XXXX , Distrikt XXXX in der Provinz Kabul. Die Großeltern und Onkel und Tanten mütterlicherseits des Beschwerdeführers sind im Distrikt XXXX in der Provinz Kabul aufhältig. Der Beschwerdeführer verfügt somit weiterhin über Verwandte in Afghanistan (und zwar in seiner Herkunftsprovinz Kabul).

Die Familie des Beschwerdeführers verfügt über zwei Häuser in Kabul, welche vermietet sind, sowie über ein Haus im Dorf ihres (früheren) Aufenthalts. Die wirtschaftliche Lage der Familie ist gut. Der Beschwerdeführer selbst verfügt über kein Vermögen.

Der Beschwerdeführer steht (weiterhin) in Kontakt mit Familienangehörigen.

Der Beschwerdeführer stellte im Bundesgebiet bereits einmal (am 05.07.2015) einen Antrag auf internationalen Schutz, der nach Führung eines inhaltlichen Verfahrens mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.11.2018 rechtskräftig abgewiesen wurde. Nach Erlassung des rechtskräftigen Erkenntnisses des BVwG hat der Beschwerdeführer das Bundesgebiet verlassen und ist nach Deutschland gereist, wo er einen weiteren Asylantrag stellte. Am 17.01.2019 wurde der Beschwerdeführer im Rahmen der Dublin-VO von Deutschland rücküberstellt und brachte am selben Tag den (gegenständlichen) zweiten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich ein (Folgeantrag).

Der Beschwerdeführer stützte den Folgeantrag auf dieselben Fluchtgründe, die bereits im ersten Verfahren geltend gemacht wurden. Neue Fluchtgründe, denen ein "glaubwürdiger Kern" innewohnt, wurden nicht vorgebracht.

Im gegenständlichen Fall ergeben sich im Vergleich zum Vorverfahren keine maßgeblichen Änderungen in Bezug auf in der Person des Beschwerdeführers gelegene Umstände. Auch die Rechtslage blieb, soweit entscheidungsrelevant, unverändert.

In Bezug auf die individuelle Lage des Beschwerdeführers im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat kann im Vergleich zu jenem Zeitpunkt, in dem letztmalig über den Antrag auf internationalen Schutz inhaltlich entschieden wurde, keine maßgebliche Änderung der Situation festgestellt werden. Dem Beschwerdeführer steht nach wie vor eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative in Mazar-e Sharif zur Verfügung.

In Bezug auf den Beschwerdeführer besteht kein hinreichend schützenswertes Privat- und/oder Familienleben im österreichischen Bundesgebiet. Zur in Österreich lebenden Schwester bestehen keine Abhängigkeiten; eine besondere Beziehungsintensität konnte nicht erkannt werden.

Es bestehen keine Hinweise darauf, dass der Beschwerdeführer an schwerwiegenden physischen bzw. psychischen Erkrankungen leiden würde, die einer Rückkehr nach Afghanistan entgegenstehen würden. Über einen stationären Aufenthalt wurde nicht berichtet. Während seines Aufenthaltes in Deutschland wurde beim Beschwerdeführer das Vorliegen von Hepatitis B diagnostiziert. Hiezu wurde ein entsprechender Laborbefund in Vorlage gebracht. Eine medikamentöse Behandlung dieser Erkrankung ist derzeit nicht vorgesehen und wird diese zurzeit auch nicht behandelt. Wie dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des Bundesamtes sowie der Anfragebeantwortung von Juli 2018 entnommen werden kann, gibt es in Afghanistan medizinische Einrichtungen, in denen die vom Beschwerdeführer vorgebrachten gesundheitlichen Probleme (Hepatitis B) behandelt werden können. An einer unmittelbar lebensbedrohlichen Erkrankung leidet der Beschwerdeführer nicht. Bis dato wurden keine weiteren Befunde bzw Arztschreiben vorgelegt.

Die aktuelle Situation hinsichtlich der Covid-19-Pandemie begründet keine Unmöglichkeit einer Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat Afghanistan (siehe auch weiter unten).

Der Beschwerdeführer ging in Österreich nie einer legalen Beschäftigung nach; er nahm seit seiner ersten Einreise in Österreich Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Der Beschwerdeführer besuchte in Österreich die Schule und Deutschkurse (Zertifikat Niveau A1). Er ist seit Dezember 2019 (erneut) unbekannten Aufenthalts.

