Entscheidungsdatum
19.05.2020Norm
AsylG 2005 §10Spruch
W254 2218620-1/15E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr.in Tatjana CARDONA über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Clemens Lahner, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.03.2019, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG in Verbindung mit §§ 3, 8, 10, 57 Asylgesetz 2005, § 9 BFA-VG und §§ 52, 55 FPG 2005 abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
XXXX (in Folge: beschwerdeführende Partei), ein iranischer Staatsangehöriger, stellte am 09.11.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen des Administrativverfahrens brachte die beschwerdeführende Partei im Wesentlichen vor, sich im Iran für das Christentum interessiert zu haben, bei einer Demonstration Fotos gemacht und diese veröffentlicht zu haben und mit der Tochter eines Offiziers eine geheime sexuelle Beziehung unterhalten zu haben. Sie sei von den iranischen Behörden festgenommen und gefoltert worden. Sie habe am 20.05.2018 den Entschluss gefasst den Iran zu verlassen und habe dann am 22.10.2018 den Iran verlassen.
Mit im Spruch bezeichneten Bescheid wurde der gegenständliche Antrag sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. Unter einem wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen die beschwerdeführende Partei eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass deren Abschiebung nach Iran zulässig sei sowie eine Frist für deren freiwillige Ausreise bestimmt.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, das Vorbringen sei nicht glaubhaft gemacht worden und handle es sich bei der Konversion zum Christentum um eine Scheinkonversion. Der Bescheid wurde der beschwerdeführenden Partei am 29.03.2020 zugestellt.
Mit am 17.04.2020 bei der Behörde eingebrachtem Schriftsatz wurde gegen den Bescheid Beschwerde erhoben.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich die belangte Behörde unzureichend mit den Angaben der beschwerdeführenden Partei auseinandergesetzt habe und eine nicht nachvollziehbare Beweiswürdigung vorgenommen habe.
Die Beschwerde wurde samt dem bezugnehmenden Verwaltungsakt am 09.05.2019 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt. Am 03.12.2019 wurde vom Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Farsi durchgeführt, in welcher die beschwerdeführende Partei angab, dass es ihr sehr gut gehe. Sie wurde ausführlich zu ihren Fluchtgründen, den persönlichen Umständen im Herkunftsstaat und der aktuellen Situation in Österreich befragt. Die beschwerdeführende Partei legte ein Empfehlungsschreiben von Frau XXXX vor, dass als Beilage A zum Akt genommen wurde sowie eine Bestätigung des Besuches des Deutschkurses A1/1 vor, die als Beilage B zum Akt genommen wurde. Die beschwerdeführende Partei gab an, dass im Verfahren vor dem BFA Fragen insbesondere zum Wissen über das Christentum nicht richtig übersetzt worden seien, die Fluchtgeschichte aus dem Iran sei aber korrekt protokolliert worden. Sie sei in der Zeit der Befragung vor dem BFA depressiv gewesen und es wäre ihr nicht gut gegangen. Der Einvernahmeleiter beim BFA habe sie schlecht behandelt.
Die erkennende Richterin brachte in der mündlichen Beschwerdeverhandlung das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019 als Beilage I. und die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation Iran, Meldung von Religionsaustritten, Social Media vom 14. Jun 2018 als Beilage II. ein und händigte der Rechtsvertretung der beschwerdeführenden Partei die Beilage II aus.
Der beschwerdeführenden Partei wurde eine Frist von 2 Wochen eingeräumt, zu den Länderberichten eine Stellungnahme abzugeben. Die belangte Behörde nahm an der Verhandlung teil. Im Rahmen der Verhandlung wurden auch die von der beschwerdeführenden Partei beantragten Zeugen, XXXX (Zeuge 1) und XXXX (Zeugin 2) befragt.
Am 16.12.2019 langte eine Stellungnahme der beschwerdeführenden Partei ein, in welcher auf den Umgang der iranischen Behörden mit Social Media Aktivitäten eingegangen wird und Postings auf Facebook von November und Dezember 2019 im Zusammenhang mit dem Christentum vorgelegt werden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die rechtzeitige und zulässige Beschwerde erwogen:
1. Feststellungen:
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens folgende Beweismittel der Beurteilung zugrunde gelegt:
- Der Akt der Behörde, insbesondere darin die Erstbefragung vor der Polizei, die niederschriftliche Einvernahme vor der belangten Behörde,
- die die in der mündlichen Verhandlung eingebrachten Länderberichte, auf die bereits teilweise mit der Ladung hingewiesen wurde, welche im Verfahrensgang beschrieben sind,
- der Inhalt der mündlichen Verhandlung am 03.12.2020,
- Sämtliche vorgelegte Beweismittel, insbesondere:
o Das Taufzertifikat vom 13.10.2019
o Die Bestätigung der Teilnahme an Bibelkursen vom 12.11.2019
o Die Unterstützungserklärung von Hr. und Frau XXXX vom 23.11.2019
o Empfehlungsschreiben von Frau XXXX
o Bestätigung der Teilnahme am Deutschkurs A1/1
- Einsichten in den Datenbanken (Zentrales Melderegister, Grundversorgungs-Informationssystem, Strafregisterauskunft etc.).
1.1. Die beschwerdeführende Partei ist ein volljähriger iranischer Staatsangehöriger, dessen Identität feststeht und der in Österreich unbescholten ist.
Die beschwerdeführende Partei ist rechtswidrig nach Österreich eingereist und hat - von ihrem asylrechtlichen Status abgesehen - kein Aufenthaltsrecht in Österreich, ihr kam ein solches Aufenthaltsrecht niemals zu.
Die beschwerdeführende Partei ist - abgesehen von zeitweise auftretenden Depressionen - gesund und arbeitsfähig.
1.2. Die beschwerdeführende Partei hat Iran aus Sicht der iranischen Behörden illegal verlassen, sie stammt aus XXXX in der Provinz XXXX . Sie hat eine 12-jährige Schulausbildung mit Matura absolviert. Die Eltern und Schwester der beschwerdeführenden Partei befinden sich noch im Iran und steht die beschwerdeführende Partei mit ihnen im regelmäßigen Kontakt.
Das Herkunftsgebiet der beschwerdeführenden Partei wird von den iranischen Behörden kontrolliert, es liegen dort keine kriegs- oder bürgerkriegsähnliche Zustände vor. Im Herkunftsgebiet der beschwerdeführenden Partei ist die Grundversorgung und die medizinische Versorgung gesichert.
Der beschwerdeführenden Partei droht wegen der illegalen Ausreise aus dem Iran, der gegenständlichen Antragstellung bzw. dem Aufenthalt im Ausland nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine behördliche Verfolgung.
1.3. Die beschwerdeführende Partei hat am 09.11.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, der mit im Spruch bezeichneten Bescheid hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wurde; unter einem wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung des Genannten in den Iran zulässig sei. Schließlich wurde über die Frist für die freiwillige Ausreise entschieden.
1.4. Die beschwerdeführende Partei wurde im Iran nicht festgenommen und gefoltert. Die beschwerdeführende Partei wurde nicht aufgrund von Fotos, die sie auf einer Demonstration angefertigt hat, von den iranischen Behörden geschlagen. Es kann nicht festgestellt werden, dass ein Freund von der beschwerdeführenden Partei auf einer Demonstration umgekommen ist.
Es kann nicht festgestellt werden, dass sie aufgrund einer außerehelichen Beziehung zu XXXX , mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit verfolgt werden würde.
Die beschwerdeführende Partei ist nicht ernstlich und aus innerem Entschluss zum Christentum konvertiert; bei der vorgebrachten Konversion handelt es sich um eine Scheinkonversion.
Die beschwerdeführende Partei hat einen Facebook-Account, lautend auf XXXX . Der Account ist öffentlich und wurde im Oktober 2019 eröffnet. Sie hat persische Texte mit teilweise Zitaten aus der Bibel und christlichen Motiven gepostet, wobei die meisten Einträge vom November 2019 sind. Am 01.12.2019 findet sich ein Eintrag mit einer Internet Petition gegen die iranische Regierung wegen der Ermordung des iranischen Volkes bei den jüngsten Protesten. Diese Beiträge hat die beschwerdeführende Partei nur gepostet, um ihre Erfolgsaussichten im Asylverfahren zu erhöhen und wurden diese Beiträge nicht aus einem ernstlichen, von einem inneren Entschluss getragenen Entschluss, zum Christentum zu gehören und dieses mit diesen Beiträgen fördern zu wollen, gepostet.
