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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Mag. Unterer, über die Beschwerde des Gazmend Zekolli in Graz, geboren am 20. Juni 1979, vertreten durch den Magistrat Graz als gesetzlicher Vertreter, dieser vertreten durch Dr. Siegfried Leitner, Rechtsanwalt in Graz, Jakominiplatz 17, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. März 1997, Zl. 4.351.257/1-III/13/97, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der "Jugosl. Föderation", der am 5. Februar 1997 in das Bundesgebiet eingereist ist, beantragte am selben Tag die Gewährung von Asyl.
Anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 7. Februar 1997, welche in Anwesenheit des gesetzlichen Vertreters in albanisch durchgeführt wurde, brachte der Beschwerdeführer vor, er stamme aus dem Kosovo, gehöre der albanischen Volksgruppe an und sei Moslem. Er gab zu seinen Fluchtgründen an:
"Weshalb haben Sie den Kosovo verlassen?
Die wirtschaftliche Situation dort ist sehr schlecht. Mein Vater wurde 1990 entlassen und hat keine Arbeit. Außerdem habe ich eine Vorladung zur Musterung erhalten. Ich habe aber vorwiegend aufgrund der wirtschaftlichen Situation keine Möglichkeit mehr zum Bleiben gehabt. Ich hätte auch selbst keine Möglichkeit gehabt, im Kosovo Arbeit zu finden.
Wann wurde Ihnen der Musterungsbefehl zugestellt? Am 30.1.1997.
Besitzen Sie den Musterungsbefehl?
Nein, ich habe diese Ladung nicht mehr.
Welchen Inhalt hatte dieser Musterungsbefehl, wozu wurden
Sie genau aufgefordert?
Ich sollte am 1.2.1997 in Nis zur Musterung erscheinen. Weshalb wollen Sie der Musterung nicht Folge leisten? Ich hatte Angst, ich habe mich nicht hingetraut.
Vorhalt:
Eine Musterung ist keine Einberufung, wovor hatten Sie Angst?
Es kommt vor, daß man gleich bei der Musterung eingezogen
und in den Krieg geschickt wird.
Vorhalt:
Können Sie bescheinigen, daß irgendjemand bei der Musterung eingezogen worden wäre, außerdem befindet sich die Bundesrepublik Jugoslawien nicht im Krieg. - Dazu gebe ich an, daß ich niemanden kenne, der gleich eingezogen worden wäre. Im Kosovo schießt die Polizei jeden Tag und Menschen sterben.
Vorhalt:
Sie werden nicht zur Polizei sondern zum Militär eingezogen. - Dazu gebe ich an, daß ein Onkel von zu Hause abgeholt wurde und niemand weiß, wo er jetzt ist. Ich weiß auch nicht weshalb er geholt wurde. Es war ein Willkürakt der Polizei.
Welcher Zusammenhang besteht dabei mit Ihrem Wehrdienst, beziehungsweise Ihrer Angst vor der Musterung?
Ich hatte deshalb einfach Angst vor der Musterung.
Haben Sie Grund zur Annahme, daß gerade Sie durch den Militärdienst schlechter gestellt würden, als andere wehrpflichtige Albaner oder Serben in der jugoslawischen Armee?
Die Albaner werden in der Armee generell schlechter behandelt.
Wollen Sie weitere Fluchtgründe geltend machen? Nein."
Die Behörde erster Instanz wies den Antrag ab. Sie begründete ihre Entscheidung u.a. damit, daß der Beschwerdeführer keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention geltend zu machen vermochte. Er habe sich auf zwei Fluchtgründe - "wirtschaftliche Notlage und Einberufung zur Musterung" - berufen, wobei die wirtschaftliche Notlage eindeutig als primärer Fluchtgrund dargestellt worden sei.
