Entscheidungsdatum
22.05.2020Norm
BVergG 2018 §12 Abs1Spruch
W187 2230981-1/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hubert REISNER über den Antrag der AAAA vertreten durch die Buchberger Ettmayer Rechtsanwälte GmbH, Porzellangasse 51, 1090 Wien, auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung betreffend das Vergabeverfahren „?CT Gerät, GZ: TUG_OVV012020“ der Auftraggeberin Technische Universität Graz, Rechbauerstraße 12, 8010 Graz, vom 14. Mai 2020 beschlossen:
A)
Das Bundesverwaltungsgericht gibt dem Antrag der AAAA , „mittels einstweiliger Verfügung die Erteilung des Zuschlages für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens untersagen“, gemäß §§ 350 Abs 1, 351 Abs 1, 3 und 4 BVergG 2018 statt.
Das Bundesverwaltungsgericht untersagt der Auftraggeberin Technische Universität Graz für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens im Vergabeverfahren „?CT Gerät, GZ: TUG_OVV012020“, den Zuschlag zu erteilen.
B)
DIE REVISION IST GEMÄß ART 133 ABS 4 B-VG NICHT ZULÄSSIG.
Text
BEGRÜNDUNG
I. Verfahrensgang
1. Mit Schriftsatz vom 14. Mai 2020 beantragte die AAAA vertreten durch die Buchberger Ettmayer Rechtsanwälte GmbH, Porzellangasse 51, 1090 Wien, in der Folge Antragstellerin, die Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung, die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens, die Akteneinsicht, die Ausnahme von der Akteneinsicht in das eigene Angebot, die Erlassung einer einstweiligen Verfügung wie im Spruch unter A) wiedergegeben und den Ersatz der Pauschalgebühr. Die Anträge betreffen das Vergabeverfahren „?CT Gerät, GZ: TUG_OVV012020“ der Auftraggeberin Technische Universität Graz, Rechbauerstraße 12, 8010 Graz.
1.1 Nach Darstellung des Sachverhalts, Angaben zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts, der Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung, und Angaben zur Rechtzeitigkeit gibt die Antragstellerin an, sich in ihrem Recht auf Zuschlagserteilung, in ihrem Recht auf eine Zuschlagsentscheidung zu ihren Gunsten, in ihrem Recht auf Gleichbehandlung und Transparenz im Vergabeverfahren und Sicherstellung eines fairen Bieterwettbewerbs durch Festlegung von LAFO-Bedingungen, die vergleichbare Angebote ermöglichen, in ihrem Recht auf gesetzeskonforme, vollständige und transparente Angebotsprüfung (inkl. ausreichender Dokumentation), in ihrem Recht auf Unterbleiben einer Zuschlagsentscheidung zugunsten eines – wegen Nichterfüllung des technischen Zusatzkriteriums „40-fach Objektiv“ – auszuscheidenden Angebotes der BBBB , in ihrem Recht auf Unterbleiben einer Zuschlagsentscheidung zugunsten eines – wegen unzureichender technischer Leistungsfähigkeit – auszuscheidenden Angebotes der BBBB , in ihrem Recht auf Unterbleiben einer Zuschlagsentscheidung zugunsten eines – aufgrund des unplausibel hohen Kooperationsnachlasses und damit nicht plausibel zusammengesetzten Gesamtpreises – auszuscheidenden Angebotes der BBBB , in ihrem Recht auf eine abschließende Prüfung der Angebote vor Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung in vollständiger und vergaberechtskonformer Weise, insbesondere Prüfung der vom präsumtiven Zuschlagsempfänger vollständig vorzulegenden Eignungsnachweise sowie Durchführung einer gebotenen vertieften Angebotsprüfung bei auffallend hohen und sachlich nicht nachvollziehbaren (sachfremden) Kooperationsnachlässen, in ihrem Recht auf gesetzeskonforme Durchführung und Beendigung des Vergabeverfahrens verletzt zu erachten. Der Schaden bestehe im Verlust des Auftrags und des Gewinns sowie dem Verlust eines Referenzprojekts für zukünftige Ausschreibungen. Das Interesse am Vertragsabschluss habe die Antragstellerin durch Teilnahme die Angebotslegung, die Teilnahme an den Verhandlungsrunden und durch die Bekämpfung der Zuschlagsentscheidung dargetan.