Die beschwerdeführende Partei ist in Iran vor ihrer Ausreise politisch und religiös unauffällig gewesen; es ist kein Grund zu erkennen, dass die iranischen Sicherheitsbehörden die Accounts der beschwerdeführenden Partei in sozialen Medien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit überwacht haben, auch wenn dies (zwar unwahrscheinlich aber) möglich ist.
1.5. Weder die Familie der beschwerdeführenden Partei noch andere Verwandte befinden sich in Österreich.
Die beschwerdeführende Partei spricht etwas Deutsch und hat einen Deutschkurs auf A1 Niveau besucht, sie hat in Österreich nie gearbeitet und bezieht hier - von der Grundversorgung abgesehen - kein Einkommen.
Die beschwerdeführende Partei ist in Österreich Mitglied in einem Musikverein, dessen Mitglieder sich einmal wöchentlich treffen. Sie übt keine gemeinnützigen Tätigkeiten aus. Ihre wichtigsten Bezugspersonen in Österreich sind Hr. und Fr. XXXX . Sie leben nicht in Österreich, haben aber ein Ferienhaus im XXXX . Sie verfügt auch über andere soziale Kontakte zu Österreichern, die sie unterstützen. Diese Beziehungen haben sich jedenfalls zu einem Zeitpunkt entwickelt, zu dem die Beteiligten um den prekären aufenthaltsrechtlichen Status der beschwerdeführenden Partei wussten.
1.6. Zur Lage im Iran:
Der Iran ist eine islamische Republik, deren Verfassung islamische und demokratische Elemente kennt, eine demokratische Verfassung im europäischen Sinn besteht aber nicht.
Die allgemeine Sicherheitslage ist mit Ausnahme der Provinzen Sistan-Belutschistan, Kurdistan und West-Aserbaidschan, in denen es immer wieder zu Konflikten zwischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppen und Anschlägen gegen die Sicherheitskräfte kommt, ruhig, wobei latente Spannungen bestehen.
Die Justiz untersteht in Einzelfällen massivem Einfluss der Sicherheitsbehörden, Gerichtsverfahren erfüllen internationale Standards nicht. Es kommt immer wieder zu willkürlichen Verhaftungen, insbesondere im Zusammenhang mit politischer Überzeugung und werden nach wie vor Körperstrafen, grausame und unmenschliche Strafen (zB. Peitschenhiebe, Amputationen) und die Todesstrafe angewandt.
Auffälliges Hören von (westlicher) Musik, die Äußerung einer eigenen Meinung zum Islam, gemeinsame Autofahrten junger nicht verheirateter Männer und Frauen, gemischtgeschlechtliche Partys oder das Verstoßen gegen Bekleidungsvorschriften kann den Unmut zufällig anwesender Basijs bzw. mit diesen sympathisierenden Personen hervorrufen. Es kann auch zu einem Verprügeln durch Basij kommen.
Bei Delikten, die im krassen Widerspruch zu islamischen Grundsätzen stehen, können jederzeit Körperstrafen ausgesprochen und auch exekutiert werden. Bereits der Besitz geringer Mengen von Alkohol kann zur Verurteilung zu Peitschenhieben führen (eine zweistellige Zahl an Peitschenhieben ist dabei durchaus realistisch).
Die häufigsten Fälle, für welche die Strafe der Auspeitschung durchgeführt wird, sind illegitime Beziehungen, außerehelicher Geschlechtsverkehr, Teilnahme an gemischtgeschlechtlichen Veranstaltungen, Drogendelikte und Vergehen gegen die öffentliche Sicherheit. Auch werden Auspeitschungen zum Teil öffentlich vollstreckt (ÖB Teheran 12.2018). Darüber hinaus gibt es Berichte, wonach politische Gefangene mit Elektroschocks gefoltert werden. Weitere berichtete Foltermethoden sind Verprügeln, Schlagen auf Fußsohlen und andere Körperteile, manchmal während die Häftlinge mit dem Kopf nach unten an der Decke aufgehängt waren, Verbrennungen mit Zigaretten und heißen Metallgegenständen, Scheinhinrichtungen (davon wissen praktisch alle politischen Gefangene aus eigener Erfahrung zu berichten), Vergewaltigungen - teilweise durch Mitgefangene - die Androhung von Vergewaltigung, Einzelhaft, Entzug von Licht, Nahrung und Wasser, und die Verweigerung medizinischer Behandlung (ÖB Teheran 12.2018).
Die Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs-, Versammlungs- und Religionsfreiheit sind weiterhin stark eingeschränkt. Die Behörden inhaftierten zahlreiche Personen, die friedlich Kritik geäußert hatten. Die Gerichtsverfahren waren in aller Regel unfair. Folter und andere Misshandlungen von Gefangenen sind noch immer an der Tagesordnung und bleiben straflos. Es werden weiterhin Auspeitschungen, Amputationen und andere grausame Körperstrafen vollstreckt. Die Behörden billigten, dass Menschen wegen ihres Geschlechts, ihres Glaubens, ihrer politischen Überzeugung, ethnischen Zugehörigkeit, sexuellen Orientierung, Geschlechtsidentität oder einer Behinderung in starkem Maße diskriminiert und Opfer von Gewalt wurden. Hunderte Menschen wurden hingerichtet, einige von ihnen in der Öffentlichkeit. Tausende saßen weiterhin in den Todeszellen, darunter Personen, die zur Tatzeit noch minderjährig waren. Ende Dezember 2017 gingen Tausende Menschen auf die Straße, um gegen Armut, Korruption und politische Unterdrückung zu protestieren. Es waren die größten Kundgebungen gegen die iranische Führung seit 2009 (AI 22.2.2018). Bei diesen landesweiten Protesten wurden ca. 4.900 Personen verhaftet und mindestens 21 Personen wurden bei Auseinandersetzungen mit den Sicherheitsbehörden während der Demonstrationen getötet (FH 4.2.2019). Human Rights Watch spricht von 30 Getöteten, einschließlich Sicherheitskräften. Glaubwürdige Untersuchungen in Bezug auf die getöteten Demonstranten oder in Bezug auf die übermäßige Gewaltanwendung wurden nicht unternommen. Die Behörden wendeten sich verstärkt dem friedlichen Aktivismus zu und nahmen Anwälte und Menschenrechtsverteidiger fest, die nun mit Anklagen konfrontiert sind, die zu langen Gefängnisstrafen führen können (HRW 17.1.2019).
Wie 2013 versprach Rohani auch im Wahlkampf 2017, die Bürgerrechte und die Meinungsfreiheit zu stärken. In seiner ersten Amtszeit von 2013-17 konnte die Regierung den Erwartungen nach einer Liberalisierung im Innern allerdings nicht gerecht werden. Die Menschenrechtslage in Iran bleibt fünf Jahre nach Amtsantritt einer gemäßigten Regierung trotz gradueller Verbesserungen im Bereich der Kunst- und Pressefreiheit nahezu unverändert kritisch. Regimegegner sowie religiöse und ethnische Minderheiten sind nach wie vor regelmäßig Opfer staatlicher Repressionen. Beunruhigend ist die hohe Anzahl an Hinrichtungen, die jedoch aufgrund einer Änderung im Drogengesetz 2018 niedriger lag als in den Vorjahren (AA 15.2.2019a).
