TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/15 W241 2154379-1

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Veröffentlicht am 15.04.2020
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Entscheidungsdatum

15.04.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W241 2154379-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hafner als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.03.2017, Zl. 1083683306/151144224/BMI-BFA_NOE_RD, zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

II. Gemäß § 3 Abs. 5 Asylgesetz 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF) ist nach eigenen Angaben Staatsangehöriger Afghanistans. Er reiste gemeinsam mit seiner Ehefrau und dem gemeinsamen minderjährigen Sohn unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte am 21.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).

2. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) mit Bescheid vom 20.03.2017 den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte dem BF gemäß § 8 Abs. 1 AsylG den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis 20.03.2018 (Spruchpunkt III.).

In der Bescheidbegründung führte die belangte Behörde aus, dass eine asylrelevante Verfolgung nicht vorliege, das Vorbringen betreffend eine Verfolgung sei nicht glaubhaft. Der BF sein kein Familienangehöriger seiner Ehefrau iSd § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG, da die Ehe im Iran geschlossen worden sei und daher nicht schon im Herkunftsland, also Afghanistan, bestanden habe.

3. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheids brachte der BF mit Schreiben vom 20.04.2017 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde beim BVwG ein.

4. Der Ehefrau des BF wurde mit Bescheid des BFA vom 22.04.2017 der Status einer Asylbereichtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG zuerkannt. Der gemeisame Sohn ist - abgeleitet von seiner Mutter nach § 2 Abs. 1 Z 13 iVm § 34 Abs. 1 AsylG - ebenfalls asylberechtigt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte gemeinsam mit seiner - ebenfalls afghanischstämmigen - Ehefrau und dem gemeisamen minderjährigen Sohn, mit denen er im Familienverband lebt, am 21.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der BF hat seine Ehefrau im Iran nach moslemischem Ritus geehelicht.

Mit Bescheid vom 22.04.2017 erteilte das BFA der Ehefrau des BF den Status einer Asylberechtigten, wobei der Antrag vor dem 21.08.2015 gestellt worden war, weshalb die Asylzuerkennung unbefristet erfolgte. Der BF führt mit seiner Ehefrau und seinem Sohn ein Familienleben, sie sind in einem gemeinsamen Haushalt gemeldet.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Asylantragstellung des BF und seiner Familie ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Die Asylberechtigung der Ehefrau des BF ergibt sich aus einem Auszug des Zentralen Fremdenregisters.

Die Feststellung, dass der BF und seine Ehefrau im Iran nach moslemischem Ritus die Ehe geschlossen haben, ergibt sich aus den Angabven des BF und den von ihm vorgelegten Unterlagen.

Der BF legte im Verfahren mehrere Fotos und Kopien von Urkunden vor, darunter die Heiratsurkunde vom 30.09.2005. Auch wenn diese Urkunde nicht im Original vorgelegt wurde, geht das Gericht anhand der Kopien und auch aufgrund der Tatsache, dass aus der Ehe ein Kind hervorgegangen ist, von einer traditionellen Eheschließung im Iran aus.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 56/2018 lautet:

"22. Familienangehöriger: wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits vor der Einreise bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise bestanden hat;"

§ 3 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016 lautet:

"(1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

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1.-dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder

2.-der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

(4) Einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, kommt eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird. Bis zur rechtskräftigen Aberkennung des Status des Asylberechtigten gilt die Aufenthaltsberechtigung weiter. Mit Rechtskraft der Aberkennung des Status des Asylberechtigten erlischt die Aufenthaltsberechtigung.

(4a) Im Rahmen der Staatendokumentation (§ 5 BFA-G) hat das Bundesamt zumindest einmal im Kalenderjahr eine Analyse zu erstellen, inwieweit es in jenen Herkunftsstaaten, denen im Hinblick auf die Anzahl der in den letzten fünf Kalenderjahren erfolgten Zuerkennungen des Status des Asylberechtigten eine besondere Bedeutung zukommt, zu einer wesentlichen, dauerhaften Veränderung der spezifischen, insbesondere politischen, Verhältnisse, die für die Furcht vor Verfolgung maßgeblich sind, gekommen ist.

(4b) In einem Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 gilt Abs. 4 mit der Maßgabe, dass sich die Gültigkeitsdauer der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach der Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsberechtigung des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, richtet.

(5) Die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrags auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, ist mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt."

§ 34 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 56/2018 lautet:

" (1) Stellt ein Familienangehöriger von

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-1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

-2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

-3. einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

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-1. dieser nicht straffällig geworden ist und

-(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

-3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn

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-1. dieser nicht straffällig geworden ist;

-(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

-3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und

-4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

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-1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

-2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;

-3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG)."

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG in der geltenden Fassung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.

3.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich:

Der BF ist Ehemann einer Fremden, der der Status einer Asylberechtigten zuerkannt worden ist. Die traditionelle moslemische Verehelichung hat vor der Einreise in das österreichische Bundesgebiet stattgefunden. Vor dem Hintergrund, dass notorischerweise im Iran geschlossene, traditionelle moslemische Ehen in der Judikatur betreffend Asylverfahren afghanischer Asylwerber anerkannt werden, steht der Umstand, dass der BF seine Frau im Iran lediglich traditionell geehelicht hat und gegenständlich keine staatliche Registrierung erfolgte, nicht entgegen. In diesem Zusammenhang muss berücksichtigt werden, dass sich der überwiegende Teil der afghanischen Staatsangehörigen illegal im Iran aufhält, was der staatlichen Registrierung der Ehe im Iran entgegen steht.

Mit dem FrÄG 2017 wurde die Voraussetzung für die Annahme einer Ehe, dass diese bereits im Herkunftsstaat bestanden haben muss, beseitigt. Nunmehr muss sie nach § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG "bereits vor der Einreise bestanden" haben. Der VwGH hat in mehreren Entscheidungen unter Berufung auf die Materialien betont, dass § 34 AsylG insbesondere das Ziel der Verfahrensbeschleunigung verfolgt (VwGH 24.10.2018, Ra 2018/14/0040; 15.11.2018, Ro 2018/19/0004). Vor diesem Hintergrund der Prozessökonomie ist jedenfalls eine großzügige Auslegung des Familienbegriffes geboten. Die traditionelle moslemische Verehelichung im Iran ist daher als eine vor der Einreise bestandene Ehe iSd § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG zu qualifizieren. Der BF ist somit Familienangehöriger iSd § 2 Abs. 1 Z 22 iVm § 34 Abs. 2 AsylG.

Der BF ist nicht iSd § 2 Abs. 3 AsylG straffällig geworden. Gegen die Ehefrau des BF, der der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde, ist ein Verfahren zur Aberkennung dieses Status gemäß § 7 AsylG nicht anhängig.

3.3. Da im gegenständlichen Fall alle gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, war dem BF im Familienverfahren der Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 34 Abs. 2 AsylG zuzuerkennen.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Eine Revision gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch mangelt es an einer derartigen Rechtsprechung; sie ist auch nicht uneinheitlich. Die Entscheidung ergibt sich vielmehr unmittelbar aus der eindeutigen Rechtslage. Ferner liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Asylgewährung von Familienangehörigen Familienverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W241.2154379.1.00

Im RIS seit

16.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

16.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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