1.2 Als Gründe für die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung gibt sie im Wesentlichen an, dass die Auftraggeberin entweder entgegen § 88 Abs 2 letzter Satz BVergG den verbliebenen Bietern unterschiedliche Bedingungen für das „last and final offer“ (Letztangebot) vorgegeben habe, oder soweit die für das LAFO der Antragstellerin festgelegten Zusatzanforderungen auch für die BBBB festgelegt worden sein sollten, vergaberechtswidrig nicht berücksichtigt habe, dass das Angebot der BBBB nicht sämtliche mit der zweiten Verhandlungsrunde insgesamt festgelegte Zusatzanforderungen erfülle (wie insbesondere das technische Zusatzkriterium „40-fach Objektiv“), welche gemäß Aufforderung zur Legung des „last and final offer“ als zusätzliche Ausschreibungskriterien gälten, die Auftraggeberin die technische Leistungsfähigkeit der präsumtiven Zuschlagsempfängerin angenommen habe, obwohl die präsumtive Zuschlagsempfängerin die drei erforderlichen Referenzprojekte nicht vorweisen könne und deshalb auszuscheiden gewesen wäre, die Auftraggeberin trotz eines nicht nachvollziehbaren, sachfremden und spekulativen Kooperationsnachlass des Angebots der präsumtiven Zuschlagsempfängerin keine vertiefte Angebotsprüfung gemäß § 137 BVergG 2018 durchgeführt habe.
1.3 Unterschiedliche Bedingungen für das LAFO führten dazu, dass die auf dieser Basis gelegten Angebote nicht vergleichbar seien und der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Bieter verletzt sei. Der Auftraggeber sei verpflichtet, allen Bietern die gleichen Bedingungen für das LAFO zu Grunde zu legen. Die Vergleichbarkeit von Letztangeboten liege jedoch nicht vor, wenn Bieter jeweils auf Basis der mit ihnen geführten Verhandlungen zur Legung von Letztangeboten aufgefordert würden. Die Antragstellerin sei aufgefordert worden, auf Basis der zweiten Verhandlungsrunde und der veröffentlichten Ausschreibungsunterlagen ihr Letztangebot abzugeben. In den mit dieser Aufforderung an die Antragstellerin übermittelten Ausschreibungsunterlagen zum „last and final offer“ selbst sei jedoch keine einzige der in den Verhandlungsrunden festgelegten Zusatzanforderungen der Auftraggeberin (aus den Verhandlungen mit der Antragstellerin) abgebildet worden, die LAFO-Ausschreibungsunterlagen seien im Vergleich zu den ursprünglichen Ausschreibungsunterlagen im Wesentlichen unverändert geblieben. Erst mit der Zuschlagsentscheidung sei für die Antragstellerin ersichtlich gewesen, dass neben ihr offenbar auch eine zweite Bieterin zur Letztangebotslegung aufgefordert worden sei. Es sei nicht davon auszugehen, dass dieser Aufforderung zur Letztangebotslegung an die in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin auch dieselben Zusatzanforderungen wie der Antragstellerin zugrunde gelegt worden seien. Vielmehr liege der im Nachprüfungsverfahren zu überprüfende Schluss nahe, dass die Auftraggeberin die verbleibenden Bieter auf Basis völlig unterschiedlicher Bedingungen zur Letztangebotslegung aufgefordert habe. Damit hätte sie jedoch gegen § 88 Abs 2 letzter Satz BVergG verstoßen, da die Vergleichbarkeit der eingelangten Letztangebote nicht mehr gegeben sei. Daher sei die Zuschlagsentscheidung rechtswidrig.
1.4 Sei die in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin zu denselben LAFO-Bedingungen wie die Antragstellerin zur Legung eines Letztangebots aufgefordert worden, sie das Angebot der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin aufgrund der Nichterfüllung der in den Verhandlungsrunden mit der Antragstellerin festgelegten Zusatzanforderungen auszuscheiden gewesen, da nur die Antragstellerin – nach ihrer Marktkenntnis – diese anbieten könne. Die Zuschlagsentscheidung sei rechtswidrig.
1.5 Nach dem Kenntnisstand der Antragstellerin könne die in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin die in Punkt 5.3.2. der Ausschreibungsunterlage geforderten drei Referenzprojekte nicht nachweisen. In dem Schreiben vom 13. Mai 2020 habe die Auftraggeberin ausgeführt, dass die in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin sie zur Geheimhaltung der nicht veröffentlichten Spezifikationen 2. Generation des „ XXXX “ Gerätes aufgefordert habe. Nach der Marktkenntnis der Antragstellerin sei davon auszugehen, dass die in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin die drei vergleichbaren Referenzprojekte nicht nachweisen könne. Wie der Antragstellerin bekannt sei, sei die in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin in einem Österreichischen Vergabeverfahren mit einem sehr ähnlichen Leistungsgegenstand auszuscheiden gewesen, weil sie die dort geforderten drei vergleichbaren Referenzprojekte nicht habe nachweisen können. Das Angebot der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin sei daher mangels technischer Leistungsfähigkeit auszuscheiden.
1.6 Nach den Auskünften der Auftraggeberin habe die in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin einen spekulativ überhöhten Nachlass für eine Option auf Entwicklungszusammenarbeit angeboten, der iSd § 137 Abs 2 Z 3 BVergG zumindest begründete Zweifel an der Angemessenheit dieses Nachlasses hervorrufen hätte müssen und zu einer vertieften Angebotsprüfung hätte führen müssen. Daher erweise sich die Angebotsprüfung als nicht abgeschlossen und die Zuschlagsentscheidung als rechtswidrig.