Meinungs- und Pressefreiheit
Die iranische Verfassung garantiert zwar Meinungs- und Pressefreiheit, aber nur insoweit Aussagen nicht "schädlich" für die grundlegenden Prinzipien des Islams oder die "Rechte der Öffentlichkeit" sind (ÖB Teheran 12.2018, vgl. US DOS 13.3.2019). In der Praxis sehen sich Meinungs- und Pressefreiheit mit starken Einschränkungen konfrontiert (AA 12.1.2019, vgl. BTI 2018, AI 22.2.2018, US DOS 13.3.2019) und Behörden nutzen das Gesetz, um Personen, die die Regierung direkt kritisieren oder menschenrechtliche Probleme ansprechen, einzuschüchtern und strafrechtlich zu verfolgen (US DOS 13.3.2019). So spiegelt zwar die iranische Presselandschaft eine gewisse Bandbreite unterschiedlicher Positionen innerhalb des politischen Spektrums wider, geprägt wird sie dennoch von einer Vielzahl höchst wandelbarer, da nicht schriftlich fixierter "roter Linien" des Revolutionsführers. Bei Abweichungen drohen Verwarnungen, Publikationsverbote, strafrechtliche Sanktionen etwa wegen "Propaganda gegen das System" bis hin zum Verbot von Medien, sowohl von reformorientierten wie auch von konservativen Zeitungen (AA 12.1.2019). "Propaganda gegen den Staat" ist mit einer einjährigen Freiheitsstrafe sanktioniert, wobei "Propaganda" nicht definiert ist. Zeitungen und Medien sind daher stets der Gefahr ausgesetzt, bei regierungskritischer oder für hohe Regimevertreter unliebsamer Berichterstattung geschlossen zu werden - dies gilt auch für Regimemedien. Oft werden in diesem Zusammenhang die
Zeitungsherausgeber verhaftet (ÖB Teheran 12.2018). Mitarbeiter von ausländischen Presseagenturen (insbesondere kritische farsisprachige Medien wie BBC, DW oder Voice of America) sowie unabhängige Journalisten sind Berichten zufolge oft mit Verzögerungen bei der Gewährung der Presselizenz durch die iranischen Behörden, Verhaftungen, körperlicher Züchtigung sowie Einschüchterung ihrer Familienmitglieder konfrontiert (ÖB Teheran 12.2018, vgl. AA 12.1.2019). Insbesondere im Zusammenhang mit politischen Ereignissen, wie z.B. Wahlen, war in den letzten Jahren immer wieder ein verstärktes Vorgehen gegen Journalisten zu beobachten. Meist werden dabei unverhältnismäßig hohe Strafen wegen ungenau definierter Anschuldigungen wie etwa "regimefeindliche Propaganda" verhängt (ÖB Teheran 12.2018).
Für Funk- und Fernsehanstalten besteht ein staatliches Monopol. Der Empfang ausländischer Satellitenprogramme ist ohne spezielle Genehmigung untersagt, wenngleich weit verbreitet. Die Behörden versuchen, dies durch den Einsatz von Störsendern (sogenanntes Jamming) zu unterbinden. Ebenso werden oppositionelle Webseiten und eine Vielzahl ausländischer Nachrichtenseiten sowie soziale Netzwerke durch iranische Behörden geblockt (AA 12.1.2019, vgl. FH 4.2.2019). Ihr Empfang ist jedoch mithilfe von VPN (Virtual Private Networks) möglich, wird aber "gefiltert" bzw. mitgelesen und regelmäßig auch gestört. Das Vorgehen der Behörden gegen reformorientierte Medien erstreckt sich auch auf das Internet. Jeder, der sich regimekritisch im Internet äußert, läuft Gefahr, mit dem Vorwurf konfrontiert zu werden, einen "Cyber-Krieg" gegen das Land führen zu wollen. Die Überwachung persönlicher Daten ist grundsätzlich nur mit Gerichtsanordnung möglich, außer die nationale Sicherheit ist betroffen (AA 12.1.2019).
Unabhängigen Journalisten können Verhaftungen, Strafverfolgung und Inhaftierungen drohen. Im Juli und August 2018 wurden mindestens sechs Journalisten der Nachrichtenseite Majzooban-e- Noor wegen ihrer Berichterstattung über die Februarproteste von Mitgliedern des sufi¬muslimischen Ordens Nematollahi Gonabadi zu Gefängnisstrafen von 7 bis 26 Jahren verurteilt (FH 4.2.2019). Die Behörden gestatten es nicht, das Regierungssystem, den Obersten Führer oder die Staatsreligion öffentlich zu kritisieren. Sicherheitsbehörden bestrafen jene, die diese Einschränkungen verletzen oder den Präsidenten, das Kabinett oder das Parlament öffentlich kritisieren (US DOS 13.3.2019).
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition
Die Ausübung der verfassungsrechtlich garantierten Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit steht für öffentliche Versammlungen unter einem Genehmigungsvorbehalt. Entsprechend finden Versammlungen der Opposition nicht statt. Demgegenüber stehen Demonstrationen systemnaher Organisationen wie des Basij-Studentenwerks, zu deren Teilnahme Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung sowie Schüler und Studenten teilweise verpflichtet werden. Ebenfalls ist eine unabhängige gewerkschaftliche Betätigung nicht möglich, denn auch gewerkschaftliche Aktivitäten werden zum Teil mit dem Vorwurf der "Propaganda gegen das Regime" und "Handlungen gegen die nationale Sicherheit" verfolgt (AA 12.1.2019). Das Streikrecht hingegen ist prinzipiell gewährleistet (AA 12.1.2019), jedoch können streikende Arbeiter von Entlassung und Verhaftung bedroht sein (FH 4.2.2019). Nach den Ende Dezember 2017 ausgebrochenen Protestdemonstrationen im ganzen Land nahmen Behörden zahlreiche Menschen fest. Berichten zufolge gingen Sicherheitskräfte mit Schusswaffen und anderer exzessiver Gewaltanwendung gegen Protestierende vor und verletzten und töteten unbewaffnete Demonstrierende. Zahlreiche friedliche Regierungskritiker (Oppositionelle, Journalisten, Blogger, Studierende etc.) wurden aufgrund von vage formulierten Anklagen, die sich auf die nationale Sicherheit bezogen, inhaftiert (AA 12.1.2019). Seit diesen Protesten im Dezember 2017 haben die Behörden das Recht auf friedliche Versammlung systematisch verletzt (HRW 17.1.2019).
Vereinigungen auf Arbeitnehmerseite werden misstrauisch beobachtet. Es gibt keine Betätigungsmöglichkeit für unabhängige Gewerkschaften. Erlaubt sind nur "Islamische Arbeitsräte" unter der Aufsicht des "Haus der Arbeiter" (keine unabhängige Institution) (ÖB Teheran 12.2018). Mitglieder und Gründer unabhängiger Gewerkschaftsgruppierungen wie etwa die Teheraner Busfahrergewerkschaft, die Zuckerrohrarbeitergewerkschaft oder die Lehrergewerkschaft wurden in den letzten Jahren zunehmend häufig verhaftet, gefoltert und bestraft (ÖB Teheran 12.2018, vgl. FH 4.2.2019). Seit Anfang 2018 sind auch Umweltaktivisten von Verfolgung bedroht. Unter dem Vorwurf der (mitunter "unbewussten") Spionage im Umfeld von atomaren Einrichtungen wurden seit Jänner 2018 mehrere Dutzend Personen inhaftiert. Eine Untersuchung der Regierung hat die Inhaftierten im Mai entlastet, die Freilassung obliegt jedoch der Judikative (ÖB Teheran 12.2018).
In Iran gibt es keine politischen Parteien mit vergleichbaren Strukturen westlich-demokratischer Prägung (ÖB Teheran 12.2018, vgl. GIZ 3.2019a). Auch im Parlament existiert keine, mit europäischen Demokratien vergleichbare, in festen Fraktionen organisierte parlamentarische Opposition. Die entscheidenden Konfliktlinie im iranischen Parlament liegt aktuell zwischen den Rohani-Loyalen (Reformern und Moderaten) einerseits und den Anhängern der Revolutionstreuen (Parlamentspräsident Ali Larijani, Oberster Führer Khamenei) andererseits, bisweilen kommen aber auch andere Gegensätze zum Tragen. Der Spielraum für die außerparlamentarische Opposition wird vor allem durch einen Überwachungsstaat eingeschränkt, was die Vernetzung oppositioneller Gruppen extrem riskant macht (Einschränkung des Versammlungsrechts, Telefon- und Internetüberwachung, Spitzelwesen, Omnipräsenz von Basij-Vertretern u.a. in Schulen, Universitäten sowie Basij-Sympathisanten im öffentlichen Raum, etc.) (ÖB Teheran 12.2018, vgl. AA 12.1.2019). Viele Anhänger der Oppositionsbewegungen wurden verhaftet, haben Iran verlassen oder sind nicht mehr politisch aktiv. Ohne entsprechende Führung und angesichts umfassender Überwachung der Kommunikationskanäle spielen die verbleibenden Oppositionellen kaum eine Rolle (AA 12.1.2019). Die Verfassung lässt die Gründung politischer Parteien, von Berufsverbänden oder religiösen Organisation so lange zu, als sie nicht gegen islamische Prinzipien, die nationale Einheit oder die Souveränität des Staates verstoßen und nicht den Islam als Grundlage des Regierungssystems in Frage stellen. Hinzu kommen immer wieder verhängte drakonische Strafen aufgrund diffuser Strafrechtstatbestände ("regimefeindliche Propaganda", "Beleidigung des Obersten Führers" etc.). Darüber hinaus werden Angehörige der außerparlamentarischen Opposition immer wieder unter anderen Vorwürfen festgenommen. An sich gäbe es ein breites Spektrum an Ideologien, die die Islamische Republik ablehnen, angefangen von den Nationalisten bis hin zu Monarchisten und Kommunisten. Eine markante Führungspersönlichkeit fehlt bei sämtlichen oppositionellen Gruppierungen (ÖB Teheran 12.2018).