Es ist nicht ersichtlich, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Zur allgemeinen Lage in Afghanistan (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des Bundesamtes vom 13.11.2019):

Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil (UNGASC 3.9.2019), nachdem im Frühjahr sowohl die Taliban als auch die afghanische Regierung neue Offensiven verlautbart hatten (USDOD 6.2019). Traditionell markiert die Ankündigung der jährlichen Frühjahrsoffensive der Taliban den Beginn der sogenannten Kampfsaison - was eher als symbolisch gewertet werden kann, da die Taliban und die Regierungskräfte in den vergangenen Jahren auch im Winter gegeneinander kämpften (AJ 12.4.2019). Die Frühjahrsoffensive des Jahres 2019 trägt den Namen al-Fath (UNGASC 14.6.2019; vgl. AJ 12.4.2019; NYT 12.4.2019) und wurde von den Taliban trotz der Friedensgespräche angekündigt (AJ 12.4.2019; vgl. NYT 12.4.2019). Landesweit am meisten von diesem aktiven Konflikt betroffen, waren die Provinzen Helmand, Farah und Ghazni (UNGASC 14.6.2019). Offensiven der afghanischen Spezialeinheiten der Sicherheitskräfte gegen die Taliban wurden seit Dezember 2018 verstärkt - dies hatte zum Ziel die Bewegungsfreiheit der Taliban zu stören, Schlüsselgebiete zu verteidigen und damit eine produktive Teilnahme der Taliban an den Friedensgesprächen zu erzwingen (SIGAR 30.7.2019). Seit Juli 2018 liefen auf hochrangiger politischer Ebene Bestrebungen, den Konflikt zwischen der afghanischen Regierungen und den Taliban politisch zu lösen (TS 22.1.2019). Berichten zufolge standen die Verhandlungen mit den Taliban kurz vor dem Abschluss. Als Anfang September der US-amerikanische Präsident ein geplantes Treffen mit den Islamisten - als Reaktion auf einen Anschlag - absagte (DZ 8.9.2019). Während sich die derzeitige militärische Situation in Afghanistan nach wie vor in einer Sackgasse befindet, stabilisierte die Einführung zusätzlicher Berater und Wegbereiter im Jahr 2018 die Situation und verlangsamte die Dynamik des Vormarsches der Taliban (USDOD 12.2018).

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die wichtigsten Bevölkerungszentren und Transitrouten sowie Provinzhauptstädte und die meisten Distriktzentren (USDOD 6.2019). Die afghanischen Kräfte sichern die Städte und andere Stützpunkte der Regierung; die Taliban verstärken groß angelegte Angriffe, wodurch eine Vielzahl afghanischer Kräfte in Verteidigungsmissionen eingebunden ist, Engpässe entstehen und dadurch manchmal auch Kräfte fehlen können, um Territorium zu halten (SIGAR 30.4.2019; vgl. NYT 19.7.2019). Kämpfe waren auch weiterhin auf konstant hohem Niveau. Die Ausnahme waren islamische Festtage, an denen, wie bereits in der Vergangenheit auch schon, das Kampfniveau deutlich zurückging, als sowohl regierungsfreundliche Kräfte, aber auch regierungsfeindliche Elemente ihre offensiven Operationen reduzierten. Im Gegensatz dazu hielt das Kampftempo während des gesamten Fastenmonats Ramadan an, da regierungsfeindliche Elemente mehrere Selbstmordattentate ausführten und sowohl regierungsfreundliche Truppen, als auch regierungsfeindliche Elemente, bekundeten, ihre operative Dynamik aufrechtzuerhalten (UNGASC 3.9.2019). Die Taliban verlautbarten, eine asymmetrische Strategie zu verfolgen: die Aufständischen führen weiterhin Überfälle auf Kontrollpunkte und Distriktzentren aus und bedrohen Bevölkerungszentren (UNGASC 7.12.2018). Angriffe haben sich zwischen November 2018 und Jänner 2019 um 19% im Vergleich zum Vorberichtszeitraum (16.8. - 31.10.2018) verstärkt. Insbesondere in den Wintermonaten wurde in Afghanistan eine erhöhte Unsicherheit wahrgenommen. (SIGAR 30.4.2019). Seit dem Jahr 2002 ist die Wintersaison besonders stark umkämpft. Trotzdem bemühten sich die ANDSF und Koalitionskräfte die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und konzentrierten sich auf Verteidigungsoperationen gegen die Taliban und den ISKP. Diese Operationen verursachten bei den Aufständischen schwere Verluste und hinderten sie daran ihr Ziel zu erreichen (USDOD 6.2019). Der ISKP ist auch weiterhin widerstandsfähig: Afghanische und internationale Streitkräfte führten mit einem hohen Tempo Operationen gegen die Hochburgen des ISKP in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch, was zu einer gewissen Verschlechterung der Führungsstrukturen der ISKP führt. Dennoch konkurriert die Gruppierung auch weiterhin mit den Taliban in der östlichen Region und hat eine operative Kapazität in der Stadt Kabul behalten (UNGASC 3.9.2019).