1.7 Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung führt die Antragstellerin im Wesentlichen aus, dass die Auftraggeberin das Vergabeverfahren fortsetzen und den Zuschlag erteilen könne, da dem Nachprüfungsantrag keine aufschiebende Wirkung zukomme. Die Antragstellerin erhob ihr Vorbringen zum Nachprüfungsantrag zum Vorbringen zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens. Einer einstweiligen Verfügung auf Untersagung der Zuschlagserteilung stünden keine schwerwiegenden, möglicherweise geschädigten Interessen der sonstigen Bieter oder der Auftraggeberin sowie kein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der einstweiligen Fortführung des Vergabeverfahrens entgegen. Die Auftraggeberin hätte die Dauer eines Nachprüfungsverfahrens bei der Planung des Vergabeverfahrens berücksichtigen müssen. Dem provisorischen Rechtsschutz sei der Vorrang einzuräumen. Dabei sei auch das öffentliche Interesse an der Zuschlagserteilung an den tatsächlichen Bestbieter zur berücksichtigen. Es überwiege das Interesse der Antragstellerin an der Erlassung der einstweiligen Verfügung. Bei der Untersagung der Zuschlagserteilung für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens handle es sich um die im derzeitigen Verfahrensstadium notwendige und gelindeste Maßnahme, um eine unumkehrbare Schädigung der Interessen der Antragstellerin zu verhindern.
2. Mit Schriftsatz vom 20. Mai 2020 erhob die BBBB vertreten durch die Ankershofen Goëss Hinteregger Rechtsanwälte OG, Plankengasse 7, 1010 Wien, in der Folge in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin, begründete Einwendungen und nahm zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung Stellung. Darin führt sie nach Darstellung des Sachverhalts im Wesentlichen aus, dass keine von den ursprünglichen Mindestanforderungen und Zuschlagskriterien abweichende Zusatzanforderungen, auch nicht technischer Natur, festgelegt worden seien. Das technische Anforderungsprofil sei bis zum Schluss ident geblieben. In den Verhandlungsgesprächen seien lediglich die Kompatibilität der zu liefernden Gerät mit dem Leistungsverzeichnis der Auftraggeberin erörtert worden, ohne dabei jedoch die Kriterien und das Anforderungsprofil der Auftraggeberin zu ändern. Die Auftraggeberin habe darauf hingewiesen, dass Änderungen die das Leistungsverzeichnis beträfen, allen Verfahrensteilnehmern bekannt gegeben werden müssten. Gemäß §88 Abs 2 BVergG werde lediglich gefordert, dass die Vergleichbarkeit der Angebote sichergestellt werden müsse. Es genüge die objektive Vergleichbarkeit der Angebote. Die Angebote müssten lediglich den Anforderungen der Ausschreibung genügen, um einen objektiven Vergleich zu ermöglichen. Dies sei erfüllt. Die in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin erfülle mit all ihren Angeboten sämtliche technischen Anforderungen gemäß der Ausschreibung. Woher die Antragstellerin ihre Marktkenntnis beziehe, sei der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin nicht nachvollziehbar. Es bezögen sich technische Errungenschaften und Leistungsfähigkeiten auf Geschäftsgeheimnisse. Die Unkenntnis der Antragstellerin über die konkreten technischen Parameter der Produkte der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin führten nicht zur Rechtswidrigkeit der Zuschlagsentscheidung. Bezüglich der Referenzen fehle substantiiertes Vorbringen. Die in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin habe im Jahr 2020 an keiner weiteren Ausschreibung teilgenommen. Sie habe die Referenzen nachweisen können. Der Behauptung eines spekulativ überhöhten Nachlasses liege eine bloße Vermutung zugrunde. Das Angebot sei lege artis kalkuliert worden. Die in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge den Nachprüfungsantrag mangels Rechtswidrigkeit der Zuschlagsentscheidung als unzulässig zurückweisen bzw abweisen, den Antrag auf Ersatz der Pauschalgebühren als unzulässig zurückweisen bzw abweisen, die Wahrung der Geschäftsgeheimnisse der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin sicherstellen und dies auch bei der Gewährung von Akteneinsicht berücksichtigen. Obwohl der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin keine Parteistellung im Verfahren einer Erlassung einer einstweiligen Verfügung zukomme, regt sie an, auch den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung der Antragstellerin als unzulässig zurück- bzw abzuweisen, zumal bereits der Nachprüfungsantrag samt Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung unbegründet und unzulässig sei.
1.3 Am 20. Mai 2020 legte die Auftraggeberin die Unterlagen des Vergabeverfahrens vor und erteilte allgemeine Auskünfte zum Vergabeverfahren.