Die Oppositionsführer Mehdi Karroubi und Mir Hossein Mussawi sowie dessen Ehefrau Zahra Rahnavard standen noch immer ohne Anklage oder Gerichtsverfahren unter Hausarrest, der 2011 gegen sie verhängt worden war (AI 22.2.2018, vgl. BTI 2018, ÖB Teheran 12.2018).
Religionsfreiheit
99% der Bevölkerung gehören dem Islam (Staatsreligion) an. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% Sunniten, der Rest Christen, Juden, Zoroastrier, Bahá'í, Sufis und kleinere religiöse Gruppen. Etwa 100.000 bis 300.000 - vornehmlich armenische - Christen leben in Iran, hauptsächlich in Teheran und Isfahan. Die in der iranischen Verfassung anerkannten "Buchreligionen" (Christen, Juden, Zoroastrier) dürfen ihren Glauben relativ frei ausüben, allerdings kann jegliche Missionstätigkeit als "mohareb" (Krieg gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden und werden anerkannte religiöse Minderheiten - Zoroastrier, Juden, armenische und assyrische Christen - diskriminiert, nicht anerkannte nicht-schiitische Gruppen (Bahá'í, konvertierte evangelikale Christen, Sufi, Atheisten) in unterschiedlichem Grad verfolgt.
Das Recht, eine Religion zu wechseln oder aufzugeben, wird weiterhin verletzt. Personen, die zum Christentum übergetreten waren, erhielten hohe Gefängnisstrafen (10 bis 15 Jahre). Es gab weiterhin Razzien in Hauskirchen. Personen, die sich zum Atheismus bekannten, konnten jederzeit willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und misshandelt werden. Sie liefen Gefahr, wegen "Apostasie" (Abfall vom Glauben) zum Tode verurteilt zu werden. Unter besonderer Beobachtung stehen hauskirchliche Vereinigungen, deren Versammlungen regelmäßig aufgelöst und deren Angehörige gelegentlich festgenommen werden. Muslimische Konvertiten und Mitglieder protestantischer Freikirchen sind willkürlichen Verhaftungen und Schikanen ausgesetzt. Apostasie (Abtrünnigkeit vom Islam) ist verboten und mit langen Haftstrafen bis zur Todesstrafe bedroht. Im iranischen Strafgesetzbuch ist der Tatbestand zwar nicht definiert, die Verfassung sieht aber vor, dass die Gerichte in Abwesenheit einer definitiven Regelung entsprechend der islamischen Jurisprudenz zu entscheiden haben. Dabei folgen die Richter im Regelfall einer sehr strengen Auslegung auf Basis der Ansicht von konservativen Geistlichen wie Staatsgründer Ayatollah Khomenei, der für die Abkehr vom Islam die Todesstrafe verlangte.
Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel "moharebeh" ("Waffenaufnahme gegen Gott"), "Verdorbenheit auf Erden", oder "Handlungen gegen die nationale Sicherheit". Bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie einer bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Christliche Konvertiten werden normalerweise nicht wegen Apostasie bestraft, sondern solche Fälle als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit angesehen und vor den Revolutionsgerichten verhandelt, Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Für Konversion wurde in den letzten zehn Jahren keine Todesstrafe ausgesprochen, allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt. Es kann zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass auch ein im Ausland Konvertierter in Iran wegen Apostasie verfolgt wird, die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und in den Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab.
Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung; wenn der Konversion andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder Unterricht anderer Personen im Glauben, kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen. Auch konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, sind für die Behörden mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht von Interesse; wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, ist eine Rückkehr nach Iran kein Problem, wenn aber ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook, berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein wird nicht zu einer Verfolgung führen. Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, steht nicht fest.
Grundversorgung
Die Grundversorgung ist im Iran gesichert, wozu neben staatlichen Hilfen auch das islamische Spendensystem beiträgt, es besteht kostenfreie Bildung und Gesundheitsversorgung, wobei 98% aller Iraner Zugang zu ärztlicher Versorgung haben. Die Qualität ist in Teheran und den großen Städten ausreichend bis gut, jedoch in vielen Landesteilen ist sie nicht vergleichbar mit europäischem Standard. Obwohl primäre Gesundheitsdienstleistungen kostenlos sind müssen durchschnittlich 55% der Gesundheitsausgaben in bar bezahlt werden. In zahlreichen Apotheken sind die meisten auch in Europa gebräuchlichen Medikamente zu kaufen und nicht sehr teuer.
Sozialbeihilfen und medizinische Versorgung
Kostenfreie Bildung und Gesundheitsversorgung sind als Teil des Sozialwesens für alle iranischen Bürger gewährleistet. Weitere Leistungen können vom Arbeitgeber angeboten werden (IOM 2018).
Für schutzbedürftige Gruppen im Iran gibt es zwei Arten von Zentren: Öffentliche und private. Die öffentlichen Einrichtungen sind in der Regel überlaufen und es gibt lange Wartezeiten, weshalb Personen, die über die nötigen Mittel verfügen sich oft an kleinere spezialisierte private Zentren wenden. Die populärste Organisation ist BEHZISTI, welche Projekte zu Genderfragen, alten Menschen, Behinderten (inklusive psychischer Probleme) ethnischer und religiöser Minderheiten, etc. anbietet. Außerdem werden Drogensüchtige, alleinerziehende Mütter, Personen mit Einschränkungen etc. unterstützt. Zu den Dienstleistungen zählen unter anderem Sozio- psychologische Betreuung, Beratungsgespräche, Unterkünfte, Rehabilitationsleistungen etc. Es gibt einige Zentren unter Aufsicht der BEHZISTI Organisation, welche Personen in Not Hilfe gewähren. Solche Leistungen sind kostenfrei. Aufgrund der hohen Nachfrage und einiger Beschränkungen bevorzugen viele zahlungspflichtige private Zentren (IOM 2018).
Im Gesundheitswesen zeigt sich ein Stadt-Land-Gefälle. Zwar ist es fast flächendeckend - laut WHO haben 98% aller Iraner Zugang zu ärztlicher Versorgung (100% in Städten, 95% auf dem Land), aber die Qualität schwankt (GIZ 3.2019c). Die spezialisierte, medizinische Versorgung ist in weiten Landesteilen medizinisch, hygienisch, technisch und organisatorisch nicht auf der Höhe der Hauptstadt und nicht vergleichbar mit europäischem Standard. In Teheran ist die medizinische Versorgung in allen Fachdisziplinen meist auf einem recht hohen Niveau möglich (AA 29.4.2019a). Auch wenn der Zugang zu gesundheitlicher Erstversorgung größtenteils gewährleistet ist, gibt es dennoch gravierende Qualitätsunterschiede einzelner Regionen. Zum Beispiel liegt der Unterschied der Lebenserwartung im Vergleich mancher Regionen bei bis zu 24 Jahren. Folgende sieben Provinzen weisen eine niedrigere Qualität als die Referenz-Provinz Teheran auf: Gilan, Hamadan, Kermanschah, Khuzestan, Tschahar Mahal und Bachtiyari, Süd-Khorasan sowie Sistan und Belutschistan. Politische Reformen wurden bereits unternommen, um einen gleichmäßigeren Zugang zu Gesundheitsdiensten zu schaffen. Nichtsdestotrotz gibt es noch eine Vielzahl an Haushalten, die sich keine ausreichende gesundheitliche Versorgung leisten können. Gesundheitsdienste sind geographisch nicht nach Häufigkeit von Bedürfnissen, sondern eher nach Wohlstand verteilt (ÖB Teheran 12.2018).