So erzielen weder die afghanischen Sicherheitskräfte noch regierungsfeindliche Elemente signifikante territoriale Gewinne. Das aktivste Konfliktgebiet ist die Provinz Kandahar, gefolgt von den Provinzen Helmand und Nangarhar. Wenngleich keine signifikanten Bedrohungen der staatlichen Kontrolle über Provinzhauptstädte gibt, wurde in der Nähe der Provinzhauptstädte Farah, Kunduz und Ghazni über ein hohes Maß an Taliban-Aktivität berichtet (UNGASC 3.9.2019). In mehreren Regionen wurden von den Taliban vorübergehend strategische Posten entlang der Hauptstraßen eingenommen, sodass sie den Verkehr zwischen den Provinzen erfolgreich einschränken konnten (UNGASC 7.12.2018). So kam es beispielsweise in strategisch liegenden Provinzen entlang des Highway 1 (Ring Road) zu temporären Einschränkungen durch die Taliban (UNGASC 7.12.2018; vgl. ARN 23.6.2019). Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte stellen erhebliche Mittel für die Verbesserung der Sicherheit auf den Hauptstraßen bereit - insbesondere in den Provinzen Ghazni, Zabul, Balkh und Jawzjan. (UNGASC 3.9.2019).

Für das gesamte Jahr 2018, registrierten die Vereinten Nationen (UN) in Afghanistan insgesamt 22.478 sicherheitsrelevante Vorfälle. Gegenüber 2017 ist das ein Rückgang von 5%, wobei die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle im Jahr 2017 mit insgesamt 23.744 ihren bisherigen Höhepunkt erreicht hatte (UNGASC 28.2.2019).

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Für den Berichtszeitraum 10.5.-8.8.2019 registriert die Vereinten Nationen (UN) insgesamt 5.856 sicherheitsrelevanter Vorfälle - eine Zunahme von 1% gegenüber dem Vorjahreszeitraum. 63% Prozent aller sicherheitsrelevanten Vorfälle, die höchste Anzahl, wurde im Berichtszeitraum in den südlichen, östlichen und südöstlichen Regionen registriert (UNGASC 3.9.2019). Für den Berichtszeitraum 8.2-9.5.2019 registrierte die UN insgesamt 5.249 sicherheitsrelevante Vorfälle - ein Rückgang von 7% gegenüber dem Vorjahreswert; wo auch die Anzahl ziviler Opfer signifikant zurückgegangen ist (UNGASC 14.6.2019).

Für den Berichtszeitraum 10.5.-8.8.2019 sind 56% (3.294) aller sicherheitsrelevanten Vorfälle bewaffnete Zusammenstöße gewesen; ein Rückgang um 7% im Vergleich zum Vorjahreswert. Sicherheitsrelevante Vorfälle bei denen improvisierte Sprengkörper verwendet wurden, verzeichneten eine Zunahme von 17%. Bei den Selbstmordattentaten konnte ein Rückgang von 44% verzeichnet werden. Die afghanischen Sicherheitskräfte führen gemeinsam mit internationalen Kräften, weiterhin eine hohe Anzahl von Luftangriffen durch: 506 Angriffe wurden im Berichtszeitraum verzeichnet - 57% mehr als im Vergleichszeitraum des Jahres 2018 (UNGASC 3.9.2019).