1.4 Am 20. Mai 2020 nahm die Auftraggeberin zu dem Nachprüfungsantrag Stellung. Nach der Darstellung des Ablaufs des Vergabeverfahrens führt sie im Wesentlichen aus, dass beiden Bietern in der zweiten Verhandlungsrunde mitgeteilt worden sei, dass die Bewertung der endgültigen Angebote auf Basis der in den allgemeinen Ausschreibungsbedingungen bekanntgegebenen Bewertungs- und Zuschlagskriterien durchgeführt werde. Es seien zu keinem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens zusätzliche oder von den bekanntgegebenen Bewertungs- und Zuschlagskriterien abweichende Kriterien für die Vergabe festgelegt worden. Die von der Antragstellerin vorgebrachten in der zweiten Verhandlungsrunde besprochenen Wünsche und Vorstellungen der Auftraggeberin hätten sich nicht in der Punktebewertung niedergeschlagen und untermauerten die Annahme, dass die Bieter bewusst ein Angebot abgegeben hätten, das weit über den Mindestkriterien liege. Die mit der Antragstellerin behaupteten unterschiedlichen Bedingungen seien lediglich durch die in den Verhandlungsrunden besprochenen Optimierungen erklärbar, die aber kein Mindesterfordernis für das abzugeben endgültige Angebot dargestellt hätten. Die von der Antragstellerin erwähnten Zusatzkriterien stellten kein zusätzliches Mindest- oder Bewertungskriterium, sondern lediglich eine in der Verhandlung besprochenen Optimierung dar. Die Zuschlagsentscheidung beruhe auf den Bewertungs- und Zuschlagskriterien in der Ausschreibung, weshalb der Grundsatz der Gleichbehandlung nicht verletzt sei. Die Behauptung, dass die in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin die Referenzen nicht habe nachweisen können, sei unrichtig. Die Prüfung der Preise der Angebote habe die aufgrund der Markterkundung zu erwartenden Preise ergeben. Ein Anlass für eine vertiefte Angebotsprüfung sei auch deshalb nicht vorgelegen, weil die abgegebenen Nettopreise sowie die Summe der in Abzug gebrachten unterschiedlichen Nachlässe einen ähnlichen Wert aufwiesen. Die Zuschlagsentscheidung sei daher rechtskonform getroffen worden. Aus Sicht der Auftraggeberin könne eine mündliche Verhandlung entfallen, weil bereits aus der Aktenlage ersichtlich sei, dass die Zuschlagsentscheidung rechtmäßig sei. Die Auftraggeberin beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge den Nachprüfungsantrag abweisen, die Zuschlagsentscheidung für rechtswirksam erklären, Akteneinsicht nur in nicht vertrauliche Teile der Unterlagen gewähren, die Anträge auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Ersatz der Pauschalgebühr abweisen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen
1. Feststellungen (Sachverhalt)
1.1 Die Technische Universität Graz schreibt unter der Bezeichnung „?CT Gerät, GZ: TUG_OVV012020“ einen Lieferauftrag mit dem CPV-Code 38500000-0 – Apparate und Geräte zum Prüfen und Testen im Oberschwellenbereich in einem Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung nach dem Bestangebotsprinzip aus. Der geschätzte Auftragswert beträgt € 1.200.000 ohne USt. (Angaben der Auftraggeberin; Unterlagen des Vergabeverfahrens)
1.2 Die Auftraggeberin lud nach einer Markterkundung vier Unternehmer zur Legung eines Angebots ein. Zwei Bieter gaben Angebote ab. Es fanden mit beiden Bietern eine Verhandlungsrunde statt. Die Bieter gaben ein weiteres Angebot ab. Darüber fand eine weitere Verhandlungsrunde statt, nach der die Bieter zur Abgabe eines Letztangebots aufgefordert wurden. Die Öffnung der Letztangebote erfolgte am 27. April 2020, 11.39 Uhr, ohne Anwesenheit von Vertreter von Bietern. Dabei wurden folgende Angebote mit den genannten Angebotspreisen ohne USt geöffnet:
? ?AAAA € 1.261.500, --
? ?BBBB € 1.200.000, --
(Angaben der Auftraggeberin; Unterlagen des Vergabeverfahrens)
1.3 Am 4. Mai 2020 teilte die Auftraggeberin allen Bietern die Zuschlagsentscheidung zu Gunsten der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin mit. Die an die Antragstellerin ergangene Zuschlagsentscheidung lautet wie folgt:
„…
Sehr geehrte Damen und Herren,
für die Zusendung Ihres Angebotes und die damit verbundene Mühe danken wir Ihnen. Wir teilen Ihnen mit, dass
• der Zuschlag aus folgenden Gründen nicht auf Ihr Angebot erteilt werden kann:
Wir bedauern Ihnen mitteilen zu müssen, dass nach gründlicher und gewissenhafter Bewertung der abgegebenen Angebote, Ihr Angebot nicht die höchste Punktzahl erhielt.