Seit der islamischen Revolution hat sich das iranische Gesundheitssystem konstant stark verbessert. Die iranische Verfassung sichert jedem Staatsbürger das Recht zu, den jeweiligen höchst erreichbaren Gesundheitszustand zu genießen. Die Verwirklichung dieses Zieles obliegt dem Ministerium für Gesundheit und medizinische Ausbildung. Jede Provinz beheimatet mindestens eine medizinische Universität. Neben dem zuständigen Ministerium und den Universitäten gibt es auch Gesundheitsdienstleister des privaten Sektors und NGOs. Diese bedienen jedoch eher die sekundäre und tertiäre Versorgung, während die Primär-/Grundversorgung (z.B. Impfungen, Schwangerschaftsvorsorge) staatlich getragen wird. Notfallhilfe bei Natur- oder menschlich verursachten Katastrophen wird durch den gut ausgestatteten und flächendeckend organisierten iranischen Roten Halbmond besorgt (ÖB Teheran 12.2018). In jedem Bezirk gibt es Ärzte sowie Kliniken, die dazu verpflichtet sind Notfälle zu jeder Zeit aufzunehmen. In weniger dringenden Fällen sollte der Patient zunächst sein Gesundheitscenter kontaktieren und einen Termin vereinbaren (IOM 2018).
Die medizinische Grundversorgung basiert auf ca. 19.000 ländlichen Gesundheitshäusern, die von jeweils einem männlichen und einer weiblichen "Behvarz" (Gesundheitspersonal, das nach der regulären elfjährigen Schulbildung zwei Jahre praktisch und theoretisch ausgebildet wird) geleitet werden. Jedes dieser Gesundheitshäuser ist für Gesundheitsvorsorge (u.a. Impfungen, Betreuung von Schwangerschaften) und für durchschnittlich 1.500 Personen zuständig, wobei die Qualität der Versorgung als zufriedenstellend beurteilt wird, und mehr als 85% der ländlichen Bevölkerung in dieser Weise "nahversorgt" werden (In Städten übernehmen sog. "Gesundheitsposten" in den Bezirken die Aufgabe der ländlichen Gesundheitshäuser) (ÖB Teheran 12.2018, vgl. IOM 2018). Auf der nächsten Ebene sind die ländlichen Gesundheitszentren (ca. 3.000 landesweit) zu finden, die jeweils von einem Allgemeinmediziner geleitet werden. Sie überwachen und beraten die Gesundheitshäuser, übernehmen ambulante Behandlungen und übergeben schwierigere Fälle an ca. 730 städtische, öffentliche Krankenhäuser, die in jeder größeren Stadt zu finden sind (ÖB Teheran 12.2018). 90% der Bevölkerung in ländlichen als auch ärmeren Regionen hat Zugang zu essenziellen Gesundheitsdienstleistungen (IOM 2018).
Dem Gesundheitsministerium ist auch die Verantwortung für Sozialhilfe und Versicherungswesen übertragen (ÖB Teheran 12.2018, vgl. IOM 2018). Es gibt verschiedene Versicherungsträger, welche alle dem im Sozialministerium angesiedelten "Hohen Versicherungsrat" (HIC) unterstehen, der die Versicherungspolitik plant, koordiniert, durchführt und überwacht. Ein Hauptversicherer ist die "Organisation für Sozialversicherung" (SSIO). Alle Arbeitgeber und -nehmer zahlen in dessen System ein und erhalten dafür gewisse Unterstützungsleistungen. Viele Kliniken und Spitäler dieser Organisation befinden sich in städtischen Gegenden. Die "Organisation für die Versicherung medizinischer Dienste" (MSIO) wurde 1994 gegründet, um Beamte und alle Personen, die nicht von anderen Versicherungsorganisationen berücksichtigt wurden, zu versichern. Dadurch stieg die Anzahl an Versicherten in Iran von 40% in 1994 auf 90% in 2010. Für anerkannte Flüchtlinge wurde eine eigene Versicherungsorganisation geschaffen. Daneben kümmern sich
Wohltätigkeitsorganisationen, u.a. die "Imam Khomeini Stiftung", um nicht versicherte Personen, etwa Mittellose oder nicht anerkannte Flüchtlinge, wobei letztere kaum Chancen auf eine gute Gesundheitsversorgung haben (ÖB Teheran 12.2018). Die Kosten für Krankenhäuser werden unter anderem dadurch gesenkt, indem die Versorgung des Kranken mit Dingen des täglichen Bedarfs, etwa Essen, immer noch weitestgehend seiner Familie zufällt (GIZ 3.2019c).
Obwohl primäre Gesundheitsdienstleistungen kostenlos sind, und die Staatsausgaben für das Gesundheitswesen erheblich zugenommen haben, müssen durchschnittlich 55% der Gesundheitsausgaben von den versicherten Personen in bar direkt an die
Gesundheitsdienstleister entrichtet werden ("Out-of-pocket expenditure" ohne staatliche oder von Versicherungen unterstützte Hilfeleistungen), sei es bei staatlichen oder größtenteils privaten sekundären oder tertiären Einrichtungen (ÖB Teheran 12.2018).
Die Regierung versucht kostenfreie medizinische Behandlung und Medikamentenversorgung für alle Iraner zu gewährleisten. Es gibt zwei verschiedene Krankenversicherungen: entweder durch die Arbeit oder privat. Beide gehören zur staatlichen iranischen Krankenversicherung TAMIN EJTEMAEI. Kinder sind zumeist durch die Krankenversicherung der Eltern abgedeckt (IOM 2018).
Versicherung durch Arbeit:
Regierungsangestellte profitieren vom kostenfreien Zugang zur staatlichen Krankenversicherung. Private Firmen decken die Unfallversicherung für ihre eigenen Mitarbeiter.
Private Versicherung:
Mit Ausnahme von Regierungsangestellten müssen sich alle iranischen Bürger selbst privat versichern, wenn deren Arbeitgeber dies nicht bereits erledigen. Um die Versicherung zu erhalten, sind eine Kopie der iranischen Geburtsurkunde, ein Passfoto und eine komplette medizinische Untersuchung notwendig.
Salamat Versicherung:
Diese neue Versicherung wird vom Ministerium für Gesundheit angeboten und deckt bis zu 90% der Behandlungskosten. Die Registrierung erfolgt online unter: http://www.bimesalamat.ir/isc/ISC.html. Die Registrierung erfordert eine geringe Gebühr (IRR20.000). Pro Jahr sollten 2,640.000 IRR vom Begünstigten eingezahlt werden. Es gibt Ärzte und private Zentren, die eine öffentliche und/oder SALAMAT-Versicherung akzeptieren, um einen Teil der Ausgaben zu decken. Um zu 90% abgedeckt zu sein, muss man sich auf staatliche bzw. öffentliche Krankenhäuser und Zentren beziehen. TAMIN EJTEMAEI Krankenhäuser decken 100% der versicherten Kunden ab (IOM 2018).
Zugang speziell für Rückkehrer
Alle iranischen StaatsbürgerInnen inklusive Rückkehrende haben Anspruch auf grundlegende Gesundheitsleistungen (PHC) sowie weitere Angebote. Es gibt, wie bereits oben beschrieben, zwei verschiedene Arten von Krankenversicherung: Versicherung über den Arbeitsplatz oder private Versicherung. Beide werden von der öffentlichen Versicherung im Iran TAMIN EJTEMAEI verwaltet. Die Anmeldung erfolgt über www.tamin.ir/. Die Leistungen variieren dabei je nach gewähltem Versicherungsschema. Informationen zu verschiedenen Varianten erhält man bei der Anmeldung. Notwendige Dokumente: Eine Kopie des iranischen Geburtszertifikats, ein Passfoto, und ein vollständiges medizinisches Check-up sind notwendig. Weitere Dokumente können noch verlangt werden. Zuschüsse hängen von der gewählten Versicherung des Klienten ab, über die er/ sie während der Registrierung ausführlich informiert wird. Jegliche Kosten werden vom Arbeitgeber getragen, sobald die Person eine Arbeit in Iran aufnimmt. Andernfalls müssen die Kosten selber getragen werden (IOM 2018).