Im Gegensatz dazu, registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) für das Jahr 2018 landesweit 29.493 sicherheitsrelevante Vorfälle, welche auf NGOs Einfluss hatten. In den ersten acht Monaten des Jahres 2019 waren es 18.438 Vorfälle. Zu den gemeldeten Ereignissen zählten, beispielsweise geringfügige kriminelle Überfälle und Drohungen ebenso wie bewaffnete Angriffe und Bombenanschläge (INSO o.D.).

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Global Incident Map (GIM) verzeichnete in den ersten drei Quartalen des Jahres 2019 3.540 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahr 2018 waren es 4.433. Die folgende Grafik der Staatendokumentation schlüsselt die sicherheitsrelevanten Vorfälle anhand ihrer Vorfallarten und nach Quartalen auf (BFA Staatendokumentation 4.11.2019):

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Jänner bis Oktober 2018 nahm die Kontrolle oder der Einfluss der afghanischen Regierung von 56% auf 54% der Distrikte ab, die Kontrolle bzw. Einfluss der Aufständischen auf Distrikte sank in diesem Zeitraum von 15% auf 12%. Der Anteil der umstrittenen Distrikte stieg von 29% auf 34%. Der Prozentsatz der Bevölkerung, welche in Distrikten unter afghanischer Regierungskontrolle oder -einfluss lebte, ging mit Stand Oktober 2018 auf 63,5% zurück. 8,5 Millionen Menschen (25,6% der Bevölkerung) leben mit Stand Oktober 2018 in umkämpften Gebieten, ein Anstieg um fast zwei Prozentpunkte gegenüber dem gleichen Zeitpunkt im Jahr 2017. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an von den Aufständischen kontrollierten Distrikten waren Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.1.2019).

Ein auf Afghanistan spezialisierter Militäranalyst berichtete im Januar 2019, dass rund 39% der afghanischen Distrikte unter der Kontrolle der afghanischen Regierung standen und 37% von den Taliban kontrolliert wurden. Diese Gebiete waren relativ ruhig, Zusammenstöße wurden gelegentlich gemeldet. Rund 20% der Distrikte waren stark umkämpft. Der Islamische Staat (IS) kontrollierte rund 4% der Distrikte (MA 14.1.2019).

Die Kontrolle über Distrikte, Bevölkerung und Territorium befindet sich derzeit in einer Pattsituation (SIGAR 30.4.2019). Die Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle Ende 2018 bis Ende Juni 2019, insbesondere in der Provinz Helmand, sind als verstärkte Bemühungen der Sicherheitskräfte zu sehen, wichtige Taliban-Hochburgen und deren Führung zu erreichen, um in weiterer Folge eine Teilnahme der Taliban an den Friedensgesprächen zu erzwingen (SIGAR 30.7.2019). Intensivierte Kampfhandlungen zwischen ANDSF und Taliban werden von beiden Konfliktparteien als Druckmittel am Verhandlungstisch in Doha erachtet (SIGAR 30.4.2019; vgl. NYT 19.7.2019).

Zivile Opfer

Die Vereinten Nationen dokumentierten für den Berichtszeitraum 1.1.-30.9.2019 8.239 zivile Opfer (2.563 Tote, 5.676 Verletzte) - dieser Wert ähnelt dem Vorjahreswert 2018. Regierungsfeindliche Elemente waren auch weiterhin Hauptursache für zivile Opfer; 41% der Opfer waren Frauen und Kinder. Wenngleich die Vereinten Nationen für das erste Halbjahr 2019 die niedrigste Anzahl ziviler Opfer registrierten, so waren Juli, August und September - im Gegensatz zu 2019 - von einem hohen Gewaltniveau betroffen. Zivilisten, die in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Helmand, Ghazni, und Faryab wohnten, waren am stärksten vom Konflikt betroffen (in dieser Reihenfolge) (UNAMA 17.10.2019).