Im Anhang übermitteln wir die Bewertung des Angebotes mit der höchsten Punktzahl und die Bewertung Ihres Angebotes.
• es beabsichtigt ist den Zuschlag wie folgt zu erteilen:
BBBB - XXXX - 1.200.000,00 - Der Bestbieter erhielt nach den in den Ausschreibungsbedingungen TUG_OVV012020 bekanntgegebenen Kriterien die höchste Puntzahl
• Ende der Stillhaltefrist:
14.05.2020
• Weitere Angaben:
Mit freundlichen Grüßen
Technische Universität Graz
…“
(Angaben der Auftraggeberin; Zuschlagsentscheidung in den Unterlagen des Vergabeverfahrens)
1.4 Die Auftraggeberin hat weder das Vergabeverfahren widerrufen noch den Auftrag vergeben. (Angaben der Auftraggeberin; Unterlagen des Vergabeverfahrens)
1.5 Die Antragstellerin bezahlte Pauschalgebühren in der Höhe von € 3.240. (Verfahrensakt)
2. Beweiswürdigung
2. Dieser Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus den jeweils in Klammern genannten Quellen. Diese sind Veröffentlichungen und die Unterlagen des Vergabeverfahrens, sowie Auskünfte, die nur die Auftraggeberin erteilen kann. Auskünfte und Unterlagen der Antragstellerin betreffen ebenso ausschließlich mit der Auftraggeberin gemeinsame Dokumente. Die Echtheit und Richtigkeit von in den Schriftsätzen herangezogenen Unterlagen hat keine der Verfahrensparteien bestritten. Die herangezogenen Beweismittel sind daher echt. Ihre inhaltliche Richtigkeit steht außer Zweifel. Widersprüche traten nicht auf.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1 Anzuwendendes Recht
3.1.1 Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes – BVwGG, BGBl I 2013/10, idF BGBl I 2019/44 lauten:
„Einzelrichter
§ 6. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.“
3.1.2 Die maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes – VwGVG, BGBl I 2013/33 idF BGBl I 2018/57, lauten:
„Anwendungsbereich
§ 1. Dieses Bundesgesetz regelt das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.
…
Erkenntnisse
§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) …
Beschlüsse
§ 31. (1) Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss.
(2) An seine Beschlüsse ist das Verwaltungsgericht insoweit gebunden, als sie nicht nur verfahrensleitend sind.
(3) Auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.
…“
3.1.3 Die einschlägigen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabegesetz 2018 – BVergG 2018), BGBl I 2018/65 idF BGBl II 2019/91, lauten:
„4. Teil
Rechtsschutz vor dem Bundesverwaltungsgericht
1. Hauptstück
Zuständigkeit, fachkundige Laienrichter, Ausschluss und Ablehnung
Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes
§ 327. Das Bundesverwaltungsgericht ist zuständig zur Entscheidung über Anträge wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens eines Auftraggebers in den Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens, soweit es sich um Auftraggeber handelt, die gemäß Art. 14b Abs. 2 Z 1 B-VG in den Vollziehungsbereich des Bundes fallen.
Senatszuständigkeit und -zusammensetzung
§ 328. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet in den Angelegenheiten des § 327, soweit es sich nicht um die Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Einbringung eines Feststellungsantrags, über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die Entscheidung über den Gebührenersatz oder die Entscheidung über eine Verfahrenseinstellung nach Zurückziehung eines Nachprüfungs- oder Feststellungsantrages handelt, in Senaten.
(2) …
2. Hauptstück
Besondere Bestimmungen über das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichtes
1. Abschnitt
Allgemeine Bestimmungen
Anzuwendendes Verfahrensrecht
§ 333. Soweit in diesem Bundesgesetz und im Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, nichts anderes bestimmt ist, sind die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles in den Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nach diesem Bundesgesetz sinngemäß anzuwenden.
Zuständigkeit
§ 334. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Abschnittes über Anträge zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren (2. Abschnitt), zur Erlassung einstweiliger Verfügungen (3. Abschnitt) und zur Durchführung von Feststellungsverfahren (4. Abschnitt). Derartige Anträge sind unmittelbar beim Bundesverwaltungsgericht einzubringen.
(2) Bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens ist das Bundesverwaltungsgericht zum Zwecke der Beseitigung von Verstößen gegen dieses Bundesgesetz und die hierzu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht zuständig
1. zur Erlassung einstweiliger Verfügungen, sowie
2. zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen des Auftraggebers im Rahmen der vom Antragsteller geltend gemachten Beschwerdepunkte.
(3) …
2. Abschnitt
Nachprüfungsverfahren
Einleitung des Verfahrens
§ 342. (1) Ein Unternehmer kann bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zur Widerrufserklärung die Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung des Auftraggebers im Vergabeverfahren wegen Rechtswidrigkeit beantragen, sofern
1. er ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Vertrages behauptet, und
2. ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.