Im Zuge der aktuellen Sanktionen gegen den Iran ist es zu gelegentlichen Engpässen beim Import von speziellen Medikamentengruppen gekommen. Im Generellen gibt es aber keine ernsten Mängel an Medizin, FachärztInnen oder Equipment im öffentlichen Gesundheitssystem des Iran. Pharmazeutika werden zumeist unter Führung des Gesundheitsministeriums aus dem Ausland importiert. Zusätzlich gibt es einen privaten Sektor mit variierenden Preisen, für BürgerInnen die Privatkrankenhäuser und Spezialleistungen in Anspruch nehmen wollen. Diese finden sich vor allem in den größeren Städten. Die öffentlichen Einrichtungen bieten zwar grundsätzlich fast alle Leistungen zu sehr niedrigen Preisen an, aber aufgrund langer Wartezeiten und überfüllter Zentren, entscheiden sich einige für die kostenintensivere Behandlung bei privaten Gesundheitsträgern (IOM 2018).
Zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus:
COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die sich als Pandemie weltweit verbreitet hat. Im Iran wurden mit Stand 18.05.2020, 120.198 Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, wobei 6988 Todesfälle bestätigt wurden.
Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind.
Besonders gefährdet sind Menschen über 65, Personen mit chronischen Atemwegserkrankungen, erhöhtem Blutdruck, Herzkreislauferkrankungen oder Diabetes und solche, deren Immunsystem durch eine Therapie geschwächt ist. Bei diesen Personen kann Covid-19 einen lebensbedrohenden Verlauf nehmen.
2. Beweiswürdigung:
2.2. Die Feststellungen zu 1.1. ergeben sich aus der unbedenklichen Aktenlage und den vorgelegten Dokumenten der beschwerdeführenden Partei sowie aus der in das Verfahren eingeführten Strafregisterauskunft.
Die Feststellungen zur Gesundheit und Arbeitsfähigkeit der beschwerdeführenden Partei ergeben sich aus seiner Aussage vor dem Bundesverwaltungsgericht, gesund zu sein; zu den Feststellungen, dass die beschwerdeführende Partei zeitweise unter Depressionen leidet, ist festzuhalten, dass es durchaus nachvollziehbar ist, dass das Verlassen des Heimatlandes und der unsichere Status in Österreich zu Depressionen führen kann. Die beschwerdeführende Partei gibt in der mündlichen Beschwerdeverhandlung aber explizit an, dass es ihr [heute] sehr gut gehe (Verhandlungsprotokoll OZ 12, S. 4) und dass sie sich nicht in ärztlicher Behandlung befinde und nochmals in der mündlichen Verhandlung, dass es ihr gesundheitlich gut gehe (Verhandlungsprotokoll S. 9). Diese Aussage deckt sich auch mit dem Eindruck aus der mündlichen Beschwerdeverhandlung. Aus dem Alter und der grundsätzlichen Gesundheit ist auf die Arbeitsfähigkeit der beschwerdeführenden Partei zu schließen.
2.3. Die Feststellungen zu 1.2. ergeben sich hinsichtlich der Feststellung, dass die beschwerdeführende Partei Iran aus Sicht der iranischen Behörden illegal verlassen hat, aus der Aktenlage und den Angaben der beschwerdeführenden Partei.
Hinsichtlich des Herkunftsgebietes ist auf die diesbezüglich unwidersprochenen Angaben der beschwerdeführenden Partei vor dem Bundesamt und hinsichtlich der Sicherheitslage und der Kontrolle des Herkunftsgebietes auf das Länderinformationsblatt zu verweisen.
Da dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, das in das Verfahren eingeführt wurde, diesbezüglich nicht entgegengetreten worden ist, geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass die Sicherheitslage jedenfalls außerhalb der Provinzen Sistan-Belutschistan, Kurdistan und West-Aserbaidschan hinreichend stabil und jedenfalls nicht kriegs- oder bürgerkriegsähnlich ist. Auch ergibt sich aus dem Länderinformationsblatt, dass im Herkunftsgebiet der beschwerdeführenden Partei die Grundversorgung gesichert ist. Hinsichtlich der Feststellung, der beschwerdeführenden Partei drohe wegen der rechtswidrigen Ausreise, der gegenständlichen Antragstellung bzw. dem Aufenthalt im Ausland der beschwerdeführenden Partei nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit behördliche Verfolgung, ist auf das Länderinformationsblatt zu verweisen; dieses führt hinsichtlich der Rückkehr nach Iran - soweit entscheidungsrelevant - aus, dass allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt habe, bei der Rückkehr keine staatlichen Repressionen auslöse. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem könne es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Bisher sei kein Fall bekannt geworden, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert worden seien. Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen hätten, könnten von den iranischen Auslandsvertretungen ein Passersatzpapier bekommen und in den Iran zurückkehren. Zum Thema Rückkehrer gebe es kein systematisches Monitoring das allgemeine Rückschlüsse auf die Behandlung von Rückkehrern zulassen würde. In Einzelfällen habe im Falle von Rückkehrern aus Deutschland festgestellt werden können, dass diese bei niederschwelligem Verhalten und Abstandnahme von politischen Aktivitäten, mit Ausnahme von Einvernahmen durch die iranischen Behörden unmittelbar nach der Einreise, keine Repressalien zu gewärtigen hätten.
Da dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, das in das Verfahren eingeführt wurde, diesbezüglich nicht entgegengetreten worden ist, geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass im gegenständlichen Fall kein reales Risiko im Falle der Rückkehr besteht.
2.4. Die Feststellungen zu 1.3. ergeben sich aus der undenklichen Aktenlage.
2.5. Zu den Fluchtgründen:
2.5.1. Eingangs ist zur Glaubwürdigkeit zu sagen, dass das Vorbringen der beschwerdeführenden Partei sich im Laufe des Verfahrens mehrfach veränderte und oft durcheinander geschildert wurde. Sowohl in Details als auch in den Schwerpunkten bezüglich des Fluchtgrundes unterscheiden sich die Erzählungen. Auch in der mündlichen Beschwerdeverhandlung war die beschwerdeführende Partei nicht in der Lage ein stringentes und übereinstimmendes Vorbringen zu erstatten. In der Erstbefragung behauptete die beschwerdeführende Partei, sie sei von den iranischen Behörden festgenommen, geschlagen und gefoltert worden (Bescheid S. 3). In der niederschriftlichen Einvernahme war im Gegensatz dazu nur noch davon die Rede, dass die beschwerdeführende Partei geschlagen wurde (Bescheid S. 10). In der mündlichen Beschwerdeverhandlung war auch nicht von Foltern die Rede, sondern brachte die beschwerdeführende Partei vor, dass sie geschlagen worden wäre und neu, dass ihre Kamera kaputt gemacht wurde. Obwohl sie nichts von einer Festnahme erzählt, führt sie aus, dass die Teilnehmer sie befreit hätten und ihr geholfen hätten (Verhandlungsprotokoll OZ 12, S. 18). Auf Nachfrage der Richterin, antwortet die beschwerdeführende Partei ausweichend und unkooperativ (R: Was ist da genau passiert? BF: Was wollen Sie noch wissen? Sie haben mich geschlagen und meine Kamera kaputt gemacht. Die Teilnehmer haben mich befreit und mir geholfen.). Die explizite Frage, ob die beschwerdeführende Partei festgenommen worden sei, verneinte sie (Verhandlungsprotokoll OZ 12, S. 20).
Auch die Erzählungen zur Entlassung vom Militärdienst sind unterschiedlich geschildert. In der niederschriftlichen Einvernahme behauptet die beschwerdeführende Partei anfangs noch, dass sie wegen ihrer Internetaktivitäten im Zusammenhang mit dem Christentum entlassen wurde (Bescheid S. 10). In derselben Einvernahme sagte sie aber wiederum, dass ihr keiner beweisen konnte, sondern sie nur vermuteten, dass sie sich für das Christentum interessiere (Bescheid S. 11). Auf nähere Nachfrage zum Instagram Account, auf welchem die beschwerdeführende Partei behauptet hat, christliche Inhalte zu posten, sagte sie, dass sie alles gelöscht hätte (Verhandlungsprotokoll OZ 12, S. 16).