Für das gesamte Jahr 2018 wurde von mindestens 9.214 zivilen Opfern (2.845 Tote, 6.369 Verletzte) (SIGAR 30.4.2019) berichtet bzw. dokumentierte die UNAMA insgesamt 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte). Den Aufzeichnungen der UNAMA zufolge, entspricht das einem Anstieg bei der Gesamtanzahl an zivilen Opfern um 5% bzw. 11% bei zivilen Todesfällen gegenüber dem Jahr 2017 und markierte einen Höchststand seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2009. Die meisten zivilen Opfer wurden im Jahr 2018 in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Helmand, Ghazni und Faryab verzeichnet, wobei die beiden Provinzen mit der höchsten zivilen Opferanzahl - Kabul (1.866) und Nangarhar (1.815) - 2018 mehr als doppelt so viele Opfer zu verzeichnen hatten, wie die drittplatzierte Provinz Helmand (880 zivile Opfer) (UNAMA 24.2.2019; vgl. SIGAR 30.4.2019). Im Jahr 2018 stieg die Anzahl an dokumentierten zivilen Opfern aufgrund von Handlungen der regierungsfreundlichen Kräfte um 24% gegenüber 2017. Der Anstieg ziviler Opfer durch Handlungen regierungsfreundlicher Kräfte im Jahr 2018 wird auf verstärkte Luftangriffe, Suchoperationen der ANDSF und regierungsfreundlicher bewaffneter Gruppierungen zurückgeführt (UNAMA 24.2.2019).

High-Profile Angriffe (HPAs)

Sowohl im gesamten Jahr 2018 (USDOD 12.2018), als auch in den ersten fünf Monaten 2019 führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen, insbesondere in der Hauptstadtregion weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele aus, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen (USDOD 6.2019; vgl. USDOD 12.2018). Diese Angriffe sind stetig zurückgegangen (USDOD 6.2019). Zwischen 1.6.2018 und 30.11.2018 fanden 59 HPAs in Kabul statt (Vorjahreswert: 73) (USDOD 12.2018), zwischen 1.12.2018 und15.5.2019 waren es 6 HPAs (Vorjahreswert: 17) (USDOD 6.2019).

Anschläge gegen Gläubige und Kultstätten, religiöse Minderheiten

Die Zahl der Angriffe auf Gläubige, religiöse Exponenten und Kultstätten war 2018 auf einem ähnlich hohen Niveau wie 2017: bei 22 Angriffen durch regierungsfeindliche Kräfte, meist des ISKP, wurden 453 zivile Opfer registriert (156 Tote, 297 Verletzte), ein Großteil verursacht durch Selbstmordanschläge (136 Tote, 266 Verletzte) (UNAMA 24.2.2019).

Für das Jahr 2018 wurden insgesamt 19 Vorfälle konfessionell motivierter Gewalt gegen Schiiten dokumentiert, bei denen es insgesamt zu 747 zivilen Opfern kam (223 Tote, 524 Verletzte). Dies ist eine Zunahme von 34% verglichen mit dem Jahr 2017. Während die Mehrheit konfessionell motivierter Angriffe gegen Schiiten im Jahr 2017 auf Kultstätten verübt wurden, gab es im Jahr 2018 nur zwei derartige Angriffe. Die meisten Anschläge auf Schiiten fanden im Jahr 2018 in anderen zivilen Lebensräumen statt, einschließlich in mehrheitlich von Schiiten oder Hazara bewohnten Gegenden. Gezielte Attentate und Selbstmordangriffe auf religiöse Führer und Gläubige führten, zu 35 zivilen Opfern (15 Tote, 20 Verletzte) (UNAMA 24.2.2019).

Angriffe im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen im Oktober 2018

Die afghanische Regierung bemühte sich Wahllokale zu sichern, was mehr als 4 Millionen afghanischen Bürgern ermöglichte zu wählen (UNAMA 11.2018). Und auch die Vorkehrungen der ANDSF zur Sicherung der Wahllokale ermöglichten eine Wahl, die weniger gewalttätig war als jede andere Wahl der letzten zehn Jahre (USDOS 12.2018). Die Taliban hatten im Vorfeld öffentlich verkündet, die für Oktober 2018 geplanten Parlamentswahlen stören zu wollen. Ähnlich wie bei der Präsidentschaftswahl 2014 warnten sie Bürger davor, sich für die Wahl zu registrieren, verhängten "Geldbußen" und/oder beschlagnahmten Tazkiras und bedrohten Personen, die an der Durchführung der Wahl beteiligt waren (UNAMA 11.2018; vgl. USDOS 13.3.2019). Von Beginn der Wählerregistrierung (14.4.2018) bis Ende des Jahres 2018, wurden 1.007 Opfer (226 Tote, 781 Verletzte) sowie 310 Entführungen aufgrund der Wahl verzeichnet (UNAMA 24.2.2019). Am Wahltag (20.10.2018) verifizierte UNAMA 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) durch Wahl bedingte Gewalt. Die höchste Anzahl an zivilen Opfern an einem Wahltag seit Beginn der Aufzeichnungen durch UNAMA im Jahr 2009 (UNAMA 11.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen

In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv - insbesondere die Grenzregion zu Pakistan bleibt eine Zufluchtsstätte für unterschiedliche Gruppierungen, wie Taliban, Islamischer Staat, al-Qaida, Haqqani-Netzwerk, Lashkar-e Tayyiba, Tehrik-e Taliban Pakistan, sowie Islamic Movement of Uzbekistan (USDOD 6.2019; vgl. CRS 12.2.2019) und stellt nicht nur für die beiden Länder eine Sicherheitsherausforderung dar, sondern eine Bedrohung für die gesamte regionale Sicherheit und Stabilität (USDOD 6.2019):

Taliban

Die USA sprechen seit rund einem Jahr mit hochrangigen Vertretern der Taliban über eine politische Lösung des langjährigen Afghanistan-Konflikts. Dabei geht es vor allem um Truppenabzüge und Garantien der Taliban, dass Afghanistan kein sicherer Hafen für Terroristen wird. Beide Seiten hatten sich jüngst optimistisch gezeigt, bald zu einer Einigung zu kommen (FAZ 21.8.2019). Während dieser Verhandlungen haben die Taliban Forderungen eines Waffenstillstandes abgewiesen und täglich Operationen ausgeführt, die hauptsächlich die afghanischen Sicherheitskräfte zum Ziel haben. (TG 30.7.2019). Zwischen 1.12.2018 und 31.5.2019 haben die Talibanaufständischen mehr Angriffe ausgeführt, als in der Vergangenheit üblich, trotzdem war die Gesamtzahl effektiver feindlicher Angriffe stark rückläufig. Diese Angriffe hatten hauptsächlich militärische Außenposten und Kontrollpunkte sowie andere schlecht verteidigte ANDSF-Posten zu Ziel. Das wird als Versuch gewertet, in den Friedensverhandlungen ein Druckmittel zu haben (USDOD 6.2019).

Der derzeitige Taliban-Führer ist nach wie vor Haibatullah Akhundzada (REU 17.8.2019; vgl. FA 3.1.2018) - Stellvertreter sind Mullah Mohammad Yaqub - Sohn des ehemaligen Taliban-Führers Mullah Omar - und Serajuddin Haqqani (CTC 1.2018; vgl. TN 26.5.2016) Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (TN 13.1.2017). Die Taliban bezeichnen sich selbst als das Islamische Emirat Afghanistan (VOJ o.D.). Die Regierungsstruktur und das militärische Kommando sind in der Layha, einem Verhaltenskodex der Taliban, definiert (AAN 4.7.2011), welche zuletzt 2010 veröffentlicht wurde (AAN 6.12.2018).

Ein Bericht über die Rekrutierungspraxis der Taliban teilt die Taliban-Kämpfer in zwei Kategorien: professionelle Vollzeitkämpfer, die oft in den Madrassen rekrutiert werden, und Teilzeit-Kämpfer vor Ort, die gegenüber einem lokalen Kommandanten loyal und in die lokale Gesellschaft eingebettet sind (LI 29.6.2017). Die Gesamtstärke der Taliban wurde von einem Experten im Jahr 2017 auf über 200.000 geschätzt, darunter angeblich 150.000 Kämpfer (rund 60.000 Vollzeitkämpfer mobiler Einheiten, der Rest sein Teil der lokalen Milizen). Der Experte schätzte jedoch, dass die Zahl der Vollzeitkämpfer, die gleichzeitig in Afghanistan aktiv sind, selten 40.000 übersteigt (LI 23.8.2017). Im Jänner 2018 schätzte ein Beamter des US-Verteidigungsministeriums die Gesamtstärke der Taliban in Afghanistan auf 60.000 (NBC 30.1.2018). Laut dem oben genannten Experten werden die Kämpfe hauptsächlich von den Vollzeitkämpfern der mobilen Einheiten ausgetragen (LI 23.8.2017; vgl. AAN 3.1.2017; AAN 17.3.2017).