Die Behörde erster Instanz setzte in der Begründung wie folgt fort:
"Eine bloße wirtschaftlich problematische Situation rechtfertigt die Gewährung von Asyl jedoch nicht, wie auch durch die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bestätigt wird:
Wirtschaftliche Gründe allein rechtfertigen die Anerkennung als Flüchtling nicht (VwGH 9.11.1988, 88/01/0190; 15.3.1989, 88/01/0338).
Eine Einberufung zum Militärdienst, also die Einberufung zum bewaffneten Einsatz, stellt ebenfalls nach Ansicht der erkennenden Behörde keinen Grund für die Gewährung von Asyl dar, wenn der Asylwerber nicht glaubhaft darstellen kann, daß diese Einberufung seine Ursache in einem in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hat. Diese Ansicht wird auch vom Verwaltungsgerichtshof bestätigt. Die "Flucht" eines Asylwerbers vor einem ihm drohenden Militärdienst ist ebensowenig ein Grund für die Anerkennung als Flüchtling (VwGH 10.2.1988, 86/01/0250; 4.10.1989, 89/01/0230), wie die Furcht vor einer wegen Desertion oder Wehrdienstverweigerung drohenden (unter Umständen) auch strengen Bestrafung (VwGH 31.5.1989, 89/01/0059). Sie wurden nun aber noch nicht einmal zum Militärdienst einberufen, sondern wurden lediglich zur Musterung aufgefordert. Die Musterung ist nun aber für jeden Staatsbürger obligatorisch und läßt auch noch in keiner Weise erkennen, daß der Musterung überhaupt eine Einberufung folgen muß, ist doch die Musterung lediglich eine Feststellung der körperlichen und geistigen Eignung. Eine "Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention durch eine Aufforderung zur Musterung" hält die erkennende Behörde daher für ausgeschlossen. Sie vermochten auch selbst in keiner Weise darzutun, daß gerade Ihnen durch diese Musterung ein Nachteil widerfahren wäre, der über die allgemeine Problematik beim Militärdienst hinausgehen würde. Für die Gewährung von Asyl müssen konkrete, gegen den Asylwerber selbst gerichtete (bzw ihm drohende) Verfolgungshandlungen glaubhaft gemacht werden (VwGH 8.11.1989, 89/01/0287-0291)."
In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer unter Hinweis auf Berichte internationaler Menschenrechtsorganisationen und unabhängiger Zeitungen vor, es könne als notorische Tatsache angesehen werden, daß Kosovo-Albaner aufgrund ihrer Herkunft ständig in Gefahr seien, Opfer von Übergriffen durch serbische Polizisten oder Armeeangehörige, die mit Willen und Wissen der staatlichen Behörden agieren, zu werden. Der Beschwerdeführer zitierte einen Ausschnitt aus einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Ansbach aus dem Jahr 1994 betreffend Gruppenverfolgung der Kosovo-Albaner. Es sei dem Beschwerdeführer aus "zahlreichen, durchaus glaubwürdigen Erzählungen" bekannt, daß Kosovo-Albaner in den Kasernen oft Mißhandlungen durch serbische Soldaten ausgesetzt seien. Dies geschehe mit Wissen und Willen der serbischen Behörden und sei Teil der Vertreibungspolitik. Die Vertreibungen könnten jedoch nur dann erfolgreich sein, wenn bei der Zielgruppe genügend Angst vorherrsche, um sie zur Flucht zu bewegen. Ihm sei persönlich kein Fall bekannt, in dem ein Kosovo-Albaner, "etwa im letzten Jahr ohne Zwang zum Militärdienst eingerückt" sei. Alle ihm bekannten Wehrdienstpflichtigen hätten sich aus Angst vor Übergriffen dem Wehrdienst entzogen. Es sei durchaus wahrscheinlich, daß Albaner, die sich dem Wehrdienst stellten oder nach einer Abschiebung aus dem Ausland zwangsweise in eine Kaserne gebracht würden, massiven Mißhandlungen ausgesetzt würden, um so die beschriebene Angst aufrecht zu erhalten. Auch sei es durchaus üblich, daß Personen unmittelbar nach der Musterung zum Militär eingezogen würden, weshalb der Beschwerdeführer bedroht sei. Daraus leite der Beschwerdeführer eine Verfolgung im Sinne des Asylgesetzes 1991 ab.