In der mündlichen Beschwerdeverhandlung äußert sich die beschwerdeführende Partei vorerst überhaupt nicht zu ihrem Militärdienst als sie zu ihren Fluchtgründen befragt wird. Erst auf Nachfrage, ob die Flucht aus dem Iran auch etwas mit dem Militärdienst zu tun habe, antwortet die beschwerdeführende Partei plötzlich, dass sie im Gefängnis war und antwortet auf die Fragen dazu aber vage und nicht nachvollziehbar. Die Internetaktivitäten und der Konnex zum Militärdienst werden nicht erwähnt (vgl. Verhandlungsprotokoll OZ 12, S. 19).
In der mündlichen Beschwerdeverhandlung bringt überdies die beschwerdeführende Partei erst zum ersten Mal vor, dass sie sie aufgrund ihrer politischen Aktivitäten verfolgt wird. Auf Vorhalt antwortet sie ausweichend und überdies wenig überzeugend (BehV: In der Erstbefragung am 09.11.2018 unter Einvernahme beim BFA am 04.03.2019 haben Sie nichts von politischen Aktivitäten im Iran angeführt. Weshalb haben Sie in diesen beiden Einvernahmen nichts angeführt? BF: Wenn ich politisch aktiv bin, werde ich im Iran bestraft bin und komme ins Gefängnis. Wenn ich konvertiere, werde ich aufgehängt, daher habe ich auf die Frage weshalb ich geflüchtet bin, gesagt das ich konvertiert bin. Ich bin mir sicher, dass mir gesagt wurde, wir werden keine Tonaufnahmen machen, aber ich weiß nicht ob Tonaufnahmen gemacht wurden oder nicht. Wenn es welche gibt, können Sie das nachhören. Ich habe sicher auch gesagt, dass ich politisch aktiv bin.). Es ist daher davon auszugehen, dass die beschwerdeführende Partei politisch unauffällig war, da nicht nachvollziehbar wäre, warum sie nicht bereits bei der niederschriftlichen Einvernahme hätte vorbringen sollen, dass sie politisch aktiv war. Zur Teilnahme an Demonstrationen siehe weiter unten.
Es ergaben sich während der Einvernahme zahlreiche Widersprüche und scheinen die Fluchtgründe bei jeder Einvernahme unterschiedlich erzählt und gewichtet, weshalb nachfolgend im Detail vor allem auf die Hauptfluchtgründe, wie sie in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vorgebracht wurden, eingegangen wird.
2.5.2. Zur Feststellung, dass die beschwerdeführende Partei weder auf einer Demonstration fotografiert hat noch ein Freund von ihr auf einer Demonstration umgekommen ist und die beschwerdeführende Partei auch nicht von den Behörden geschlagen oder gar festgenommen und gefoltert wurde:
Das Vorbringen der beschwerdeführenden Partei wurde bereits in Bezug auf die Rahmenangaben widersprüchlich geschildert: vor dem BFA schildert sie einerseits, dass sie alleine im Studentenheim gelebt habe (Bescheid S. 7). Wenig später (Bescheid S. 10, wir wohnten in einer Wohngemeinschaft zusammen; Unser WG-Zimmer wurde durchsucht) und vor dem Bundesverwaltungsgericht gab sie davon abweichend zu Protokoll, dass sie mit einem Freund zusammengelebt habe (Verhandlungsprotokoll OZ 12, S. 15), der auch erschossen worden sein soll. Die Schilderungen über diesen Freund, der laut Vorbringen erschossen worden war, waren äußerst vage bzw. Fragen zu ihm wurden ausweichend beantwortet (R: Was können Sie mir über Ihren Freund erzählen? BF: Ich durfte nicht mehr studieren, ich wurde gekündigt. Mein Freund hat weiter dort studiert und es war sein letztes Jahr. Es war das vierte Jahr seines Studiums und das letzte Jahr. Wir haben weiterhin zusammen gelebt. Da wir uns aus der Studienzeit gekannt haben, war er nicht dagegen, dass wir weiterhin zusammengewohnt haben. R: Erzählen Sie mir etwas über Ihren Freund? BF: Ich wusste das sein Vater Karam Ali heißt. Ich habe seine Familie persönlich nicht gekannt. Ich kenne meinen Freund nur von gemeinsamen Leben und Studienzeiten, mehr kenn ich ihn nicht.). Alleine aus dem Umstand, dass die beschwerdeführende Partei einen Artikel vorlegt, dass bei Demonstrationen von XXXX ein XXXX ums Leben kam, kann keine Beziehung zu diesem oder eine Wohngemeinschaft glaubhaft gemacht werden, vor allem, wenn Fragen über ihren angeblichen Mitbewohner und Freund letztlich unbeantwortet bleiben.
Aber auch die Schilderungen über die Demonstrationen sind unschlüssig, nicht nachvollziehbar sowie widersprüchlich und daher unglaubhaft: die beschwerdeführende Partei macht etwa sehr allgemeine Aussagen über die Situation bei der Demonstration, was nicht für eine erlebnisbasierte Schilderung spricht (Als ich die Schüsse gehört habe, bin ich weggelaufen, das ist normal und ich habe auch von anderen gehört, dass sie auf uns schiessen und wir weglaufen sollen.[...] Ich war nervös. Ich hatte Angst.). Wenn die beschwerdeführende Partei selbst die Schüsse hört, ist auch nicht nachvollziehbar, dass sie noch anfügt, dass sie von anderen hört, dass sie weglaufen sollen, weil geschossen wird. Die Situation danach ist außerdem detaillos geschildert, Stehsätze werden sogar wiederholt (Ich wusste nicht, was ich machen soll. Ich habe versucht, über verschiedene Straße zu entkommen, dass sie mich nicht finden. Ich wusste nicht was ich machen soll. Ich war mit anderen Personen 2 Stunden in einer Gasse und dann in einer anderen, wir wussten nicht, was wir machen sollten. Als ich wieder klar denken konnte, habe ich einen Freund angerufen und er hat mich abgeholt. Er hat mich mitgenommen und hat mich zu meinen Eltern gebracht.).
Die Fragen zum Inhalt und Aktivitäten auf der Demonstration werden wieder mit Allgemeinplätzen beantwortet bzw. wird versucht, der Frage mit einer Gegenfrage auszuweichen (R: Was haben Sie auf der Demonstration gemacht? BF: Sowie die anderen Teilnehmer. Ich wollte Gerechtigkeit. Ich habe auch das gesagt, was die anderen gesagt haben, "Tod für den Führer". Es waren genug Zivilbeamte dort. Sie haben Fotos gemacht und mit Gaspatronen geschmissen. Es war nicht die einzige Demonstration. Seit 2 Monaten gab es Demonstration. Bei einer anderen Demonstration bin ich von einem Beamten geschlagen worden. R: Erzählen Sie mir von der anderen Demonstration? BF: Die Demonstration haben begonnen vor dem iranischen neuen Jahr. Wenn ich genauer nachdenke, ist es 5 oder 6 Tage vor dem neuen Jahr passiert. Diese Demonstrationen waren sehr friedlich. Ich hatte meine Kamera mit und wollte Fotos von den Teilnehmern machen, auf einmal waren Beamte bei mir. R: Was ist da genau passiert? BF: Was wollen Sie noch wissen? Sie haben mich geschlagen und meine Kamera kaputt gemacht. Die Teilnehmer haben mich befreit und mir geholfen.). Im Gegensatz zur Vernehmung vor dem BFA sagt die beschwerdeführende Partei vor dem Bundesverwaltungsgericht auch, dass sie mit den Fotos der Demonstration nichts gemacht habe, weil die Kamera (durch Beamte) kaputt gemacht wurde (Verhandlungsprotokoll OZ 12, S. 18). Vor dem BFA behauptete sie im Widerspruch dazu, dass sie Fotos von den Demonstrationen im Internet veröffentlich hatte (vgl. Bescheid S. 10).