Die Taliban betreiben Trainingslager in Afghanistan. Seit Ende 2014 wurden 20 davon öffentlich zur Schau gestellt. Das Khalid bin Walid-Camp soll12 Ableger, in acht Provinzen betreibt (Helmand, Kandahar, Ghazni, Ghor, Saripul, Faryab, Farah und Maidan Wardak). 300 Militärtrainer und Gelehrte sind dort tätig und es soll möglich sein, in diesem Camp bis zu 2.000 Rekruten auf einmal auszubilden (LWJ 14.8.2019).

Die Mehrheit der Taliban sind immer noch Paschtunen, obwohl es eine wachsende Minderheit an Tadschiken, Usbeken, Belutschen und sogar mehreren hundert Hazara (einschließlich Schiiten) gibt (LI 23.8.2017). In einigen nördlichen Gebieten sollen die Taliban bereits überwiegend Nicht-Paschtunen sein, da sie innerhalb der lokalen Bevölkerung rekrutieren (LI 23.8.2017).

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Kabul

Kabul-Stadt - Geographie und Demographie

Kabul-Stadt ist die Hauptstadt Afghanistans und auch ein Distrikt in der Provinz Kabul. Es ist die bevölkerungsreichste Stadt Afghanistans, mit einer geschätzten Einwohnerzahl von 5.029.850 Personen für den Zeitraum 2019-20 (CSO 2019). Die Bevölkerungszahl ist jedoch umstritten. Einige Quellen behaupten, dass sie fast 6 Millionen beträgt (AAN 19.3.2019). Laut einem Bericht, expandierte die Stadt, die vor 2001 zwölf Stadtteile - auch Police Distrikts (USIP 4.2017), PDs oder Nahia genannt (AAN 19.3.2019) - zählte, aufgrund ihres signifikanten demographischen Wachstums und ihrer horizontalen Expansion auf 22 PDs (USIP 4.2017). Die afghanische zentrale Statistikorganisation (Central Statistics Organization, CSO) schätzt die Bevölkerung der Provinz Kabul für den Zeitraum 2019-20 auf 5.029.850 Personen (CSO 2019). Sie besteht aus Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus (PAJ o.D.; vgl. NPS o.D.).

Hauptstraßen verbinden die afghanische Hauptstadt mit dem Rest des Landes (UNOCHA 4.2014). In Kabul-Stadt gibt es einen Flughafen, der mit internationalen und nationalen Passagierflügen bedient wird (BFA Staatendokumentation 25.3.2019).

Die Stadt besteht aus drei konzentrischen Kreisen: Der erste umfasst Shahr-e Kohna, die Altstadt, Shahr-e Naw, die neue Stadt, sowie Shash Darak und Wazir Akbar Khan, wo sich viele ausländische Botschaften, ausländische Organisationen und Büros befinden. Der zweite Kreis besteht aus Stadtvierteln, die zwischen den 1950er und 1980er Jahren für die wachsende städtische Bevölkerung gebaut wurden, wie Taimani, Qala-e Fatullah, Karte Se, Karte Chahar, Karte Naw und die Microraions (sowjetische Wohngebiete). Schließlich wird der dritte Kreis, der nach 2001 entstanden ist, hauptsächlich von den "jüngsten Einwanderern" (USIP 4.2017) (afghanische Einwanderer aus den Provinzen) bevölkert (AAN 19.3.2019), mit Ausnahme einiger hochkarätiger Wohnanlagen für VIPs (USIP 4.2017).