(2) …
3. Abschnitt
Einstweilige Verfügungen
Antragstellung
§ 350. (1) Das Bundesverwaltungsgericht hat auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs. 1 nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.
(2) Der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat zu enthalten:
1. die genaue Bezeichnung des betreffenden Vergabeverfahrens, der gesondert anfechtbaren Entscheidung sowie des Auftraggebers, des Antragstellers und gegebenenfalls der vergebenden Stelle einschließlich deren elektronischer Adresse,
2. eine Darstellung des maßgeblichen Sachverhaltes sowie des Vorliegens der in § 342 Abs. 1 genannten Voraussetzungen,
3. die genaue Bezeichnung der behaupteten Rechtswidrigkeit,
4. die genaue Darlegung der unmittelbar drohenden Schädigung der Interessen des Antragstellers und eine Glaubhaftmachung der maßgeblichen Tatsachen,
5. die genaue Bezeichnung der begehrten vorläufigen Maßnahme und
6. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob der Antrag rechtzeitig eingebracht wurde.
(3) …
Erlassung der einstweiligen Verfügung
§ 351. (1) Vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat das Bundesverwaltungsgericht die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers, der sonstigen Bewerber oder Bieter und des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.
(2) Ein entgegen einer Anordnung in einer einstweiligen Verfügung erteilter Zuschlag, erfolgter Abschluss einer Rahmenvereinbarung bzw. erklärter Widerruf des Vergabeverfahrens ist absolut nichtig bzw. unwirksam.
(3) Mit einer einstweiligen Verfügung können das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen des Auftraggebers bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.
(4) In einer einstweiligen Verfügung ist die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über den Antrag auf Nichtigerklärung außer Kraft, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, sobald die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, nach Ablauf der bestimmten Zeit fortbestehen.
(5) Einstweilige Verfügungen sind sofort vollstreckbar.“
3.2 Zu Spruchpunkt A) –Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung
3.2.1 Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und Zulässigkeit des Antrages
3.2.1.1 Auftraggeberin im Sinne des § 2 Z 5 BVergG 2018 ist die Technische Universität Graz. Sie ist öffentliche Auftraggeberin gemäß § 4 Abs 1 Z 2 BVergG 2018 (st Rspr zB BVwG 31. 1. 2014, W139 2000171-1/34E; 12. 3. 2020, W139 2224102-2/33E; BVA 2. 5. 2011, N/0021-BVA/10/2011-33; 15. 3. 2012, N/0006-BVA/12/2012-29). Bei der gegenständlichen Ausschreibung handelt es sich um einen Lieferauftrag gemäß § 6 BVergG 2018. Der geschätzte Auftragswert des Gesamtvorhabens liegt jedenfalls über dem relevanten Schwellenwert des § 12 Abs 1 Z 3 BVergG 2018, sodass gemäß § 12 Abs 1 BVergG 2018 ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich vorliegt.
3.2.1.2 Der gegenständliche Beschaffungsvorgang liegt somit im sachlichen und persönlichen Geltungsbereich und damit im Vollanwendungsbereich des BVergG. Die allgemeine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Überprüfung des Vergabeverfahrens und zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren entsprechend § 342 Abs 2 BVergG 2018 iVm Art 14b Abs 2 Z 1 lit d B-VG ist sohin gegeben.
3.2.1.3 Da darüber hinaus laut Stellungnahme des Auftraggebers das Vergabeverfahren nicht widerrufen und der Zuschlag noch nicht erteilt wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht damit gemäß § 342 Abs 2 BVergG 2018 zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen des Auftraggebers und zur Erlassung einstweiliger Verfügungen zuständig.
3.2.1.4 Schließlich geht das Bundesverwaltungsgericht vorläufig davon aus, dass der Antragstellerin die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs 1 BVergG 2018 nicht offensichtlich fehlen. Der Nachprüfungsantrag wurde rechtzeitig eingebracht. Er enthält alle in § 344 Abs 1 BVergG 2018 geforderten Inhalte.
3.2.1.5 Im Ergebnis ist daher vorläufig davon auszugehen, dass der Antrag auf Erlassung der begehrten einstweiligen Verfügung gemäß § 350 Abs 1 BVergG 2018 zulässig ist, wobei auch die Voraussetzungen des § 350 Abs 2 BVergG 2018 vorliegen.