Es ist auch nicht glaubhaft, dass die beschwerdeführende Partei im Mai 2018 nach eigenen Angaben den Entschluss gefasst hat den Iran zu verlassen, aber erst am 22.10.2018 den Iran verlassen hat (Bescheid S. 8). Hätte sie tatsächlich Furcht vor einer Verfolgung gehabt, ist es nicht nachvollziehbar, dass sie noch fünf Monate im Iran bleibt.
Aufgrund dieser zahlreichen Widersprüche und Unplausibilitäten sowie der vagen Erzählweise ist die erkennende Richterin davon überzeugt, dass das Vorbringen der beschwerdeführenden Partei bezüglich der Demonstrationen und den damit einhergehenden behördlichen Handlungen ein gedankliches Konstrukt ist, das lediglich der Asylerlangung dienen soll.
2.5.3. Zum Vorbringen der Verfolgungsgefahr wegen der außerehelichen Beziehung zu XXXX :
Die Aussagen zu diesem Verfolgungsgrund sind äußerst unsubstantiiert. Bereits die Vorgeschichte der Erlangung von Fotos auf dem Laptop der beschwerdeführenden Partei durch die iranischen Behörden ist unglaubhaft: die beschwerdeführende Partei behauptet, dass das WG Zimmer nach dem Tod des Freundes und der Teilnahme an einer Demonstration durchsucht wurde. Da bereits diese Vorgänge als unglaubhaft gewertet werden (siehe dazu weiter oben), ist auch die damit im Zusammenhang stehende WG Zimmer Durchsuchung und das Auffinden von Fotos auf dem Laptop unglaubhaft. In der mündlichen Beschwerdeverhandlung erwähnt außerdem die beschwerdeführende Partei vorerst keine besonderen Vorkommnisse im Zusammenhang mit seiner ehemaligen außerehelichen Beziehung (R: Waren Sie im Iran verheiratet oder hatten Sie eine Beziehung zu jemandem? BF: Ich hatte nur eine Freundin. R: Wer war Ihre Freundin? BF: Sie heißt XXXX . Wir sind nicht mehr zusammen. R: Seit wann sind Sie getrennt? BF: Ein paar Monate, bevor ich Probleme bekommen habe. Wir sind oft zusammengekommen und haben uns wieder getrennt, es war nichts Neues für uns. R: Haben Sie noch Kontakt zu ihr? BF: Ein paar Monate bevor ich den Iran verlassen habe, haben wir den Kontakt abgebrochen.) Es ist nicht nachvollziehbar, dass die beschwerdeführende Partei an diesem Punkt nicht auch die Probleme, die sie angeblich mit der iranischen Behörde aufgrund der außerehelichen Beziehung befürchtet, erwähnt. Auch bei der etwas späteren einsetzenden Befragung zu den Fluchtgründen in der mündlichen Beschwerdeverhandlung wird nur zusammenhanglos und auch nicht übereinstimmend mit der Befragung vor dem BFA (dort spricht die beschwerdeführende Partei von Sex Videos; nicht erwähnt wird dort, dass sein Schwager sagt, dass ein Hr. XXXX nach ihm sucht, sondern, dass sein Schwager ihn festnehmen soll, Bescheid S. 10) von "Laptop Fotos mit der Tochter dieses Herrn XXXX " gesprochen. Die beschwerdeführende Partei macht zu diesem Vorbringen nur äußerst vage Ausführungen (Es gibt eine große Geschichte mit mir, mächtige Leute suchen nach mir. Der Bekannte meines Schwagers sagte auch, dass ein gewisser XXXX , Angehöriger des Militärs, nach mir sucht. Als ich das gehört habe, wusste ich, dass sie bei mir im Zimmer waren. Ich wusste, dass ich am Laptop Fotos mit der Tochter dieses Herrn XXXX hatte. Ich wusste, mein Leben ist in Gefahr. Deshalb habe ich beschlossen, zu meinem Freund nach Shiraz zu gehen und von dort hat mich ein anderer Freund abgeholt und ich bin woanders hingeflüchtet., Verhandlungsprotokoll S. 15). Es ist aufgrund dieser Erwägungen nicht glaubhaft, dass die beschwerdeführende Partei wegen einer außerehelichen Beziehung von den iranischen Behörden verfolgt wird. Auch bei diesem Erzählstrang ist in die Überlegungen mithineinzunehmen, dass die beschwerdeführende Partei angeblich bereits im Mai wusste, dass komprimierende Fotos gefunden worden waren, sie dennoch 5 Monate zuwartete bis sie den Iran verließ (Bescheid S. 10).
2.5.4. Zur Feststellung, dass die beschwerdeführende Partei nicht den inneren Entschluss gefasst hat, ernstlich nach dem Christentum zu leben und eine Scheinkonversion vorliegt:
2.5.4.1. Bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion kommt es auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an (vgl. VwGH 26.3.2019, Ra 2018/19/0530, mwN). Zur Prüfbarkeit der inneren Überzeugung einer Konversion ist auf die ständige höchstgerichtliche Judikatur hinzuweisen (vgl. insbesondere VwGH 14.11.2007, 2004/20/0215). Der VwGH verlangt zur Feststellung, ob ein Antragsteller tatsächlich oder nur zum Schein konvertiert ist, eine schlüssige Gesamtbeurteilung. Elemente für eine solche Gesamtbeurteilung können sein: eine nähere Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten und seinem religiösen Grundwissen sowie eine konkrete Auseinandersetzung mit Angaben etwaiger Zeugen. Mangelndes religiöses Grundwissen kann für das Vorliegen einer Scheinkonversion sprechen, ist aber nicht ausreichend. Die aktuelle höchstgerichtliche Rechtsprechung setzt diese Judikaturlinie fort (vgl. VfGH 27.02.2018, E2958/2017, VwGH vom 20.06.2017, Ra 2017/01/0076, VwGH vom 25.02.2019, Ra 2019/19/0017, VwGH vom 30.09.2019, Ra 2019/20/0437, VwGH vom 11.12.2019, Ra 2019/20/0538). Daraus haben sich Kriterien zur Überprüfbarkeit der inneren Überzeugung einer Konversion entwickelt, wie etwa die Motivation für den Religionswechsel, welche Rolle die Religion im früheren Leben des Asylsuchenden gespielt hat und wie intensiv er sich damit auseinandergesetzt hat, der Zeitpunkt der Konversion, die Taufe sowie der Ablauf des Konversionsprozesses, die Kenntnisse über die neue Religion bzw. das Christentum, Zeugenberichte von Amtsträgern christlicher Einrichtungen sowie insbesondere die religiöse Aktivität des Asylsuchenden aber auch die generelle Glaubwürdigkeit des Asylsuchenden im Verfahren, welche stets in einer Gesamtschau zu beurteilen sind, und die es den Gerichten und Behörden ermöglichen können zu eruieren, ob ein Asylsuchender tatsächlich aus innerer Überzeugung zum Christentum konvertiert ist bzw. das Christentum seine Identität nachhaltig geprägt hat.
In Bezug auf die asylrechtliche Relevanz einer Konversion zum Christentum ist entscheidend, ob der Fremde bei weiterer Ausübung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden (vgl. VwGH 23.6.2015, Ra 2014/01/0210, mwN; VwGH vom 07.05.2018, Ra 2018/20/0186).
Ähnlich wie der VwGH fordert auch der VfGH, dass, sobald auf Grund äußerer Tatsachen ein Wechsel der Religion aus innerer Überzeugung nicht unwahrscheinlich ist, sich das Gericht auf Grund einer ausführlichen Beurteilung der Persönlichkeit und aller Umstände der persönlichen Glaubwürdigkeit sowie darauf aufbauend einer ins Einzelne gehenden Beweiswürdigung und allenfalls der Einvernahme von Personen, die Auskunft über den Glaubenswechsel und die diesem zugrunde liegenden Überzeugungen geben können, einen detaillierten Eindruck darüber verschaffen muss, inwieweit der Religionswechsel auf einer persönlichen Glaubensentscheidung beruht; dies selbst dann, wenn sich der Asylwerber zunächst auf unwahre Angaben betreffend seinen Fluchtgrund gestützt hat (Hinweis E des