Die belangte Behörde erließ sodann den nunmehr angefochtenen Bescheid. Sie legte der Abweisung der Berufung des Beschwerdeführers und damit der Versagung von Asyl die im erstinstanzlichen Bescheid wiedergegebenen Aussagen des Beschwerdeführers anläßlich seiner niederschriftlichen Vernehmung sowie die Ausführungen der Behörde erster Instanz betreffend die Fluchtgründe des Beschwerdeführers und deren rechtliche Würdigung vollinhaltlich zugrunde und erhob diese zum Inhalt des angefochtenen Bescheides. Es liege keiner der Gründe für die Anordnung einer Ergänzung bzw. Wiederholung des Ermittlungsverfahrens erster Instanz gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 vor, weshalb gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 auf das über die erstinstanzlichen Angaben hinausgehende Berufungsvorbringen nicht Bedacht zu nehmen sei. Des weiteren stützte sich die belangte Behörde - wie bereits die Behörde erster Instanz - auch auf die Sicherheit des Beschwerdeführers vor Verfolgung in Ungarn gemäß auf § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Die belangte Behörde war zur Übernahme der genannten Teile des erstinstanzlichen Bescheides berechtigt, ohne diese wiederholen zu müssen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 4. Oktober 1995, Zl. 95/01/0045).
Der Beschwerdeführer rügte in der Berufung nicht, daß anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme Verständigungsprobleme aufgetreten seien oder daß seine Aussagen unvollständig protokolliert worden seien. Er machte daher keinen Verfahrensmangel anläßlich der Aufnahme der Niederschrift vom 7. Februar 1997 geltend. Da auch keine anderen Mängel des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens geltend gemacht wurden bzw. zu erkennen sind und auch die weiteren Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 für die Anordnung einer Wiederholung bzw. Ergänzung des Ermittlungsverfahrens erster Instanz nicht gegeben sind, ging die belangte Behörde zu Recht von der Anwendbarkeit des § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 aus.
Zentraler Aspekt des von § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 aus Art. 1 Abschnitt A Z. 2 Genfer Flüchtlingskonvention übernommenen Flüchtlingsbegriffes ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine der Voraussetzungen für die Annahme der wohlbegründeten Furcht ist, daß eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht. Die belangte Behörde hat durch Übernahme der diesbezüglichen Begründungselemente des erstinstanzlichen Bescheides auch begründet, daß nicht erkennbar sei, daß einer Musterung überhaupt eine Einberufung folgen müsse, sei doch die Musterung lediglich eine Feststellung der körperlichen und geistigen Eignung. Deshalb sei eine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention durch eine Aufforderung zur Musterung ausgeschlossen.
Abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer in der Beschwerde dieser Ansicht der belangten Behörde nicht entgegentritt, konnte die belangte Behörde durchaus berechtigt zu diesem Schluß gelangen, hat doch der Beschwerdeführer auf Nachfragen nach seiner vagen Behauptung, es komme vor, daß man gleich bei der Musterung eingezogen und in den Krieg geschickt werde, selbst angegeben, er kenne niemanden, der gleich eingezogen worden sei.
Es braucht daher nicht weiter untersucht zu werden, ob die vom Beschwerdeführer behauptete Verfolgung überhaupt drohte, stellt sie doch aufgrund ihrer bloß entfernten Möglichkeit keine Grundlage für die Annahme einer wohlbegründeten Furcht im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 dar.
Die belangte Behörde hat schon aus diesem Grund zu Recht die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers verneint und ihm deshalb kein Asyl gewährt.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Damit erübrigt sich eine Befassung mit der darüber hinausgehenden Begründung des angefochtenen Bescheides sowie mit dem hiegegen erstatteten Beschwerdevorbringen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997010703.X00Im RIS seit
20.11.2000