TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/13 L507 2217745-1

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Veröffentlicht am 13.09.2019
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Entscheidungsdatum

13.09.2019

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

L507 2217745-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Habersack über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.03.2019, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 28.03.2019,
Zl. XXXX , wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen der Türkei, gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein für die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Gemäß § 70 Abs. 3 FPG wurde dem Beschwerdeführer kein Durchsetzungsaufschub erteilt und einer Beschwerde gegen das Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Das Aufenthaltsverbot wurde vom BFA im Wesentlichen mit den strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers begründet. Der Beschwerdeführer könne sich zwar auf Art. 7 des ARB berufen, weshalb die günstigeren Bestimmungen des § 67 FPG anzuwenden sei, die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei jedoch aufgrund der vom Beschwerdeführer ausgehenden, erheblichen Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit, zulässig.

2. Mit Verfahrensanordnung vom 29.03.2019 wurde dem Beschwerdeführer gemäß
§ 52 Abs. 1 BFA-VG von Amts wegen ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht beigegeben.

3. Gegen diesen dem Beschwerdeführer am 02.04.2019 durch Hinterlegung zugestellten Bescheid wurde am 17.04.2019 fristgerecht Beschwerde erhoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Identität des Beschwerdeführers steht fest. Er ist türkischer Staatsbürger und somit Drittstaatangehöriger. Im Alter von ungefähr 3 Jahren reiste der Beschwerdeführer nach Österreich, wo er sich in der Folge mit seinen Eltern niederließ.

Der Beschwerdeführer wurde in Österreich mehrfach strafrechtlich verurteilt. Ende August 2019 wurde von der Staatsanwaltschaft Innsbruck neuerlich Anklage gegen den Beschwerdeführer wegen vorsätzlich begangener Straftaten nach §§ 225a, 133 Abs. 1 StGB erhoben.

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegten Verwaltungsakt des BFA.

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akteninhalt.

2.2. Zur Person der beschwerdeführenden Partei:

Die Feststellungen hinsichtlich der Staatsangehörigkeit, der Identität des Beschwerdeführers sowie seiner Einreise, ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Die strafgerichtlichen Verurteilungen sind dem Strafregisterauszug zu entnehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Mit Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 04.04.2019, Ra 2019/21/0009, hat dieser klargestellt, dass nunmehr aufgrund der geänderten Rechtslage auch in Bezug auf türkische Staatsangehörige, welche in den Anwendungsbereich des Beschlusses 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei über die Entwicklung der Assoziation vom 19. September 1980 (im Folgenden kurz: ARB 1/80) fallen bzw. daraus ein Aufenthaltsrecht ableiten können, als „sonstige Drittstaatsangehörige“ gelten und für eine Aufenthaltsbeendigung nur eine Rückkehrentscheidung und gegebenenfalls ein Einreiseverbot in Frage kommen und nicht eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot.


Der Verwaltungsgerichtshof führte in der zitierten Entscheidung Folgendes aus:

„28. Türkische Staatsangehörige – auch solche mit einer Aufenthaltsberechtigung nach dem ARB 1/80 – sind „sonstige“ Drittstaatsangehörige. Sie unterfallen daher dem Wortlaut nach
§ 52 FPG. Vor allem aber ist zu bedenken, dass türkische Staatsangehörige, gegen die in Einklang mit Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 eine aufenthaltsbeendende Maßnahme erlassen wird, zu illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen werden, denen daher nach der Rückführungs-RL im Wege einer Rückkehrentscheidung eine Rückkehrverpflichtung in ihr Herkunftsland, ein Transitland gemäß gemeinschaftlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder in ein anderes Drittland, in das sie freiwillig zurückkehren wollen und in dem sie aufgenommen werden, aufzuerlegen ist (Art. 6 Abs. 1 und 6 iVm Art. 3 Z 3 und 4 Rückführungs-RL). Das wird im österreichischen Rechtsbereich (seit 1. Jänner 2014 zur Gänze) nur mehr durch die Rückkehrentscheidung nach § 52 FPG umgesetzt, die nach dem 8. Absatz dieser Bestimmung den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde, verpflichtet. Demgegenüber verpflichten Ausweisungen nach § 66 FPG und Aufenthaltsverbote nach
§ 67 FPG nur zur Ausreise aus Österreich (siehe § 70 Abs. 1 FPG).

Vor diesem Hintergrund ist nunmehr auch gegen türkische Staatsangehörige, die über eine Aufenthaltsberechtigung nach dem ARB 1/80 verfügen und deren Aufenthalt in Übereinstimmung mit Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 beendet werden soll, anders als nach der bis 31. Dezember 2013 geltenden Rechtslage nicht mehr ein Aufenthaltsverbot, sondern eine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot zu erlassen. Freilich hat es dabei zu bleiben, dass diese Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot eine Gefährdung voraussetzt, die jener gleichkommt, die die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger rechtfertigt oder, wie sich aus EuGH 8.12.2011, Ziebell, C-371/08, ergibt, im Fall eines türkischen Staatsangehörigen, der sich seit mehr als zehn Jahren ununterbrochen rechtmäßig in Österreich aufhält, Art. 12 der Daueraufenthalts-RL – umgesetzt durch § 52 Abs. 5 FPG – entspricht.“


3.2. Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies Folgendes:

Im gegenständlichen Fall hat das BFA gegen einen türkischen Staatsangehörigen, welcher der Prüfung des BFA nach in den Anwendungsbereich des ARB 1/80 fällt, ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG erlassen.

Wie sich aus der oben zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes ergibt, wurde damit – unabhängig vom tatsächlichen Bestehen von Anknüpfungspunkten nach dem Assoziationsabkommen – die Rechtslage verkannt und wäre zur Aufenthaltsbeendigung des Beschwerdeführers als „sonstigen Drittstaatsangehörigen“ hier die Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot zu prüfen.

Zu beachten ist dabei, dass diese Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot bei tatsächlich nach dem Assoziationsabkommen berechtigten Personen eine Gefährdung voraussetzt, die jener gleichkommt, die die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger rechtfertigt oder die (wie sich aus EuGH 8.12.2011, Ziebell, C-371/08, ergibt, im Fall eines türkischen Staatsangehörigen, der sich seit mehr als zehn Jahren ununterbrochen rechtmäßig in Österreich aufhält) Art. 12 der Daueraufenthalts-RL – umgesetzt durch § 52 Abs. 5 FPG – entspricht.

Dass es sich beim Beschwerdeführer aus anderen Gründen um einen begünstigten Drittstaatsangehörigen iSd § 2 Abs. 4 Z 11 FPG handeln würde und somit doch die
§§ 66 ff FPG und nicht § 52 FPG zur Anwendung gelangen, hat das Bundesamt hier nicht aufgezeigt.

Es war daher der Beschwerde stattzugeben und der Bescheid zur Gänze zu beheben.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß
Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063) ab. Durch das genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes fehlt es auch nicht an einer Rechtsprechung und die zu lösende Rechtsfrage wird in der Rechtsprechung auch nicht uneinheitlich beantwortet.

Schlagworte

Assoziationsabkommen Aufenthaltsverbot Aufenthaltsverbot aufgehoben Behebung der Entscheidung Durchsetzungsaufschub Rechtsgrundlage Rechtslage Rückkehrentscheidung Straffälligkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L507.2217745.1.01

Im RIS seit

16.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

16.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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