3.2.2 Inhaltliche Beurteilung des Antrages
3.2.2.1 Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 351 Abs 1 BVergG 2018 sowie auch im Hinblick auf die zu verfügende einstweilige Maßnahme ist zunächst darauf Bedacht zu nehmen, dass von Seiten der Auftraggeberin die Zuschlagserteilung beabsichtigt ist. Es kann aus der Sicht des Provisorialverfahrens nicht ausgeschlossen werden, dass die von der Antragstellerin relevierten Rechtswidrigkeiten zutreffen und sie daher an einem sodann rechtmäßigen Verfahren erfolgreich teilnehmen wird können, wodurch ihr auf Grund der behaupteten Rechtswidrigkeiten der Entgang des Auftrages mit allen daraus erwachsenden Nachteilen droht. Mit der vorliegenden einstweiligen Verfügung müssen daher – bei Nichtüberwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung gemäß § 351 Abs 1 BVergG 2018 – Maßnahmen getroffen werden, die eine spätere den Grundprinzipien des Vergaberechts entsprechende Teilnahme am Vergabeverfahren über die ausgeschriebenen Leistungen und eine Zuschlagserteilung ermöglicht. Zur wirksamen Sicherung dieser möglicherweise bestehenden Ansprüche muss daher das Verfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache durch das Bundesvergabeamt in einem Stand gehalten werden, der eine allfällige spätere Zuschlagserteilung an die Antragstellerin ermöglicht (BVwG 29. 1. 2015, W187 2017416-1/3E).
3.2.2.2 Die Interessen der Antragstellerin bestehen im Wesentlichen in der Abwendung des drohenden Schadens und im Erhalt des Auftrags.
3.3.2.3 Die Auftraggeberin sprach sich gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung im Wesentlichen deshalb aus, weil die Zuschlagsentscheidung rechtmäßig sei und das Nachprüfungsverfahren aufgrund der Aktenlage entschieden werden könne. die in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin sprach sich aus ähnlichen Gründen gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung aus.
3.2.2.4 Bei der Interessenabwägung ist schließlich auf die allgemeinen Interessen und Grundsätze Rücksicht zu nehmen, dass der Auftraggeber bei seiner zeitlichen Planung des Beschaffungsvorganges die Dauer eines allfälligen Rechtsschutzverfahrens mit einzukalkulieren hat (siehe zB BVwG 22. 8. 2014, W187 2010665-1/11E; 11. 7. 2017, W187 2163208-1/3E), dass das öffentliche Interesse an der Sicherstellung der Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter zu berücksichtigen ist (grundlegend VfGH 1. 8. 2002, B 1194/02) und schließlich dass gemäß § 329 Abs 1 BVergG von der Erlassung einer einstweiligen Verfügung nur dann abzusehen ist, wenn die Interessenabwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen ergibt (zB BVwG 2. 3. 2015, W187 2101270-1/6E; 19. 1. 2017, W187 2144680-1/2E). Es besteht ein Primat des vergaberechtlichen Primärrechtsschutzes (EuGH 9. 4. 2003, C-424/01, CS Austria, Rn 30, Slg 2003, I-3249).
3.2.2.5 Öffentliche Interessen, die eine sofortige Zuschlagserteilung erforderlich machen würden, machte die Auftraggeberin nicht geltend. Dem Bundesverwaltungsgericht sind auch keine ersichtlich.
3.2.2.6 Stellt man daher im vorliegenden Fall die Interessen der Antragstellerin den öffentlichen Interessen sowie den Interessen des Auftraggebers gegenüber, ergibt sich, dass im gegenständlichen Fall vom grundsätzlichen Überwiegen der für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen auszugehen ist. Dem Zweck des einstweiligen Rechtsschutzes, nämlich der Ermöglichung der Teilnahme an einem rechtskonformen Vergabeverfahren und einer Auftragserteilung an die allenfalls obsiegende Antragstellerin ist durch eine entsprechende Maßnahme Genüge zu leisten. Ungeachtet eines gesetzlichen Auftrags wäre die Auftraggeberin verpflichtet gewesen, die Dauer eines Nachprüfungsverfahrens bei ihrer Zeitplanung zu berücksichtigen. Die Erfolgsaussichten des Hauptantrags sind im Provisorialverfahren nicht prüfen (zB VwGH 4. 11. 2013, AW 2013/04/0045). Sie gehören nicht zu den Kriterien, die die für Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Aufträge zuständige Instanz berücksichtigen muss oder kann, wenn sie über einen Antrag auf vorläufige Maßnahmen gemäß Art 2 Abs 1 lit a RL 89/665/EWG entscheidet; die Rechtsmittelrichtlinie untersagt eine solche Berücksichtigung jedoch auch nicht (EuGH 9. 4. 2003, C-424/01, CS Austria, Rn 29). Sie sind nach dem zitierten Urteil des Europäischen Gerichtshofs nach Maßgabe der innerstaatlichen Vorschriften unter Beachtung des Äquivalenzgrundsatzes und des Effektivitätsgrundsatzes zu berücksichtigen. Erfasst sind jedenfalls Fälle, in denen der Nachprüfungsantrag formal unzulässig ist. Dieser Umstand liegt gegenständlich nicht vor. Die Rechtmäßigkeit der Prüfung und Bewertung der Angebote sowie der Durchführung des Vergabeverfahrens kann angesichts der kurzen Entscheidungsfrist im Provisorialverfahren nicht abschließen geklärt werden, vielmehr ist sie Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens (zB BVA 14. 11. 2012, N/0103-BVA/10/2012-EV12; 18. 3. 2013, N/0020-BVA-07/2013-EV8). Schließlich hätte die Auftraggeberin das Vergabeverfahren so rechtzeitig beginnen können, dass sie die Dauer eines Nachprüfungsverfahrens einberechnet hätte.