Was die ethnische Verteilung der Stadtbevölkerung betrifft, so ist Kabul Zielort für verschiedene ethnische, sprachliche und religiöse Gruppen, und jede von ihnen hat sich an bestimmten Orten angesiedelt, je nach der geografischen Lage ihrer Heimatprovinzen: Dies gilt für die Altstadt ebenso wie für weiter entfernte Stadtviertel, und sie wird in den ungeplanten Gebieten immer deutlicher (Noori 11.2010). In den zuletzt besiedelten Gebieten sind die Bewohner vor allem auf Qawmi-Netzwerke angewiesen, um Schutz und Arbeitsplätze zu finden sowie ihre Siedlungsbedingungen gemeinsam zu verbessern. Andererseits ist in den zentralen Bereichen der Stadt die Mobilität der Bewohner höher und Wohnsitzwechsel sind häufiger. Dies hat eine disruptive Wirkung auf die sozialen Netzwerke, die sich in der oft gehörten Beschwerde manifestiert, dass man "seine Nachbarn nicht mehr kenne" (AAN 19.3.2019).

Nichtsdestotrotz, ist in den Stadtvierteln, die von neu eingewanderten Menschen mit gleichem regionalen oder ethnischen Hintergrund dicht besiedelt sind, eine Art "Dorfgesellschaft" entstanden, deren Bewohner sich kennen und direktere Verbindungen zu ihrer Herkunftsregion haben als zum Zentrum Kabuls (USIP 4.2017). Einige Beispiele für die ethnische Verteilung der Kabuler Bevölkerung sind die folgenden: Hazara haben sich hauptsächlich im westlichen Viertel Chandawal in der Innenstadt von Kabul und in Dasht-e-Barchi sowie in Karte Se am Stadtrand niedergelassen; Tadschiken bevölkern Payan Chawk, Bala Chawk und Ali Mordan in der Altstadt und nördliche Teile der Peripherie wie Khairkhana; Paschtunen sind vor allem im östlichen Teil der Innenstadt Kabuls, Bala Hisar und weiter östlich und südlich der Peripherie wie in Karte Naw und Binihisar (Noori 11.2010; vgl. USIP 4.2017), aber auch in den westlichen Stadtteilen Kota-e-Sangi und Bazaar-e-Company (auch Company) ansässig (Noori 11.2010); Hindus und Sikhs leben im Herzen der Stadt in der Hindu-Gozar-Straße (Noori 11.2010; vgl. USIP 4.2017).

Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul. Nichtsdestotrotz, führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen, im gesamten Jahr 2018, als auch in den ersten fünf Monaten 2019, insbesondere in der Hauptstadtregion weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele aus, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen (USDOD 6.2019; vgl. USDOD 12.2018).

Aufgrund eben dieser öffentlichkeitswirksamer Angriffe auf Kabul-Stadt kündigte die afghanische Regierung bereits im August 2017 die Entwicklung eines neuen Sicherheitsplans für Kabul an (AAN 25.9.2017). So wurde unter anderem das Green Village errichtet, ein stark gesichertes Gelände im Osten der Stadt, in dem unter anderem, Hilfsorganisationen und internationale Organisationen (RFERL 2.9.2019; vgl. FAZ 2.9.2019) sowie ein Wohngelände für Ausländer untergebracht sind (FAZ 2.9.2019). Die Anlage wird stark von afghanischen Sicherheitskräften und privaten Sicherheitsmännern gesichert (AJ 3.9.2019). Die Green Zone hingegen ist ein separater Teil, der nicht unweit des Green Villages liegt. Die Green Zone ist ein stark gesicherter Teil Kabuls, in dem sich mehrere Botschaften befinden - so z.B. auch die US-amerikanische Botschaft und andere britische Einrichtungen (RFERL 2.9.2019).

In Bezug auf die Anwesenheit von staatlichen Sicherheitskräften liegt die Provinz Kabul mit Ausnahme des Distrikts Surubi im Verantwortungsbereich der 111. ANA Capital Division, die unter der Leitung von türkischen Truppen und mit Kontingenten anderer Nationen der NATO-Mission Train, Advise and Assist Command - Capital (TAAC-C) untersteht. Der Distrikt Surubi fällt in die Zuständigkeit des 201. ANA Corps (USDOD 6.2019). Darüber hinaus wurde eine spezielle Krisenreaktionseinheit (Crisis Response Unit) innerhalb der afghanischen Polizei, um Angriffe zu verhindern und auf Anschläge zu reagieren (LI 5.9.2018).

Im Distrikt Surubi wird von der Präsenz von Taliban-Kämpfern berichtet (TN 26.3.2019; vgl. SAS 26.3.2019).

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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