3.2.2.7 Zweck einer einstweiligen Verfügung ist es demnach, die dem Antragsteller bei Zutreffen seines Vorbringens drohenden Schäden und Nachteile abzuwenden, indem der denkmögliche Anspruch auf Zuschlagserteilung dadurch wirksam gesichert wird, dass das Verfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache in einem Stand gehalten wird, der eine allfällige Teilnahme der Antragstellerin am Vergabeverfahren ermöglicht. Dabei ist gemäß § 351 Abs 3 BVergG 2018 die jeweils gelindeste zum Ziel führende Maßnahme anzuordnen.
3.2.2.8 Bei der bevorstehenden Zuschlagserteilung ist das nötige und gelindeste Mittel gemäß § 329 Abs 3 BVergG die vorläufige Untersagung derselben (zB BVwG 19. 1. 2017, W187 2144680-1/2E; 17. 11. 2017, W187 2175977-1/3E; 10. 4. 2018, W187 2190113-1/3E). Es soll somit (lediglich) der Rechtsgestaltungsanspruch dahingehend gesichert werden, dass durch die einstweilige Verfügung verhindert werde, dass eine nachfolgende im Hauptverfahren erfolgte Nichtigerklärung unmöglich oder sonst absolut sinnlos wird (zB BVwG 10. 1. 2014, W187 2000170-1/11; 7. 8. 2017, W187 2165912-1/2E; 27. 2. 2018, W187 2186439-1/2E).
3.2.2.9 Durch die Begrenzung der einstweiligen Verfügung mit der Dauer des abzusichernden Nachprüfungsverfahrens wird die Dauer der einstweiligen Verfügung bestimmbar gemacht (Kodek in Angst/Oberhammer, Kommentar zur Exekutionsordnung³ [2015], § 391 Rz 2). Die Zeit bemisst sich nach der Dauer des Nachprüfungsverfahrens. § 351 Abs 4 BVergG 2018 verlangt lediglich die Festsetzung einer Zeit, legt im Gegensatz zu den Vorgängergesetzen keine Höchstfrist fest. Aus dem Zweck der einstweiligen Verfügung, der Absicherung eines effektiven Nachprüfungsverfahrens, ergibt sich, dass die einstweilige Verfügung für die gesamte Dauer des Nachprüfungsverfahrens erlassen werden soll und mit dieser Dauer durch das Gesetz überdies begrenzt ist. Der Auftraggeber ist durch eine derartige Bestimmung der Zeit nicht belastet, da die Entscheidungsfrist des Bundesverwaltungsgerichts davon nicht verlängert wird, sie jederzeit bei Wegfall der Voraussetzungen für die Erlassung der einstweiligen Verfügung deren Aufhebung beantragen kann und die einstweilige Verfügung mit der Entscheidung über den Nachprüfungsantrag außer Kraft tritt. Von der Bestimmung einer nach einem bestimmten Datum fest gesetzten Frist konnte daher abgesehen werden (zB BVwG 10. 1. 2014, W187 2000170-1/11; 4. 5. 2015, W187 2106525-1/2E; siehe auch VwGH 10. 12. 2007, AW 2007/04/0054).
3.2.2.10 Über den Antrag auf Ersatz der Pauschalgebühr wird gesondert entschieden werden.
3.3 Zu Spruchpunkt B) – Nichtzulassung der Revision
3.3.1 Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
3.3.2 Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl dazu VwGH 6. 11. 2002, 2002/04/0138; 30. 6. 2004, 2004/04/0028; 1. 2. 2005, 2005/04/0004; 29. 6. 2005, 2005/04/0024; 1. 3. 2007, 2005/04/0239; 27. 6. 2007, 2005/04/0254; 29. 2. 2008, 2008/04/0019; 14. 1. 2009, 2008/04/0143; 14. 4. 2011, 2008/04/0065; 29. 9. 2011, 2011/04/0153) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Dauer der Maßnahme drohende Schädigung einstweilige Verfügung Entscheidungsfrist gelindeste Maßnahme gelindestes Mittel Interessenabwägung Lieferauftrag Nachprüfungsantrag Nachprüfungsverfahren öffentliche Interessen öffentlicher Auftraggeber Provisorialverfahren Schaden Untersagung der Zuschlagserteilung Vergabeverfahren Zuschlagsverbot für die Dauer des NachprüfungsverfahrensEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W187.2230981.1.00Im RIS seit
16.09.2020Zuletzt aktualisiert am
16.09.2020